Klausurlösung: ZI – Juni 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Nachfolgend erhaltet Ihr in Kooperation mit dem Repetitorium Jura Online (www.jura-online.de) eine unverbindliche Lösungsskizze der im Juni 2014 gelaufene ZI Klausur in NRW (Sachverhalt und auch unten). Mittels der Skizze soll es euch möglich sein, euch noch besser auf eure eigenen Klausuren vorzubereiten und die wesentlichen Problemkreise zu erfassen.
Bitte beachten:
Die Lösungsskizze ist absolut unverbindlich und erhebt keinerlei Anspruch auf inhaltliche Richtigkeit oder Vollständigkeit. Sie beruht allein auf den uns zugesandten Gedächtnisprotokollen und soll allenfalls eine Richtschnur für eure eigenen Überlegungen sein. Bitte habt auch Verständnis dafür, dass wir oder Jura Online evtl. Fragen zu euren eigenen Klausurlösungen nicht beantworten können. Gleichwohl ist jeder herzlich eingeladen, sich im Kommentarbereich mit anderen Lesern auszutauschen. Wir werden versuchen, auf die ein oder andere Frage dort einzugehen.
Sachverhalt
F ist eine reiche Frau, die gerne eine neue Küche hätte. Sie wendet sich
an H, einen Handwerker, der ihr eine Küche planen, bauen, liefern und
einbauen soll.
Da H normalerweise nur mit Unternehmern zusammenarbeitet, die
ihrerseits die AGB stellen, lädt er sich AGB aus dem Internet herunter.
In denen heißt es, dass der Auftraggeber vorab per Überweisung,
spätestens aber bei Lieferung in bar die Rechnung zu begleichen habe.
Die F unterschreibt vorbehaltlos.
Am nächsten Tag redet F mit ihrem Anwalt, der ihr sagt, das sei
ungewöhnlich, dass sie vorleisten müsse und sie solle versuchen, etwas
dagegen zu unternehmen. Sie meldet sich bei H, dieser will aber von der Klausel
nicht ablassen. Letzten Endes kommt er F nur so weit entgegen, dass sie
90% bei Lieferung und 10% nach dem Aufbau zahlen soll.
Irgendwann liefert H die Küche. Da F gerade kein Bargeld zur Hand hat, geht
sie zur Bank, um welches zu holen. In der Zwischenzeit baut H aus
Langeweile die komplette Küche auf. Als F von der Bank zurück kommt
, erkennt sie, dass die Küche an einer Seite 10 cm zu lang ist und daher
die Verandatür blockiert. Sie verlangt Beseitigung des Mangels und
behält bis dahin das Geld zurück. H verlangt Zahlung der 27.000 €.
Am nächsten Tag sucht H seinen Anwalt auf. Dieser sagt ihm, seine AGB
-Klausel sei zwar etwas knifflig, aber immerhin habe er ja nur die
einmalige Verwendung geplant und außerdem den Vertrag individuell
ergänzt. Er solle daher auf keinen Fall nacherfüllen, bis er die 27.000€
erhalten habe. Dies teilt der H der F auch mit: Er werde auf keinen Fall
nacherfüllen, bis er das Geld habe und notfalls auch vor Gericht ziehen.
Als F diesen Brief erhält, ist sie stinksauer. Sie antwortet H
augenblicklich per Einschreiben: Sie werde einen anderen Handwerker mit
der Nacherfüllung beauftragen und H die Kosten dafür in Rechnung
stellen. 4 Tage später beauftragt sie den A, der die Arbeiten für 3.000
€ ausführt.
Diese stellt sie H in Rechnung. Dieser sagt, er sei ja immerhin
gutgläubig gewesen, da er seinem Anwalt vertraut habe.
Frage: Hat F gegen H einen Anspruch auf 3.000€?
Abwandlung:
F hat jetzt einen ebenso reichen Mann. Der ist froh, dass seine Frau
sich um alles mit der Küche und Einrichtung kümmert. Alles verläuft so
wie oben. Aber der Brief des H erreicht den E, nicht die F.
E sucht seinen Anwalt auf und fragt:
Frage 2: Ist der E aus dem Geschäft der F ebenso berechtigt und
verpflichtet wie die F?
Frage 3: Angenommen, der E hat dieselben Ansprüche wie F, kann er dann,
ohne Rücksprache mit F zu halten, die Ansprüche gegenüber H geltend
machen?
Unverbindliche Lösungsskizze
1. Teil: Ausgangsfall (Frage 1)
A. F gegen H auf Schadensersatz i.H.v. 3.000 Euro, §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB
I. Anspruch entstanden
1. Wirksamer Kaufvertrag (+)
2. Mangel
Hier: Montagefehler, § 434 II 1 BGB
3. Bei Gefahrübergang (+)
4. Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 281 BGB
a) Schuldverhältnis (+)
b) Pflichtverletzung
aa) Nichterbringung oder nicht wie geschuldete Erbringung einer fälligen und noch möglichen Leistungspflicht
– Problem: Leistungsverweigerungsrecht des H aufgrund einer vereinbarten Vorauszahlung?
(1) Auslegung der Klausel, §§ 133, 157 BGB
– „90 % Zahlung spätestens bei Lieferung“ soll gerade Nacherfüllungsansprüche von vorheriger Zahlung abhängig machen
(2) Wirksamkeit der Klausel
(a) Unwirksamkeit nach § 475 I BGB
(-); Arg.: gilt nicht im Kontext eines Schadensersatzanspruchs, § 475 III BGB
(b) Unwirksamkeit nach §§ 305 ff. BGB
(aa) Sachlicher Anwendungsbereich: AGB, § 305 I BGB
– Problem: Nur einmalige Verwendung geplant – unbeachtlich; Arg.: § 310 III Nr. 2 BGB
– Problem: Individuelle Ergänzung, § 305 I 3 BGB – unbeachtlich; Arg.: geringfügige Änderung, § 242 BGB
(bb) Persönlicher Anwendungsbereich: Einbeziehung, § 305 II, III BGB (+)
(cc) Inhaltskontrolle
Hier: § 309 Nr. 8 b dd BGB
(dd) Rechtsfolge: Geltung der gesetzlichen Regelungen, § 306 II BGB
bb) Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung
(-), aber endgültiger Verweigerung der Nacherfüllung, § 281 II 1. Fall BGB
c) Vertretenmüssen
– Problem: Bezugspunkt des Vertretenmüssens
– aA: die mangelhafte Leistung -> (+); Arg.: vermutet, keine Exkulpation durch H
– aA: die unterbliebene Nacherfüllung –> wohl (-); Arg.: anwaltlicher Rat
– hM: alternativ die mangelhafte Leistung oder die unterbliebene Nacherfüllung –> (+); Arg.: keine Exkulpation bzgl. mangelhafter Leistung (s.o.)
d) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung
aa) Schaden
(+); Arg.: Herausgeforderte Aufwendung = Schaden
bb) Statt der Leistung
(+); Arg.: Äquivalenzinteresse
5. Kein Ausschluss
(+), auch nicht durch AGB (s.o.)
II. Anspruch nicht erloschen (+)
III Anspruch durchsetzbar (+)
IV. Ergebnis: (+)
B. Sonstige Ansprüche
I. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB
(-); Arg.: Unmöglichkeit (Zweckerreichung) von F selbst zu vertreten
II. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 284 BGB
(-); Arg.: 3000 Euro für Reparatur keine „frustrierten Aufwendungen“
III. §§ 683 S. 1, 670 BGB
(-); Arg.: Kaufrecht lex specialis
IV. §§ 812 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: Kaufrecht lex specialis
2. Teil: Abwandlung
A. Frage 2: Mitverpflichtung bzw. –berechtigung des Ehemannes E
– § 1357 I 2 BGB
I. Wirksame Ehe (+)
II. Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs, § 1357 I 1 BGB
– konkrete-objektive Betrachtungsweise (+); Arg.: „reiche Frau“
III. Keine Offenlegung als Eigengeschäft, § 1357 I 2 BGB
IV. Keine Beschränkung, § 1357 II BGB
V. Kein Getrenntleben, § 1357 III BGB
VI. Rechtsfolge: Mitverpflichtung und Mitberechtigung, § 1357 I 2 BGB
VII. Ergebnis: (+)
B. Frage 2: Geltendmachung dieses Anspruchs durch E ohne Rücksprache mit F
– Problem: Art der Mitberechtigung bei § 1357 I 2 BGB
– aA: Gemeinschaftliche Gläubiger –> (-)
– hM: Gesamtgläubiger –> (+); Arg.: Praktikabilität
Das ist ein werkvertrag und kein kaufvertrag
Rischtisch
Außerdem ist der Werkunternehmer grds. vorleistungspflichtig. Die AGB dreht das ja gerade um.. Wenn man einen KV annimmt, kommt man zu diesem Problem überhaupt nicht. Laut SV soll der Handwerker die Küche „planen, bauen, liefern & einbauen“… Wie kommt man denn da bitte auf einen Kaufvertrag?
651
Jedenfalls dürfte man da ne abgrenzung gerne mal vornehmen… weiterhin ist gerade strittig ob der anwaltliche rat ihm zuzurechnen ist oder nicht..
https://lorenz.userweb.mwn.de/urteile/viizr162_12.htm hier bekommt man das ganze in verständlicher und überzeugender Form.
Aus der AGB kann doch kaum ein Recht folgen, die Leistung mangelhaft zu erbringen.
Der Lieferant kann also die Leistung nur bei fehlerfreier Lieferung verweigern.
Der Besteller war für diesen Fall zur Zahlung bereit.
Daraus könnte folgen, dass sich hier für ein Leistungsverweigerungsrecht nichts aus den AGB ergeben könnte.
Wenn der Lieferant trotzdem Zahlung verlangt, könnte er treuwidirg handeln, weil er etwas verlangt, was er teils ohnehin sofort wieder herauszugeben haben könnte.
Es scheint zudem nicht ganz klar, inwieweit hier ein lex-specialis gegenüber einem Bereicherungsrechtsanspruch im Hinblick auf die Befreiung von einer Verbindlichkeit vorliegen soll.