Nachfolgend erhaltet Ihr in Kooperation mit der Online Lernplattform Jura Online eine unverbindliche Lösungsskizze der im Juni 2015 gelaufenen ZR II Klausur in Hamburg. Mittels der Skizze soll es Euch möglich sein, Euch noch besser auf eure eigenen Klausuren vorzubereiten und die wesentlichen Problemkreise zu erfassen. An einigen Stellen der Lösungsskizzen verweist Jura Online auf eigene Vertiefungshinweise.
Bitte beachten:
Die Lösungsskizze ist absolut unverbindlich und erhebt keinerlei Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit oder Vollständigkeit. Sie beruht allein auf den uns zugesandten Gedächtnisprotokollen und soll allenfalls eine Richtschnur für eure eigenen Überlegungen sein. Bitte habt auch Verständnis dafür, dass wir oder Jura Online evtl. Fragen zu euren eigenen Klausurlösungen nicht beantworten können. Gleichwohl ist jeder herzlich eingeladen, sich im Kommentarbereich mit anderen Lesern auszutauschen. Wir werden versuchen, auf die ein oder andere Frage dort einzugehen.
Sachverhalt
Der J leiht sich von seiner Bekannten E einen Wohnwagen, um dort mit seinem Kumpel W synthetische Drogen herzustellen. E und J vereinbaren, dass J nur für grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz haften soll. Leicht fahrlässig beschädigen J und W den Wohnwagen der E beim Kochen. Es entsteht ein Brandschaden i.H.v. 2.200 Euro an der Wandverkleidung. E wendet sich an W, um den Schaden ersetzt zu bekommen. Dabei akzeptiert sieht zunächst, dass W den Schaden in Methamphetaminen begleicht. Später möchte die E aber doch lieber Schadensersatz in Geld. Da W nicht bereit ist, den Schaden in Geld zu begleichen, tritt die E gegen den Briefkasten des W (Schaden: 600 Euro) und erklärt, dass W diesen Betrag „von der Rechnung abziehen“ könne. W seinerseits tritt sodann gegen den Seitenspiegel am Pkw der E. Dabei entsteht ein Schaden i.H.v. 320 Euro am Spiegel, und die E könnte dem Pkw im Falle einer Reparatur für zwei Tage nicht nutzen. W äußert in diesem Zusammenhang, dass die E sich den Briefkasten anrechnen lassen müsse. Später wird die E in einen Verkehrsunfall verwickelt, beim dem der Spiegel ohnehin zerstört worden wäre.
Welche Ansprüche hat E gegen W?
Unverbindliche Lösungsskizze
A. W gegen E auf Schadensersatz i.H.v. 2.200 Euro bzgl. Wohnwagen
I. Vertragliche Ansprüche
(-); Arg.: Kein (Leih-)Vertrag zwischen E und W, sondern nur zwischen E und J.
II. §§ 989, 990 I BGB
(-); Arg.: W wohl nicht einmal Besitzer, sondern nur J.
III. § 823 I BGB
- Anspruch entstanden
a) Anwendbarkeit
(+); Arg.: Kein EBV (s.o.), also auch keine Sperrwirkung, § 993 BGB a.E.
b) Voraussetzungen
aa) Rechtsgutsverletzung
Hier: Eigentum der E
bb) Verletzungsverhalten des W
Hier: gemeinsame Bedienung des Gasherdes
cc) Zurechnung (+)
dd) Rechtswidrigkeit (+)
ee) Verschulden, § 276 BGB
Hier: (leichte) Fahrlässigkeit; keine Haftungsprivilegierung bei W.
c) Rechtsfolge: Schadensersatz, §§ 249 ff. BGB (+)
d) Kein Ausschluss
-> Grundsätze der gestörten Gesamtschuld
aa) Vorliegen einer gestörten Gesamtschuld
W und J wären Gesamtschuldner nach § 840 BGB bzw. § 421 BGB, wenn auch J aus demselben Lebenssachverhalt haftete. Gestört wäre die Gesamtschuld, wenn bei J aber eine Haftungsprivilegierung griffe. Daher sind hier inzidenter die Ansprüche E gegen J zu prüfen.
(1) § 280 I BGB
(a) Schuldverhältnis
Hier: Leihe, § 598 BGB
(b) Pflichtverletzung
Hier: Beschädigung der Wandverkleidung, § 241 II BGB
(c) Vertretenmüssen
– Eigentlich: Vorsatz und jede Fahrlässigkeit, § 276 BGB
– Aber: (wirksame) individualvertragliche Vereinbarung, dass nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit und Vorsatz gehaftet werde.
(d) Ergebnis: (-)
(2) § 823 I BGB
(-); Arg: scheitert ebenfalls an dem fehlenden Vertretenmüssen des J.
bb) Rechtsfolge
– aA: Wortlautlösung
-> volle Haftung des W
– aA: Lehre von der fingierten Gesamtschuld
-> volle Haftung des W (aber hälftiger Ausgleichsanspruch gegen J aus § 426 I, II BGB analog)
– hM: Kürzung im Außenverhältnis
-> Hälftige Haftung des W gegenüber E; Arg.: Gerechter Interessenausgleich.
e) Ergebnis: (+), aber nur i.H.v. 1.100 Euro
- Anspruch nicht erloschen
a) § 364 I BGB
(-); Arg.: Hingabe des Methamphetamin nichtig gem. § 134 BGB i.Vm. § 29 I Nr. 1 BtMG.
b) Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB
aa) Aufrechnungslage, § 387 BGB
(1) Gegenseitige Forderung
(a) Ansprüche der E gegen W (+), s.o.
(b) Ansprüche W gegen E
Hier: § 823 I BGB und § 823 II BGB i.Vm. § 303 StGB bzgl. des zerstörten Briefkastens.
(2) Gleichartigkeit der Forderungen (+)
(3) Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Gegenforderung (+)
(4) Erfüllbarkeit der Hauptforderung (+)
bb) Aufrechnungserklärung
Hier: durch E selbst („von der Rechnung abziehen“).
cc) Kein Ausschluss
Hier: wohl § 393 BGB; Arg.: Brandschaden zwar nicht vorsätzlich, aber Zerstörung des Briefkastens.
- Anspruch durchsetzbar (+)
- Ergebnis: (+), i.H.v. 1.110 Euro
IV. Weitere Ansprüche (-)
B. E gegen W auf Schadensersatz i.H.v. 320 Euro bzgl. Spiegel zzgl. Nutzungsausfall
I.§ 823 I BGB
- Anspruch entstanden
a) Rechtsgutsverletzung
Hier: Eigentum
b) Verletzungsverhalten
Hier: Tritt
c) Zurechnung
aa) Kausalität (+)
bb) Adäquanz
Hier: Reserveursache (Spiegel wäre bei späterem Unfall ohnehin zerstört worden) unbeachtlich; Arg.: Schutzzweck der Norm.
d) Rechtswidrigkeit (+)
e) Verschulden (+)
f) Rechtsfolge: Schadensersatz
– Bzgl. Substanzverletzung am Spiegel (+); Arg.: § 249 II BGB
– Bzgl. des Nutzungsausfalls für 2 Tage (+); Arg.: „normativer Schaden“ bei wichtigen Gebrauchsgütern
g) Ergebnis: (+)
- Anspruch nicht erloschen
-> Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB (-); Arg.: § 393 BGB.
- Anspruch durchsetzbar (+)
- Ergebnis: (+)
II.§ 823 II BGB i.V.m. § 303 StGB
(+); Arg.: Aufrechnung ebenfalls wegen § 393 BGB ausgeschlossen.