Im Folgenden eine Übersicht über im Juni veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 2 StR 495/12
Anfragebeschluss des 2. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nach §132 Abs. 3 Satz1 GVG, ob die übrigen Senate daran festhalten, dass die richterrechtlich entwickelte Rechtsfigur der ungleichartigen Wahlfeststellung, namentlich im Verhältnis von Diebstahl und Hehlerei, nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstößt. Nach Auffassung des 2. Strafsenats ist genau dies der Fall, da die gesetzesalternative Wahlfeststellung im materiellrechtlichen Sinn strafbarkeitsbegründend wirke und es sich nicht, wie teilweise im Schrifttum angenommen werde, um eine bloße prozessuale Gestaltung handelt, weil die alternativ in Frage kommenden Straftatbestände gesetzlich bestimmt seien und die Entscheidung nur von der Anwendung des Zweifelssatzes abhängig sei.
II. BGH, Urteil vom 27. März 2014 – 3 StR 342/13
Betrug durch konkludente Erklärungen bei sog. „Ping-Anrufen“: Bei einem Anruf, bei dem die Rufnummer hinterlassen wird, ist nach der objektiv zu bestimmenden Verkehrsanschauung anzunehmen, dass zugleich die Erklärung übermittelt wird, der Anrufer habe mit dem Angerufenen kommunizieren wollen. Eine weitere den Tatbestand des § 263 Abs. 1 StGB erfüllende Täuschung liegt in der dem Angerufenen zugleich konkludent vorgespiegelten Möglichkeit, einen Rückruf bei der in seinem Mobiltelefon hinterlassenen Nummer zu dem jeweils mit dem Netzbetreiber vereinbarten Tarif ohne darüber hinausgehende Kosten durchführen zu können (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
III. BGH, Beschluss vom 29. April 2014 – 3 StR 21/14
Es liegt kein versuchter Heimtückemord im Sinne des Ausnutzens der Arglosigkeit eines Opfers vor, wenn dieses vor Beginn des ersten mit Tötungsvorsatz gefassten Angriffs die Vorstellung, es werde kein gegen seine körperliche Unversehrtheit gerichteter, wesentlicher Angriff erfolgen, verloren hat und die Zeitspanne zwischen dem Erkennen der Gefahr und dem unmittelbaren Angriff auch nicht so kurz ist, dass keine Möglichkeit bleibt, dem Angriff irgendwie zu begegnen (hier: Fehlen des Ausnutzens der Arglosigkeit aus subjektiven Perspektive [versuchter Mord] bejaht in einem Fall, in welchem die Täterin die geladene Pistole dem Opfer vorhielt, um mit ihm Beziehungsdifferenzen zu diskutieren, und erst bei der Weigerung des Opfers selbige auch benutzen wollte).
IV. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2014 – 5 StR 170/14
Wird eine Person durch Drohung mit einem geladenen Revolver dazu veranlasst, zur Begleichung angeblicher Schulden Diebstähle in verschiedenen Ladengeschäften zu begehen und die Tatbeute dem Drohenden jeweils auszuhändigen, so liegt hierin keine schwere räuberische Erpressung. Denn die genötigte Person stand zu dem Vermögen der geschädigten Ladeninhaber nicht in dem für eine Dreieckserpressung erforderlichen, besonderen Näheverhältnis. Insofern kommt aber eine durch Nötigung verwirklichte Anstiftung zum Diebstahl in Betracht. Sofern dem Dieb die Gegenstände später durch den Nötigenden mit Gewalt oder unter neuerlicher Drohung abgenommen werden, kann schließlich ebenfalls ein (schwerer) Raub in dessen Person verwirklicht sein.
V. BGH, Beschluss vom 7. Mai 2014 – 1 StR 150/14
Kauft eine Person gestohlene Fernsehgeräte von einem Dieb an und veräußert sie anschließend weiter, liegt keine Hehlerei (§ 259 StGB) in Form des „Absetzens“ vor, vielmehr wird bereits durch den Erwerb der Gegenstände der vorgenannte Tatbestand in der Variante des „Ankaufens“ verwirklicht; eine weitere Hehlerei durch Veräußerung der Gegenstände scheidet dann aus.
Schlagwortarchiv für: Rechtsprechungsübersicht
Wir nähern uns der Sommerpause, doch zuvor stellen wir euch hiermit wieder eine – wenn auch nicht besonders bedeutende – Zusammenfassung von Entscheidungen vor, die das Bundesverfassungsgericht im vergangenen Quartal getroffen hat und die dennoch Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten.
Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
BVerfG v. 01.04.2014 (2 BvF 1/12 u.a.)
Die Anträge im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle richten sich gegen die Verordnung über Ausnahmen von straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften für Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen mit Überlänge (LKWÜberlStVAusnV) vom 19. Dezember 2011, die bestimmt, dass Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen im Güterverkehr unter bestimmten Voraussetzungen länger sein dürfen als in den sonst geltenden straßenverkehrsrechtlichen Regelungen vorgesehen. (siehe Pressemitteilung)
BVerfG v. 23.04.2014 (1 BvR 2851/13):
Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist ein Räumungsurteil nach Kündigung einer gemieteten Wohnung wegen Eigenbedarfs. (siehe Pressemitteilung https://www.bverfg.de/pressemitteilungen/bvg14-044.html)
BVerfG v. 06.05.2014 (2 BvE 3/12):
Der Antrag der NPD richtet sich gegen Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit der FDP-Fraktion im 17. Deutschen Bundestag. (siehe Pressemitteilung)
BVerfG v. 10.06.2014 (2 BvE 4/13)
Der Antrag der NPD betrifft die Äußerungsbefugnis des Bundespräsidenten in Bezug auf politische Parteien. Die Antragstellerin sieht sich durch Äußerungen des Antragsgegners im Vorfeld der Bundestagswahl 2013 in ihrem Recht auf Chancengleichheit im Wettbewerb der politischen Parteien verletzt. (siehe Pressemitteilung)
Zu diesem Antrag sei auch auf unseren Artikel vom 10. Juni 2014 verwiesen.
BVerfG v. 10.06.2014 (2 BvE 2/09 u.a.)
1. Die Bundesversammlung hat nach Art. 54 Abs. 1 GG ausschließlich die Aufgabe, den Bundespräsidenten zu wählen; sie soll in ihren Abläufen die besondere Würde des Amtes unterstreichen.
2. Den Mitgliedern der Bundesversammlung sind durch Art. 54 GG außer dem Recht zur Teilnahme an der Wahl nur begrenzte Rechte zugewiesen. Ihre Rechtsstellung entspricht nicht der der Mitglieder des Bundestages.
(siehe Pressemitteilung)
Im Folgenden eine Übersicht über im Mai veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 – 3 StR 178/13
Veranlasst der Täter durch gefälschte Überweisungsträger Zahlungen einer Bank vom Konto einer Person auf das Konto einer anderen, um anschließend vom letzteren Konto den überwiesenen Geldbetrag mittels erschlichener EC-Karte und PIN über einen Bankomaten abzubuchen, so stehen die im ersten Schritt verwirklichten Delikte der Urkundenfälschung (§ 267 StGB) in Tateinheit mit Betrug/Computerbetrug (§ 263 StGB / § 263a StGB) zu dem späteren Computerbetrug (§ 263a StGB) wegen Abhebens des Geldes am Bankomaten in Tatmehrheit zueinander. Das tatmehrheitliche zweite Delikt des Computerbetrugs ist nicht als mitbestrafte Nachtat anzusehen, da durch das Abheben des Geldes (erstmalig bzw. vertiefend) einen Schaden bei der Bank eintritt, während bereits die Überweisung vom ersten auf das zweite Konto aufgrund der erstgenannten Tat zu einem Schaden beim betroffenen Kontoinhaber führt, da er zwar gegenüber der Bank einen Anspruch auf Rückbuchung hat, aber das Risiko trägt, die fehlerhafte Überweisung überhaupt zu bemerken.
II. BGH, Urteil vom 20. März 2014 – 3 StR 424/13
Zum Vorliegen eines unmittelbaren Ansetzens (§ 22 StGB) zu einem grausamen Mord, bei dem der Täter das Opfer zunächst in seine Gewalt gebracht und gequält hat, jedoch vor Vornahme tatbestandlicher Handlungen infolge Weingenusses zunächst einschläft und sich das Opfer sodann befreien kann.
III. BGH, Beschluss vom 26. März 2014 – 2 StR 505/13
Ein Mord aus niedrigen Beweggründen kann bei einem Mittäter nicht damit begründet werden, dass er „aus Solidarität“ mit einem anderen Mittäter, dem seinerseits niedrige Beweggründe vorzuwerfen sind, gehandelt habe. Denn niedrige Beweggründe sind einer mittäterschaftlichen Zurechnung versperrt (§ 28 StGB), so dass es darauf ankommt, ob der sich solidarisierende Mittäter davon unabhängig eigene niedrige Beweggründe verwirklicht hat.
IV. BGH, Beschluss vom 27. März 2014 – 4 StR 341/13
Hat ein Teilnehmer nur zu konkurrenzrechtlich unselbstständigen Teilakten einer mehraktigen Haupttat Beihilfe geleistet, kommt es für die Beurteilung seiner Schuld grundsätzlich nur auf die rechtliche Bewertung dieser Einzelhandlungen an (hier: Beihilfe lediglich zur versuchten, nicht vollendeten Hehlerei in einer Konstellation, in welcher der Haupttäter zwar wegen vollendeter Hehlerei verurteilt wurde, der Gehilfe aber nur Unterstützung bei unselbständigen Teilakten geleistet hat, die für sich betrachtet nur den untauglichen Versuch einer Hehlerei darstellen würden).
V. BGH, Urteil vom 2. April 2014 – 2 StR 349/13
Eine vollendete schwere räuberische Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB) in einem Gastronomie-Betrieb liegt auch dann vor, wenn der die Geldmittel übergebende Restaurantleiter nur vortäuscht, genötigt zu werden, in Wahrheit aber ein Komplize der Täter ist, sofern jedenfalls andere anwesende Personen durch die Drohung der Täter mit Scheinwaffen an einem Einschreiten gehindert werden.
VI. BGH, Beschluss vom 8. April 2014 – 1 StR 126/14
Kündigt der Täter im Rahmen eines gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens den ermittelnden Polizeibeamten an, sie und alle anderen an dem Verfahren beteiligten Personen umzubringen, um die Beamten zumindest zeitweise von weiteren Ermittlungen abzuhalten, liegt darin nicht nur eine Bedrohung (§ 241 StGB), sondern auch der Versuch einer Nötigung (§§ 22, 23, 240 Abs. 1-3 StGB), hinter dem die Bedrohung zurücktritt.
VII. BGH, Beschluss vom 25. April 2014 – 1 StR 13/13
Mit der Einreichung eines Subventionsantrags gibt der Antragsteller zugleich die Erklärung ab, dass die geltend gemachten Kosten tatsächlich entstanden sind und keine verdeckten Zahlungsrückflüsse oder sonstige nicht näher angegebene Provisionen enthalten, so dass hiermit die Tathandlung einer konkludenten Täuschung i.S.d. Betrugstatbestandes (§ 263 StGB) verwirklicht wird (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
Im Folgenden eine Übersicht über im April veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Urteil vom 14. November 2013 – 3 StR 336/13
Es kann offen gelassen werden, ob das abstrakte Gefährdungsdelikt der schweren Brandstiftung nach § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB (Inbrandsetzung eines Gebäudes etc., dass der Wohnung von Menschen dient) einer einschränkenden Auslegung in den Fällen zugänglich ist, in denen sich der Täter bei der Inbrandsetzung von kleinen, auf einen Blick überschaubaren Tatobjekten durch absolut zuverlässige lückenlose Maßnahmen vergewissert hat, dass eine konkrete Gefährdung von Menschenleben durch das Feuer sicher auszuschließen ist. Dies ist nämlich jedenfalls dann nicht anzunehmen, wenn sich der Täter nach Brandlegung von dem Gebäude entfernt, so dass er keine Kontrolle darüber hat, ob andere Bewohner oder Dritte das Gebäude in seiner Abwesenheit aufsuchen.
II. BGH, Beschluss vom 27. März 2014 – 5 StR 38/14
Da es bei der Beteiligung an einer Schlägerei (§ 231 StGB) allein auf die Kausalität des Angriffs als Gesamtgeschehen ankommt, ist es für die Strafbarkeit eines Beteiligten ohne Bedeutung, ob er zum Zeitpunkt der Verursachung der schweren Folge bereits tatbeteiligt war oder erst danach in das Geschehen eingetreten ist, solange seine Beteiligung mit der den gesamten Angriff begründenden Verletzungshandlung in einem derart engen zeitlich-räumlichen Zusammenhang steht, dass es sich um ein einheitliches Gesamtgeschehen ohne wesentliche Zäsur handelt (ständige Rspr.).
III. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 – 4 StR 567/13
Bei dem gewaltsamen Zerren an einem Geldschein des Opfers, der dabei so zerreißt, dass der Täter nur mit einer Hälfte entkommt, liegt in der Regel kein vollendeter Raub vor. Zwar ist der Raub ein Zueignungs- und kein Bereicherungsdelikt, verlangt also nicht, dass der erlangte Gegenstand wirtschaftlich das Vermögen des Täters bereichert. Der erlangte Gegenstand muss jedoch den Vorstellungen des Täters von dem zuzueignenden Gegenstand entsprechen. Dies ist im Hinblick auf die lediglich erlangte Hälfte eines Geldscheines, der für sich keinen Wert hat, nicht anzunehmen.
IV. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2014 – 4 StR 584/13
Das Einführen des Schlauchs einer Pumpe in das Entlüftungsrohr eines fremden Tanks, um daraus Dieselkraftstoff zu entnehmen und in hierfür bereitgestellte Behältnisse zu verfüllen, stellt weder ein Einsteigen noch – mangels nicht unerheblicher, gewaltsamer Kraftentfaltung – ein Einbrechen in einen umschlossenen Raum im Sinne des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB dar.
V. BGH, Beschluss vom 11. März 2014 – 4 StR 479/13
Der Abschluss einer Fußballwette, bei welcher der Angeklagte aufgrund eines „Tipps“ einer unbekannten Person eine Manipulation des Spiels durch Dritte zwar nicht für sicher, aber immerhin möglich hält, erfüllt nicht den Tatbestand des Betruges, da es hier – im Gegensatz zu Eigenmanipulationen – an einer konkludenten Täuschung fehlt. Das Verhalten des Angeklagten ist lediglich als – strafloses – Ausnutzen eines (wirklichen oder vermeintlichen) Informationsvorsprungs zu werten, was zum straflosen Geschäftsrisiko bei Wetten gehört.
– – –
Zuletzt noch eine prozessuale Entscheidung, die sich mit der fehlenden Protokollierung der Belehrung über die Folgen einer Abweichung nach Verständigung befasst (§ 257c Abs. 5 StPO):
VI. BGH, Beschluss vom 12. Dezember 2013 – 3 StR 210/13
Es kann offen bleiben, ob die Rüge, aus dem Protokoll lasse sich eine Belehrung nach § 257c Abs. 5 StPO nicht erkennen, – wie für „Protokollrügen“ regelmäßig angenommen – bereits unzulässig oder in der konkreten Konstellation ausnahmsweise zulässig ist. Allein auf der fehlenden oder fehlerhaften Protokollierung einer Belehrung gemäß § 257c Abs. 5, § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO kann ein Urteil jedenfalls nicht beruhen, da das vollständige Protokoll der Urteilsverkündung erst nachfolgt, so dass die erhobene Verfahrensrüge jedenfalls unbegründet ist (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
Das erste Quartal des neuen Jahres neigt sich dem Ende entgegen und so präsentieren wir euch hiermit wieder eine Reihe von Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht in der jüngsten Zeit getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten. Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
BVerfG v. 17.12.2013 (1 BvL 6/10):
1. Die Regelung der behördlichen Vaterschaftsanfechtung (§ 1600 Abs. 1 Nr. 5 BGB) ist als absolut verbotene Entziehung der Staatsangehörigkeit anzusehen (Art. 16 Abs. 1 Satz 1 GG), weil der mit der Behördenanfechtung verbundene Wegfall der Staatsangehörigkeit durch die Betroffenen teils gar nicht, teils nicht in zumutbarer Weise beeinflussbar ist.
2. Die Regelung genügt nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen an einen sonstigen Verlust der Staatsangehörigkeit (Art. 16 Abs. 1 Satz 2 GG), weil sie keine Möglichkeit bietet, zu berücksichtigen, ob das Kind staatenlos wird, und weil es an einer dem Grundsatz des Gesetzesvorbehalts genügenden Regelung des Staatsangehörigkeitsverlusts sowie an einer angemessenen Fristen- und Altersregelung fehlt.
3. Verfassungsrechtliche Elternschaft (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG) besteht bei einer durch Anerkennung begründeten rechtlichen Vaterschaft auch dann, wenn der Anerkennende weder der biologische Vater des Kindes ist noch eine sozial-familiäre Beziehung zum Kind begründet hat. Allerdings hängt die Intensität des verfassungsrechtlichen Schutzes davon ab, ob die rechtliche Vaterschaft auch sozial gelebt wird.
BVerfG v. 19.12.2013 (1 BvR 859/13):
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine zivilrechtliche Auseinandersetzung über die Rückzahlung eines Bearbeitungsentgelts, das im Zusammenhang mit der Gewährung eines Verbraucherdarlehens von einer Bank erhoben wurde.
BVerfG v. 26.12.2013 (1 BvR 2531/12):
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Zurückweisung eines Prozesskostenhilfeantrags zur Geltendmachung von Amtshaftungsansprüchen wegen einer das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzenden und menschenunwürdigen Behandlung eines Strafgefangenen.
Über die Entschädigungspflicht des Staates wegen Menschenwürdeverletzungen darf nicht ohne Weiteres bereits im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden. […]In Fällen der Menschenwürdeverletzung bedarf die Ablehnung einer Geldentschädigung in der Regel einer Prüfung und Abwägung im gerichtlichen Erkenntnisverfahren, da die Schwelle zur Entschädigungspflicht generell niedriger anzusetzen ist als bei bloßen Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Für die konkret vorliegende Konstellation fehlt es an obergerichtlicher Rechtsprechung, die für die Begründung der Ablehnung hätte herangezogen werden können.
(siehe Pressemitteilung)
BVerfG v. 09.01.2014 (1 BvR 299/13):
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 HGB. Diese ist darauf gestützt, dass die Beschwerdeführerin mit den von ihr zur Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger eingereichten Jahresabschlussunterlagen (vgl. § 325 HGB) keinen Bericht des Aufsichtsrats vorgelegt hat. Ein Aufsichtsrat ist von ihr allerdings nicht eingerichtet.
Verstößt eine Kapitalgesellschaft gegen ihre Pflicht, einen Aufsichtsrat zu bilden, darf gegen sie nicht deswegen ein Ordnungsgeld verhängt werden, weil sie aufgrund des fehlenden Aufsichtsratsberichts ihre Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses verletzt habe. […] Das Bestimmtheitsgebot verlangt, den Ordnungswidrigkeitentatbestand nur auf Jahresabschlussunterlagen zu erstrecken, die nachträglich noch erstellt werden können; bei gänzlich fehlendem Aufsichtsrat ist das für den Aufsichtsratsbericht nicht der Fall.
(siehe Pressemitteilung)
BVerfG v. 14.01.2014 (1 BvR 2998/11):
1. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts- und Patentanwälten verletzen Regelungen das Grundrecht der Berufsfreiheit, soweit sie zugunsten einer der beteiligten Berufsgruppen deren Anteils- und Stimmrechtsmehrheit (hier: § 59e Abs. 2 Satz 1 BRAO und § 52e Abs. 2 Satz 1 PAO) sowie deren Leitungsmacht (hier: § 59f Abs. 1 Satz 1 BRAO und § 52f Abs. 1 Satz 1 PAO) und Geschäftsführermehrheit (hier: § 59f Abs. 1 Satz 2 BRAO) vorschreiben und bei einer Missachtung eine Zulassung als Rechtsanwalts- oder Patentanwaltsgesellschaft ausschließen.
2. Eine Vorgesellschaft kann den Schutz der Berufsfreiheit für sich jedenfalls insoweit in Anspruch nehmen, als ihre Funktion als notwendige Vorstufe für die erstrebte Kapitalgesellschaft dies erfordert.
BVerfG v. 15.01.2014 (1 BvR 1656/09):
1. Ein degressiver Zweitwohnungsteuertarif verletzt das Grundrecht auf Gleichbehandlung des Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, wenn dies nicht durch hinreichend gewichtige sachliche Gründe gerechtfertigt ist.
2. Bei Einlegung von Verfassungsbeschwerden hat regelmäßig die erforderliche Sorgfalt erfüllt, wer einen über die zu erwartende Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen hinausgehenden Sicherheitszuschlag von 20 Minuten einkalkuliert. Dieser Sicherheitszuschlag gilt auch für die Faxübersendung nach Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen.
BVerfG v. 23.01.2014 (1 BvL 2/13 und 1 BvL 3/13):
Die Vorlageverfahren betreffen die Frage, ob die Nichtzulassung der gemeinschaftlichen Adoption durch eingetragene Lebenspartner gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 1 BGB und § 9 Abs. 6 und 7 des Gesetzes über die eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG) mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.
(siehe auch unser Artikel vom 25.02.2014)
BVerfG v. 28.01.2014 (2 BvR 1561/12):
1. Der Inanspruchnahme der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG (Recht der Wirtschaft) steht es nicht entgegen, wenn der Gesetzgeber mit wirtschaftsbezogenen Regelungen zugleich kulturelle Zwecke verfolgt.
2. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich gehalten, von der Belastung mit einer Sonderabgabe nicht Gruppen auszuschließen, obwohl diese zum Sachzweck der Abgabe in gleicher oder noch größerer Nähe stehen als die Abgabebelasteten. Daraus folgt jedoch nicht ohne Weiteres eine Pflicht, bei mehrstufigen Marktverhältnissen mit der Belastung durch eine Sonderabgabe auf jeder einzelnen Marktstufe zuzugreifen.
BVerfG v. 05.02.2014 (2 BvR 953/12):
Mit Beschluss vom 11. Juli 2013 – 2 BvR 2301/11 und 2 BvR 1279/12 – hatte der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass das Therapieunterbringungsgesetz mit dem Grundgesetz vereinbar ist, jedoch verfassungskonform ausgelegt werden muss […]. Die Unterbringung darf nur dann angeordnet werden, wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten ist. […]
(siehe Pressemitteilung)
BVerfG v. 12.02.2014 (1 BvL 11/10):
1. § 3 Absatz 1 Bremisches Vergnügungsteuergesetz vom 14. Dezember 1990 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Seite 467) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz zur Änderung des Vergnügungsteuergesetzes vom 21. November 2006 (Gesetzblatt der Freien Hansestadt Bremen Seite 470) ist – soweit er sich auf Spiel- und Unterhaltungsautomaten mit Gewinnmöglichkeit bezieht – mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Vorschrift bleibt bis zum 31. Dezember 2005 weiter anwendbar.
2. § 14 Absatz 1 Saarländisches Vergnügungsteuergesetz vom 19. Juni 1984 in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1993 (Amtsblatt des Saarlandes Seite 496) und der Änderung durch Artikel 4 Absatz 56 des Gesetzes Nummer 1484 zur Anpassung des Landesrechts an die Einführung des Euro und zur Änderung von Rechtsvorschriften vom 7. November 2001 (Amtsblatt des Saarlandes Seite 2158) ist – soweit er sich auf Apparate mit Gewinnmöglichkeit bezieht – mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar. Die Vorschrift bleibt bis zum 31. Dezember 2005 weiter anwendbar.
BVerfG v. 26.02.2014 (2 BvE 2/13):
1. Der mit der Drei-Prozent-Sperrklausel im Europawahlrecht verbundene schwerwiegende Eingriff in die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und Chancengleichheit der politischen Parteien ist unter den gegebenen rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen nicht zu rechtfertigen (im Anschluss an BVerfGE 129, 300).
2. Eine abweichende verfassungsrechtliche Beurteilung kann sich ergeben, wenn sich die Verhältnisse wesentlich ändern. Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, auch konkret absehbare künftige Entwicklungen bereits im Rahmen der ihm aufgegebenen Beobachtung und Bewertung der aktuellen Verhältnisse zu berücksichtigen; maßgebliches Gewicht kann diesen jedoch nur dann zukommen, wenn die weitere Entwicklung aufgrund hinreichend belastbarer tatsächlicher Anhaltspunkte schon gegenwärtig verlässlich zu prognostizieren ist.
(siehe auch unser Artikel vom 13.03.2014)
BVerfG v. 27.02.2014 (2 BvR 261/14):
Die Beschwerdeführerin wendet sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde sowie ihrem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Ablehnung einer audiovisuellen Zeugenvernehmung (§ 247a Abs. 1 StPO).
BVerfG v. 18.03.2014 (2 BvR 1390/12):
1. Durch die Haftungsbegrenzung nach Artikel 8 Absatz 5 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus in Verbindung mit Anhang II des Vertrages sowie durch die gemeinsame Auslegungserklärung der Vertragsparteien des ESM-Vertrages vom 27. September 2012 (BGBl II S. 1086) und die gleichlautende einseitige Erklärung der Bundesrepublik Deutschland (BGBl II S. 1087) ist hinreichend sichergestellt, dass durch den Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus keine unbegrenzten Zahlungsverpflichtungen begründet werden.
2. Der Gesetzgeber ist mit Blick auf die Zustimmung zu Artikel 4 Absatz 8 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus verpflichtet, haushaltsrechtlich durchgehend sicherzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland Kapitalabrufen nach dem Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus fristgerecht und vollständig nachkommen kann.
3. Artikel 32 Absatz 5, Artikel 34 und Artikel 35 Absatz 1 des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus stehen in der Auslegung der Erklärungen vom 27. September 2012 einer hinreichenden parlamentarischen Kontrolle des Europäischen Stabilitätsmechanismus durch den Deutschen Bundestag und seiner umfassenden Unterrichtung nicht entgegen.
4. Die haushaltspolitische Gesamtverantwortung des Deutschen Bundestages setzt voraus, dass der Legitimationszusammenhang zwischen dem Europäischen Stabilitätsmechanismus und dem Parlament unter keinen Umständen unterbrochen wird. Da der Beitritt neuer Mitglieder zum Europäischen Stabilitätsmechanismus nach Artikel 44 in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 6 Buchstabe k des Vertrages zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus einen einstimmigen Gouverneursratsbeschluss erfordert, besteht die Möglichkeit sicherzustellen, dass die gegenwärtig gegebene und verfassungsrechtlich geforderte Vetoposition der Bundesrepublik Deutschland auch unter veränderten Umständen erhalten bleibt.
BVerfG v. 25.03.2014 (1 BvF 1/11):
1. Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.
a) Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden.
b) Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.
2. Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.
a) Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.
b) Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.
NACHTRAG:
BVerfG v. 25.03.2014 (1 BvF 1/11):
1. Die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist gemäß Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG am Gebot der Vielfaltsicherung auszurichten. Danach sind Personen mit möglichst unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungshorizonten aus allen Bereichen des Gemeinwesens einzubeziehen.
a) Der Gesetzgeber hat dafür zu sorgen, dass bei der Bestellung der Mitglieder dieser Gremien möglichst unterschiedliche Gruppen und dabei neben großen, das öffentliche Leben bestimmenden Verbänden untereinander wechselnd auch kleinere Gruppierungen Berücksichtigung finden und auch nicht kohärent organisierte Perspektiven abgebildet werden.
b) Zur Vielfaltsicherung kann der Gesetzgeber neben Mitgliedern, die von gesellschaftlichen Gruppen entsandt werden, auch Angehörige der verschiedenen staatlichen Ebenen einbeziehen.
2. Die Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss als Ausdruck des Gebots der Vielfaltsicherung dem Gebot der Staatsferne genügen. Danach ist der Einfluss der staatlichen und staatsnahen Mitglieder in den Aufsichtsgremien konsequent zu begrenzen.
a) Der Anteil der staatlichen und staatsnahen Mitglieder darf insgesamt ein Drittel der gesetzlichen Mitglieder des jeweiligen Gremiums nicht übersteigen.
b) Für die weiteren Mitglieder ist die Zusammensetzung der Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks konsequent staatsfern auszugestalten. Vertreter der Exekutive dürfen auf die Auswahl der staatsfernen Mitglieder keinen bestimmenden Einfluss haben; der Gesetzgeber hat für sie Inkompatibilitätsregelungen zu schaffen, die ihre Staatsferne in persönlicher Hinsicht gewährleisten.
Es ist wieder Zeit für unseren regelmäßigen Blick auf Entscheidungen des BGH in Zivilsachen. Die folgenden Entscheidungen sind mit dem amtlichen Leitsatz wiedergegeben. Sie können unter www.bundesgerichtshof.de kostenlos im Volltext nachgelesen werden.
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 28.1.2014 – II ZR 371/12 (zu § 181 BGB) – TOP-TIPP:
Ein Vertrag ist wegen sittenwidriger Kollusion nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen. Ein solcher Fall liegt auch vor, wenn der Vertreter einen arglosen Untervertreter einschaltet oder er aufgrund seiner Vertretungsmacht einen weiteren, arglosen (Mit)-Vertreter zu dem Geschäft veranlasst und so das Insichgeschäft verschleiert.
BGH, Urt. v. 6.3.2014 – III ZR 352/13 (zu § 839 BGB):
Ein natürlicher Astbruch, für den vorher keine besonderen Anzeichen bestanden haben, gehört auch bei hierfür anfälligeren Baumarten grundsätzlich zu den naturgebundenen und daher hinzunehmenden Lebensrisiken. Eine straßenverkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss daher bei gesunden Straßenbäumen auch dann keine besonderen Schutzmaßnahmen ergreifen, wenn bei diesen – wie z. B. bei der Pappel oder bei anderen Weichhölzern – ein erhöhtes Risiko besteht, dass im gesunden Zustand Äste abbrechen und Schäden verursacht werden können.
BGH, Urt. v. 18.2.2014 – VI ZR 383/12 (zu §§ 328, 839 BGB):
a) Beauftragt die Straßenverkehrsbehörde zur Vollstreckung des in einem Verkehrszeichen enthaltenen Wegfahrgebots im Wege der Ersatzvornahme einen privaten Unternehmer mit dem Abschleppen eines verbotswidrig geparkten Fahrzeugs, so wird der Unternehmer bei der Durchführung des Abschleppauftrages hoheitlich tätig.
b) Durch das Abschleppen eines verbotswidrig geparkten Fahrzeugs im Wege der Ersatzvornahme wird ein öffentlich-rechtliches Verwahrungsverhältnis begründet, auf das die §§ 276, 278, 280 ff. BGB entsprechend anzuwenden sind.
c) Der Eigentümer des verbotswidrig geparkten Fahrzeugs ist in einer solchen Fallkonstellation nicht in den Schutzbereich des zwischen dem Verwaltungsträger und dem privaten Unternehmer geschlossenen Vertrages über das Abschleppen seines Fahrzeugs einbezogen.
BGH, Urt. v. 20.2.2014 – VII ZR 172/13 (zu §§ 280 Abs. 1, 286 BGB):
Steht dem Erwerber während des Verzugs des Bauträgers mit der Übergabe der herzustellenden Eigentumswohnung kein dem erworbenen Wohnraum in etwa gleichwertiger Wohnraum zur Verfügung, kann ihm eine Nutzungsausfallentschädigung zustehen.
BGH, Urt. v. 24.1.2014 – V ZR 249/12 (zu § 138 Abs. 1 BGB):
Ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne das Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, liegt bei Grundstückskaufverträgen grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber oder -unterschreitung von 90% vor.
BGH, Urt. v. 20.2.2014 – VII ZR 26/12 (zu § 640 Abs. 1 BGB):
Eine konkludente Abnahme kommt in Betracht, wenn das Werk nach den Vorstellungen des Auftraggebers im Wesentlichen mangelfrei fertiggestellt ist und der Auftragnehmer das Verhalten des Auftraggebers als Billigung seiner erbrachten Leistung als im Wesentlichen vertragsgerecht verstehen darf.
BGH, Urt. v. 19.11.2013 – II ZR 150/12 (zu § 242 BGB):
Dem von einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts erhobenen Zahlungsbegehren kann der in Anspruch genommene Schuldner ausnahmsweise einen ihm gegen die Gesellschafter zustehenden Schadensersatzanspruch entgegenhalten, wenn die Berufung der Gesellschaft auf ihre Eigenständigkeit gegen Treu und Glauben verstößt
BGH, Urt. v. 6.2.2014 – IX ZR 245/12 (zu §§ 199 Abs. 1 Nr. 2, 675 Abs. 1 BGB):
a) Die Verjährung eines gegen einen rechtlichen Berater gerichteten Ersatzanspruchs beginnt zu laufen, wenn der Mandant den Schaden und die Pflichtwidrigkeit des Beraters erkannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt hat.
b) Rät der Berater zur Fortsetzung des Rechtsstreits, hat der Mandant in der Regel auch dann keine Kenntnis von der Pflichtwidrigkeit des Beraters, wenn das Gericht oder der Gegner zuvor auf eine Fristversäumung hingewiesen hat.
BGH, Urt. v. 22.1.2014 – VIII ZR 178/13 (zu §§ 355, 358, 359 BGB:
Auf das so genannte Eintrittsmodell, bei dem ein Verbraucher zunächst einen Kaufvertrag über die spätere Leasingsache und zur Finanzierung einen Leasingvertrag abschließt, sind die Vorschriften über verbundene Verträge (§§ 358, 359 BGB aF) weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.
BGH, Urt. v. 11.2.2014 – VI ZR 225/13 (zu § 249 BGB):
Zur Frage der Erforderlichkeit von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall.
II. Prozessrecht
BGH, Urt. v. 28.1.2014 – VI ZR 143/13 (zu § 286 ZPO) – beachte Leitsatz 2:
a) Das Gericht darf seine Überzeugungsbildung gemäß § 286 ZPO auf die Angaben des Arztes über eine erfolgte Risikoaufklärung stützen, wenn seine Darstellung in sich schlüssig und „einiger“ Beweis für ein Aufklärungsgespräch erbracht ist. Dies gilt auch dann, wenn der Arzt erklärt, ihm sei das strittige Aufklärungsgespräch nicht im Gedächtnis geblieben.
b) Das unterzeichnete Einwilligungsformular ist – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht – ein Indiz für den Inhalt des Aufklärungsgesprächs.
BGH, Beschl. v. 6.2.2014 – VII ZB 41/13 (zu § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) – nur für die Referendare relevant:
Wird eine Klage auf Mängelbeseitigung abgewiesen, so bemisst sich die Beschwer des Klägers nach den Kosten der Selbstvornahme.
Im Folgenden eine Übersicht über im Januar veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 5. November 2013 – 2 StR 388/13
Zwischen dem Einsatz eines Nötigungsmittels und dem erstrebten Vorteil muss bei der (schweren) räuberischen Erpressung ein finaler Zusammenhang stehen, an welchem es fehlt, wenn der Einsatz der Gewalt allein dazu dient, das Opfer zu demütigen und zu misshandeln. Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist zudem normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der – zumindest bedingte – Vorsatz des Täters beziehen muss. Stellt er sich für die erstrebte Bereicherung einen von der Rechtsordnung anerkannten Anspruch vor, der in Wirklichkeit nicht besteht, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.
II. BGH, Beschluss vom 7. November 2013 – 4 StR 340/13
Es liegt – mangels eines erforderlichen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der Bemächtigungslage und der beabsichtigten Erpressung – kein erpresserischer Menschenraub gem. § 239a Abs. 1 StGB vor, wenn eine Geldzahlung erst nach Beendigung der Bemächtigungslage erfolgen soll, nachdem der Geschädigte frei gelassen wurde, um das Geld von einem Dritten (hier: seinen Eltern) zu beschaffen.
III. BGH, Beschluss vom 13. November 2013 – 2 StR 455/13
Ist die Anstiftung als solche vollendet, die Haupttat aber nur in das Versuchsstadium gelangt, so liegt eine Anstiftung zum Versuch und nicht zur vollendeten Tat vor.
IV. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2013 – 4 StR 347/13
Die zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Schlägerei bei § 231 StGB erforderlichen, wechselseitigen Tätlichkeiten zwischen mindestens drei Personen müssen zwar nicht gleichzeitig begangen sein; vielmehr kann eine Schlägerei auch dann anzunehmen sein, wenn nacheinander jeweils zwei Personen gleichzeitig wechselseitige Tätlichkeiten verüben. Zwischen diesen Situationen muss aber jeweils ein so enger zeitlicher Zusammenhang bestehen, dass ein Aufspalten in einzelne „Zweikämpfe“ nicht in Betracht kommt. Eine tätliche Auseinandersetzung zwischen mehr als zwei Personen verliert dann den Charakter einer Schlägerei, wenn nach Entfernung der übrigen nur noch zwei Personen verbleiben, die wechselseitige Tätlichkeiten begehen.
– – –
Zum Schluss noch zwei verfahrensrechtliche Entscheidungen, die sich mit dem absoluten Revisionsgrund des § 338 Nr. 5 StPO (Abwesenheit einer vorgeschriebenen Person in der Hauptverhandlung – hier des Angeklagten) beschäftigen:
V. BGH, Beschluss vom 19. November 2013 – 2 StR 379/13
Ein Verstoß gegen § 338 Nr. 5 in Verbindung mit § 230 Abs. 1 StPO liegt bei einem Sachverhalt vor, bei dem während einer Zeugenvernehmung, von der der Angeklagte zu Recht ausgeschlossen wurde, eine von der Zeugin beschriftete Skizze des Tatortes von den Anwesenden zusätzlich in Augenschein genommen wird, ohne dass dies nach Rückführung des Angeklagten in den Sitzungssaal wiederholt wird.
VI. BGH, Beschluss vom 5. Dezember 2013 – 2 StR 387/13
Ein Verstoß gegen die Vorschrift des 338 Nr. 5 StPO liegt vor, wenn über die Entlassung eines zu Recht in Abwesenheit des Angeklagten vernommenen Zeugen ohne dessen Anwesenheit verhandelt wird. Die Verhandlung über die Entlassung gehört nicht mehr zur Vernehmung des Zeugen im Sinne des § 247 StPO, sondern bildet einen selbständigen Verfahrensabschnitt und regelmäßig einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung, da der von ihr ausgeschlossene Angeklagte die Möglichkeit verliert, Fragen an den Zeugen zu stellen und das Gericht einen Antrag auf erneute Vernehmung nur nach Maßgabe der Aufklärungspflicht nachkommen muss.
Im Folgenden eine Übersicht über im letzten Monat auf der Internetseite des BGH veröffentlichte interessante Entscheidungen in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 05.09.2013 – 1 StR 162/13
Zum Vorliegen einer (versuchten) Nötigung durch Verfassung eines anwaltlichen Mahnschreibens, in dem für den Fall der Nichtzahlung unberechtigter Forderungen mit Strafanzeigen gegen den jeweiligen säumigen Schuldner gedroht wurde. (Der Schwerpunkt der Darstellung des Urteils liegt in der Abgrenzung zwischen Drohung und Warnung, da die Strafanzeige formell erst nach Veranlassung des Mandanten des Anwalts – als scheinbaren Gläubiger – hätte gestellt werden müssen; zum anderen wird die Verwerflichkeit des Handelns des Angeklagten i.S.d. § 240 Abs. 2 StGB im Hinblick auf seine Vorstellungen über die Berechtigung der Forderungen untersucht.)
II. BGH, Urteil vom 09.10.2013 – 2 StR 119/13
Eine Person begeht auch dann noch Gewaltätigkeiten „aus einer Menschenmenge“ heraus und ist damit als Täter eines Landfriedensbruchs gemäß § 125 Abs. 1 StGB anzusehen, wenn er räumlich von der gewalttätigen Gruppe getrennt ist, sofern die konkret ausgeführte Gewalttätigkeit von der in der gewaltbereiten Menge vorhandenen Grundstimmung und zustimmenden Haltung getragen wird. Zudem greift die Subsidiaritätsklausel des § 125 Abs. 1 StGB a.E. in den Regelbeispielsfällen des § 125a S. 2 StGB bei gleichzeitiger Konkurrenz zu einer gefährlichen Körperverletzung nach § 224 StGB nicht ein, da letzterer Tatbestand ebenfalls einen Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vorsieht und damit im Vergleich zum besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs kein Delikt mit „schwererer Strafe“ darstellt.
III. BGH, Urteil vom 22.11.2013 – 3 StR 162/13
Zwar begründet das gänzliche Fehlen einer Vorstellung beim Opfer keinen Irrtum im Sinne des § 263 StGB. Ein solcher kann jedoch insbesondere bei routinehaften und gleichförmigen Massengeschäften in Gestalt eines „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ vorliegen, bei denen bestimmte selbstverständliche Erwartungen bestehen, die nicht in jedem Einzelfall bewusst aktualisiert werden müssen (hier: kein versuchter, sondern ggf. vollendeter Betrug bei Zahlung mit Falschgeld).
– – –
Zum Schluss noch eine Entscheidung im Umfeld der Regelungen zur Verfahrensabsprache, welche zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen ist:
IV. BGH, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13
Der Rechtsmittelverzicht nach einer informellen Verständigung, die unter Umgehung der Regelungen des § 257c StPO ergangen ist, ist in entsprechender Anwendung des § 302 Abs. 1 S. 2 StPO „erst Recht“ unwirksam.
Zum Start ins neue Jahr präsentieren wir euch mal wieder eine Reihe von Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht in der jüngsten Zeit getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten. Gerade im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein. Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern – gerade anhand der betreffenden Leitsätze , Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen – eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
BVerfG v. 17.09.2013 (2 BvR 2436/10):
Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleistet eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen dem Abgeordneten und den Wählerinnen und Wählern sowie die Freiheit des Abgeordneten von exekutiver Beobachtung, Beaufsichtigung und Kontrolle.
In der Beobachtung eines Abgeordneten durch Behörden des Verfassungsschutzes liegt ein Eingriff in das freie Mandat gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG, der im Einzelfall zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung gerechtfertigt sein kann. Dieser Eingriff unterliegt strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen und bedarf einer Rechtsgrundlage, die den Grundsätzen des Gesetzesvorbehalts genügt.
Die im Jahr 1990 mit dem Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG) (BGBl I S. 2954 <2970>) geschaffenen § 8 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 Satz 1 Buchstabe c BVerfSchG stellen eine dem Vorbehalt des Gesetzes genügende Rechtsgrundlage für die Beobachtung von Mitgliedern des Deutschen Bundestages dar, auch wenn darin nicht ausdrücklich auf die Rechte der Abgeordneten aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG Bezug genommen wird.
BVerfG v. 23.10.2013 (1 BvR 1842/11):
Der Gesetzgeber darf die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit, das Entgelt für berufliche Leistungen einzelvertraglich zu vereinbaren, durch zwingendes Gesetzesrecht begrenzen, um sozialen oder wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken.
Eine Regelung im Urheberrecht, die einen Anspruch auf gerichtliche Kontrolle der Angemessenheit vertraglich vereinbarter Vergütungen für die Werknutzung gewährt, ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
BVerfG v. 11.11.2013 (2 BvR 547/13):
Die zum 15. November 2013 fällige Abschlagszahlung an die NPD im Rahmen der staatlichen Teilfinanzierung darf mit einem Zahlungsanspruch verrechnet werden, den der Präsident des Deutschen Bundestages gegen die NPD wegen Unrichtigkeiten in deren Rechenschaftsbericht für 2007 festgesetzt hat. Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat es heute abgelehnt, eine am 14. Mai 2013 erlassene einstweilige Anordnung zu wiederholen. Indem die NPD eine bereits erhobene Klage vor dem Verwaltungsgericht Berlin für erledigt erklärt hat, hat sie die fachgerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten nicht ausgeschöpft (siehe Pressemitteilung).
BVerfG v. 04.12.2013 (1 BvR 1154/10):
Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die bisherige Rechtsprechung zur Vaterschaftsanfechtung durch den biologischen Vater bekräftigt. Es ist mit dem Elternrecht des Art. 6 Abs. 2 GG vereinbar, den biologischen Vater von der Anfechtung auszuschließen, um eine bestehende rechtlich-soziale Familie zu schützen (siehe Pressemitteilung).
BVerfG v. 06.12.2013 (2 BvQ 55/13):
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat den Antrag abgelehnt, der SPD im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, eine Abstimmung ihrer Mitglieder über das Zustandekommen einer Großen Koalition durchzuführen. Der Antrag war abzulehnen, weil eine diese Abstimmung beanstandende Verfassungsbeschwerde unzulässig wäre (siehe Pressemitteilung).
BVerfG v. 17.12.2013 (1 BvR 3139/08):
Nach Art. 14 Abs. 3 GG kann eine Enteignung nur durch ein hinreichend gewichtiges Gemeinwohlziel gerechtfertigt werden, dessen Bestimmung dem parlamentarischen Gesetzgeber aufgegeben ist.
Das Gesetz muss hinreichend bestimmt regeln, zu welchem Zweck, unter welchen Voraussetzungen und für welche Vorhaben enteignet werden darf. Allein die Ermächtigung zur Enteignung für „ein dem Wohl der Allgemeinheit dienendes Vorhaben“ genügt dem nicht.
Dient eine Enteignung einem Vorhaben, das ein Gemeinwohlziel im Sinne des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG fördern soll, muss das enteignete Gut unverzichtbar für die Verwirklichung dieses Vorhabens sein.
Das Vorhaben ist erforderlich im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG, wenn es zum Wohl der Allgemeinheit vernünftigerweise geboten ist, indem es einen substantiellen Beitrag zur Erreichung des Gemeinwohlziels leistet.
Eine Enteignung erfordert eine Gesamtabwägung zwischen den für das konkrete Vorhaben sprechenden Gemeinwohlbelangen einerseits und den durch seine Verwirklichung beeinträchtigten öffentlichen und privaten Belangen andererseits.
Der Garantie effektiven Rechtsschutzes gegen Verletzungen der Eigentumsgarantie wird nur genügt, wenn Rechtsschutz gegen einen Eigentumsentzug so rechtzeitig eröffnet wird, dass im Hinblick auf Vorfestlegungen oder den tatsächlichen Vollzug des die Enteignung erfordernden Vorhabens eine grundsätzlich ergebnisoffene Überprüfung aller Enteignungsvoraussetzungen realistisch erwartet werden kann.
Das Grundrecht auf Freizügigkeit berechtigt nicht dazu, an Orten im Bundesgebiet Aufenthalt zu nehmen und zu verbleiben, an denen Regelungen zur Bodenordnung oder Bodennutzung einem Daueraufenthalt entgegenstehen, sofern sie allgemein gelten und nicht gezielt die Freizügigkeit bestimmter Personen oder Personengruppen einschränken sollen.
Art. 14 GG schützt den Bestand des konkreten (Wohn-)Eigentums auch in dessen gewachsenen Bezügen in sozialer Hinsicht, soweit sie an örtlich verfestigten Eigentumspositionen anknüpfen.
Art. 14 GG vermittelt den von großflächigen Umsiedlungsmaßnahmen in ihrem Eigentum Betroffenen einen Anspruch darauf, dass bei der Gesamtabwägung das konkrete Ausmaß der Umsiedlungen und die mit ihnen für die verschiedenen Betroffenen verbundenen Belastungen berücksichtigt werden.
Immer wieder finden sich in Examensklausuren aktuelle Urteile. Die folgenden Entscheidungen sind mit dem amtlichen Leitsatz wiedergegeben. Sie können unter www.bundesgerichtshof.de kostenlos im Volltext nachgelesen werden. Die prozessrechtlichen Entscheidungen sind diesmal nur für die Referendare von Interesse.
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 31.10.2013 – III ZR 388/12 (zu § 839 BGB):
Der Träger einer Städtischen Klinik ist nicht verpflichtet, sämtliche Fenster einer geschlossenen psychiatrischen Station der Klinik so auszustatten, dass sie auch unter Einsatz von Körperkraft nicht so geöffnet werden können, dass ein Patient hinaussteigen oder -springen kann.
BGH, Urt. v. 16.10.2013 – VIII ZR 57/13 (zu § 573 Abs. 2 BGB):
Durch eine mietvertragliche Bestimmung, der zu Folge der Vermieter das Mietverhältnis
„nur in besonderen Ausnahmefällen unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen kündigen kann, wenn wichtige berechtigte Interessen des Vermieters eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen“,
wird dem Mieter ein gegenüber den gesetzlichen Vorschriften erhöhter Bestandsschutz eingeräumt. Für eine Kündigung genügt dann das in § 573 Abs. 2 BGB genannte berechtigte Interesse des Vermieters nicht.
BGH, Urt. v. 8.10.2013 – II ZR 310/12 (zu §§ 171 Abs. 1, 172 Abs. 4 HGB):
Der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft, der eine Drittgläubigerforderung gegen einen Mitgesellschafter geltend macht, ist grundsätzlich nicht verpflichtet, zunächst die Gesellschaft in Anspruch zu nehmen. Eine generell nur subsidiäre Haftung der Gesellschafter für Verbindlichkeiten der Gesellschaft aus Drittgeschäften mit anderen Gesellschaftern lässt sich aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nicht ableiten.
BGH, Urt. v. 1.10.2013 – VI ZR 369/12 (zu § 823 BGB):
Zur Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers eines Transportcontainers und zu seiner Haftung gegenüber einem Transporteur, der durch die zuschlagende Tür des Containers verletzt wird.
BGH, Urt. v. 24.9.2013 – VI ZR 255/12 (zu § 254 BGB, § 9 StVO):
a) Bei einem Unfall zwischen einem Fußgänger und einem Kraftfahrzeug darf bei der Abwägung der Verursachungsanteile im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB nur schuldhaftes Verhalten des Fußgängers verwertet werden, von dem feststeht, dass es zu dem Schaden oder zu dem Schadensumfang beigetragen hat.
b) Die Beweislast für den unfallursächlichen Mitverschuldensanteil des Fußgängers trägt regelmäßig der Halter des Kraftfahrzeugs.
BGH, Urt. v. 24.9.2013 – II ZR 391/12 (zu § 708 BGB):
Die Vorschrift des § 708 BGB schränkt die Haftung der Gesellschafter für vertragswidriges Verhalten ein, indem sie an die Stelle der nach § 276 Abs. 2 BGB maßgebenden verkehrserforderlichen Sorgfalt den Maßstab der Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten setzt. An den Beweis, in eigenen Angelegenheiten eine geringere als die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anzuwenden, sind strenge Anforderungen zu stellen. Der Umstand, dass der Gesellschafter sich durch die schadensbegründende Handlung zugleich selbst geschädigt hat, reicht zum Nachweis der nicht auf den konkreten Schädigungsfall, sondern auf das generelle Verhalten des Schädigers in dem entsprechenden Pflichtenkreis abstellenden Entlastungsvoraussetzungen des § 708 BGB nicht aus.
BGH, Urt. v. 9.10.2013 – VIII ZR 224/12 (zu §§ 305c, 309 Nr. 7 lit. a), 434 Abs. 1 BGB):
a) Einer auf einer Kunstauktion zu einem erheblichen Ausrufpreis als museal angebotene Skulptur, die entgegen einer im Auktionskatalog erfolgten Zuschreibung zu einer in früherer Zeit liegender Stilepoche eine neuzeitliche Fälschung ist, fehlt die bei derartigen Kunstgegenständen zu erwartende Eignung als Sammlerstück und Wertanlage; sie ist deshalb mangelhaft.
b) Die Regelung in den Versteigerungsbedingungen eines Auktionshauses, wonach der Käufer gegen das Auktionshaus keine Einwendungen oder Ansprüche wegen Sachmängeln erheben kann, verstößt gegen § 309 Nr. 7 Buchst. a BGB und ist deshalb insgesamt unwirksam.
II. Prozessrecht
BGH, Urt. v. 24.10.2013 – III ZR 403/12 (zu. §§ 522 Abs. 2, 533 ZPO):
Wird die den erstinstanzlichen Streitgegenstand betreffende Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, verliert eine im Berufungsverfahren erhobene Widerklage entsprechend § 524 Abs. 4 ZPO ihre Wirkung.
BGH, Urt. v. 22.10.2013 – XI ZR 42/12 (zu §§ 253 Abs. 2 Nr. 2, 322 Abs. 1 ZPO):
Die Rechtskraft einer Entscheidung über einen Schadensersatzanspruch gegen eine Bank wegen eines Fehlers bei der Kapitalanlageberatung steht einer Klage auf Ersatz desselben Schadens wegen eines anderen Beratungsfehlers in demselben Beratungsgespräch entgegen.
BGH, Beschl. v. 17.10.2013 – III ZA 274/13 (zu § 117 ZPO):
Beantragt der Beklagte Prozesskostenhilfe für seine Verteidigung gegen die Klage und reicht er die Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst ein, nachdem die Klage bereits zurückgenommen wurde, kommt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht mehr in Betracht.
Im Folgenden eine Übersicht über im letzten Monat veröffentlichte Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 – 4 StR 168/1
Das Hervorrufen von Schlafstörungen, Alpträumen sowie zeitlich begrenzten, akuten Ängsten durch Bedrohungen und Belästigungen des Täters stellt noch keine Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB dar.
II. BGH, Beschluss vom 23. Juli 2013 – 3 StR 205/13
Zur Bedeutung des ursprünglichen Tatplans des Täters für die Frage, ob bei einer Aufgabe der Tat ein fehlgeschlagener Versuch oder ein Rücktritt vom Versuch vorliegt. (Hier: Aufgabe eines schweren Raubes zu Lasten des Inhabers eines Imbisslokals, der mithilfe der Einschüchterung durch eine ungeladene Selbstladepistole erfolgen sollte, was den Inhaber jedoch unbeeindruckt zeigte.)
III. BGH, Beschluss vom 27. August 2013 – 2 StR 156/13
Die Montage manipulierter Türöffner und Blenden an Bankeingängen bzw. Automaten, die pauschal mit einem geringen Betrag entlohnt wird, um die spätere gewerbsmäßige Fälschung von Zahlungskarten durch andere Beteiligte zu ermöglichen, ist keine täterschaftliche Verwirklichung des § 152b StGB, da dies Handlungen sind, die weit im Vorfeld der eigentlichen Tat liegen. In Betracht kommt insofern eine Beihilfe.
Im Folgenden eine Übersicht über im letzten Monat veröffentlichte interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Urteil vom 11.06.2013 – 1 StR 86/13
Es liegt – mangels Zueignungsabsicht – kein schwerer Raub vor, wenn in der Rockerszene ein Mitglied einem anderen mittels Schlägen mit einer schweren Taschenlampe gegen dessen Kopf seine „Kutte“ abnimmt und diese anschließend im Vereinslokal auf den Boden wirft, um damit symbolisch dessen Mitgliedschaft im jeweiligen Rockerclub zu beenden. (Anm.: In der Entscheidung werden auch andere examensträchtige Themen – bedingter Tötungsvorsatz, heimtückischer Mord, Rücktritt vom Versuch – angesprochen, daher ist das Urteil unbedingt lesenswert!)
II. BGH, Beschluss vom 16.7.2013 – 2 StR 163/13
Bei der Erpressung ist die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils normatives Tatbestandsmerkmal, auf das sich der zumindest bedingte Vorsatz des Täters erstrecken muss. Stellt sich der Täter für die erstrebte Bereicherung eine in Wirklichkeit nicht bestehende Anspruchsgrundlage vor, so handelt er in einem Tatbestandsirrtum im Sinne des § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. (Konkret ging es um die Verurteilung wegen eines erpresserischen Menschenraubes bzw. einer versuchten räuberischen Erpressung, bei der der BGH nicht auszuschließen vermochte, dass sich die Täter einen Anspruch auf einen vom Geschädigten nicht ausgezahlten Werklohn vorstellten.)
III. BGH, Beschluss vom 23.07.2013 – 3 StR 96/13
Die Eingabe falscher Identitätsdaten in ein EDV-System durch einen Bankmitarbeiter, dem hierzu umfassende Befugnisse eingeräumt waren, um hierdurch Konten zu eröffnen, die danach von Mittätern ohne spätere Ausgleichsabsicht bis an das Kreditlimit überzogen werden, stellt keinen Computerbetrug des Bankmitarbeiters dar. Denn dieser steht bei entsprechenden Befugnissen „im Lager“ der Bank, so dass er für sie verfügt und sich hierbei nicht irrt. Vielmehr stellt eine solche Verhaltensweise eine Untreue des Bankmitarbeiters zu Lasten der Bank dar bzw. eine Teilnahme hieran durch die außenstehenden Mittäter.
IV. BGH, Urteil vom 31.7.2013 – 2 StR 38/13
Ein heftiger Faustschlag gegen die Schläfe des Opfers und ein wuchtiger Tritt gegen dessen Oberkörper stellen eine das Leben gefährdende Behandlung im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB dar.
V. BGH, Beschluss vom 1.8.2013 – 4 StR 189/13
Der Versuch, eine Prostituierte mit Gewalt zu einer unentgeltlichen sexuellen Dienstleistung zu zwingen, ist – anders als bei freiwillig erbrachten sexuellen Gefälligkeiten, bei denen später die vereinbarte Geldzahlung mit Nötigungsmitteln verweigert wird – keine versuchte räuberische Erpressung, da erzwungenem sexuellen Verhalten kein Vermögenswert zukommt. Solche deliktischen Verhaltensweisen sind vielmehr nach §§ 177, 240 StGB zu ahnden.
VI. BGH, Beschluss vom 21.8.2013 – 1 StR 332/13
Bei einem Zusammentreffen von Diebstahl und Sachbeschädigung (hier: bandenmäßiger Einbruchsdiebstahl nach § 244a und Sachbeschädigung) tritt die Sachbeschädigung jedenfalls dann nicht als typische Begleittat hinter den Einbruchsdiebstahl zurück, wenn der angerichtete Schaden höher als der Wert der Beute gewesen ist. Es besteht dann Tateinheit zwischen den gleichzeitig verwirklichten Delikten.
BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht
Gerne präsentieren wir euch hiermit wieder eine Reihe von Entscheidungen, die das Bundesverfassungsgericht in der jüngsten Zeit getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten. Gerade im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein. Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern – gerade anhand der betreffenden Leitsätze , Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen – eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
BVerfG vom 24.04.2013 – 1 BvR 1215/07:
1. Die Errichtung der Antiterrordatei als Verbunddatei verschiedener Sicherheitsbehörden zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, die im Kern auf die Informationsanbahnung beschränkt ist und eine Nutzung der Daten zur operativen Aufgabenwahrnehmung nur in dringenden Ausnahmefällen vorsieht, ist in ihren Grundstrukturen mit der Verfassung vereinbar.
2. Regelungen, die den Austausch von Daten der Polizeibehörden und Nachrichtendienste ermöglichen, unterliegen hinsichtlich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung gesteigerten verfassungsrechtlichen Anforderungen. Aus den Grundrechten folgt ein informationelles Trennungsprinzip, das diesen Austausch nur ausnahmsweise zulässt.
3. Eine Verbunddatei zwischen Sicherheitsbehörden wie die Antiterrordatei bedarf hinsichtlich der zu erfassenden Daten und ihrer Nutzungsmöglichkeiten einer hinreichend bestimmten und dem Übermaßverbot entsprechenden gesetzlichen Ausgestaltung. Das Antiterrordateigesetz genügt dem nicht vollständig, nämlich hinsichtlich der Bestimmung der beteiligten Behörden, der Reichweite der als terrorismusnah erfassten Personen, der Einbeziehung von Kontaktpersonen, der Nutzung von verdeckt bereitgestellten erweiterten Grunddaten, der Konkretisierungsbefugnis der Sicherheitsbehörden für die zu speichernden Daten und der Gewährleistung einer wirksamen Aufsicht.
4. Die uneingeschränkte Einbeziehung von Daten in die Antiterrordatei, die durch Eingriffe in das Brief- und Fernmeldegeheimnis und das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung erhoben wurden, verletzt Art. 10 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 GG.
BVerfG vom 07.05.2013 – 2 BVR 909/06:
Die Ungleichbehandlung von Verheirateten und eingetragenen Lebenspartnern in den Vorschriften der §§ 26, 26b, 32a Abs. 5 EStG zum Ehegattensplitting ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Siehe auch unser Artikel vom 06.06.2013.
BVerfG vom 08.05.2013 – 1 BvL 1/08:
Allgemeine Studiengebühren sind mit dem Teilhaberecht auf Zulassung zum Hochschulstudium aus Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und dem Sozialstaatsprinzip der Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG vereinbar, solange sie nicht prohibitiv wirken und sozial verträglich ausgestaltet sind.
Die Bremische Landesregelung, die bei der Auferlegung von Studiengebühren nach der Wohnung zugunsten von Landeskindern unterscheidet, verstößt gegen Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 GG, weil sie den danach notwendigen freien und gleichen Hochschulzugang in einem bundesweit zusammenhängenden System ohne hinreichenden Sachgrund beeinträchtigt.
BVerfG vom 14.05.2013 – 2 BvR 547/13
Der Präsident des Deutschen Bundestages wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin (Anm.: Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD)die vom Bund zu leistenden Abschlagszahlungen zum 15. Mai 2013 und zum 15. August 2013 entsprechend seinem Schreiben an die Antragstellerin vom 31. Januar 2013 in Höhe von jeweils 303.414,05 Euro ohne Verrechnung mit dem im Bescheid vom 26. März 2009 festgesetzten Zahlungsanspruch zu zahlen.
BVerfG vom 19.06.2013 – 2 BvR 1960/12:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage, ob der Bürger das Risiko des Nichtzugangs einer an ihn adressierten Mitteilung des Gerichts trägt.
BVerfG vom 19.06.2013 – 1 BvR 667/13:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine Streitigkeit aus dem Dienst- und Werkvertragsrecht.
BVerfG vom 02.07.2013 – 1 BvR 1751/12 (siehe Pressemitteilung):
Eine Rechtsanwaltskanzlei im Rahmen eines Zivilprozesses als „Winkeladvokatur“ zu bezeichnen, kann von der Meinungsfreiheit gedeckt sein. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht in einem heute veröffentlichten Beschluss vom 2. Juli 2013 und hob daher die angegriffenen Unterlassungsurteile auf. Es obliegt nun den Zivilgerichten, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit des Beschwerdeführers mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des kritisierten Anwalts abzuwägen.
BVerfG vom 02.07.2013 – 2 BvR 2392/1:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die im Anschluss an eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung erfolgte Anordnung der Entnahme von Körperzellen und der molekulargenetischen Untersuchung derselben zur Identitätsfeststellung in künftigen Strafverfahren.
BVerfG vom 05.07.2013 – 1 BvR 1018/13:
Die Verfassungsbeschwerde betrifft einen Zivilrechtsstreit aus dem Nachbarschaftsrecht.
BVerfG vom 09.07.2013 – 2 BvC 7/10:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Gültigkeit der Europawahl 2009. Er beanstandet den Verzicht auf das Begründungserfordernis für die Teilnahme an der Briefwahl und rügt die aus seiner Sicht mangelnde Fälschungssicherheit und das erhöhte Risiko der ungewollten Abgabe ungültiger Stimmen bei der Briefwahl.
BVerfG vom 11.07.2013 – BvR 2302/11:
Der Beschwerdeführer wendet sich unmittelbar gegen seine gerichtlich angeordnete Unterbringung nach dem Therapieunterbringungsgesetz. Mittelbar sind die Verfassungsbeschwerden gegen die Vorschriften des Therapieunterbringungsgesetzes selbst gerichtet.
BVerfG vom 16.07.2013 – 1 BvR 3057/11:
1. Wird die Rüge einer Gehörsverletzung weder ausdrücklich noch der Sache nach zum Gegenstand der Verfassungsbeschwerde gemacht oder wird die zunächst wirksam im Verfassungsbeschwerdeverfahren erhobene Rüge einer Gehörsverletzung wieder zurückgenommen, hängt die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde unter dem Gesichtspunkt des Gebots der Rechtswegerschöpfung nicht von der vorherigen Durchführung eines fachgerichtlichen Anhörungsrügeverfahrens ab.
2. Aus Gründen der Subsidiarität müssen Beschwerdeführer allerdings zur Vermeidung der Unzulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde, bei der sie sich nicht auf eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG berufen, eine Anhörungsrüge oder den sonst gegen eine Gehörsverletzung gegebenen Rechtsbehelf ergreifen, wenn den Umständen nach ein Gehörsverstoß durch die Fachgerichte nahe liegt und zu erwarten wäre, dass vernünftige Verfahrensbeteiligte mit Rücksicht auf die geltend gemachte Beschwer bereits im gerichtlichen Verfahren einen entsprechenden Rechtsbehelf ergreifen würden.
Siehe auch unser Artikel vom 15.08.2013.
BVerfG vom 24.07.2013 – 1 BvR 444/13:
Die Verfassungsbeschwerden betreffen eine strafgerichtliche Verurteilung der Beschwerdeführer wegen übler Nachrede.
BVerfG vom 13.08.2013 – 2 BvR 2660/06:
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die Frage der Schadensersatz- und Entschädigungspflicht der Bundesrepublik Deutschland für die Tötung oder Verletzung von Zivilpersonen als Folge der Zerstörung einer Brücke in der serbischen Stadt Varvarin am 30. Mai 1999 während der gegen die Föderative Republik Jugoslawien geführten Luftoperation „Allied Force“ der Organisation des Nordatlantikvertrags (NATO).
BVerfG vom 26.08.2013 – 2 BvR 371/12 (siehe Pressemitteilung):
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus.
Die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat der Verfassungsbeschwerde des Gustl Ferdinand Mollath gegen Beschlüsse des Landgerichts Bayreuth und des Oberlandesgerichts Bamberg stattgegeben. Die in den Beschlüssen des Jahres 2011 aufgeführten Gründe genügen nicht, um die Fortdauer der Unterbringung zu rechtfertigen. Die Beschlüsse verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht auf Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG). Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht Bamberg zurückverwiesen.
In den vergangenen Wochen hat der BGH wieder eine Reihe examensrelevanter Urteile in Zivilsachen erlassen, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Einige dieser Urteile haben wir schon an anderer Stelle besprochen (z.B. BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 249/12 über die Wirksamkeit der AGB von Reinigungen, dazu dieser Beitrag und BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 6/13 zu Mangelgewährleistungsrechten bei steuerlicher Schwarzarbeit, dazu dieser Beitrag).
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 169/12 (zu §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) – TOP-TIPP:
Mehrkosten eines eigenen Deckungskaufs des Käufers sind nicht als Verzögerungsschaden nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB ersatzfähig. Es handelt sich um einen an die Stelle der Leistung tretenden Schaden, den der Gläubiger nur unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB und somit nicht neben der Vertragserfüllung beanspruchen kann.
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 191/12 (zu § 536a BGB):
Die Kündigung eines Mietverhältnisses, die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragen ist, steht, auch wenn sie an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten.
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – III ZR 342/11 (zu § 839 BGB):
a) Zur Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen.
b) Dem Inhaftierten, der menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt ist, steht kein Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. Art. 5 EMRK bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft. Unzumutbare Haftbedingungen werden ausschließlich von Art. 3 EMRK erfasst. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK richten sich primär nach nationalem Recht in Deutschland nach §§ 839, 249 ff BGB.
Anm. d. Verf.: Die EMRK gilt in Deutschland nach der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. BVerfG, Urt. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 315) im Rang eines einfachen Bundesgesetzes.
BGH, Urt. v. 11.6.2013 – VI ZR 209/12 (zu § 823 Abs. 1 BGB):
Zur Zulässigkeit eines satirisch gefärbten Fernsehbeitrags über das Streitgespräch eines Journalisten mit einer Teilnehmerin an einer Mahnwache im Hinblick auf das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort.
BGH, Urt. v. 4.6.2013 – II ZR 207/10 (zu §§ 138, 705 BGB):
a) Die im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründete Verpflichtung einer nicht leistungsfähigen Gesellschafterin zur Rückzahlung erheblicher Beträge, die der andere Gesellschafter einlegt und die vereinbarungsgemäß dem im Interesse der Gesellschaft tätigen Ehemann der Gesellschafterin zufließen, ist nicht sittenwidrig, wenn die Ehefrau aufgrund ihrer Gesellschafterstellung ein adäquates wirtschaftliches Eigeninteresse an der mit den Zahlungen verbundenen Förderung des Gesellschaftszwecks hat.
b) Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit gesellschaftsvertraglicher Regelungen erfordert eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, die zur Zeit des Vertragsschlusses gegeben sind.
BGH, Urt. v. 14.5.2013 – X ZR 15/11 (zu §§ 651c Abs. 1, 651a Abs. 1, 651e Abs. 1, 651f Abs. 2 BGB):
a) Inwieweit die Reise mangelhaft war und sich der Reisepreis infolgedessen mindert, kann bei
einer Kreuzfahrt nicht schematisch aufgrund eines für jeden Reisetag anzusetzenden gleichen Bruchteils des Reisepreises beurteilt werden. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der einzelnen Teilen des Reiseprogramms unterschiedliches Gewicht beizumessen sein kann.
b) Ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen kann, hängt nicht nur davon ab, in welchem Umfang Reiseleistungen nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht worden sind. Vielmehr ist aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen, wie gravierend sich die Mängel für den Reisenden ausgewirkt haben.
c) Eine bestimmte Minderungsquote, etwa von 50%, ist für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise weder notwendig noch ausreichend. Eine hohe Minderungsquote ist jedoch ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung.
d) Grundsätzlich dieselben Maßstäbe gelten für die Beurteilung der Frage, ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise den Vertrag kündigen kann
BGH, Urt. v. 28.5.2013 – VI ZR 125/12 (zu Art. 5 GG, Artt. 8, 10 EMRK, §§ 22, 23 KUG):
Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11-jährigen Kindes an einer Sportveranstaltung.
II. Prozessrecht
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 52/12 (zu §§ 256 Abs. 1, 263 Abs. 3 Nr. 1 ZPO):
Erhebt der Kläger, der in einem Rechtsstreit eine positive Feststellungsklage erhoben hat, nachfolgend in einem weiteren Rechtsstreit eine Leistungsklage, mit der ein aus demselben streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteter Anspruch geltend gemacht wird, steht dem die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, unabhängig davon, ob mit der Leistungsklage alle von der Feststellungsklage erfassten Ansprüche geltend gemacht werden.
BGH, Urt. v. 18.7.2013 – III ZR 208/12 (zu § 314 ZPO) – nur für Referendare wichtig:
Der nach § 314 Satz 1 ZPO erbrachte Beweis kann durch das Sitzungsprotokoll gemäß § 314 Satz 2 ZPO nur entkräftet werden, wenn die dort getroffenen Feststellungen ausdrücklich oder wenigstens unzweideutig denjenigen des Tatbestands widersprechen.
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – IX ZR 306/12 (zu § 11 RVG) – nur für Referendare wichtig:
Beantragt der Rechtsanwalt gegen seinen Mandanten, nachdem er diesem höhere Rahmengebühren in Rechnung gestellt hat, die Festsetzung der Mindestgebühren, verzichtet er damit auf die weitere Gebührenforderung.
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 354/12 (zu § 558 Abs. 2 ZPO) – nur für Referendare wichtig:
Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten.
Auch in den vergangenen Wochen hat der BGH wieder eine Reihe examensrelevanter Urteile und Beschlüsse in Zivilsachen erlassen, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Einige Entscheidungen liegen bislang nur als Pressemitteilungen vor. Hinzuweisen ist insbesondere auf die Entscheidungen BGH, Urt. v. 5.6.2013 – VIII ZR 287/12 (Mangel der Mietwohnung wegen mangelnden Trittschallschutzes) und BGH, Urt. v. 29.5.2013 – VIII ZR 174/12 (Abkürzung der Verjährung bei Gebrauchtwagenkauf, mehr dazu hier).
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 19.4.2013 – V ZR 47/12 (zu § 1191 BGB) – TOP-TIPP:
Der Sicherungsnehmer ist nach Maßgabe des allgemeinen Schuldrechts zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er den durch den endgültigen Wegfall des Sicherungszwecks aufschiebend bedingten Anspruch auf Rückgewähr einer Sicherungsgrundschuld nach Bedingungseintritt schuldhaft nicht erfüllt; ist der Rückgewähranspruch – etwa an einen nachrangigen Grundpfandgläubiger – abgetreten worden, steht der Anspruch auf Schadensersatz dem Zessionar zu.
Ob der Sicherungszweck endgültig weggefallen ist, richtet sich nach der Sicherungsvereinbarung; auch wenn diese eine Revalutierung der Grundschuld erlaubt, tritt die aufschiebende Bedingung jedenfalls mit dem endgültigen Ende der Geschäftsbeziehung ein.
Nach einer dem Sicherungsnehmer angezeigten Abtretung kann die Sicherungsvereinbarung nur unter Mitwirkung des Zessionars inhaltlich geändert werden, soweit die Änderung den Rückgewähranspruch einschließlich der aufschiebenden Bedingung betrifft, unter der dieser steht.
BGH, Urt. v. 24.4.2013 – VIII ZR 265/12 (zum Leasing):
Bei einem Leasingvertrag mit Kilometerabrechnung sind für die Bemessung des mängel- oder beschädigungsbedingten Minderwertausgleichs weder der vom Leasinggeber vorab intern kalkulierte Restwert noch der nach Vertragsablauf erzielte Verwertungserlös von Bedeutung (im Anschluss an Senatsurteile vom 14. November 2012 – VIII ZR 22/12, DB 2012, 2865 Rn. 24; vom 14. Juli 2004 – VIII ZR 367/03, NJW 2004, 2823; Aufgabe des Senatsurteils vom 22. Januar 1986 – VIII ZR 318/84, BGHZ 97, 65 ff.).
BGH, Urt. v. 8.5.2013 – IV ZR 233/11 (zu § 307 Abs. 1 S. 2 BGB):
Der Leistungsausschluss in Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen … in ursächlichem Zusammenhang mit dem Ankauf, der Veräußerung, der Verwaltung von Beteiligungen“ ist wirksam.
BGH, Urt. v. 23.4.2013 – II ZR 74/12 (zu § 25 BGB, § 256 ZPO):
Wenn das innerhalb seiner satzungsmäßigen Befugnis tätig gewordene Vereinsgericht eine vom Vorstand gegen ein Vereinsmitglied verhängte Vereinsmaßnahme aufhebt, steht für den Verein im Verhältnis zum Mitglied bindend fest, dass die Maßnahme entfallen ist.
Im Rahmen der auf die Feststellung der Wirksamkeit der betreffenden Maßnahme gerichteten Klage des Vereins gegen das Vereinsmitglied ist nicht zu überprüfen, ob das innerhalb seiner satzungsmäßigen Befugnis tätig gewordene Vereinsgericht die betreffende Vorstandsentscheidung sachlich zu Recht aufgehoben hat.
II. Prozessrecht
BGH, Urt. v. 18.4.2013 – III ZR 156/12 (zu § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO) – TOP-TIPP FÜR REFERENDARE:
Die Möglichkeit des Kostenantrags nach § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO hindert eine Kostenerstattungsklage nicht.
Die klagende Partei hat in dem Fall, dass ihre Klage vor Rechtshängigkeit zur Erledigung kommt und daraufhin zurückgenommen wird, die Wahl, ob sie den von ihr geltend gemachten materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch im Wege des Kostenantrags nach § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO verfolgen oder deswegen eine Kostenerstattungsklage erheben will.
BGH, Beschl. v. 23.4.2013 – VI ZB 27/12 (zu § 520 Abs. 3 ZPO) – wichtig nur für Referendare:
Gehört ein Telefaxgerät zu einer gemeinsamen Post- und Faxannahmestelle, die als Geschäftsstelle sämtlicher angeschlossener Gerichte und Behörden gilt, ist ein per Telefax übermittelter Schriftsatz auch dann in die Verfügungsgewalt des Gerichts gelangt, an das er adressiert war, wenn für die Übermittlung versehentlich die Faxnummer einer anderen in den Behörden- und Gerichtsverbund einbezogenen Stelle gewählt worden ist.
BGH, Beschl. v. 26.3.2013 – VI ZB 53/12 (zu § 4 ZPO):
Die geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten sind im Berufungsverfahren als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, soweit dem Kläger die zugrunde liegende Hauptforderung in erster Instanz aberkannt worden ist und er sein Begehren mit der Berufung insoweit nicht weiterverfolgt.
In den vergangenen Wochen hat der BGH wieder einige Urteile in Zivilsachen veröffentlicht, die für das erste und zweite Staatsexamen von Interesse sind:
BGH, Urt. v. 13.3.2013 – VIII ZR 172/12 (zu § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) – TOP-TIPP:
Wird ein Kraftfahrzeug, das kurz zuvor eine sogenannte „Oldtimerzulassung“ erhalten hat, mit der Klausel „positive Begutachtung nach § 21c StVZO (Oldtimer) im Original“ verkauft, liegt darin eine Beschaffenheitsvereinbarung, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der die erteilte positive Begutachtung als Oldtimer (vgl. jetzt § 23 StVZO) rechtfertigt.“
BGH, Urt. v. 20.3.2013 – VIII ZR 168/12 (zu §§ 535 Abs. 1, 307 BGB):
Eine Allgemeine Geschäftsbedingung in einem Mietvertrag über Wohnräume, die den Mieter verpflichtet „keine Hunde und Katzen zu halten“ ist wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam.
BGH, Urt. v. 20.3.2013 – VIII ZR 233/12 (zu §§ 573 Abs. 2 Nr. 2, 242 BGB):
Eine Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarfs für einen Familienangehörigen ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Eigenbedarf zwar nur kurze Zeit nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist, bei Abschluss des Mietvertrages aber noch nicht absehbar war.
BGH, Urt. v. 19.3.2013 – VI ZR 93/12 (zu §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG):
Zur Zulässigkeit einer Berichterstattung während eines laufenden Strafverfahrens über Äußerungen, aus denen sich Rückschlüsse auf sexuelle Neigungen ergeben.
BGH, Urt. v. 10.4.2013 – VIII ZR 379/12 (zu § 551 Abs. 1, 4 BGB):
Auf eine Sicherheit, die dem Vermieter zur Abwendung einer Kündigung wegen Zahlungsverzugs gewährt wird, findet § 551 Abs. 1, 4 BGB keine Anwendung.
BGH, Urt. v. 20.2.2013 – VIII ZR 339/11 (zu §§ 254 Abs.1, 280 Abs. 1 BGB):
a) Zur Frage der Doppelkausalität bei einer Schadensverursachung durch Mängel eng zusammengehöriger Arbeitsvorgänge zur Herstellung eines Bodenbelags.
b) Bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile nach § 254 BGB können nur solche Umstände zu Lasten des Geschädigten anspruchsmindernd berücksichtigt werden, von denen feststeht, dass sie eingetreten und für die Entstehung des Schadens (mit)ursächlich geworden sind.
BGH, Urt. v. 1.3.2013 – V ZR 14/12 (zu § 1004 Abs. 1 BGB):
Der Grundstückseigentümer entscheidet auch dann allein über die kommerzielle Verwertung der von seinem Grundstück aus angefertigten Fotografien seiner Bauwerke und Gartenanlagen, wenn er den Zugang zu privaten Zwecken gestattet hat.
BGH, Beschl. v. 28.2.2013 – V ZB 18/12 (zu §§ 268 Abs. 3 Satz 1, 880 Abs. 5, 1150 BGB):
Bei der Ablösung von Rechten braucht sich der Inhaber eines Zwischenrechts die Rangänderungen, die erst nach der Eintragung seines Rechts in das Grundbuch wirksam geworden sind, nicht entgegenhalten [zu] lassen. Er kann unabhängig davon, aus welchem der nach der Rangänderung vorrangig gewordenen Rechte die Vollstreckung in das Grundstück betrieben wird, das vorrangige Recht insgesamt ablösen. Dabei geht das abgelöste Recht gemäß §§ 1150, 268 Abs. 3 Satz 1 BGB mit dem Inhalt und dem Rang auf den Ablösenden über, der dieses Recht im Zeitpunkt der Eintragung des Zwischenrechts hatte.
BGH, Beschl. v. 21.2.2013 – V ZB 15/12 (zu § 1365 Abs. 1 BGB; § 19 GBO):
Hat ein im gesetzlichen Güterstand lebender Grundstückseigentümer über ein ihm gehörendes Grundstück ohne Zustimmung des Ehegatten verfügt, darf das Grundbuchamt seine Verfügungsbefugnis nur anzweifeln, wenn konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen des § 1365 Abs. 1 BGB bestehen.
BGH, Beschl. v. 13.3.2013 – XII ZB 650/11 (zu § 1578b BGB):
Ein ehebedingter Nachteil im Sinne des § 1578b BGB liegt nicht nur vor, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ehebedingt von der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit absieht oder eine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit aufgibt, sondern auch dann, wenn er ehebedingt seinen Arbeitsplatz wechselt und dadurch Nachteile erleidet.
Es ist wieder Zeit für unseren traditionellen Überblick über die Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen. Das Prozessrecht ist wieder nur für die Referendare interessant. Weitere aktuelle Entscheidungen der Zivilgerichte findet ihr auch in diesem Beitrag.
I. Materielles Recht
Urt. v. 26.2.2013 – VI ZR 116/12 (zu § 823 BGB, § 7 StVO – TOP-TIPP):
Verlässt ein Unfallbeteiligter wegen eines Auffahrunfalls bei eisglatter Fahrbahn sein Fahrzeug, um sich über die Unfallfolgen zu informieren, eröffnet er dadurch nicht selbst einen eigenständigen Gefahrenkreis. Stürzt er infolge der Eisglätte, verwirklicht sich nicht eine aufgrund der Straßenverhältnisse gegebene allgemeine Unfallgefahr, sondern die besondere durch den Unfall entstandene Gefahrenlage.
Urt. v. 7.3.2013 – VII ZR 162/12 (zu §§ 305, 307 BGB):
Eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Lieferanten einer von ihm einzubauenden Küche
„Der Kaufpreis ist spätestens bei Anlieferung der Kaufgegenstände ohne Abzug zu bezahlen.“
ist unwirksam.
Urt. v. 7.3.2013 – III ZR 231/12 (zu § 818 Abs. 1 BGB, Auszug):
Auch wenn Nutzungen primärer Bereicherungsgegenstand und nicht nach § 818 Abs. 1 BGB herauszugeben sind, ist der Kondiktionsschuldner lediglich zum Ersatz der tatsächlich gezogenen Nutzungen verpflichtet.
Urt. v. 21.2.2013 – III ZR 266/12 (zu § 307 BGB):
In einem (Formular-)Kleingartenpachtvertrag kann wirksam vereinbart werden, dass der abgebende Pächter für den Fall, dass kein Nachpächter vorhanden ist, den Kleingarten bis zur Neuverpachtung unter Fortzahlung der vereinbarten Entgelte und Gebühren zu bewirtschaften oder die Baulichkeiten einschließlich Fundamente, befestigte Wege und Anpflanzungen zu entfernen und den Kleingarten im umgegrabenen Zustand zu übergeben hat.
Urt. v. 8.2.2013 – V ZR 56/12 (zu §§ 242, 903 BGB):
Der Grundstückseigentümer ist nach den Grundsätzen über das nachbarliche Gemeinschaftsverhältnis auch zu einem positiven Tun – hier: Mitbeheizen der benachbarten Doppelhaushälfte – nur verpflichtet, wenn dies für einen billigen Interessenausgleich zwingend geboten ist.
Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 290/11 (zu 249 BGB, Auszug):
Zwar kann sich daraus, dass ein angemietetes Ersatzfahrzeug nur für geringe Fahrleistungen benötigt wird, die Unwirtschaftlichkeit der Anmietung ergeben. Doch kann im Einzelfall die Erforderlichkeit der Anmietung deshalb zu bejahen sein, weil der Geschädigte auf die ständige Verfügbarkeit eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist.
Urt. v. 5.2.2013 – VI ZR 274/12 (zu § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X):
§ 116 Abs. 6 Satz 1 SGB X ist analog auch auf Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft anwendbar.
II. Prozessrecht (betrifft nur Referendare):
Beschl. v. 21.2.2013 – VII ZB 9/11 (zu § 776 ZPO):
Im Rechtsmittelverfahren kann ein durch richterlichen Beschluss aufgehobener Pfändungsbeschluss nicht wiederhergestellt werden. Ein nur mit diesem Ziel eingelegtes Rechtsmittel ist unzulässig.
Beschl. v. 26.2.2013 – VI ZR 374/12 (§ 237 ZPO):
Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist hat grundsätzlich das Berufungsgericht zu entscheiden. Das gilt auch dann, wenn die Berufung schon als unbegründet zurückgewiesen und der Antrag nach Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde gestellt worden ist.
Beschl. v. 7.2.2013 – VII ZB 2/12 (zu § 288 Abs. 2 BGB):
Der in einem Urteil enthaltene Zinsausspruch „8% Zinsen über dem Basiszinssatz“ ist vom Gerichtsvollzieher regelmäßig dahingehend auszulegen, dass Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz tituliert sind.
Im Folgenden eine Übersicht über im Februar auf der Internet-Seite des BGH veröffentlichte interessante Entscheidungen in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschl. vom 29.11.2012 – 3 StR 293/12 –
Der Versuch einer Brandstiftung mit Todesfolge (§ 306c StGB) kommt in zwei Varianten in Betracht. Entweder ist das Grunddelikt (Brandstiftung) versucht und die Erfolgsqualifikation (Tod eines Menschen) gegeben oder aber der Täter nimmt – bei vollendetem Grunddelikt – den Tod eines Menschen zumindest in Kauf.
Konkret war weder das eine noch das andere der Fall: Das Tatopfer war nicht verstorben, so dass erstere Variante ausschied. Hinsichtlich der zweiten Möglichkeit fehlte es sowohl an der Vollendung des Grunddelikts als auch am voluntativen Element: Das Feuer hatte nicht auf feste Bestandteile des Gebäudes übergegriffen, die Angeklagten rechneten gerade nicht mit dem Tode des Geschädigten, sondern gingen davon aus, dass er die Wohnung rechtzeitig würde verlassen können.
II. BGH, Beschl. vom 5.12.2012 – 1 StR 569/12 –
1. Sukzessive Mittäterschaft ist zwar auch noch nach Vollendung der Tat möglich, nicht mehr aber nach Beendigung der Tat.
2. Eine Beendigung der Tat liegt vor, wenn der Gewahrsam an der Beute gefestigt und gesichert ist und damit bereits eine ausreichend sichere Verfügungsgewalt über die Beute erlangt wurde.
Konkret: Keine Zurechnung eines schweren Raubes wegen Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs (§§ 249, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) dem im Auto wartenden Mittäter, wenn dieser von dem mitgeführten Werkzeug erst erfährt, nachdem der den Gegenstand verwendende Kumpan – ohne verfolgt zu werden – den räumlichen Tatort bereits verlassen hat und in den Pkw gestiegen ist.
III. BGH, Beschl. vom 19.12.2012 – 4 StR 494/12 –
1. Ein vollendeter Raub gemäß § 249 Abs. 1 StGB liegt nur dann vor, wenn sich der Angeklagte die seinem Opfer entrissene Tasche und die darin befindlichen Sachen zueignen wollte. Nimmt der Täter (wie im vorliegenden Fall) ein Behältnis nur deshalb an sich, weil er darin Bargeld vermutet, das er für sich behalten will, eignet er sich das Behältnis nicht zu.
2. Befinden sich in dem Behältnis anstatt des erwarteten Bargeldes andere Gegenstände, die der Täter aufgrund eines neuen Entschlusses für sich behält, liegt darin lediglich eine Unterschlagung (§ 246 StGB), die neben den auch weiterhin nur versuchten Raub tritt.
IV. BGH, Beschl. vom 22.1.2013 – 1 StR 234/12 –
Bei der Vorschrift des § 283 StGB handelt es sich um ein echtes Sonderdelikt. Täter, Mittäter oder mittelbarer Täter kann daher grundsätzlich nur die Person sein, die für die Erfüllung der Verbindlichkeit haftet; dies gilt sowohl für die Begehungsweise des Abs. 1 als auch für die des Abs. 2 der Norm. Bei der Pflichtenstellung handelt es sich um eine solche höchstpersönlicher Art und mithin um ein besonderes persönliches Merkmal gemäß § 28 Abs. 1 StGB. (Leitsatz des Gerichts)
V. BGH, Urt. vom 5.2.2013 – 1 StR 405/12 –
1. Der Tatbestand der versuchten Anstiftung nach § 30 Abs. 1 StGB knüpft allein an die abstrakte Gefährlichkeit des Tatverhaltens an, die darin liegt, dass derjenige, der einen anderen zur Begehung eines Verbrechens auffordert, Kräfte in Richtung auf das angegriffene Rechtsgut in Bewegung setzt, über die er nicht mehr die volle Herrschaft behält.
2. Deswegen genügt es bereits, dass der Täter es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen hat, dass der Aufgeforderte die Aufforderung ernst nehmen und durch sie zur Tat bestimmt werden könnte; dass der Täter davon ausgegangen sein müsste, dass der anvisierte Täter zur Tötung eines Menschen ohne weiteres bedingungslos bereit gewesen wäre ist hierfür nicht erforderlich.
– – –
Schlussendlich noch ein Hinweis auf eine verfahrensrechtliche Entscheidung mit amtlichen Leitsatz, welche sich auf die Vorschrift des § 81h StPO (DNA-Reihenuntersuchungen) bezieht:
VI. BGH, Urt. vom 20.12.2012 – 3 StR 117/12 –
Zur Verwertbarkeit der im Zusammenhang mit einer molekulargenetischen Reihenuntersuchung gewonnenen Erkenntnis, dass der Verursacher der bei der Tat gelegten DNA-Spur wahrscheinlich mit einem der Teilnehmer der Untersuchung verwandt ist (sog. Beinahetreffer).
In den vergangenen Wochen hat der BGH einige Entscheidungen in Zivilsachen gefällt, die in der einen oder anderen Form im Examen laufen könnten. Das Prozessrecht betrifft diesmal ausschließlich die Referendare.
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 13.11.2012 – VI ZR 330/11 (zu § 823 BGB i.V.m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG):
Zur Zulässigkeit des Bereithaltens von zeitgeschichtlich bedeutsamen, den Täter namentlich nennenden Prozessberichten über ein Kapitalverbrechen in dem Online-Archiv einer Zeitschrift.
BGH, Urt. v. 7.11.2012 – VIII ZR 119/12 (zu §§ 307, 556 BGB):
Eine Klausel in einem vom Vermieter gestellten Formularmietvertrag, die dem Mieter die anteiligen Kosten der jährlichen Wartung einer Gastherme auferlegt, benachteiligt den Mieter auch dann nicht unangemessen, wenn die Klausel eine Obergrenze für den Umlagebetrag nicht vorsieht (Abgrenzung zu BGH, Urteil vom 15. Mai 1991 – VIII ZR 38/90, WM 1991, 1306).
BGH, Urt. v. 11.12.2012 – VI ZR 314/10 und Urt. v. 11.12.2012 – VI ZR 315/10 (zu § 823 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG):
Bislang nur als Pressemitteilung veröffentlicht, geht es in diesen Entscheidungen um Presseberichte über eine Tätigkeit als Inoffizieller Mitarbeiter („IM“) des Ministeriums für Staatssicherheit („Stasi“) der DDR.
BGH, Urt. v. 20.11.2012 – VI ZR 268/11 (zu § 826 BGB):
Zur Haftung des Geschäftsführers einer als Emissionshaus tätigen GmbH wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung von Kapitalanlegern durch Abgabe eines Garantieversprechens.
BGH, Urt. v. 13.11.2012 – XI ZR 500/11 (zu § 307 BGB):
Die im Preis- und Leistungsverzeichnis eines Kreditinstituts enthaltene Bestimmung über die Kontoführungsgebühr für ein Pfändungsschutzkonto ist im Verkehr mit Verbrauchern gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, wenn hiernach
– der Kunde bei Umwandlung seines schon bestehenden Girokontos in ein Pfändungsschutzkonto ein über der für das Girokonto zuvor vereinbarten Kontoführungsgebühr liegendes Entgelt zu zahlen hat oder
– das Kreditinstitut bei der Neueinrichtung eines Pfändungsschutzkontos ein Entgelt verlangt, das über der Kontoführungsgebühr für ein Neukunden üblicherweise als Gehaltskonto angebotenes Standardkonto mit vergleichbarem Leistungsinhalt liegt.
BGH, Urt. v. 8.11.2012 – VII ZR 191 12 (zu §§ 307, 632a Abs. 3 BGB):
Eine in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Unternehmers enthaltene Klausel, die isoliert die Fälligkeit und die Höhe der ersten Abschlagszahlung in einem Werkvertrag mit einem Verbraucher über die Errichtung oder den Umbau eines Hauses regelt (hier: 7 % der Auftragssumme nach Fertigstellung des ersten Entwurfs), ohne auf die nach § 632a Abs. 3 BGB gesetzlich geschuldete Sicherheitsleistung des Unternehmers einzugehen, ist unwirksam, weil sie den Verbraucher von der Geltendmachung seines Rechts auf diese Sicherheitsleistung abhalten kann.
II. Prozessrecht
BGH, Beschl. v. 8.11.2012 – V ZB 124/12 (zu §§ 727 Abs. 1, 750 Abs. 2 ZPO):
Ist aufgrund einer Eintragung im Genossenschaftsregister dem Rechtsnachfolger des in einem Vollstreckungstitel bezeichneten Gläubigers eine vollstreckbare Ausfertigung des Titels erteilt worden, darf die Zwangsvollstreckung nur erfolgen, wenn dem Schuldner zusammen mit dem Titel neben der Vollstreckungsklausel ein Auszug aus dem Register zugestellt wird, welcher den aktuellen Registerinhalt im Zeitpunkt der Klauselerteilung wiedergibt.
Die Entscheidung sollte nur für das 2. Staatsexamen von Bedeutung sein.
Im Folgenden eine Übersicht über in letzter Zeit in Zeitschriften veröffentlichte interessante Entscheidungen von Obergerichten in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschl. v. 14.2.2012 – 3 StR 392/11 (= NStZ 2012, 627 f. = StV 2012, 465 f.)
– Kein Raub bzw. räuberische Erpressung bei der gewaltsamen Wegnahme eines Mobiltelefons zur bloßen Durchsuchung des Speichers und dem anschließenden Kopieren einzelner Daten –
1. Es liegt keine für einen Raub erforderliche Zueignungsabsicht vor, wenn der Täter ein Mobiltelefon gewaltsam an sich bringt, um im Speicher des Geräts nach Beweisen für die Art der Beziehung zwischen dem Geschädigten und der Schwester einer dritten Person zu suchen. Gleiches gilt für das Kopieren gefundener Daten, da dies nicht zu deren Verbrauch führt.
2. Ebenfalls fehlt es in diesem Fall an einer Bereicherungsabsicht i.S.d. räuberischen Erpressung, da der bloße Besitz einer Sache nur dann einen Vermögensvorteil darstellt, wenn ihm ein eigenständiger wirtschaftlicher Wert zukommt, etwa weil er zu wirtschaftlich messbaren Gebrauchsvorteilen führt, die der Täter für sich nutzen will. Daran fehlt es nicht nur in den Fällen, in denen der Täter die Sache unmittelbar nach Erlangung vernichten will, sondern auch dann, wenn er den mit seiner Tat verbundenen Vermögensvorteil nur als notwendige oder mögliche Folge seines ausschließlich auf einen anderen Zweck gerichteten Verhaltens hinnimmt.
II. BGH, Urt. v. 27.6.2012 – 2 StR 79/12 (= NStZ 2012, 629 f. = wistra 2012, 385 f.)
– Zum Vermögensschaden beim Betrug –
1. Wird bei einem Kauf über Umstände getäuscht, die den Verkehrswert der Sache maßgeblich mitbestimmen, erleidet der dadurch zum Kaufabschluss bewogene Kunde einen Betrugsschaden regelmäßig nur dann, wenn die Sache objektiv den vereinbarten Preis nicht wert ist. Unerheblich ist demgegenüber regelmäßig, ob die gelieferte Ware von geringerem Wert ist als die vertraglich vereinbarte.
2. Daher ist beim Fehlen einer vom Verkäufer fälschlich zugesicherten Eigenschaft der Kaufsache der Käufer nicht stets und ohne Rücksicht darauf, ob die Sache trotz Fehlens der zugesicherten Eigenschaft den vereinbarten Preis wert ist, durch den Abschluss des Vertrages betrügerisch geschädigt (hier: Kauf von Plagiatsfelgen, die als Originalfelgen ausgegeben wurden).
III. OLG Celle, Beschl. v. 23.7.2012 – 31 Ss 27/12 (StraFo 2012, 419 ff. = DAR 2012, 644 ff.)
– Zur Rechtswidrigkeit einer Diensthandlung i.S.d. § 113 StGB bei einer Verkehrskontrolle –
Eine Diensthandlung ist rechtswidrig im Sinne von § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB, wenn Polizeibeamte einen Betroffenen falsch belehrt haben (konkret: Belehrung über eine allgemeine Verkehrskontrolle nach § 36 Abs. 5 StVO, wenn tatsächlich der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt besteht).
VI. OLG Hamm, Urt. v. 21.8.2012 – III-4 Rvs 42/12 (= wistra 2012, 447 f.)
– Untreue und Irrtum über das Einverständnis des Vermögensinhabers –
1. Der Tatbestand der Untreue setzt einen gravierenden Pflichtenverstoß voraus, der durch das Einverständnis des Vermögensinhabers mit dem Handeln des Täters entfällt.
2. Ein Irrtum des Täters über das Einverständnis ist Tatbestandsirrtum i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 StGB.
(Anm.: Das OLG nutzt in der Entscheidung teilweise auch den Begriff der „Einwilligung“, offenbar als Synonym – dies ist in der Prüfung strikt zu vermeiden!)