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Dr. Maike Flink

Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 4/2019 und 1/2020) – Teil 2: Verwaltungsrecht

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite

Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung. Der folgende Überblick ersetzt zwar keinesfalls die vertiefte Auseinandersetzung mit den einzelnen Entscheidungen, soll hierfür aber Stütze und Ausgangspunkt sein. Dargestellt wird daher eine Auswahl der examensrelevanten Entscheidungen der vergangenen Monate anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen und ergänzender kurzer Ausführungen aus den Gründen, um einen knappen Überblick aktueller Rechtsprechung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts zu bieten.
 
BVerwG (Urt. V. 30.10.2019 – 6 C 18.18): Einstufung von Bushido-Album als jugendgefährdend rechtmäßig
 Das BVerwG hat entschieden, dass die Einstufung des Bushido-Albums „Sonny Black“ als jugendgefährdend rechtmäßig ist:

„Zum einen erfüllt das Album die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Jugendgefährdung im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 und 2 JuSchG. Zum anderen ist dem berechtigten Interesse an der Indizierung aus Gründen des Jugendschutzes der Vorrang vor dem durch Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geschützten Interesse des Klägers an der uneingeschränkten Verbreitung des Albums einzuräumen. Die Kunstfreiheit rechtfertigt nicht, Minderjährigen das Album trotz seiner nachteiligen Auswirkungen auf deren Persönlichkeitsentwicklung ungehindert zugänglich zu machen.“

Denn § 18 I JuSchG soll im Rahmen des Möglichen die äußeren Bedingungen für eine charakterliche Entwicklung von Minderjährigen schaffen, die zu Einstellungen und Verhaltensweisen führt, die sich am Menschenbild des Grundgesetzes orientieren, was allerdings durch Medien gefährdet wird, die ein damit in Widerspruch stehendes Wertebild vermitteln. Es genügt, dass eine solche Gefährdung Minderjähriger zumindest ernsthaft möglich erscheint, was auf Grundlage der aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse zu ermitteln ist. Maßstab sind insofern nicht sämtliche Minderjährige, sondern nur solche, die aufgrund ihrer Veranlagung, ihres Geschlechts ihrer Erziehung oder Lebensumstände als tatsächlich gefährdungsgeeignet erscheinen. Dennoch genügt die Erfüllung der Voraussetzungen des § 18 I JuSchG nicht, wenn es sich bei den Inhalten des Mediums um Kunstwerke handelt, wobei der Kunstbegriff des Art. 5 III 1 GG maßgeblich ist. Allerdings folgt aus der Kunstfreiheit kein generelles Indizierungsverbot, erforderlich ist vielmehr eine Abwägung von Jugendschutz und Kunstfreiheit. Da das fragliche Album „durch die offene Begehung schwerer Straftaten wie etwa Drogenhandel in Schulen, eine uneingeschränkte Gewaltbereitschaft und den skrupellosen Einsatz brutaler Gewalt aus beliebigen Anlässen gekennzeichnet“ sowie frauenfeindlich und homophob ist und insbesondere von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Schichten gehört wird, die in der Hauptfigur „Sonny Black“ ein Vorbild erkennen könnten, hat das Album erheblich jugendgefährdende Wirkung. Es weist zudem keinen gesteigerten Kunstgehalt auf, sondern dient vorrangig der Unterhaltung. Daher kommt dem Jugendschutz eindeutig der Vorrang zu, sodass die Einstufung des Albums als jugendgefährdend rechtmäßig ist.
 
VGH München (Beschl. v. 5.11.2019 – 11 B 19.703): Kein Anspruch auf Entfernung von Parkmarkierungen
Das Recht auf Anliegergebrauch öffentlicher Straßen wird von  Art. 14 I GG nur in seinem Kernbereich geschützt und reicht daher nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße auch erfordert. Dies bestimmt sich stets anhand der konkreten Gegebenheiten, wobei grundsätzlich auch die Möglichkeit geschützt ist, das Grundstück mit Kraftfahrzeugen zu erreichen. Dabei genügt es aber regelmäßig – insbesondere in städtischen Gebieten –, dass die Zugänglichkeit für Lieferungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs erhalten bleibt. Können insbesondere Feuerwehr, Polizei und Krankenwagen das Grundstück problemlos erreichen, wird durch eine Parkregelung regelmäßig nicht in das Recht auf Anliegergebrauch eingegriffen. Soweit nur Lastkraftwagen das Grundstück nicht erreichen können, fehlt i.d.R. es an einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte des Anliegers.

 „§ 12 Abs. 1 Nr. 1 StVO regelt das Verhalten der Verkehrsteilnehmer an engen Straßenstellen, enthält aber keine Vorgabe an die Straßenverkehrsbehörde, durch Verkehrsregelungen die Entstehung von Engstellen durch parkende Fahrzeuge in schmalen Wohnstraßen zu verhindern. Erst wenn durch das Parkverhalten Gefahren für die Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO entstehen, muss die Straßenverkehrsbehörde Maßnahmen erwägen.“

 
OVG Hamburg (Beschl. v. 29.1.2020 – 1 Bs 6/20): Verbot der Vollverschleierung in der Schule
 Das OVG Hamburg hat festgestellt, dass eine an die Mutter einer vollverschleierten Schülerin gerichtete Anordnung, dafür zu sorgen, dass ihre Tochter nur noch unverschleiert zum Unterricht erscheint, einer eindeutigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedarf, da es sich um einen grundrechtsrelevante Maßnahme handelt: Zwar bedarf nicht jede Regelung durch Lehrkräfte im Schulbetrieb einer expliziten gesetzlichen Grundlage. Insbesondere soweit Grundrechte der Schüler betroffen sind, ist jedoch die Wesentlichkeitstheorie zu beachten, nach der der parlamentarische Gesetzgeber insbesondere grundrechtsrelevante Fragestellungen selbst zu regeln hat. Dies ist bei einem Verschleierungsverbot der Fall:

 „Insoweit sind jedoch auch minder verbreitete religiöse Bekleidungsvorschriften zu beachten, die der oder die Betroffene für sich für verbindlich hält. Deshalb kann auch das Tragen einer Bedeckung in Form des Niqabs, d.h. eines Gesichtsschleiers, wie sie heute noch im Jemen und Saudi-Arabien verbreitet ist und von fundamentalistischen Muslimen gefordert bzw. empfohlen wird […] dem Schutz der Religionsfreiheit unterfallen.“

 Nicht ausreichend ist daher eine Regelung, die es lediglich ermöglicht, gegenüber den Erziehungsberechtigten bei mehrfacher Nichtteilnahme am Unterricht, eine Schulbesuchsverfügung zu erlassen. Zwar spricht viel dafür, dass die „Teilnahme am Unterricht“ (i.S.v. §§ 28 II, 41 I 1 HMbSG) über die rein physische Anwesenheit hinaus auch die Kommunikationsbereitschaft der Schülerinnen und Schüler meint. Es kann jedoch nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass das Tragen eines Gesichtsschleiers im Unterricht die Kommunikation mit der Schülerin unmöglich macht.  Dazu führt das Gericht aus:

 „Infolge der beim Niqab noch freien Augen ist durchaus eine nonverbale Kommunikation über einen Augenkontakt möglich; auch eine Gestik (z.B. Melden, Nicken mit dem Kopf oder Schütteln des Kopfes) ist, wenn auch in eingeschränkter Weise, möglich […]. Im übrigen ist weder substantiiert geltend gemacht worden noch ersichtlich, dass eine NiqabTrägerin nicht verbal mit Gesprächspartnern, seien es Lehrer oder Mitschüler, kommunizieren könnte.“

S. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
 

15.04.2020/1 Kommentar/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2020-04-15 09:18:052020-04-15 09:18:05Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 4/2019 und 1/2020) – Teil 2: Verwaltungsrecht
Dr. Maike Flink

Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 4/2019 und 1/2020) – Teil 1: Verfassungsrecht

BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung von entscheidender Bedeutung. Der folgende Überblick ersetzt zwar keinesfalls die vertiefte Auseinandersetzung mit den einzelnen Entscheidungen, soll hierfür aber Stütze und Ausgangspunkt sein. Dargestellt wird daher eine Auswahl der examensrelevanten Entscheidungen der vergangenen Monate anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen und ergänzender kurzer Ausführungen aus den Gründen, um einen knappen Überblick aktueller Rechtsprechung auf dem Gebiet des Öffentlichen Rechts zu bieten.
 
BVerfG (Urt. v. 5.11.2019 – 1 BvL 7/16): Minderung von Hartz IV bei unterbliebener Mitwirkung teilweise verfassungswidrig
 Die Regelungen zur Minderung bzw. zum Entzug der Sozialhilfe nach § 31a I SGB II und § 31b SGB II, welche die Mitwirkungspflichten nach § 31 I SGB II durchsetzen sollen, sind in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 IGG) vereinbar: Zwar sind Mitwirkungspflichten – ebenso wie Sanktionen bei unterlassener Mitwirkung – im Rahmen der Gewährung existenzsichernder Leistungen grundsätzlich zulässig, jedoch müssen sie in ihrer konkreten Ausgestaltung auch verhältnismäßig sein. Denn die Minderung existenzsichernder Leistungen steht in einem erheblichen Spannungsverhältnis zur aus Art. 1 I GG i.V.m. Art. 20 I GG abgeleiteten Existenzsicherungspflicht des Staates. Daher gilt ein strenger Verhältnismäßigkeitsmaßstab:

„Wird eine Mitwirkungspflicht zur Überwindung der eigenen Bedürftigkeit ohne wichtigen Grund nicht erfüllt und sanktioniert der Gesetzgeber das durch den vorübergehenden Entzug existenzsichernder Leistungen, schafft er eine außerordentliche Belastung. Dies unterliegt strengen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit; der sonst weite Einschätzungsspielraum zur Eignung, Erforderlichkeit und Zumutbarkeit von Regelungen zur Ausgestaltung des Sozialstaates ist hier beschränkt. Prognosen zu den Wirkungen solcher Regelungen müssen hinreichend verlässlich sein; je länger die Regelungen in Kraft sind und der Gesetzgeber damit in der Lage ist, fundierte Einschätzungen zu erlangen, umso weniger genügt es, sich auf plausible Annahmen zu stützen. Zudem muss es den Betroffenen tatsächlich möglich sein, die Minderung existenzsichernder Leistungen durch eigenes Verhalten abzuwenden; es muss also in ihrer eigenen Verantwortung liegen, in zumutbarer Weise die Voraussetzungen dafür zu schaffen, die Leistung auch nach einer Minderung wieder zu erhalten.“

Zwar dienen die Sanktionsregelungen in § 31a I SGB II sowie § 31b SGB II mit der Durchsetzung dieser Mitwirkungspflichten einem legitimen Ziel, da nur durch ein „Fördern und Fordern“ die dauerhafte Finanzierbarkeit der Sozialhilfe gewährleistet werden kann. Allerdings sind die konkreten Regelungen unverhältnismäßig, da sie Leistungskürzungen in unzumutbarer Höhe – einschließlich des vollständigen Wegfalls existenzsichernder Leistungen – ermöglichen. Zudem können auch nur geringe Kürzungen gegenwärtig ohne weitere Prüfung, beispielsweise von besonderen Härten, erfolgen. Letztlich endet die Leistungskürzung unabhängig von den Umständen des Einzelfalls stets nach einer starren Frist, sodass auch eine Nachholung der Mitwirkung unbeachtlich ist. Aufgrund vorstehender Erwägungen verstoßen die Sanktionen bei Unterlassen einer Mitwirkungshandlung in ihrer konkreten Ausgestaltung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
 
 BVerfG (Beschl. v. 6.11.2019 – 1 BvR 16/13): Recht auf Vergessen I
Das BVerfG räumt der Prüfung am Maßstab der Grundrechte des GG nunmehr einen Vorrang ein, sofern sich die Anwendungsbereiche von GG und GRCh überschneiden. Grundsätzlich prüft das Gericht nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts, weshalb es die GRCh – bislang – nicht als Prüfungsmaßstab heranziehen konnte. Um dadurch nicht die einheitliche Anwendung des Unionsrechts zu gefährden, treten die Grundrechte des GG grundsätzlich zurück, sofern der Anwendungsbereich der GRCh eröffnet ist, d.h. wenn die Mitgliedstaaten Unionsrecht durchführen (Art. 51 I 1 GRCh). Dies gilt jedenfalls, solange der europäische Grundrechtsstandard im Wesentlichen mit dem Schutzniveau des Grundgesetzes vergleichbar ist.  Soweit den Mitgliedstaaten eigene Umsetzungsspielräume verbleiben, bleiben die Grundrechte des GG jedoch anwendbar. Denn in einem solchen Fall ist wegen der verbleibenden mitgliedstaatlichen Spielräume eine vollständig einheitliche Anwendung des Unionsrechts gar nicht intendiert. Die Grundrechte des GG treten damit – wie das BVerfG nunmehr ausdrücklich feststellt – neben die Grundrechte der GRCh. Bei paralleler Anwendbarkeit mehrerer Grundrechtskataloge gilt grundsätzlich das jeweils höhere Schutzniveau (Art. 53 GRCh). In diesem Zusammenhang stellt das BVerfG fest, dass zu vermuten ist, dass das Schutzniveau der Grundrechte des GG demjenigen der GRCh zumindest entspricht oder dieses sogar übersteigt.

„Wenn danach regelmäßig anzunehmen ist, dass das Fachrecht, soweit es den Mitgliedstaaten Spielräume eröffnet, auch für die Gestaltung des Grundrechtsschutzes auf Vielfalt ausgerichtet ist, kann sich das BVerfG auf die Vermutung stützen, dass durch eine Prüfung am Maßstab der Grundrechte des Grundgesetzes das Schutzniveau der Charta, wie sie vom EuGH ausgelegt wird, in der Regel mitgewährleistet ist. […] Die primäre Anwendung der Grundrechte des Grundgesetzes bedeutet nicht, dass insoweit die Grundrechte-Charta ohne Berücksichtigung bleibt. Der Einbettung des Grundgesetzes wie auch der Charta in gemeinsame europäische Grundrechtsüberlieferungen entspricht es vielmehr, dass auch die Grundrechte des Grundgesetzes im Lichte der Charta auszulegen sind.“

 S. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 6.11.2019 – 1 BvR 276/17): Recht auf Vergessen II
Enthält das durch die Mitgliedstaaten umzusetzende und zu vollziehende Unionsrecht keine Gestaltungsspielräume, finden die Grundrechte des GG keine Anwendung; sie treten hinter der GRCh zurück. Allerdings hat das BVerfG nunmehr klargestellt, dass es sich berechtigt sieht, die Grundrechte der GRCh selbst anzuwenden und als Prüfungsmaßstab im Rahmen der Verfassungsbeschwerde heranzuziehen. So heißt es ausdrücklich:

„Soweit das BVerfG die Charta der Grundrechte der Europäischen Union als Prüfungsmaßstab anlegt, übt es seine Kontrolle in enger Kooperation mit dem EuGH aus.“

Nur so könne das BVerfG einen effektiven Grundrechtsschutz gewährleisten. Da die Grundrechte der GRCh letztlich ein Funktionsäquivalent der Grundrechte des GG seien und auf unionsrechtlicher Ebene kein effektiver Individualrechtsbehelf bestehe, komme dem BVerfG die Aufgabe zu, den effektiven Schutz auch der Grundrechte der GRCh im Rahmen der Verfassungsbeschwerde sicherzustellen:

„Die Gewährleistung eines wirksamen Grundrechtsschutzes gehört zu den zentralen Aufgaben des BVerfG. […]Auch die Unionsgrundrechte gehören heute zu dem gegenüber der deutschen Staatsgewalt durchzusetzenden Grundrechtsschutz. Sie sind nach Maßgabe des Art. 51 I GRCh innerstaatlich anwendbar und bilden zu den Grundrechten des Grundgesetzes ein Funktionsäquivalent. […] Ohne Einbeziehung der Unionsgrundrechte in den Prüfungsmaßstab des BVerfG bliebe danach der Grundrechtsschutz gegenüber der fachgerichtlichen Rechtsanwendung nach dem heutigen Stand des Unionsrechts unvollständig. Dies gilt insbesondere für Regelungsmaterien, die durch das Unionsrecht vollständig vereinheitlicht sind. Da hier die Anwendung der deutschen Grundrechte grundsätzlich ausgeschlossen ist, ist ein verfassungsgerichtlicher Grundrechtsschutz nur gewährleistet, wenn das BVerfG für die Überprüfung fachgerichtlicher Rechtsanwendung die Unionsgrundrechtezum Prüfungsmaßstab nimmt.“

 S. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 30.1.2020 – 2 BvR 1005/18): Das Verbot, Hunde in eine Arztpraxis mitzuführen, benachteiligt Blinde unangemessen
Ein gegenüber blinden Menschen ausgesprochenes Verbot, mit einem Blindenführhund eine Arztpraxis zu durchqueren, stellt eine mit Art. 3 III 2 GG – der jede Benachteiligung wegen der Behinderung verbietet – nicht zu vereinbarende Benachteiligung dar. Eine Schlechterstellung von Menschen mit Behinderung ist nur ausnahmsweise zulässig, sofern sie durch zwingende Gründe gerechtfertigt werden kann. Dies gilt auch im Rechtsverhältnis zwischen Privaten, denn das Benachteiligungsverbot ist zugleich eine objektive Wertentscheidung des Gesetzgebers und hat daher auch Einfluss auf Anwendung und Auslegung des Zivilrechts. Das Verbot, Hunde in eine Arztpraxis mitzuführen, benachteiligt blinde Menschen in besonderem Maße, soweit es ihnen dadurch insgesamt verwehrt wird, die Praxisräume selbstständig zu durchqueren. Unerheblich ist dabei, dass die betroffenen blinden Personen selbst nicht daran gehindert werden, die Praxisräume zu betreten, sondern sich daran lediglich deshalb gehindert fühlen, weil sie ihren Blindenführhund nicht mitnehmen können. Denn Art. 3 III 2 GG möchte jede Bevormundung behinderter Menschen verhindern und ihnen Autonomie ermöglichen. Wird einem Blinden jedoch verwehrt, seinen Blindenführhund mit in die Praxis zu nehmen, so folgt daraus zugleich, dass er sich von anderen Menschen helfen lassen und sich damit von anderen abhängig machen muss, um die Praxisräume zu durchqueren. Die betroffene Person muss sich – ohne dies zu wollen – anfassen und führen oder im Rollstuhl schieben lassen, was einer Bevormundung gleichkommt und daher mit Art. 3 III 2 GG unvereinbar ist. Diese erhebliche Beeinträchtigung überwiegt die entgegenstehende Berufsausübungsfreiheit sowie die allgemeine Handlungsfreiheit das Praxisinhabers. Denn es bestehen keine sachlichen Gründe für ein Verbot, Blindenhunde mitzuführen: Dies gelte insbesondere soweit auf die Gewährleistung der nötigen Hygiene verwiesen werde. Denn sofern die blinde Person mit ihrem Blindenführhund lediglich den Wartebereich durchqueren möchte – den auch andere Menschen mit Straßenschuhe und Straßenkleidung betreten – sei keine nennenswerte Beeinträchtigung der Hygiene durch den Hund zu erkennen.
 
BVerfG (Urt. v. 26.2.2020 – 2 BvR 2347/15 u.a.): Grundrecht auf Suizid
Das BVerfG hat § 217 StGB, der die geschäftsmäßige Sterbehilfe unter Strafe stellte, für verfassungswidrig erklärt und damit zugleich ein Grundrecht auf Suizid geschaffen. § 217 StGB hatte bislang jede Form der geschäftsmäßigen Sterbehilfe unter Strafe gestellt, wobei Geschäftsmäßigkeit in diesem Zusammenhang keine Gewinnerzielungsabsicht erforderte, sondern es allein auf eine Wiederholungsabsicht, die auch bei Ärzten angenommen werden konnte, ankam. Die Norm verletzt das Grundrecht der betroffenen Sterbewilligen auf selbstbestimmtes Sterben, das sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) herleiten lässt und in jeder Phase menschlicher Existenz besteht. Zwar verfolgt die Norm das legitime Ziel des Autonomie- und Lebensschutzes. Indes führte das BVerfG aus:

„Die Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung hat zur Folge, dass das Recht auf Selbsttötung als Ausprägung des Rechts auf selbstbestimmtes Sterben in bestimmten Konstellationen faktisch weitgehend entleert ist. Dadurch wird die Selbstbestimmung am Lebensende in einem wesentlichen Teilbereich außer Kraft gesetzt, was mit der existentiellen Bedeutung dieses Grundrechts nicht in Einklang steht.“

Weitergehend setzte sich das Gericht auch mit einer möglichen Verletzung der Grundrechte der betroffenen Ärzte, Rechtsanwälte und Sterbehilfevereine auseinander, die sich ihrerseits auf Art. 12 I GG und subsidiär auf Art. 2 I GG berufen können. Denn die Möglichkeit, Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, ist in tatsächlicher Hinsicht davon abhängig, dass Dritte auch bereit sind, diese zu leisten. Nur wenn Dritte Sterbehilfe straffrei durchführen können, kann auch das Grundrecht auf Suizid tatsächlich verwirklicht werden.
 S. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.
 
BVerfG (Beschl. v. 27.2.2020 – 2 BvR 1333/17): Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen
Das BVerfG hat das Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen, das es ihnen untersagt, Tätigkeiten, bei denen sie von Bürgern als Repräsentanten der Justiz oder des Staates wahrgenommen werden können, mit Kopftuch auszuüben, als verfassungsgemäß eingestuft. Das Verbot stelle keine Verletzung der Religionsfreiheit (Art. 4 I, II GG), der Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) oder des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG) dar. Im Schwerpunkt setzte das BVerfG sich mit der Religionsfreiheit der Beschwerdeführerin auseinander: Die Pflicht, bei Tätigkeiten, bei denen die Beschwerdeführerin als Repräsentantin des Staates wahrgenommen werden könnte, gegen ihre religiös begründeten Bekleidungsregeln zu verstoßen, stellt zwar einen Eingriff in den Schutzbereich der Religionsfreiheit dar, da sie dadurch vor die Wahl gestellt werde, „entweder die angestrebte Tätigkeit auszuüben oder dem von ihr als verpflichtend angesehenen religiösen Bekleidungsgebot Folge zu leisten.“ Allerdings ist dieser Eingriff nach Auffassung des BVerfG gerechtfertigt, da der Staat seinerseits zur Neutralität verpflichtet sei.

„Hierbei entspricht die Verpflichtung des Staates zur Neutralität einer Verpflichtung seiner Amtsträger: Der Staat kann nur durch seine Amtsträger handeln, sodass diese das Neutralitätsgebot zu wahren haben, soweit ihr Handeln dem Staat zugerechnet wird.
Hier ist eine besondere Betrachtung des Einzelfalls erforderlich. Nicht jede Handlung eines staatlich Bediensteten ist dem Staat in gleicher Weise zuzurechnen. […] Die Situation vor Gericht ist indes besonders dadurch geprägt, dass der Staat dem Bürger klassisch-hoheitlich gegenübertritt. Auch ist eine besondere Formalität und Konformität dadurch gegeben, dass die Richter eine Amtstracht tragen.
[…] Aus Sicht des objektiven Betrachters kann insofern das Tragen eines islamischen Kopftuchs durch eine Richterin oder eine Staatsanwältin während der Verhandlung als Beeinträchtigung der weltanschaulich-religiösen Neutralität dem Staat zugerechnet werden.“

Weitere Erwägungen für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Kopftuchverbotes sind zudem das Vertrauen des Bürgers in die Rechtspflege und die Justiz sowie sie negative Religionsfreiheit Dritter, die durch den unausweichlichen Anblick des Kopftuchs im Gerichtssaal verletzt sein kann. Unter Berufung auf diese Argumente lehnte das BVerfG daher auch eine Verletzung der Berufsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin ab.
S. ausführlich unsere Entscheidungsbesprechung.

08.04.2020/1 Kommentar/von Dr. Maike Flink
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maike Flink https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maike Flink2020-04-08 10:00:122020-04-08 10:00:12Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Quartal 4/2019 und 1/2020) – Teil 1: Verfassungsrecht
Gastautor

Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019

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Wir freuen uns, heute einen Beitrag von Charlotte Schippers veröffentlichen zu können. Die Autorin hat an der Universität Bonn Jura studiert und ist derzeit wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit an der Universität Bonn (Lehrstuhl Thüsing).
 
Bei der Vorbereitung auf die schriftliche und vor allem mündliche Examensprüfung, aber auch auf Klausuren des Studiums, ist die Kenntnis aktueller Rechtsprechung unbedingt erforderlich. Neue Urteile und Beschlüsse werden immer wieder als ein Teil der Prüfung herangezogen oder bei besonders wichtigen Entscheidungen ausdrücklich abgefragt. Der folgende Überblick soll für die examensrelevanten Entscheidungen in Strafsachen des Jahres 2019 als Stütze dienen und Ausgangspunkt für eine tiefere Auseinandersetzung sein.
 
Strafrecht
 
BGH, Beschl. v. 8.1.2019 – 1 StR 356/18: Bestätigung der Verurteilung gegen Waffenverkäufer im Fall des Amoklaufs in Münchener Olympia-Einkaufszentrum
Der BGH hat Anfang des Jahres das Urteil des LG München (19.1.2018 – 12 KLs 111 Js 239798/16) gegen den Verkäufer der Waffe, die der Amokläufer im Münchener Olympia-Einkaufszentrum verwendete, bestätigt, indem er die Rechtsmittel von Verteidigung und Nebenklage zurückwies: Der Verkäufer wurde durch das LG München wegen fahrlässiger Tötung in neun Fällen und wegen fahrlässiger Körperverletzung in fünf Fällen verurteilt. Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Mord, wie sie auch die Nebenkläger forderten, lehnte das LG München ab, denn der notwendige doppelte Beihilfevorsatz fehle. Es liege aber eine Sorgfaltspflichtverletzung durch den illegalen Verkauf von Schusswaffen und Munition, der sogar selbst den Straftatbestand des § 52 Abs. 1 Nr. 2c WaffG verwirklicht, vor. Darüber hinaus sei der Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs erkennbar und vorhersehbar. Das Dazwischentreten eines Dritten, also des Täters, stehe der Strafbarkeit nicht entgegen:

„[E]ine Mitverantwortung Dritter [führt] nur dann zum Wegfall des Zurechnungszusammenhangs zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des Täters und dem eingetretenen Erfolg, wenn das für den Erfolg ebenfalls kausale Verhalten des Dritten außerhalb jeder Lebenserfahrung liegt. Erforderlich ist demnach, dass die vom Täter ursprünglich gesetzte Ursache trotz des in den Kausalverlauf eingreifenden Verhaltens des Dritten wesentlich fortwirkt, der Dritte also hieran anknüpft. Hiervon ist jedenfalls in solchen Fallgestaltungen auszugehen, in denen sich in dem pflichtwidrigen Handeln des Dritten gerade das Risiko der Pflichtwidrigkeit des Täters selbst verwirklicht.“

Vgl. hier unsere ausführliche Besprechung.
 
Raserfälle: Relevant waren dieses Jahr auch die Verurteilungen von Rasern. Dies ist gerade mit Blick auf die Neueinführung des § 315d StGB ein hoch examensrelevantes Themengebiet, aber auch das mediale Interesse um die Verurteilungen wegen Mordes rückt entsprechende Urteile auch in den Fokus der Examensprüfer.
BGH, Beschl. v. 16.1.2019 – 4 StR 345/18: Bestätigung des Mordurteils gegen einen Raser
Anfang des Jahres hat der BGH ein Mordurteil gegen einen Raser bestätigt. Vorangegangen war die Entscheidung des LG Hamburg (Az.: 621 Ks 12/17) zu folgendem Sachverhalt: Bei einer Verfolgungsfahrt mit der Polizei in einem gestohlenen Taxi und fuhr der alkoholisierte A in der Innenstadt bewusst auf die Gegenfahrbahn. Diese war leicht kurvig und baulich von der übrigen Fahrbahn abgetrennt. A fuhr mit einer Geschwindigkeit von bis zu 155 km/h, bis er wegen Kollisionen mit dem Kantstein der Fahrbahn und einer Verkehrsinsel die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und nach Überqueren einer Kreuzung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 130 km/h frontal mit einem ihm mit nur ca. 20 km/h entgegenkommenden Taxi zusammenstieß. Einer der Insassen verstarb, zwei weitere wurden schwer verletzt.
Das LG ging bei seiner Entscheidung davon aus, dass A mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, was auch der BGH bestätigte:

„[A war] bewusst, ,dass es mit hoher, letztlich unkalkulierbarer und nur vom Zufall abhängender Wahrscheinlichkeit zu einem frontalen Zusammenstoß mit entgegenkommenden Fahrzeugen kommen würde.‘ Ihm war auch ,bewusst, dass ein Frontalunfall mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tod eines oder mehrerer direkter Unfallbeteiligter sowie eventuell zur Schädigung weiterer Personen führen würde.‘ All dies, auch der eigene Tod, wurde vom Angekl. gebilligt, weil er ,kompromisslos das Ziel, der Polizei zu entkommen‘, verfolgte.“

Das Vorliegen eines Mordmerkmals mag mit Blick auf die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels einschlägig sein, das ließ der BGH aber offen. Erfüllt sei vorliegend jedenfalls die Verdeckungsabsicht, da es A maßgeblich darauf ankam, zu entkommen.
Zu mehr Einzelheiten vgl. auch unsere Besprechung.
 
LG Berlin, Urt. v. 26.3.2019 – 532 Ks 9/18: Bedingter Tötungsvorsatz bei Autorennen
Im medialen Fokus stand bereits letztes Jahr das Urteil des LG Berlin, mit dem es zwei Raser, die bei einem illegalen Autorennen einen unbeteiligten Verkehrsteilnehmer getötet hatten, wegen Mordes verurteilte. Dieses erste Urteil hatte der BGH zwar aufgehoben, sodass das LG Berlin erneut entscheiden musste. Es blieb aber dabei, die Angeklagten wegen Mordes zu verurteilen: Zunächst maßgeblich war der Vorsatz. Die Angeklagten hätten das Risiko des Todes anderer Verkehrsteilnehmer erkannt, hätten aber – aus Gleichgültigkeit – dennoch entsprechend gehandelt. Dieses Bewusstsein habe schon in dem Zeitpunkt vorgelegen, in dem die volle Kontrolle über das Fahrzeug noch vorhanden gewesen sei – zur Erinnerung: Der BGH war davon ausgegangen, dass der Tötungsvorsatz erst nach der Tat gegeben sei und demnach unbeachtlich war.
An Mordmerkmalen bejahte das LG das Auto als gemeingefährliches Mittel, die Heimtücke, da das Opfer die Ampel bei Grün überquert habe und damit arglos gewesen sei, sowie niedrige Beweggründe.
Zu weiteren Details sei auf unsere ausführliche Besprechung verwiesen.
 
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.1.2019 – 2 Ws 341/18: Beendigung einer Beziehung als empfindliches Übel
Das OLG Karlsruhe hatte dieses Jahr darüber zu entscheiden, ob die Ankündigung der Beendigung einer Beziehung als ein empfindliches Übel bei der Strafbarkeit wegen (sexueller) Nötigung verstanden werden kann. Nachdem der Täter T die 17 Jahre alte O über ein soziales Netzwerk kennengelernt und mit dem falschen Profil X eine Internet-Beziehung aufgenommen hatte, traf er sich selbst als T mit O und kündigte an, dass, sollte sie sich weigern, mit ihm in sexuellen Kontakt zu treten, die Internet-Beziehung mit X beendet werde.
Das OLG entschied, dass T hierdurch den Tatbestand der sexuellen Nötigung gem. § 177 Abs. 2 Nr. 5 StGB verwirklicht habe, da bei der Frage, ob eine Drohung mit einem empfindlichen Übel vorliege, ein individuell-objektiver Maßstab zugrunde zu legen sei:

„Danach ist das angedrohte Übel dann empfindlich, wenn der in Aussicht gestellte Nachteil von solcher Erheblichkeit ist, dass seine Ankündigung geeignet erscheint, den Bedrohten im Sinn des Täterverlangens zu motivieren, und von dem Bedrohten in seiner Lage nicht erwartet werden kann, dass er der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. Mithin kommt es auf eine den Opferhorizont berücksichtigende Sichtweise und nicht auf einen besonnenen Durchschnittsmenschen an. Auch unter Berücksichtigung des Schutzgutes der Nötigungsdelikte – die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung – kommt deshalb der Individualität des Bedrohten und der Frage, weshalb gerade von ihm in seiner konkreten Situation ein Standhalten gegenüber der Drohung erwartet werden kann, entscheidende Bedeutung. Danach kann auch ein angedrohter Beziehungsabbruch ein empfindliches Übel darstellen, wenn dieser Beziehung für den Bedrohten ein hoher Stellenwert zukommt.“

Das OLG Karlsruhe ging mithin im Ergebnis von der Strafbarkeit des T wegen sexueller Nötigung aus, s. auch unsere Besprechung.
 
OLG Köln, Beschl. v. 4.4.2019 – 2 Ws 122/19: Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers nach § 223 StGB
Das OLG Köln beschäftigte sich im April mit der Strafbarkeit eines gedopten Profiboxers wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB. Profiboxer T besiegte in einem Boxkampf seinen Kontrahenten; allerdings war die nachfolgende Dopingprobe im Hinblick auf das synthetische anabole Steroid Stanozolol positiv. Nach Bejahung des objektiven Tatbestandes der einfachen Körperverletzung – ein Verwenden eines gefährlichen Werkzeugs wegen der eingesetzten Boxhandschuhe lehnte des OLG ausdrücklich ab – ist maßgeblich nach der rechtfertigenden Einwilligung zu fragen, die bei einem Sportwettkampf regelmäßig konkludent vorliegt. Hierbei ist ein Irrtum des Einwilligenden denkbar, denn der Gegner geht regelmäßig von einem anderen Leistungsniveau aus, als von dem, welches erst durch das Doping erzielt wird. So führt das OLG Köln aus:

„Die vom Teilnehmer eines Boxkampfes zumindest konkludent erteilte Einwilligung erstreckt sich ausschließlich auf solche Verletzungen, die bei regelkonformem Verhalten des Gegners üblich und zu erwarten sind. Doping als schwere Missachtung der anerkannten Sport- und Wettkampfregeln, die der Gegner nicht zu erwarten braucht, kann der wirksamen Einwilligung entgegenstehen.“

All dies steht unter dem Vorbehalt, dass das Doping dem Täter sicher nachgewiesen wird, was im konkreten Fall noch aussteht. Sollte dies jedenfalls der Fall sein, handelte er ohne Rechtfertigung und hat sich mithin wegen Körperverletzung gem. § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.
Vgl. hierzu unsere ausführlichere Besprechung.
 
BGH, Urt. v. 6.4.2019 – 5 StR 593/18: Konkretisierung des Gewahrsamswechsels bei kleinen, leicht transportablen Sachen
Im Frühjahr dieses Jahres hat der BGH eine Konkretisierung des Gewahrsamswechsels beim Diebstahl vorgenommen, wobei es insbesondere um die examensrelevante Frage der Begründung neuen Gewahrsams durch Verbringen der Sache in eine Gewahrsamsenklave ging. Der Sachverhalt ist schnell erzählt: Es ging um die Mitnahme von sechs Flaschen Alkohol, die der Täter T in einen Einkaufskorb und dann in seine Sporttasche legte, welche er verschloss, um die Flaschen ohne Bezahlung für sich zu behalten. Er wurde aber vor Verlassen des Ladens vom Ladendetektiv aufgehalten.
Zur Bestimmung, ob eine Wegnahme vorliegt, stellt der BGH auf die Gesamtumstände des konkreten Falls unter Berücksichtigung von Größe, Gewicht und Transportmöglichkeit der jeweiligen Sache ab:

„Danach macht es einen entscheidenden Unterschied, ob es sich bei dem Diebesgut um umfangreiche, namentlich schwere Sachen handelt, deren Abtransport mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, oder ob es nur um kleine, leicht transportable Gegenstände geht. Bei unauffälligen, leicht beweglichen Sachen […] lässt die Verkehrsauffassung für die vollendete Wegnahme schon ein Ergreifen und Festhalten der Sache genügen. Steckt der Täter einen Gegenstand in Zueignungsabsicht in seine Kleidung, so schließt er allein durch diesen tatsächlichen Vorgang die Sachherrschaft des Bestohlenen aus und begründet eigenen ausschließlichen Gewahrsam.“

Das gilt unabhängig davon, wenn sich die handelnde Person noch im Gewahrsamsbereich des Berechtigten – hier des Supermarktes befindet. Für Fälle wie den Vorliegenden gilt daher:

„Für ohne Weiteres transportable, handliche und leicht bewegliche Sachen kann jedenfalls dann nichts anders gelten, wenn der Täter sie in einem Geschäft – wie hier – in Zueignungsabsicht in eine von ihm mitgeführte Hand-, Einkaufs-, Akten- oder ähnliche Tasche steckt; hierdurch bringt er sie in ebensolcher Weise in seinen ausschließlichen Herrschaftsbereich wie beim Einstecken in seine Kleidung.“

Die Strafbarkeit wegen vollendeten Diebstahls ist im vorliegenden Fall somit gegeben. S. zu diesem Urteil unsere Besprechung.
 
BGH, Beschl. v. 7.5.2019 – 1 StR 150/19: Niedrige Beweggründe bei Tötung des Intimpartners
Zu folgendem Fall (gekürzt) erging im Mai dieses Jahres ein Beschluss des BGH: Zwischen T und seiner Ehefrau F kam es vor allem wegen des täglichen Alkoholkonsums des T zu Streit, wobei sich F von T trennte und ihn aufforderte, aus ihrer Wohnung auszuziehen. Auch am nächsten Morgen beharrte sie auf ihrem Entschluss. Als sie das Haus verließ, um zur Arbeit zu gehen, folgte T ihr mit einem Messer in der Jackentasche und dem Vorhaben, sie zu töten, sollte sie ihm keine weitere Chance geben. F verneinte das Ansinnen des T und wandte sich von ihm ab, sodass T ihr, die sich keines Angriffs versah, von hinten vier Mal in den Rücken stach. F drehte sich überrascht um und ging infolge weiterer gegen die Brust geführter Stiche zu Boden. T setzte sich sodann auf die auf dem Rücken liegende F und stach weiter wuchtig auf ihren Brustbereich ein, wobei ihre Versuche, die Stiche abzuwehren, erfolglos blieben. T ließ erst von ihr ab, als sie regungslos liegenblieb. F starb durch die Blutungen.
Die Überlegungen des LG München, es handle sich um einen Mord, bei welchem die Mordmerkmale der Heimtücke und der niedrigen Beweggründe vorliegen, stimmte der BGH nur teilweise zu: Während das Merkmal der Heimtücke gegeben sei, sei hinsichtlich der niedrigen Beweggründe, anders als vom LG vorgenommen, weder maßgeblich darauf abzustellen,

„ob der Täter tatsachenfundiert auf den Fortbestand der Verbindung zum Opfer vertrauen durfte, noch darauf, wie der Zustand der Beziehung war, ob sich das Tatopfer aus nachvollziehbaren Gründen zur Trennung entschlossen hat, ob der Täter seinerseits maßgeblich verantwortlich für eine etwaige Zerrüttung der Partnerschaft war und ob er – dies ist ohnehin stets der Fall – ,die Trennungsentscheidung‘ des Partners ,hinzunehmen‘ hatte. Derartige Erwägungen sind zwar für die entscheidende Frage, ob die – stets als verwerflich anzusehende – vorsätzliche und rechtswidrige Tötung eines Menschen jeglichen nachvollziehbaren Grundes entbehrt, nicht ohne jede Bedeutung; allein der Umstand, dass sich die Trennung des Partners wegen des Vorverhaltens des Täters und des Zustands der Beziehung als „völlig normaler Prozess“ darstellt und (daher) von diesem hinzunehmen ist, ist aber nicht geeignet, die Tötung des Partners, die wie jede vorsätzliche und rechtswidrige Tötung verwerflich ist, als völlig unbegreiflich erscheinen zu lassen.“

Zu beachten ist bei der Prüfung auch, dass nach Auffassung des BGH der Umstand, dass die Trennung vom Tatopfer ausgegangen ist, als gegen die Niedrigkeit des Beweggrundes sprechender Umstand beurteilt werden darf.
 
BGH, Urt. v. 3.7.2019 – 5 StR 132/18 und 5 StR 393/18: Grundsatzurteile zur Sterbehilfe
Medial auch im Fokus standen zwei Urteile zur Sterbehilfe, die der BGH diesen Sommer erlassen hat. Es ging um die Strafbarkeit zweier Ärzte: Der im Hamburger Verfahren angeklagte Facharzt erstellte für zwei Frauen, die sich an einen Sterbehilfeverein gewandt hatten, neurologisch-psychiatrische Gutachten zu ihrer Einsichts- und Urteilsfähigkeit. Hierbei hatte er an der Festigkeit und Wohlerwogenheit ihrer Suizidwünsche keine Zweifel. Auf ihr Verlangen wohnte er auch der Einnahme der tödlich wirkenden Medikamente bei und unterließ Rettungsmaßnahmen. Eine Strafbarkeit nach §§ 216 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB und nach § 323c StGB wurde bereits in der Vorinstanz aufgrund der Tatherrschaft der Frauen über die Todesherbeiführung verneint. Der andere Arzt, um dessen Strafbarkeit es im Berliner Verfahren ging, war Hausarzt der Suizidwilligen, die an einer nicht lebensbedrohlichen, aber stark krampfartige Schmerzen verursachenden Krankheit litt und bereits mehrere Suizidversuche unternommen hatte. Er besorgte ihr ein tödlich wirkendes Medikament und betreute sie, als sie nach der Einnahme des Medikaments bewusstlos wurde. Auch er nahm keine Rettungsmaßnahmen vor. Auch hier wurde die Strafbarkeit abgelehnt, denn die Beschaffung des Medikaments eine straflose Beihilfe zur eigenverantwortlichen Selbsttötung.
Zwar lagen die Voraussetzungen für eine Strafbarkeit durch Unterlassen im Grundsatz wohl vor, wenn auch die Frage nach der Garantenstellung weitestgehend offen gelassen wurde. Allerdings verneinte der BGH die Pflicht zur Abwendung des Todeserfolgs:

„Beide Angeklagte waren nach Eintritt der Bewusstlosigkeit der Suizidentinnen auch nicht zur Rettung ihrer Leben verpflichtet. Der Angeklagte des Hamburger Verfahrens hatte schon nicht die ärztliche Behandlung der beiden sterbewilligen Frauen übernommen, was ihn zu lebensrettenden Maßnahmen hätte verpflichten können. Auch die Erstellung des seitens des Sterbehilfevereins für die Erbringung der Suizidhilfe geforderten Gutachtens sowie die vereinbarte Sterbebegleitung begründeten keine Schutzpflicht für deren Leben. Der Angeklagte im Berliner Verfahren war jedenfalls durch die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts der später Verstorbenen von der aufgrund seiner Stellung als behandelnder Hausarzt grundsätzlich bestehenden Pflicht zur Rettung des Lebens seiner Patientin entbunden.“ (Pressemitteilung Nr. 90/2019)

Konsequenterweise war daher auch nicht von einer Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung gem. § 323c StGB auszugehen. Im Ergebnis verneinte der BGH daher insgesamt die Strafbarkeit der Ärzte. Da sich im Rahmen der Sterbehilfe jedenfalls komplizierte Fälle stellen lassen, sind diese Entscheidungen besonders (examens-)relevant.
Vgl. hierzu auch unsere umfassende Besprechung.
 
Strafprozessrecht
 
BVerfG, Beschl. v. 5.7.2019 – 2 BvR 167/18: Neues zur Wahlfeststellung
Das BVerfG hat sich im Sommer mit der echten Wahlfeststellung beschäftigt. Zur Erinnerung: Die echte Wahlfeststellung kommt infrage, wenn sicher ist, dass der Täter einen von mehreren möglichen Straftatbeständen erfüllt hat, aber nicht klar ist, welches Delikt er tatsächlich vorliegt. Daher erfolgt nach Auffassung der Rechtsprechung bei rechtsethischer und physiologischer Vergleichbarkeit oder nach der h. L. bei Identität des Unrechtskerns eine wahlweise Bestrafung. Teilweise bestehen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Wahlfeststellung, insbesondere da es an einer gesetzlichen Grundlage fehle, die aber wegen ihrer strafbarkeitsbegründenden Wirkung erforderlich sei, vgl. Art. 103 Abs. 2 GG. Das BVerfG hat nun jedoch die Verfassungsmäßigkeit bejaht. Zunächst stellte es heraus, dass es sich um eine Entscheidungsregel des Strafverfahrens handle, die nicht den Schutzbereich des Art. 103 Abs. 2 GG berühre. Darüber hinaus sei auch kein Verstoß gegen den Grundsatz „nulla poena sine lege“ festzustellen:

„In der Wahlfeststellungssituation hat das Tatgericht aufgrund des jeweils anwendbaren Straftatbestands zu prüfen, auf welche Strafe zu erkennen wäre, wenn eindeutig die eine oder die andere strafbare Handlung nachgewiesen wäre. Von den so ermittelten Strafen ist dann zugunsten des Angeklagten die mildeste zu verhängen. Dass sich hiernach die zu verhängende Strafe durch einen Vergleich (der für jede Sachverhaltsvariante konkret ermittelten Strafen) bestimmt, ändert nichts daran, dass das Tatgericht Art und Maß der Bestrafung einem gesetzlich normierten Straftatbestand entnimmt, genauer dem Gesetz, das für den konkreten Fall die mildeste Bestrafung zulässt.“

Auch der Unschuldsvermutung sei Genüge getan: Zwar könne dem Angeklagten eine konkrete, schuldhaft begangene Straftat nicht nachgewiesen werden, dennoch stünde zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Angeklagte sicher einen von mehreren alternativ in Betracht kommenden Straftatbeständen schuldhaft verwirklicht habe. Demnach ist die echte Wahlfeststellung als verfassungsgemäß zu betrachten.
Diesen Beschluss haben wir ebenfalls ausführlich besprochen.
 
 

11.11.2019/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-11-11 09:51:002019-11-11 09:51:00Rechtsprechungsüberblick Strafrecht und Strafprozessrecht 2019
Dr. Matthias Denzer

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Oktober 2018 – März 2019) – Teil 2

Lerntipps, Startseite, Verschiedenes

Dieser Beitrag setzt den Rechtsprechungsüberblick im Zivilrecht von Oktober 2018 bis März 2019 fort. Teil 1 des Beitrags findet ihr hier.
 
BGH, Beschluss v. 08.01.2019 – VIII ZR 225/17
„VW-Abgasskandal“: Abschalteinrichtung als Sachmangel
Zunächst stellte der BGH fest, dass der Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung ein Mangel i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB ist:

„Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn bei Übergabe an den Käufer eine – den Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduzierende – Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10 VO 715/2007/EG installiert ist, die gemäß Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO 715/2007/EG unzulässig ist.
Dies hat zur Folge, dass dem Fahrzeug die Eignung für die gewöhnliche Verwendung im Sinne von § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB fehlt, weil die Gefahr einer Betriebsuntersagung durch die für die Zulassung zum Straßenverkehr zuständige Behörde (§ 5 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung – FZV) besteht und somit bei Gefahrübergang der weitere (ungestörte) Betrieb des Fahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr nicht gewährleistet ist.“ (Leitsätze 1a und 1b)

Eine Nacherfüllung durch Nachlieferung eines gleichwertigen Neuwagens nach § 439 Abs. 1, 2. Alt BGB soll grundsätzlich möglich sein. Auch ein Modellwechsel (im konkreten Fall von einem VW Tiguan I auf einen VW Tiguan II) steht dem nicht entgegen:

„Bei der durch interessengerechte Auslegung des Kaufvertrags (§§ 133, 157 BGB) vorzunehmenden Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der vom Verkäufer übernommenen Beschaffungspflicht ist zu berücksichtigen, dass die Pflicht zur Ersatzbeschaffung gleichartige und gleichwertige Sachen erfasst. Denn der Anspruch des Käufers auf Ersatzlieferung gemäß § 439 Abs. 1 Alt. 2 BGB richtet sich darauf, dass anstelle der ursprünglich gelieferten mangelhaften Kaufsache nunmehr eine mangelfreie, im Übrigen aber gleichartige und – funktionell sowie vertragsmäßig – gleichwertige Sache zu liefern ist.
Die Lieferung einer identischen Sache ist nicht erforderlich. Vielmehr ist insoweit darauf abzustellen, ob die Vertragsparteien nach ihrem erkennbaren Willen und dem Vertragszweck die konkrete Leistung als austauschbar angesehen haben.
Für die Beurteilung der Austauschbarkeit der Leistung ist ein mit einem Modellwechsel einhergehender, mehr oder weniger großer Änderungsumfang des neuen Fahrzeugmodells im Vergleich zum Vorgängermodell nach der Interessenlage des Verkäufers eines Neufahrzeugs in der Regel nicht von Belang. Insoweit kommt es – nicht anders als sei ein Fahrzeug der vom Käufer erworbenen Modellreihe noch lieferbar – im Wesentlichen auf die Höhe der Ersatzbeschaffungskosten an. Diese führen nicht zum Ausschluss der Leistungspflicht nach § 275 Abs. 1 BGB, sondern können den Verkäufer gegebenenfalls unter den im Einzelfall vom Tatrichter festzustellenden Voraussetzungen des § 439 Abs. 4 BGB berechtigen, die Ersatzlieferung zu verweigern, sofern diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist.“ (Leitsätze 2b und 2c).

Siehe zu dieser besonders examensrelevanten Entscheidung auch die Besprechung von Sebastian Rombey.
 
BGH, Beschluss v. 09.01.2019 – VIII ZB 26/17
Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses und analoge Anwendung des § 566 BGB auf den Erwerb eines Miteigentumsanteils
Die Eheleute M und F waren Miteigentümer einer Mietwohnung. Diese vermieteten sie an den Mieter X. Später übertrug M seinen Miteigentumsanteil auf die F, sodass F nun Alleineigentümerin der Mitwohnung war. Im Februar 2016 kündigte F das Mietverhältnis mit X. Fraglich war nun, ob die Kündigung auch durch den M hätte ausgesprochen werden müssen oder ob § 566 Abs. 1 BGB zur Anwendung komme, mit der Folge, dass die Kündigung allein durch den Erwerber des Miteigentumsanteils ausgesprochen werden konnte. Der BGH verneinte eine direkte Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB:

„Nach dem Wortlaut des § 566 Abs. 1 BGB muss die Veräußerung an einen Dritten erfolgen, das heißt, der veräußernde Eigentümer und der Erwerber müssen personenverschieden sein, der Erwerber darf bis zum Erwerb nicht Vermieter gewesen sein. Eine direkte Anwendung des § 566 BGB kommt damit […] nicht in Betracht.“

Auch eine analoge Anwendung komme nicht in Betracht. Für eine Analogie bedarf es einer planwidrigen Regelungslücke sowie einer vergleichbaren Interessenlage. Solch eine vergleichbare Interessenlage lehnte der BGH im vorliegenden Fall ab:

„Sinn und Zweck des § 566 BGB ist der Schutz des Mieters vor einem Verlust des Besitzes an der Wohnung gegenüber einem neuem Erwerber im Falle der Veräußerung der Mietsache. Dieser Schutzzweck ist von vornherein nicht berührt, wenn […] einer von zwei vermietenden Miteigentümern seinen Eigentumsanteil auf den anderen überträgt, so dass dieser Alleineigentümer der Mietsache wird. Denn der nunmehrige Alleineigentümer ist (weiter) an den Mietvertrag gebunden und ein Verlust des Besitzes auf Seiten des Mieters infolge des Veräußerungsvorgangs ist somit nicht zu besorgen. Damit scheidet eine analoge Anwendung des § 566 BGB auf einen solchen Fall aus.“

 
BGH, Urteil v. 15.01.2019 – II ZR 392/17
Vertretung einer Gesellschaft durch den Aufsichtsrat

„Der Aufsichtsrat vertritt die Aktiengesellschaft nicht nur bei Rechtsgeschäften, die mit einem Vorstandsmitglied selbst geschlossen werden, sondern auch bei Rechtsgeschäften mit einer Gesellschaft, deren alleiniger Gesellschafter ein Vorstandsmitglied ist.“ (Leitsatz)
„Für eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsbereichs spricht insbesondere der Schutzzweck der Norm. § 112 Satz 1 AktG soll Interessenkollisionen vorbeugen und eine unbefangene, von sachfremden Erwägungen unbeeinflusste Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern sicherstellen. Dabei ist es im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ausreichend, dass aufgrund der gebotenen und typisierenden Betrachtung in den von § 112 Satz 1 AktG geregelten Fällen regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft vorhanden ist.
Hierbei kann es keinen entscheidenden Unterschied machen, ob das Vorstandsmitglied einen Vertrag im eigenen Namen mit der Gesellschaft abschließt, oder ob Vertragspartner der Gesellschaft eine Gesellschaft ist, deren alleiniger Gesellschafter das Vorstandsmitglied ist.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BAG, Urteil v. 23.01.2019 – 7 AZR 733/16
Änderung der Rechtsprechung zur Auslegung einer Vorbeschäftigung nach § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG  
Nach bisheriger Rechtsprechung des BAG (Urteil v. 06.05.2011 – 7 AZR 716/09) waren Arbeitsverhältnisse, die länger als drei Jahre zurücklagen, nicht als Vorbeschäftigung im Sinne des § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG anzusehen. Nun nimmt die Rechtsprechung Abstand von einer rein zeitlichen Betrachtung:

„Allerdings können und müssen die Fachgerichte auch nach der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch verfassungskonforme Auslegung den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einschränken, soweit das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar ist, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung kann danach insbesondere unzumutbar sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist.“

Siehe zu dieser Entscheidung auch die ausführliche Besprechung von Yannik Beden, M.A.
 
BAG, Urteil v. 07.02.2019 – VII ZR 63/18
Abgrenzung Schadensersatz statt und neben der Leistung im Werkvertragsrecht
Die Klägerin ließ ihr Kfz (Volvo V 70) beim Beklagten, der eine Kfz-Werkstatt betreibt, warten. Im Rahmen dieser Wartungsarbeiten tauschte der Beklagte u.a. den Keilrippenriemen, den Riemenspanner und den Zahnriemen aus. Aufgrund von Problemen mit der Lenkung bring die Klägerin circa einen Monat später ihr Kfz in die Werkstatt des L – der Beklagte hatte zu diesem Zeitpunkt Betriebsferien. In der Werkstatt des L wird festgestellt, dass der Beklagte den Keilrippenriemen nicht richtig gespannt hatte und dieser daher gerissen war. Infolgedessen sind Schäden am Riemenspanner, am Zahnriemen, der Servolenkungspumpe sowie der Lichtmaschine entstanden. Die Klägerin ließ die beschädigten Teile in der Werkstatt des L austauschen und verlangte nun von der Beklagten Schadensersatz. Es stellte sich somit die Frage, ob die entstandenen Schäden unter den Voraussetzungen des Schadensersatz statt der Leistung (§§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB) oder als Mangelfolgeschäden unter den Voraussetzungen des Schadensersatz neben der Leistung (§§ 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB) ersatzfähig seien.
Der BGH differenzierte insoweit zwischen dem Austausch von Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen und dem Austausch von Servolenkungspumpe und Lichtmaschine.

„Liegt eine Pflichtverletzung in Form einer mangelhaften Werkleistung vor, ist danach zwischen dem Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB und dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB zu unterscheiden. Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst damit das Leistungsinteresse des Bestellers. Er erfordert zunächst – vorbehaltlich der geregelten Ausnahmen – eine Fristsetzung zur Nacherfüllung, um dem Unternehmer eine letzte Gelegenheit zur Erbringung der geschuldeten Werkleistung, also zur Herstellung des mangelfreien Werks, zu geben. Demgegenüber sind gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB die über das Leistungsinteresse hinausgehenden Vermögensnachteile, insbesondere Folgeschäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers als dem Werk selbst oder an dessen Vermögen, zu ersetzen:“

Die Schäden an Servolenkungspumpe und Lichtmaschine (diese Teile waren nicht Gegenstand der Wartungsarbeiten des Beklagten) qualifizierte er dabei als Mangelfolgeschäden, die als Schadensersatz neben der Leistung zu ersetzen sind. Das heißt: Eine Fristsetzung war insoweit nicht erforderlich:

„Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB kann Ersatz für Schäden verlangt werden, die aufgrund eines Werkmangels entstanden sind und durch eine Nacherfüllung der geschuldeten Werkleistung nicht beseitigt werden können. Hiervon erfasst sind mangelbedingte Folgeschäden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten. […]
Von […] Schäden, die im Zuge der Nacherfüllung zwangsläufig entstehen, sind diejenigen Schäden an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen zu unterscheiden, die durch die mangelhafte Werkleistung verursacht wurden. Sie werden von der Nacherfüllung nicht erfasst, sondern können nur Gegenstand des – verschuldensabhängigen – Schadensersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB sein.“

Die Nacherfüllung auch auf Mangelfolgeschäden zu erstrecken – und in der Folge einen Schadensersatzanspruch als Schadensersatz statt der Leistung zu qualifizieren – würde „zu einer nicht gerechtfertigten Einschränkung des Bestellers führen, wenn er bei mangelbedingten (engen) Folgeschäden nicht mehr entscheiden könnte, durch wen sie beseitigt werden sollen. […]Den Interessen des Unternehmers wird in Bezug auf Folgeschäden durch das in § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB geregelte Verschuldenserfordernis hinreichend Rechnung getragen.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)
Die Kosten für den Austausch des Keilrippenriemens, des Riemenspanners und des Zahnriemens qualifizierte das Gericht als Schadensersatz statt der Leistung.

„Der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle der geschuldeten Werkleistung und erfasst das Leistungsinteresse des Bestellers. Er knüpft daran an, dass eine ordnungsgemäße Nacherfüllung nicht erfolgt ist. Sein Anwendungsbereich bestimmt sich damit nach der Reichweite der Nacherfüllung. Da die Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB auf Herstellung des geschuldeten Werks gerichtet ist, bestimmt dieses die Reichweite der Nacherfüllung. Die geschuldete Werkleistung ist dabei im Wege der Vertragsauslegung gemäß §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Die Nacherfüllung erfasst danach die Beseitigung der Mängel des geschuldeten Werks, die auf einer im Zeitpunkt der Abnahme vorhandenen vertragswidrigen Beschaffenheit des Werks beruhen.“

Damit wäre hinsichtlich der Schäden an Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen eine Fristsetzung grundsätzlich erforderlich gewesen. Eine solche hatte die Klägerin nicht gesetzt. Der BGH stellte jedoch fest, dass eine Fristsetzung nach § 281 Abs. 2 BGB entbehrlich sei, da besondere Umstände vorlägen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs rechtfertigten:

„Solche Umstände sind hier zu bejahen. Danach besteht ein besonderes Interesse der Klägerin an einer einheitlichen Reparatur, bei der die erforderlichen Austauscharbeiten im Zuge der Beseitigung der wirtschaftlich im Vordergrund stehenden Folgeschäden an der Lichtmaschine und der Servolenkung miterledigt werden. Demgegenüber tritt das – grundsätzlich bestehende – Interesse des Beklagten an der Möglichkeit einer Nacherfüllung betreffend Keilrippenriemen, Riemenspanner und Zahnriemen zurück […].

 
BAG, Urteil v. 07.02.2019 – 6 AZR 75/18
Gebot fairen Verhandelns bei Aufhebungsverträgen

„Ein Aufhebungsvertrag kann […] unwirksam sein, falls er unter Missachtung des Gebots fairen Verhandelns zustande gekommen ist. […]
Dieses Gebot ist eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht. Sie wird verletzt, wenn eine Seite eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erheblich erschwert. Dies könnte hier insbesondere dann der Fall sein, wenn eine krankheitsbedingte Schwäche der Klägerin bewusst ausgenutzt worden wäre. Die Beklagte hätte dann Schadensersatz zu leisten. Sie müsste den Zustand herstellen, der ohne die Pflichtverletzung bestünde (sog. Naturalrestitution, § 249 Abs. 1 BGB). Die Klägerin wäre dann so zu stellen, als hätte sie den Aufhebungsvertrag nicht geschlossen. Dies führte zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.“ (Pressemitteilung das BAG, Nr. 6/19 v. 07.02.2019)

Siehe zu dieser besonders examensrelevanten Entscheidung auch die ausführliche Besprechung von Yannik Beden, M.A.
 
BGH, Urteil v. 02.04.2019 – VI ZR 13/18

„Weiterleben“ als Schaden
Ärzte haften grundsätzlich nicht, wenn sie einen Patienten länger als medizinisch sinnvoll am Leben erhalten und somit sein Leiden verlängern.
Geklagt hatte der Sohn eines an fortgeschrittener Demenz leidenden Patienten. Durch künstliche Ernährung sei das krankheitsbedingte Leiden seines Vaters verlängert worden; die Ärzte hätten das Therapieziel dahingehend ändern sollen, dass das Sterben des Patienten durch die Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde. Der Kläger machte Schmerzensgeld aus ererbtem Recht sowie den Ersatz von Behandlungs- und Pflegeaufwendungen geltend.

„Nach Auffassung des BGH steht dem Kläger kein Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes zu. Dabei könne dahinstehen, ob der Beklagte Pflichten verletzt habe. Denn jedenfalls fehle es an einem immateriellen Schaden. Hier stehe der durch die künstliche Ernährung ermöglichte Zustand des Weiterlebens mit krankheitsbedingten Leiden dem Zustand gegenüber, wie er bei Abbruch der künstlichen Ernährung eingetreten wäre, also dem Tod. Das menschliche Leben sei ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig. Das Urteil über seinen Wert stehe keinem Dritten zu. Deshalb verbiete es sich, das Leben – auch ein leidensbehaftetes Weiterleben – als Schaden anzusehen (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG). Auch wenn ein Patient selbst sein Leben als lebensunwert erachten möge mit der Folge, dass eine lebenserhaltende Maßnahme gegen seinen Willen zu unterbleiben habe, verbiete die Verfassungsordnung aller staatlichen Gewalt einschließlich der Rechtsprechung ein solches Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden. 
Dem Kläger stehe auch kein Anspruch auf Ersatz der durch das Weiterleben des Patienten bedingten Behandlungs- und Pflegeaufwendungen zu. Schutzzweck etwaiger Aufklärungs- und Behandlungspflichten im Zusammenhang mit lebenserhaltenden Maßnahmen sei es nicht, wirtschaftliche Belastungen, die mit dem Weiterleben und den dem Leben anhaftenden krankheitsbedingten Leiden verbunden seien, zu verhindern. Insbesondere dienten diese Pflichten nicht dazu, den Erben das Vermögen des Patienten möglichst ungeschmälert zu erhalten.“ Pressemitteilung des BGH Nr. 40/2019 v. 02.04.2019

Siehe zu dieser besonders examensrelevanten Entscheidung auch die ausführliche Besprechung von Charlotte Schippers. 
 
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15.04.2019/1 Kommentar/von Dr. Matthias Denzer
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Dr. Matthias Denzer

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Oktober 2018 – März 2019) – Teil 1

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Viele Examenskandidaten stehen unmittelbar vor dem Antritt ihres „Freischusses“ im nächsten Monat. Empfehlenswert ist es dabei stets, sich die Rechtsprechung der letzten Monate noch einmal vor Augen zu führen – angesichts des zumeist straffen Zeitplans aus Lernen, Wiederholen und der Teilnahme am Klausurenkurs kein leichtes Unterfangen. In unserem Rechtsprechungsüberblick sollen daher die – aus unserer Sicht – examensrelevanten Entscheidungen auf ihre wesentlichen Aussagen reduziert dargestellt werden. Teil 2 des Rechtsprechungsüberblicks im Zivilrecht erscheint nächsten Montag (15.4.2019).
Einen Rechtsprechungsüberblick für die Monate Juli – September 2019 findet ihr unter den folgenden Links:
            Rechtsprechungsüberblick Zivilrecht (Juli – September 2018)
            Rechtsprechungsüberblick Strafrecht (Juli – September 2018)
            Rechtsprechungsüberblick Öffentliches Recht (Juli – September 2018)
 
BGH, Beschluss v. 10.10.2018 – XII ZB 231/18
Kann die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau als Mit-Elternteil im Geburtenregister eingetragen werden?
Nach § 1592 Nr. 1 BGB ist Vater eines Kinders der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Der BGH verneinte die Frage, ob diese Regelung direkt oder analog auch auf die Ehefrau der in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebenden Mutter eines Kindes Anwendung finde:

„Die Ehefrau der ein Kind gebärenden Frau wird weder in direkter noch in entsprechender Anwendung des § 1592 Nr. 1 BGB Mit-Elternteil des Kindes. Die darin liegende unterschiedliche Behandlung von verschieden- und gleichgeschlechtlichen Ehepaaren trifft nicht auf verfassungs- oder konventionsrechtliche Bedenken.“ (Leitsätze 1 und 2)

 
BGH, Urteil v. 16.10.2018 – XI ZR 69/18
Verwirkung des Widerrufsrechts bei Verbraucherdarlehensverträgen
Grundsätzlich beträgt die Widerrufsfrist bei Verbraucherdarlehensverträgen 14 Tage (§ 355 Abs. 2 BGB) ab Vertragsschluss und Aushändigung der Vertragsurkunde, die die nach § 492 Abs. 2 BGB erforderlichen Pflichtangaben enthalten muss (§ 356b Abs. 1, 2 BGB). Dazu gehört insbesondere auch eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung. (Gesetzesangaben entsprechen der Neufassung v. 13.06.2014.)
Im entschiedenen Fall schloss der Kläger mit der Beklagten im September 2005 einen Verbraucherdarlehensvertrag. Eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung enthielt dieser nicht, die Widerrufsfrist begann damit nach § 356b Abs. 2 BGB nicht zu laufen. Im September 2011 einigte sich der Kläger mit der Beklagen auf eine vorzeitige Beendigung des Darlehensvertrags und zahlte an die Beklagte eine „Vorfälligkeitsentschädigung“. Die Beklagte gab daraufhin vom Kläger bestellte Sicherheiten frei. Im November 2014 widerrief der Kläger seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Der BGH führte aus, dass das Widerrufsrecht des Klägers 9 Jahre nach Abschluss des Darlehnsvertrags und drei Jahre nach der vorzeitigen Beendigung verwirkt sei:

„Die Verwirkung als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung wegen der illoyal verspäteten Geltendmachung von Rechten setzt neben einem Zeitmoment ein Umstandsmoment voraus. Ein Recht ist verwirkt, wenn sich der Schuldner wegen der Untätigkeit seines Gläubigers über einen gewissen Zeitraum hin bei objektiver Beurteilung darauf einrichten darf und eingerichtet hat, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen, so dass die verspätete Geltendmachung gegen Treu und Glauben verstößt. Zeit- und Umstandsmoment können nicht voneinander unabhängig betrachtet werden, sondern stehen in einer Wechselwirkung. […] Zu dem Zeitablauf müssen besondere, auf dem Verhalten des Berechtigten beruhende Umstände hinzutreten, die das Vertrauen des Verpflichteten rechtfertigen, der Berechtigte werde sein Recht nicht mehr geltend machen.“

Solche Umstände hat der BGH in der Freigabe von Sicherheiten gesehen:

„Dem steht nicht entgegen, dass der Darlehensgeber nach Beendigung des Darlehensvertrags und vollständiger Erfüllung der aus dem unwiderrufenen Darlehensvertrag resultierenden Pflichten des Darlehensnehmers die Sicherheiten ohnehin freizugeben hätte. Vom Darlehensgeber bestellte Sicherheiten sichern regelmäßig auch Ansprüche aus einem Rückgewährschuldverhältnis nach § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der hier maßgeblichen, bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB. Dem Rückgewähranspruch des Darlehensnehmers aus der Sicherungsabrede haftet die für den Fall des Widerrufs auflösende Rechtsbedingung einer Revalutierung an. Beendet der Darlehensgeber trotz der Möglichkeit der Revalutierung durch Rückgewähr der Sicherheit den Sicherungsvertrag, kann darin die Ausübung beachtlichen Vertrauens im Sinne des § 242 BGB liegen.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 17.10.2018 – VIII ZR 212/17
Ausübung eines Gestaltungsrechts (hier: Widerruf gem. § 312b, 312g, 355 f. BGB) nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung

„Der Vortrag einer Partei, dass ein Gestaltungsrecht erst nach Schluss der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung ausgeübt worden ist – vorliegend durch die Erklärung des Widerrufs gemäß § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB – ist grundsätzlich unabhängig von den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO zu berücksichtigen. Denn die prozessrechtliche Präklusionsvorschrift in § 531 Abs. 2 ZPO soll die Parteien lediglich dazu anhalten, zu einem bereits vorliegenden und rechtlich relevanten Tatsachenstoff rechtzeitig vorzutragen (vgl. BT-Drucks. 14/4722, S. 102). Sie verfolgt hingegen nicht den Zweck, auf eine (beschleunigte) Veränderung der materiellen Rechtslage hinzuwirken.“

 
BGH, Urteil v. 24.10.2018 – VIII ZR 66/17
Zur Sachmängelhaftung eines mit einem Softwarefehler behafteten Neufahrzeugs

„Ein Fahrzeug ist nicht frei von Sachmängeln, wenn die Software der Kupplungsüberhitzungsanzeige eine Warnmeldung einblendet, die den Fahrer zum Anhalten auffordert, um die Kupplung abkühlen zu lassen, obwohl dies auch bei Fortsetzung der Fahrt möglich ist.
An der Beurteilung als Sachmangel ändert es nichts, wenn der Verkäufer dem Käufer mitteilt, es sei nicht notwendig, die irreführende Warnmeldung zu beachten. Dies gilt auch dann, wenn der Verkäufer zugleich der Hersteller des Fahrzeugs ist.“ (Leitsatz 1a und b)
 

BGH, Urteil v. 07.11.2018 – XII ZR 109/17
Werbung auf einem Kraftfahrzeug gegen Entgelt – Qualifizierung des Vertragstyps

„In der Zurverfügungstellung einer konkreten Werbefläche auf dem der Klägerin gehörenden Fahrzeug liegt eine Gebrauchsüberlassung gemäß § 535 BGB, bei der es einer Besitzverschaffung ausnahmsweise nicht bedarf. Die Überlassung einer Werbefläche auf einem in Benutzung der Bildungseinrichtung stehenden Kraftfahrzeug unterscheidet sich rechtlich nicht von der Reklame an Straßenbahnen, die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung als Mietverhältnis qualifiziert worden ist. Soweit der Senat ähnlich gelagerte Werbegestattungen als Rechtspacht eingestuft hat, führt dies gemäß § 581 Abs. 2 BGB ebenfalls zur Anwendung von Mietrecht.
Dem steht auch nicht das Urteil des X. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 19. Juni 1984 (X ZR 93/83 – NJW 1984, 2406, 2407) entgegen. In jenem Fall lag der Schwerpunkt – anders als im vorliegenden Fall – ersichtlich auf werksvertragstypischen Leistungen.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 07.11.2018 – IX ZA 16/17
Zur Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.

„Die Kläger meinen zu Recht, eine Besorgnis der Befangenheit des Vorsitzenden Richters ergebe sich daraus, dass dieser als Mitverfasser eines Geleitworts zu einer Festschrift anlässlich des 70. Geburtstags des Beklagten dessen Person und Lebenswerk in heraushebender Weise gewürdigt hat. In dem Geleitwort bezeichnet der abgelehnte Richter den Beklagten als einen Mann, „der sich wie kein zweiter in vielfältiger Weise um das Insolvenzrecht und die angrenzenden Rechtsgebiete verdient gemacht“ habe; der „zu der seltenen Spezies Insolvenzverwalter gehört, die unternehmerisches Denken mit scharfsinniger juristischer Analyse verbinden können“, der „unternehmerisch mit dem bestmöglichen Bemühen um die Sanierung als die ökonomisch vorzugswürdige Lösung“ vorgehe, „mit seinen Publikationen seine Qualifikation als Vordenker für die Praxis“ beweise und „den Acker «Insolvenz und Sanierung» in sehr unterschiedlichen, einander aber immer wieder befruchtenden Funktionen bestellt und daraus reiche Ernte hervorgebracht“ habe.
Die damit verlautbarte Hochachtung nicht nur von Person und Lebenswerk des Beklagten, sondern auch seiner besonderen insolvenzrechtlichen Treffsicherheit und seiner Vorbildfunktion für Insolvenzverwalter, kann bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, in einem Rechtsstreit, in dem der Beklagte wegen angeblicher Pflichtverletzung bei der Ausübung seines Amtes als Insolvenzverwalter auf Schadensersatz in Anspruch genommen wird, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln.“

 
BGH, Urteil v. 14.11.2018 – XII ZB 107/18
Zur Auslegung einer Patientenverfügung

„Urkunden über formbedürftige Willenserklärungen sind nach allgemeinen Grundsätzen auszulegen. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen dabei aber nur berücksichtigt werden, wenn der einschlägige rechtsgeschäftliche Wille des Erklärenden in der formgerechten Urkunde einen wenn auch nur unvollkommenen oder andeutungsweisen Ausdruck gefunden hat.“ (2. Leitsatz)

 
BGH, Urteil v. 05.12.2018 – VIII ZR 271/17
Gefahr einer Schimmelpilzbildung aufgrund von Wärmebrücken in den Außenwänden als Mangel der Mietsache bei Altbauwohnung

„Wärmebrücken in den Außenwänden einer Mietwohnung und eine deshalb – bei unzureichender Lüftung und Heizung – bestehende Gefahr einer Schimmelpilzbildung sind, sofern die Vertragsparteien Vereinbarungen zur Beschaffenheit der Mietsache nicht getroffen haben, nicht als Sachmangel der Wohnung anzusehen, wenn dieser Zustand mit den zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Bauvorschriften und technischen Normen in Einklang steht.
Welche Beheizung und Lüftung einer Wohnung dem Mieter zumutbar ist, kann nicht abstrakt-generell und unabhängig insbesondere von dem Alter und der Ausstattung des Gebäudes sowie dem Nutzungsverhalten des Mieters, sondern nur unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls bestimmt werden“ (Leitsätze, Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 06.12.2018 – VII ZR 71/15
Zur Bemessung des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bei Nichtbeseitigung der Mängel im Rahmen eines Werkvertrags

„Die Ermittlung der Höhe des Vermögensschadens der Klägerin durch das Berufungsgericht beruht auf der Annahme, er lasse sich nach den erforderlichen, tatsächlich jedoch nicht angefallenen (Netto-)Mängelbeseitigungskosten […] bemessen, wenn der Besteller den Mangel eines Werks […] nicht beseitigt hat. Diese im Einklang mit der früheren Rechtsprechung des Senats stehende Auffassung trifft nicht zu. Der Senat hat […] unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass ein Besteller, der den Mangel nicht beseitigen lässt, seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen kann.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
BGH, Urteil v. 19.12.2018 – XII ZR 5/18
Zur Verjährung des Anspruchs des Vermieters gegen den Mieter auf Unterlassung eines vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache
Der Beklagte mietete Räumlichkeiten des Vermieters zum Betrieb eines Rechtsanwaltsbüros an. Teile dieser Räumlichkeiten nutze der Beklagte zu Wohnzwecken. Der Vermieter machte gegen den Mieter einen Anspruch auf Unterlassung eines vertragswidrigen Gebrauchs der Mietsache nach § 541 BGB geltend. Dem wendet der Beklagte die Einrede der Verjährung entgegen.

„Der Bundesgerichtshof hat für den Bereich des Wohnungseigentumsrechts bereits entschieden, dass bei einer zweckwidrigen Nutzung einer Teileigentumseinheit als Wohnraum der Unterlassungsanspruch der übrigen Wohnungseigentümer aus § 1004 Abs. 1 BGB bzw. § 15 Abs. 3 WEG nicht verjährt, solange die Nutzung andauert. Zur Begründung wurde dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass in diesem Fall der Schwerpunkt der Störung nicht vornehmlich in der Aufnahme der zweckwidrigen Nutzung liegt, sondern die übrigen Wohnungseigentümer in gleicher Weise dadurch beeinträchtigt werden, dass die zweckwidrige Nutzung dauerhaft aufrechterhalten wird“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 
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10.04.2019/2 Kommentare/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2019-04-10 09:30:002019-04-10 09:30:00Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Oktober 2018 – März 2019) – Teil 1
Dr. Yannik Beden, M.A.

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)

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Sowohl während des Studiums, als auch in der Vorbereitung auf Examensklausuren oder die mündliche Prüfung: Nur wer die aktuelle Rechtsprechung im Blick hat, ist auf neue Sachverhaltskonstellationen gut vorbereitet. Für das dritte Quartal 2018 haben wir euch im Zivilrecht und Öffentlichen Recht bereits die prüfungsrelevantesten Gerichtsentscheidungen präsentiert. Zur Vervollständigung unseres Quartalsberichts werden im nachstehenden Beitrag die wichtigsten Urteile und Beschlüsse zum materiellen Strafrecht und Strafprozessrecht besprochen:
I. Materielles Strafrecht
1. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 201/18 zu den Rücktrittsanforderungen bei beendetem Versuch gem. § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB
Die Entscheidung des Ersten Senats betraf den Rücktritt vom versuchten Mord, §§ 211, 22, 23 StGB sowie der versuchten Brandstiftung mit Todesfolge, §§ 306c, 22, 23 StGB. Im zu entscheidenden Fall setzte der Angeklagte – ein Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr – ein mehrstöckiges Wohnhaus in Brand, um dadurch einen Feuerwehreinsatz auszulösen und im Anschluss an der Bekämpfung des Feuers mitzuwirken. Damit wollte der Täter die auszulobende Einsatzvergütung erlangen, um seine schlechte finanzielle Situation aufzubessern. Der Täter wirkte dabei nicht vor Ort, sondern verrichtete seine Dienste in der Funkzentrale. Der BGH sah hierdurch die Voraussetzungen des Rücktritts vom beendeten Versuch nach § 24 Abs. 1 S. 1 Var. 2 StGB nicht erfüllt. Eine – für einen wirksamen Rücktritt notwendige – eigene Kausalkette, die für die Nichtvollendung der Tat zumindest mitursächlich ist, habe der Täter durch sein Verhalten nicht in Gang gesetzt:

„Nach der Rechtsprechung des BGH kommt ein Rücktritt vom Versuch gem. § 24 Absatz I 1 Var. 2 StGB schon dann in Betracht, wenn der Täter unter mehreren Möglichkeiten der Erfolgsverhinderung nicht die sicherste oder „optimale“ gewählt hat, sofern sich das auf Erfolgsabwendung gerichtete Verhalten des Versuchstäters als erfolgreich und für die Verhinderung der Tatvollendung als ursächlich erweist. Es kommt nicht darauf an, ob dem Täter schnellere oder sicherere Möglichkeiten der Erfolgsabwendung zur Verfügung gestanden hätten; das Erfordernis eines „ernsthaften Bemühens“ gem. § 24 Absatz I 2 StGB gilt für diesen Fall nicht. Erforderlich ist aber stets, dass der Täter eine neue Kausalkette in Gang gesetzt hat, die für die Nichtvollendung der Tat ursächlich oder jedenfalls mitursächlich geworden ist. Ohne Belang ist dabei, ob der Täter noch mehr hätte tun können, sofern er nur die ihm bekannten und zur Verfügung stehenden Mittel benutzt hat, die aus seiner Sicht den Erfolg verhindern konnten.“

2. BGH Beschl. v. 7.8.2018 – 3 StR 47/18 zum Totschlag in besonders schwerem Fall
Die bisherige Rechtsprechung zur Frage, wann von einem besonders schweren Fall eines Totschlags i.S.v. § 212 Abs. 2 StGB ausgegangen werden kann, wurde vom BGH nochmals bestätigt. Es handelt sich um ein Problem der Strafzumessung, welches grundsätzlich eine Würdigung und Abwägung aller Einzelfallumstände bedarf. Im Ausgangspunkt nimmt die Rechtsprechung erst dann einen besonders schweren Fall an, wenn das Verschulden des Täters ebenso schwer wiegt wie das eines Mörders nach § 211 StGB. Dieses Verständnis liegt bereits aufgrund des gleichen Strafmaßes (lebenslange Freiheitsstrafe!) nahe. Im Einzelnen führte das Gericht aus:

„Ein besonders schwerer Fall des Totschlags setzt voraus, dass das in der Tat zum Ausdruck kommende Verschulden des Täters außergewöhnlich groß ist. Es muss ebenso schwer wiegen wie das eines Mörders. Dafür genügt nicht schon die bloße Nähe der die Tat oder den Täter kennzeichnenden Umstände zu gesetzlichen Mordmerkmalen. Es müssen vielmehr schulderhöhende Gesichtspunkte hinzukommen, die besonders gewichtig sind“

Sowohl in subjektiver als auch objektiver Hinsicht bedarf es jedoch mehr als einer bloßen Möglichkeit, dass der Täter gleichermaßen wie ein Mörder hätte handeln können. Für den vom Dritten Senat zu entscheidenden Fall bedeutete das:

„Daraus, dass „zahlreiche, nicht fernliegende Handlungsalternativen und Motivationslagen in Betracht“ kommen, die Mordmerkmale ausfüllen könnten, ergibt sich indes noch keine Nähe zu diesen. Das gilt insbesondere in Bezug auf die subjektive Tatseite. So vermochte die Strafkammer keine Feststellungen zu den „Vorstellungen und Motiven“ des Angeklagten zu treffen. Damit fehlt es an einer tragfähigen Grundlage für die Annahme, dass eine Nähe zu den Mordmerkmalen der niedrigen Beweggründe oder der Verdeckungsabsicht bestehe. Entsprechendes gilt im Hinblick auf das Mordmerkmal der Heimtücke. Da die Strafkammer nicht ausschließen konnte, dass das Kind zum Zeitpunkt des ersten mit Tötungsvorsatz geführten Angriffs nicht mehr arglos war, kann nicht ohne Weiteres von einer Nähe zu heimtückischem Handeln ausgegangen werden.“

Deutlich wird, dass der BGH für das Merkmal der „Nähe zum Mord“ äußerst hohe Anforderungen stellt. In der Klausur bedeutet das, dass in Ermangelung eines Mordmerkmals tendenziell von einem „normalen“ Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB und nicht von einem besonders schweren Fall ausgegangen werden sollte.
3. BGH Beschl. v. 8.8.2018 – 2 ARs 121/18 zur Strafvereitelung durch einen Strafverteidiger – § 258 StGB
Im streitgegenständlichen Verfahren teilte der Strafverteidiger der Ermittlungsbehörde wahrheitswidrig mit, dass die gesuchten Unterlagen sich in der Garage seines Mandanten befänden, obwohl sich tatsächlich noch wesentliche Teile der Dokumente in den Räumlichkeiten des Strafverteidigers befanden. Zudem erklärte der Strafverteidiger nach einer Sichtung seiner Büroräume, im Rahmen derer beweiserhebliche Materialien gefunden wurden, dass er über keine weiteren Beweismittel dieser Art verfüge, obwohl er jedenfalls über einen weiteren Ordner mit wichtigen Beweisurkunden verfügte. Der BGH entschied hier:

„Eine Strafvereitelung in diesem Sinn kann auch durch Vereitelung des staatlichen Beschlagnahmezugriffs auf Beweisgegenstände durch einen Strafverteidiger begangen werden. So gehen etwa wahrheitswidriges Bestreiten des Besitzes gesuchter Beweisurkunden und ein falscher Hinweis auf einen anderweitigen Belegenheitsort zur Vereitelung eines bevorstehenden Beschlagnahmezugriffs über die Grenzen zulässiger Strafverteidigung hinaus. Ein solches Verhalten erfüllt den Tatbestand der Strafvereitelung, wenn dadurch der Abschluss des staatlichen Strafverfahrens für geraume Zeit verzögert wird und der Strafverteidiger absichtlich oder wissentlich handelt.
[…]
Anders liegt es, wenn durch die Ermittlungsbehörde oder das Strafgericht die Herausgabe solcher Beweismittel, die nicht originär durch die Verteidigung hervorgebracht wurden, verlangt (§ 95 Abs. 1 StPO) oder deren Beschlagnahme (§ 94 Abs. 2 StPO) angestrebt wird. In diesem Fall darf der Verteidiger solche Beweismittel, die nicht spezifisches Verteidigungsmaterial darstellen, nicht dem staatlichen Zugriff entziehen, indem er sie verborgen hält oder falsche Angaben zum Belegenheitsort macht. In Bezug auf solche Beweismittel, namentlich „verfängliche Geschäftsunterlagen“, besteht kein Beschlagnahmeverbot gemäß § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO.
[…]
Der Verteidiger darf „Überführungsstücke“, auf die ein staatlicher Beschlagnahmezugriff zielt, nicht in seinen Räumen verstecken. Sein Mandat soll nicht dazu genutzt werden können, gesuchten Beweisgegenständen „Asyl“ zu gewähren. Erst recht gestattet keine der Regelungen zum Schutz des Vertrauensverhältnisses gemäß §§ 53, 97, 160a, 148 StPO es dem Strafverteidiger, falsche Angaben über seinen Besitz an Beweisgegenständen zu machen.“

4. BGH Urt. v. 15.5.2018 – 2 StR 152/18 zur Sittenwidrigkeit einer Körperverletzung nach § 228 StGB
Wird in eine Körperverletzung eingewilligt, ist die Tat nur rechtswidrig, wenn sie trotz Einwilligung gegen die „guten Sitten“ verstößt. Dieses äußert weit gefasste Merkmal konkretisierte der BGH erneut. Für die ex-ante zu bestimmende Sittenwidrigkeit sei vordergründig auf die Art und Schwere des Rechtsgutsangriffs abzustellen. Die Tat müsse in Anbetracht des Umfangs der Verletzung sowie des damit verbundenen Gefahrengrads für Leib und Leben trotz Einwilligung des Rechtsgutsträgers „nicht mehr als von der Rechtsordnung hinnehmbar erscheinen“. Viel ist damit freilich noch nicht gesagt, da auch der Begriff der Hinnehmbarkeit vieles bedeuten kann. Der BGH grenzt allerdings ein: Ebenso wie die Zwecksetzung der Tat sei unbeachtlich, welche gesellschaftliche Vorstellung über die Tat vorliegen mögen.

„Die Weite und Konturenlosigkeit des Merkmals der guten Sitten in § 228 StGB erfordert, dieses strikt auf das Rechtsgut der Körperverletzungsdelikte zu beziehen und auf seinen Kerngehalt zu reduzieren. Gesellschaftliche Vorstellungen oder der durch die Tat verfolgte Zweck können lediglich dazu führen, dass ihretwegen eine Einwilligung trotz massiver Rechtsgutsverletzungen Wirksamkeit entfalten kann. Zur Feststellung eines Sittenverstoßes und damit – über die Unbeachtlichkeit der Einwilligung – zur Begründung der Strafbarkeit von einvernehmlich vorgenommenen Körperverletzungen können sie nicht herangezogen werden.“ 

5. BGH Beschl. v. 12.6.2018 – 3 StR 171/17 zum subjektiven Schadenseinschlag beim Betrug (Nachtrag zu Quartal 2/2018)
Besondere Prüfungsrelevanz dürfte die Entscheidung des BGH zu den Grundsätzen des subjektiven Schadenseinschlags bei § 263 StGB haben. Das Gericht konkretisierte die Anforderungen an den persönlichen Schadenseinschlag: Ausgehend vom Grundsatz, dass ein Vermögensschaden trotz objektiver Gleichwertigkeit der Gegenleistung auch vorliegen kann, wenn diese für das Opfer unter Berücksichtigung der individuellen und wirtschaftlichen Bedürfnisse und Verhältnisse subjektiv wertlos ist, stellte der Dritte Senat nun fest:

„Insofern kann als Schaden die gesamte Leistung des Gesch. anzusehen sein, wenn die Gegenleistung nicht oder nicht in vollem Umfange zu dem vertraglich vorausgesetzten Zweck brauchbar ist und er sie auch nicht in anderer zumutbarer Weise verwenden, namentlich ohne besondere Schwierigkeiten wieder veräußern kann“  

Da im streitgegenständlichen Verfahren die verkauften Geräte nur mit „erheblichen Verlusten“ hätten weiterveräußert werden können, nahm der BGH einen persönlichen Schadenseinschlag und mithin einen Vermögensschaden an. Eine ausführliche Besprechung dieses besonders prüfungsrelevanten Urteils findet sich im hierzu erstellen Beitrag von Sebastian Rombey.
II. Strafprozessrecht
1. BGH Urt. v. 4.7.2018 – 5 StR 46/18 zur Verhandlungsunfähigkeit eines Angeklagten
Die Entscheidung behandelt die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit bei einem Angeklagten, dessen geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung seiner Verteidigungsrechte eingeschränkt ist. Der 5. Strafsenat geht von einer Verhandlungsunfähigkeit erst aus, wenn dem Angeklagten auch bei Inanspruchnahme verfahrensrechtlicher Hilfe – also insbesondere einem Verteidiger – eine eigenständige, selbstverantwortliche Entscheidungen über die wesentlichen Belange seiner Verteidigung sowie eine sachgerechte Wahrnehmung der ihm zustehenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist. Dabei geht es vor allem um solche Verfahrensrechte, die der Angeklagte selbst, d.h. persönlich wahrnehmen muss. Danach soll es speziell für das Revisionsverfahren ausreichen, wenn der Beschwerdeführer zumindest zeitweilig zur Konsensfindung mit seinem Verteidiger darüber, ob das Rechtsmittel aufrechterhalten oder zurückgenommen werden soll, in der Lage ist.

„Verhandlungsfähigkeit im strafprozessualen Sinne bedeutet, dass der Angekl. in der Lage sein muss, seine Interessen in und außerhalb der Verhandlung vernünftig wahrzunehmen, die Verteidigung in verständiger und verständlicher Weise zu führen sowie Prozesserklärungen abzugeben und entgegenzunehmen. Dies bedeutet aber nicht, dass der Angekl. auch tatsächlich fähig sein muss, die ihm gesetzlich eingeräumten Verfahrensrechte in jeder Hinsicht selbständig und ohne fremden Beistand wahrzunehmen. Auch bei solchen Angekl., deren geistige, psychische oder körperliche Fähigkeit zur Wahrnehmung der Verteidigungsrechte eingeschränkt ist, muss die Schuld- und Straffrage in einem rechtsstaatlichen Strafverfahren geklärt und entschieden werden können. Danach liegt Verhandlungsunfähigkeit bei solchen Einschränkungen der geistigen, psychischen oder körperlichen Fähigkeiten nicht vor, wenn die Auswirkungen dieser Einschränkungen auf die tatsächliche Wahrnehmung der Verfahrensrechte durch Hilfen für den Besch. hinreichend ausgeglichen werden können. Die Grenze zur Verhandlungsunfähigkeit ist erst dann überschritten, wenn dem Angekl. Auch bei Inanspruchnahme solcher verfahrensrechtlichen Hilfen eine selbstverantwortliche Entscheidung über grundlegende Fragen seiner Verteidigung und eine sachgerechte Wahrnehmung der von ihm persönlich auszuübenden Verfahrensrechte nicht mehr möglich ist“

2. BGH Beschl. v. 5.7.2018 – 1 StR 42/18 zur Selbstbelastungsfreiheit, § 136 Abs. 1 S. 2 StPO
Äußert sich der Angeklagte nicht zu den Gründen seines Aufenthalts am Ort seiner polizeilichen Festnahme und stellt das erkennende Gericht sowohl in seiner Beweiswürdigung, als auch seiner rechtlichen Würdigung ausdrücklich hierauf ab, wird das Schweigen zum Nachteil des Angeklagten gewertet, sein Schweigerecht mithin konterkariert. Dies verstößt gegen die Grundsätze eines fairen Verfahrens und gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit gem. §§ 136 Abs. 1 S. 2, 243 Abs. 5 S. 1 StPO:

„Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens. Es steht dem Angeklagten frei, sich zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Absatz 5 Satz 1 StPO). Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. So liegt der Fall aber hier.
Es ist zwar rechtlich zutreffend, dass der Zweifelssatz es nicht gebietet, zugunsten eines Angeklagten Geschehensabläufe zu unterstellen, für deren Vorliegen keine Anhaltspunkte bestehen. Das Landgericht stellt jedoch in seiner Beweiswürdigung, aber auch in der rechtlichen Würdigung, an mehreren Passagen ausdrücklich darauf ab, dass sich die Angeklagten nicht zu den Gründen ihres Aufenthalts im Bereich des Festnahmeortes geäußert oder erklärt haben. Damit wird im Ergebnis zum Nachteil gewertet, dass die Angeklagten von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht haben.“


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23.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2018-10-23 09:30:292018-10-23 09:30:29Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick: Strafrecht (Quartal 3/2018)
Dr. Matthias Denzer

Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Juli – September 2018)

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Mit Beginn des neuen Semesters wird es auch wieder Zeit für unseren Rechtsprechungsüberblick. Zu Beginn eines jeden Quartals bieten wir euch einen kurzen Überblick über ausgewählte, examensrelevante Entscheidungen der jeweils letzten drei Monate.
Die folgenden Entscheidungen bieten sich aufgrund ihrer grundlegenden Bedeutung oder ihrer Konstellation juristisches „Basiswissen“ abzuprüfen, als Fragestellung sowohl in einer Examensklausur, als auch in der „Großen Übung“ an. Auch – und insbesondere – in der mündlichen Prüfung ist ein umfassender Überblick über die aktuelle Rechtsprechung unerlässlich. Es ist daher nur zu raten, sich mit den folgenden Entscheidungen – zumindest in ihren Grundzügen – auseinandergesetzt zu haben:
BGH, Urteil v. 19.09.2018 – VIII ZR 231/17
Verbindung einer fristlosen Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses mit einer hilfsweise ordentlichen Kündigung
Die fristlose Kündigung eins Wohnraummietverhältnisses kann mit einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung verbunden werden. Dies gilt insbesondere für den Fall der außerordentlichen Kündigung wegen Zahlungsverzugs (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB). Dabei lässt eine Zahlung der Mietrückstände innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB (sog. Schonfristzahlung) eine wegen Zahlungsverzuges nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB mit Zugang der Kündigungserklärung herbeigeführte sofortige Beendigung des Mitverhältnisses nachträglich rückwirkend entfallen. Das Mietverhältnis wird damit fortgesetzt. Dazu führte das Gericht aus:

Der Gesetzgeber habe gewährleisten wollen, „dass die wirksam ausgeübte fristlose Kündigung unter den dort genannten Voraussetzungen trotz ihrer Gestaltungswirkung rückwirkend als unwirksam gelte und der Mietvertrag fortgesetzt werde. In einer solchen Situation komme eine gleichzeitig mit einer fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzuges hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung zur Geltung. Denn ein Vermieter, der neben einer fristlosen Kündigung hilfsweise oder vorsorglich eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses wegen eines aufgelaufenen Zahlungsrückstands ausspreche, erkläre diese nicht nur für den Fall einer bereits bei Zugang des Kündigungsschreibens gegebenen Unwirksamkeit der vorrangig erfolgten fristlosen Kündigung. Vielmehr bringe er damit aus objektiver Mietersicht regelmäßig weiterhin zum Ausdruck, dass die ordentliche Kündigung auch dann zum Zuge kommen solle, wenn die zunächst wirksam erklärte fristlose Kündigung aufgrund eines gesetzlich vorgesehenen Umstandes wie einer unverzüglichen Aufrechnung durch den Mieter (§ 543 Abs. 2 Satz 3 BGB), einer sog. Schonfristzahlung oder einer Verpflichtungserklärung einer öffentlichen Stelle (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) nachträglich unwirksam werde.“

BGH, Urteil vom 14.09.2018 – V ZR 213/17
„Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist. (Leitsatz)“
Der BGH bestätigte mit dieser Entscheidung seine ständige Rechtsprechung (u.a. BGH, Urteil v. 28.09.1984 – V ZR 43/83, WM 1984, 1539). Ein Grundstückskaufvertrag unterliegt grundsätzlich dem Formerfordernis der notariellen Beurkundung gem. § 311b Abs. 1 S. 1 BGB. Dies gilt auch für nachträgliche Änderungen des beurkundeten Kaufvertrags. Nach der Auflassung ist dies jedoch anders:

„Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Grundstückskaufverträge nach der Auflassung formlos abgeändert werden, weil die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt ist und deshalb nicht mehr besteht. Von der Formfreiheit ausgenommen ist die Begründung neuer selbständiger Erwerbspflichten.“  (Nachweise in Zitat ausgelassen)  

BGH, Beschluss v. 04.09.2018 – VIII ZB 70/17
Zum Verschulden eines Prozessbevollmächtigten bei Fristversäumnis

„Dem Prozessbevollmächtigten einer Partei ist ein – ihr zuzurechnendes – Verschulden an der Fristversäumung dann nicht anzulasten, wenn zwar die allgemeinen organisatorischen Vorkehrungen oder Anweisungen für eine Fristwahrung unzureichend sind, er aber einer Kanzleikraft, die sich bislang als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die Fristwahrung gewährleistet hätte. Gleiches gilt, wenn die konkrete Einzelanweisung zwar nicht allein, jedoch in Verbindung mit einer allgemein bestehenden – für sich genommen unzureichenden – Anweisung im Falle der Befolgung beider Anordnungen geeignet gewesen wäre, die Fristversäumung zu verhindern.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

 BGH, Urteil vom 30. August 2018 – VII ZR 243/17
Widerrufsrecht bei Werkverträgen
Zum Sachverhalt: Der Kläger schloss in seinem Wohnhaus mit dem Beklagten einen Vertrag über die Lieferung und den Einbau eines Senkrechtlifts zum Preis von ca. 40.000 €. Der Lift ist eine individuelle Maßanfertigung; die einzelnen Teile des Lifts sind an die jeweilige Einbausituation angepasst. Der Kläger zahlt ca. 12.000 € auf den Kaufpreis an. Kurze Zeit später widerruft er den Kaufvertrag.
Dabei stellten sich zwei maßgebliche Fragen, die der BGH wie folgt beantwortet:
Ausschluss des Widerrufsrechts? – Verhältnis von § 312 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu § 357 BGB:

„Das Widerrufsrecht des Klägers ist nicht nach § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB ausgeschlossen. […] Diese Regelung findet keine Anwendung, da der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag nicht als Vertrag über die Lieferung von Waren im Sinne des § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB einzustufen ist.
Dem Wortlaut nach umfasst § 312g Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BGB Verträge, die auf die Lieferung von Waren gerichtet sind. Damit werden nach dem allgemeinen Sprachgebrauch Kaufverträge (§ 433 BGB) und Verträge über die Lieferung herzustellender oder zu erzeugender beweglicher Sachen (Werklieferungsverträge, § 651 BGB) erfasst.“
Damit folgte der BGH dem Berufungsgericht, welches zuvor feststellte: „Auf Dienstleistungen im Sinne der VRRL – worunter etwa auch ein Werkvertrag nach deutschem Recht fällt – ist § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB nicht anwendbar. Hat der Vertrag eine Dienstleistung zum Gegenstand, besteht auch keine Notwendigkeit das Widerrufsrecht auszuschließen, um den Unternehmer vor Nachteilen zu schützen, die sich daraus ergeben können, dass er vor dem Widerruf mit der Vertragsausführung begonnen hat. Dies schon deshalb, weil die Widerrufsfrist bei einem Vertrag über eine Werk- oder Dienstleistung anders als bei einem Verbrauchsgüterkauf nicht erst mit Lieferung der Ware beginnt (§ 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB), sondern – unter den weiteren gesetzlichen Voraussetzungen – bereits mit Vertragsschluss. Der Unternehmer kann also regelmäßig das Ende der Widerrufsfrist abwarten, bevor er mit der Vertragsausführung beginnt. Es besteht folglich kein Grund, eine analoge Anwendung des § 312 g Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB auf Werkverträge in Erwägung zu ziehen. Daneben ist der Unternehmer durch den Anspruch gemäß § 357 Abs. 8 BGB geschützt.“ (OLG Stuttgart, Urteil v. 19.09.2018 – 6 U 76/16, juris, Nachweise in Zitat ausgelassen)

Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 BGB (Verbraucherbauverträge; § 650i BGB):

„Die Anwendbarkeit von § 312g Abs. 1 BGB ist nicht nach § 312 Abs. 2 Nr. 3 BGB ausgeschlossen. Nach dieser Regelung findet § 312g BGB keine Anwendung auf Verträge über erhebliche Umbaumaßnahmen an bestehenden Gebäuden. Hierzu hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass […] der Begriff der erheblichen Umbaumaßnahmen im Sinne des Verbraucherschutzes eng auszulegen sei. Hierunter fielen nur solche Umbaumaßnahmen, die dem Bau eines neuen Gebäudes vergleichbar seien, beispielsweise Baumaßnahmen, bei denen nur die Fassade eines alten Gebäudes erhalten bliebe. Maßgeblich seien mithin Umfang und Komplexität des Eingriffs sowie das Ausmaß des Eingriffs in die bauliche Substanz des Gebäudes.“

BGH, Urteil v. 24.08.2018 – III ZR 192/17
Tickets zum Selberausdrucken – Eventim – „print@home“-Servicegebühr ist unzulässig
Die von Eventim verwendeten Allgemeinen Geschäftsbedingung: „Premiumversand 29,90 EUR inkl. Bearbeitungsgebühr“ und „ticketdirect – das Ticket zum Selbst-Ausdrucken Drucken Sie sich ihr ticketdirect einfach und bequem selber aus! 2,50 EUR“ sind mit der grundsätzlichen Regelung von der abgewichen wird nicht vereinbar (§ 307 Abs. 2 BGB), benachteiligen den Käufer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen und sind daher unwirksam (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB).
Die Optionen Premiumversand und ticketdirekt seien nicht als Entgeltvereinbarungen für die geschuldete Hauptleistung zu qualifizieren, sondern vielmehr als kontrollfähige Preisnebenabreden zur Erfüllung der kaufvertraglichen Hauptpflicht. Sie seien jedoch mit der Regelung in § 448 Abs. 1 BGB nicht vereinbar:

„Nach § 448 Abs. 1 BGB hat der Kunde nur die Kosten der Versendung der gekauften Eintrittskarte nach einem anderen Ort als dem Erfüllungsort zu tragen. Versendungskosten im Sinne dieser Norm sind in erster Linie die unmittelbar transportbedingten Sachaufwendungen für Porto, Verpackung und gegebenenfalls Versicherung des Kaufgegenstandes. Dagegen gewährt die Vorschrift grundsätzlich keine Kompensation für die Zeit und den sonstigen Aufwand des Verkäufers, den Kaufgegenstand transportgerecht zu verpacken und zum Versand aufzugeben. Setzt der Verkäufer hierfür Personal und Maschinen ein, gilt nichts anderes. Denn (anteilige) Personal- und Sachkosten, die nicht unmittelbar der Verpackung und dem Versand der Ware zugeordnet werden können, sind allgemeine Geschäftsunkosten, die der Verkäufer im Hinblick auf das Gebot der Unentgeltlichkeit von Nebenleistungen, die der Erfüllung seiner kaufvertraglichen Hauptleistungspflicht dienen und daher in seinem eigenen Interesse liegen, nicht auf den Käufer abwälzen kann.“ (Nachweise in Zitat ausgelassen)

Es sei auch nicht erkennbar, welche Aufwendungen von der Servicegebühr von 2,50 € abgedeckt würde, da insoweit weder Porto- noch Verpackungskosten entstünden.
Auch der für den Premiumversand verlangte Betrag für 29,90 € übersteige den Preis für Porto und Verpackungskosten nicht nur unerheblich, selbst dann, wenn es sich um einen Eilbrief bzw. eine versicherte Sendung handelte, sodass die „Betragshöhe […] damit ganz überwiegend von der ausdrücklich inkludierten ‚Bearbeitungsgebühr‘ bestimmt“ werde. Das BAG sieht darin „jedenfalls angesichts der beträchtlichen Höhe der ‚Bearbeitungsgebühr‘ eine unangemessene Benachteiligung des Kunden.“
BGH, Urteil v. 22.08.2018 – VIII ZR 99/17
Wohnraummiete – Instandhaltungspflicht des Vermieters

Leitsatz: „Für das Bestehen der Pflicht des Vermieters, die Wohnung gemäß § 535 Abs. 1 S. 2 BGB zum vertragsgemäßen Gebrauch zu überlassen und sie fortlaufend in diesem Zustand zu erhalten, ist es unerheblich, ob der Mieter die Sache tatsächlich nutzt und ihn ein Mangel daher subjektiv beeinträchtigt.“

BGH, Urteil v . 22.8.2018 – VIII ZR 277/16

Leitsatz: „Im Falle einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung hält die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen“

Der BGH bestätigte damit seine bisherige Rechtsprechung (siehe BGH, Urteil v. 18.03.2015 – VIII ZR 185/14, BGHZ 204, 302).
BGH, Urteil v. 19.07.2018 – VII ZR 19/18
Abgrenzung Kauf- und Werkvertrag – Vertrag über Lieferung und Einbau einer Küche
Der BGH entschied, dass es für die rechtliche Einordnung darauf ankommt, auf welchem Element bei gebotener Gesamtbetrachtung der Schwerpunkt liege:

„Je mehr die mit dem Warenumsatz verbundene Übertragung von Eigentum und Besitz der zu montierenden Sache auf den Vertragspartner im Vordergrund steht und je weniger dessen individuelle Anforderungen und die geschuldete Montage- und Bauleistung das Gesamtbild des Vertragsverhältnisses prägen, desto eher ist die Annahme eines Kaufvertrags mit Montageverpflichtung geboten. Liegt der Schwerpunkt dagegen auf der Montage- und Bauleistung, etwa auf Einbau und Einpassung einer Sache in die Räumlichkeit, und dem damit verbundenen individuellen Erfolg, liegt ein Werkvertrag vor.“

BGH, Urteil v. 12.07.2018 – III ZR 183/17,
Anspruch des Erben auf Zugang zu Benutzerkonto bei Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks

Leitsatz: „Beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks geht der Nutzungsvertrag grundsätzlich nach § 1922 BGB auf dessen Erben über. Dem Zugang zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten stehen weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers noch das Fernmeldegeheimnis oder das Datenschutzrecht entgegen.“

Siehe hierzu bereits die ausführliche Urteilsbesprechung von Sebastian Rombey.
OLG Schleswig-Holstein, Urteil v. 04.07.2018 – 12 U 87/17
Zur Frage: Wann ist ein Pferd ein „gebrauchte Sache“ im Sinne der §§ 474 Abs. 2 S. 2, 476 Abs. 2 BGB

Leitsatz: „Bei einem zum Zeitpunkt der Versteigerung zweieinhalb Jahre alten Hengst handelt es sich um eine gebrauchte Sache im Sinne des § 474 Absatz 2 S. 2 BGB.“

Siehe hierzu bereits die ausführliche Urteilsbesprechung von Yannik Beden, M.A.

11.10.2018/1 Kommentar/von Dr. Matthias Denzer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Matthias Denzer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Matthias Denzer2018-10-11 10:00:442018-10-11 10:00:44Examensrelevante Rechtsprechung im Überblick – Zivilrecht (Juli – September 2018)
Dr. Yannik Beden, M.A.

BGH: Neues zum Sachmangel beim Pferdekauf

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Neben dem Gebrauchtwagenkauf ist der Kauf von (Dressur-)Pferden einer der absoluten Examensklassiker. Üblicherweise finden sich in der Klausur Problemstellungen zum Mangelbegriff, zur Vertragsauslegung sowie zur Beweislastverteilung. Zu diesen Punkten hat sich der BGH nunmehr mit Urteil vom 18.10.2017 – VIII ZR 32/16 erneut geäußert und seine bisherige Rechtsprechung zur Frage des Sachmangels bei Abweichen eines Tieres von der „physiologischen Idealnorm“ bestätigt. Die Entscheidung bietet Gelegenheit zur Wiederholung und Vertiefung des in Klausuren regelmäßig behandelten Systems der Sachmängelgewährleistung im Kaufrecht. Sie verdient deshalb eine genauere Betrachtung.
I. Der Sachverhalt
Die Parteien schlossen im Jahr 2010 einen mündlichen Kaufvertrag über einen damals 10 Jahre alten Hannoveraner Wallach zum Preis von 500.000 €. Der Käufer beabsichtigte, den Wallach als Dressurpferd bei Grand-Prix-Prüfungen einzusetzen. Der Verkäufer, ein selbständiger Reitlehrer und Pferdetrainer, hatte das Pferd zuvor für eigene Zwecke erworben und zum Dressurpferd ausgebildet. Nach zwei Proberitten und einer „großen Ankaufsuntersuchung“, in der sich keine erheblichen Befunde ergeben hatten, wurde das Pferd dem Käufer am 30.11.2010 übergeben. Am 15. Juni 2011 wurde dann jedoch im Rahmen einer tierärztlichen Untersuchung ein Röntgenbefund an einem Halswirbel des Pferdes festgestellt – der Gelenkfortsatz des vierten Halswirbels des Tieres war deutlich verändert. Das Pferd lahmt und hat Schmerzen, sodass es sich einer reiterlichen Einwirkung widersetzt. Ob die schwerwiegenden Rittigkeitsprobleme auf die durch den Röntgenbefund festgestellte Veränderung des Halswirbels zurückzuführen sind, ließ sich nicht feststellen. Der Käufer erklärt – nach vergeblicher Fristsetzung zur Nacherfüllung – den Rücktritt vom Kaufvertrag und begehrt dessen Rückabwicklung.
II. Rechtliche Würdigung des Bundesgerichtshofs
Der Käufer könnte einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 500.000 € aus §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 Alt. 2, 346 Abs. 1 BGB haben. Die zentrale Fragestellung ist insofern, ob bei Gefahrübergang ein Sachmangel vorgelegen hat:
Der BGH stellt zunächst Überlegungen zu einer etwaigen Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB an. Das Berufungsgericht entschied zuvor, dass es sich bei dem Röntgenbefund um einen Sachmangel i.S. der genannten Norm handele, und zwar unabhängig davon, ob die klinischen Erscheinungen des Pferdes auf den Befund kausal zurückgeführt werden können. Dafür wäre allerdings das Vorhandensein einer – ausdrücklichen oder konkludenten – Beschaffenheitsvereinbarung notwendig, der zufolge das Pferd einen Röntgenbefund im Bereich des Facettengelenks nicht haben dürfte. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt eine Beschaffenheitsvereinbarung voraus, dass der Verkäufer in vertragsbindender Weise die Gewähr für das Vorhandensein einer Eigenschaft der Kaufsache übernimmt und damit seine Bereitschaft zu erkennen gibt, für alle Folgen des Fehlens dieser Eigenschaft einzustehen (hierzu bereits BGH Urteil v. 4.6.1997 – VIII ZR 243/96). Eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend getroffen werden – der BGH stellt hier jedoch strenge Anforderungen, sodass eine Beschaffenheitsvereinbarung nicht im Zweifel, sondern nur bei eindeutigen Fällen in Betracht kommt (so bereits BGH Urteil v. 15.6.2016 – VIII ZR 134/15 und 29.6.2016 – VIII ZR 191/15). Da auch hinsichtlich einer stillschweigenden Vereinbarung keine Anhaltspunkte für einen darauf gerichteten Willen in irgendeiner Form vorlagen, verneinte das Gericht im Ergebnis den Abschluss einer Beschaffenheitsvereinbarung über den streitgegenständlichen Röntgenbefund am Halswirbel des Tieres.
Fraglich ist jedoch, ob ein Mangel i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BGB vorliegt. Zentraler Problempunkt ist insofern, dass der Hannoveraner Wallach ein hochklassiges Dressurpferd ist, das aufgrund der Veränderung des Halswirbels nicht mehr der „Idealform“ entspricht. Der BGH setzt diesbezüglich seine bisherige Rechtsprechung zu Mängeln bei Pferden fort: Die Eignung für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung als Reitpferd ist nicht bereits dadurch beeinträchtigt, dass aufgrund von Abweichungen in der physiologischen Norm eine (lediglich) geringere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung künftiger klinischer Symptome besteht. Dem BGH zufolge gehört es nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, „dass es in jeder Hinsicht einer biologischen oder physiologischen „Idealnorm“ entspricht“.
Dieser Wertung ist umfassend beizupflichten: Tiere unterliegen als Lebewesen einer ständigen biologischen Entwicklung, sodass es bereits äußerst schwer sein dürfte, einen Maßstab für eine derartige „Idealphysiologie“ zu bilden. Darüber hinaus handelt es sich beim Kauf eines Tieres nicht um ein industrielle hergestelltes Produkt, bei dem weitaus höhere Anforderungen an die physische und maschinelle Beschaffenheit gestellt werden können. Die individuellen Anlagen eines Tieres sind also im Rahmen der Bestimmung des Mangelbegriffs umfassend zu berücksichtigen.  Das Gericht entschied in diesem Zusammenhang auch noch, dass es auf die Häufigkeit bzw. Üblichkeit der morphologischen Veränderung nicht ankomme. Dies gelte sogar für erstmalig auftretende physiologische Abweichungen von der „Idealform“.
Da weder eine Beschaffenheitsvereinbarung über das Ausbleiben eines Röntgenbefunds am Halswirbel vorliegt, noch die Abweichung von der physiologischen Idealnorm einen eigenständigen Mangel zu begründen vermag, verbleibt die Frage, ob die „Rittigkeitsprobleme“ bereits bei Gefahrübergang vorhanden waren. Fest steht zwar, dass die Änderung des Halswirbels zu diesem Zeitpunkt schon bestand, jedoch ist nicht feststellbar, ob Lahmheit, Schmerzen und Widersetzlichkeit des Pferdes hierauf zurückzuführen sind. Fraglich ist demzufolge, ob dem Käufer die Vermutungswirkung des § 476 BGB zu Gute kommt. Problematisch und in der Klausur zu diskutieren wäre hier die Reichweite der Vermutungswirkung – Stichwort „Grundmangel“. Dafür müsste allerdings zunächst ein Verbrauchsgüterkauf nach § 474 Abs. 1 BGB vorliegen, der Verkäufer mithin als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB gehandelt haben. Mit Blick auf die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Kaufs kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass der Verkäufer nicht in Ausübung einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit gehandelt hat. Zwar kann auch der erstmalige Abschluss eines Vertrags auf zukünftiges unternehmerisches Handeln gerichtet sein (vgl. zur Unternehmereigenschaft bei Startup-Unternehmen BGH Beschluss v. 24.2.2005 – III ZB 36/04). Hierfür bedarf es jedoch entsprechender Anhaltspunkte, die im zu entscheidenden Fall nicht ersichtlich waren. Darüber hinaus wurde das Pferd zuvor vom Verkäufer zu eigenen Zwecken ausgebildet und trainiert, sodass eine private Nutzung bestand. Da es auch keine Vermutung dafür, dass von Unternehmern getätigte Rechtsgeschäfte im Zweifel dem geschäftlichen bzw. beruflichen Bereich zuzuordnen sind, besteht, handelte der Verkäufer im Ergebnis nicht als Unternehmer i.S.v. § 14 Abs. 1 BGB. Mangels Verbrauchsgüterkaufs kommt dem Käufer also die Vermutungsregelung aus § 476 BGB nicht zu Gute, sodass auch die diversen „Rittigkeitsprobleme“ keinen bei Gefahrübergang nachweisbar bestandenen Mangel begründen. Summa summarum fehlt es also an einem Sachmangel i.S.v. § 434 BGB. Einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 500.000 € aus §§ 437 Nr. 2, 434 Abs. 1, 323 Abs. 1 Alt. 2, 346 Abs. 1 BGB hat der Käufer nicht.
III. Fazit
Die Entscheidung des BGH setzt die bisherige Rechtsprechung zum Mangelbegriff bei Tieren konsequent fort. Auch bei hochpreisigen Dressurpferden kann der Käufer grundsätzlich keine Beschaffenheit erwarten, die der – wie auch immer zu bestimmenden – Idealphysiologie entspricht. In der Klausur muss vor allem zwischen den verschiedenen Bezugspunkten für die Bestimmung eines etwaigen Mangels unterschieden werden. Hier ist eine präzise Differenzierung notwendig. Im Ergebnis handelt es sich um einen Fall, der sich für die juristische Staatsprüfung sehr gut eignet – der Pferdekauf bleibt ein echter „Dauerbrenner“.

04.12.2017/0 Kommentare/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2017-12-04 10:00:482017-12-04 10:00:48BGH: Neues zum Sachmangel beim Pferdekauf
Dr. Marius Schäfer

BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (2. Quartal/2017)

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Die Vorlesungszeit des Sommersemesters ist beendet und die Semesterferien stehen vor der Tür. Nichtsdestotrotz wollen wir euch mit unserem neuen Rechtsprechungsüberblick wieder eine Reihe von ausgesuchten Entscheidungen vorstellen, die das Gericht in den vergangenen Monaten getroffen hat und bislang veröffentlicht worden sind.
Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung der folgenden Urteile und Beschlüsse solltet ihr zumindest in den Grundzügen wissen, worum es in der Sache jeweils geht. Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein. Teilweise ergibt sich auch eine Relevanz für die einschlägigen Schwerpunktbereiche.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller und bereits veröffentlichter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
 
Beschluss vom 08. Februar 2017 – 1 BvR 2973/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das Verfassungsgericht führte in diesem Beschluss im Wesentlichen aus, dass wegen eines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen ist. Weiterführend sei insoweit auf unseren Artikel vom 7. April 2017 verwiesen.
 
Beschluss vom 28. März 2017 – 1 BvR 1384/16 (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss gab das BVerfG einer gegen die Verurteilung wegen Beihilfe zur Volksverhetzung gerichteten Verfassungsbeschwerde statt und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurück. Im Wesentlichen führte das Verfassungsgericht aus, dass die Strafgerichte den Sinngehalt einer zu beurteilenden Äußerung zutreffend zu erfassen hätten und sich zudem auf der Ebene der Abwägung mit der Frage auseinandersetzen müssten, welche Bedeutung der Meinungsfreiheit für die zu treffende Entscheidung zukommt.
 
Beschluss vom 29. März 2017 – 2 BvL 6/11 (siehe auch die Pressemitteilung)
Für das Steuerrecht und für einen entsprechenden Schwerpunktbereich besonders relevant, hat das BVerfG mit diesem Beschluss entschieden, dass die Regelung in § 8c S. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG), wonach der Verlustvortrag einer Kapitalgesellschaft anteilig wegfällt, wenn innerhalb von fünf Jahren mehr als 25 % und bis zu 50 % der Anteile übertragen werden (schädlicher Beteiligungserwerb), mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) im Hinblick auf den Grundsatz der Steuergerechtigkeit unvereinbar ist. Gleiches gilt für die wortlautidentische Regelung in § 8c I S. 1 KStG in ihrer bis 31. Dezember 2015 geltenden Fassung.
 
Beschluss vom 11. April 2017 – 1 BvR 452/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Obwohl die unzulässige Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen wurde, hat das BVerfG gleichwohl ausgeführt, dass im Ausnahmefall bei einer notwendigen Gefährdungslage, dh in einer notstandsähnlichen Situation, ein verfassungsunmittelbarer Anspruch auf Krankenversorgung bestehen kann, wenn in Fällen einer lebensbedrohlichen Erkrankung vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasste Behandlungsmethoden nicht vorliegen, eine andere Behandlungsmethode aber eine Aussicht auf Besserung verspricht. Daher ist Anknüpfungspunkt eines solchen verfassungsrechtlich gebotenen Anspruchs einzig das Vorliegen einer durch nahe Lebensgefahr gekennzeichneten individuellen Notlage.
 
Beschluss vom 13. April 2017 – 1 BvR 610/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur Ausschlussregelung wegen der Beteiligung eines Bundesverfassungsrichters an der Sache sei an dieser Stelle auf unseren Artikel vom 22. Mai 2017 verwiesen.
 
Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG entschied mit diesem Beschluss, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG) mit dem Grundgesetz unvereinbar und damit nichtig ist, da dem Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für den Erlass des KernbrStG fehlt. Die Kernbrennstoffsteuer lasse sich nicht dem Typus der Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG zuordnen. Außerhalb der durch das Grundgesetz vorgegebenen Kompetenzordnung haben Bund und Länder jedoch kein Steuererfindungsrecht.
 
Beschluss vom 08. Mai 2017 – 2 BvR 157/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Versagung von Eilrechtsschutz im gerichtlichen Verfahren gegen die Ablehnung eines Asylantrags und die Androhung der Abschiebung nach Griechenland. Das BVerfG führte in dem Beschluss aus, dass die fachgerichtliche Beurteilung der Aufnahmebedingungen in einem Drittstaat, wenn jedenfalls Anhaltspunkte für eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung vorlägen und damit der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens erschüttert sei, auf einer hinreichend verlässlichen, auch ihrem Umfang nach zureichenden tatsächlichen Grundlage zu beruhen hätten. Soweit entsprechende Informationen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vorliegen und auch nicht eingeholt werden können, sei es zur Sicherung effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) geboten, dem Betroffenen Eilrechtsschutz zu gewähren.
 
Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 BvQ 29/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Dass BVerfG hat mit diesem Beschluss die in den Medien viel diskutierten Eilanträge der Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN betreffend die Einführung des Rechts auf Eheschließung für gleichgeschlechtliche Paare abgelehnt. In der Sache richteten sich die Anträge richten gegen die unterbliebene Beschlussfassung über die entsprechenden Gesetzentwürfe durch den zuständigen Ausschuss des Deutschen Bundestages. Einem Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung steht entgegen, dass die Hauptsache jedenfalls offensichtlich unbegründet wäre, denn dem Vorbringen der Bundestagsfraktion könne eine missbräuchliche Handhabung des Gesetzesinitiativrechts und damit eine Verletzung des Befassungsanspruchs des Gesetzesinitianten nicht entnommen werden.
Die Thematik hat sich durch den Bundestagsbeschluss vom 30.06.2017 vorerst ohnehin erledigt. Insgesamt ist dies daher ein gutes Beispiel dafür, wie träge aber auch schnelllebig die politische Entscheidungsfindung sein kann, weswegen ihr hier – v.a. für die mündliche Prüfung – auf dem Laufenden bleiben müsst.
 
Beschluss vom 22. Juni 2017 – 1 BvR 666/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss hat das BVerfG im Wege der einstweiligen Anordnung auf Antrag der Beschwerdeführerin die Vollstreckung aus einem Urteil des OLG Hamburg einstweilen eingestellt. Mit dem vorangegangenen Urteil war der Beschwerdeführerin auferlegt worden, einen „Nachtrag“ zu einem im Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ erschienenen Artikel abzudrucken. Im Sinne einer Folgenabwägung sei dem Kläger des Ausgangsverfahrens ein weiterer Aufschub bei der Vollstreckung eher zumutbar als es die Verpflichtung zum sofortigen Abdruck für die Antragstellerin wäre.
 
Beschluss vom 28. Juni 2017 – 1 BvR 1387/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Im Wege der einstweiligen Anordnung hat das BVerfG durch Beschluss der Stadt Hamburg aufgegeben, über die Duldung des im Stadtpark geplanten Protestcamps versammlungsrechtlich zu entscheiden. Nicht Gegenstand der Entscheidung ist dabei jedoch die Frage, ob und wieweit das Protestcamp in Blick auf die öffentliche Sicherheit beschränkt oder möglicherweise auch untersagt werden kann.
 

30.06.2017/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2017-06-30 10:00:402017-06-30 10:00:40BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (2. Quartal/2017)
Dr. Marius Schäfer

BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (1. Quartal/2017)

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Die Sonne zeigt sich und der Frühling erwacht endlich wieder. Damit wird es aber auch Zeit, euch mit dem ersten Rechtsprechungsüberblick in diesem Jahr wieder eine Reihe von ausgesuchten und bislang veröffentlichten Entscheidungen vor, die das Gericht in den vergangenen Monaten getroffen hat.
Wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung der folgenden Urteile und Beschlüsse solltet ihr zumindest in den Grundzügen wissen, worum es in der Sache jeweils geht. Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein. Teilweise ergibt sich auch eine Relevanz für die einschlägigen Schwerpunktbereiche.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller und bereits veröffentlichter Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts.
 
Beschluss vom 16. Dezember 2016 – 2 BvR 349/16
Zum Einstieg eine nicht bedeutsame aber immerhin amüsante Entscheidung zum Schmunzeln:
Die Entscheidung kurz vor Weihnachten betrifft die Nichtzulassung einer Volksabstimmung über den Austritt Bayerns aus der BRD in Bayern und gegen die Bestimmung, dass die Volksabstimmung im ganzen Bundesgebiet und nicht nur in Bayern durchgeführt werden müsste.
 
Beschluss vom 23. Dezember 2016 – 1 BvR 1723/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Anforderung an die ordnungsgemäße Erschöpfung des Rechtswegs und die substantiierte Darlegung einer möglichen Grundrechtsverletzung. Dazu sei auf die erläuternden Ausführungen aus der o.a. Pressemitteilung verwiesen:
Zur Erschöpfung des Rechtsweges:

Eine Verfassungsbeschwerde ist in der Regel unzulässig, wenn ein Rechtsmittel ‑ hier die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision ‑, durch dessen Gebrauch die behaupteten Grundrechtsverstöße hätten ausgeräumt werden können, aus prozessualen Gründen erfolglos bleibt. Dabei ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, die Beschreitung des Rechtswegs von der Erfüllung bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig zu machen. Auch wenn die Verwerfung einer Nichtzulassungsbeschwerde als solche nicht in jedem Falle ausreicht, um von der Unzulässigkeit auch der nachfolgenden Verfassungsbeschwerde auszugehen, muss ein Beschwerdeführer in der Verfassungsbeschwerde seinen Vortrag im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren jedenfalls im Wesentlichen mitteilen, so dass für das Bundesverfassungsgericht nachvollziehbar wird, ob die Nichtzulassungsbeschwerde offenbar unzulässig war und ob der Beschwerdeführer die verfassungsrechtliche Problematik zumindest der Sache nach dem Rechtsmittelgericht unterbreitet hat. Das ist hier nicht ausreichend geschehen.

Zur substantiierten Darlegung einer möglichen Grundrechtsverletzung:

Im Übrigen hat der Beschwerdeführer eine mögliche Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Insbesondere hat er sich hinsichtlich seiner Einbeziehung in die gesetzliche Unfallversicherung nicht mit den vom Bundesverfassungsgericht bereits entwickelten Maßstäben zur Pflichtversicherung von Nebenerwerbs- oder Hobbylandwirten auseinandergesetzt.

 
Beschluss vom 16. Januar 2017 – 1 BvR 1593/16
Die Verfassungsbeschwerde betrifft eine strafgerichtliche Verurteilung wegen Beleidigung gemäß § 185 StGB. Der Beschwerdeführer hatte bei einem Versandhandel einen Aufnäher mit den Buchstaben A.C.A.B. sowie zwei Aufnäher mit den Zahlen 13 und 12 bestellt und befestigte diese auf einer Weste. Mit dieser Weste ausgestattet, wollte er ein Fußballspiel der zweiten Bundesliga besuchen, wurde jedoch bei der Einlasskontrolle polizeilich kontrolliert und durchsucht, weil den Beamten die Aufnäher aufgefallen waren. Das zuständige Amtsgericht verurteilte den Beschwerdeführer wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 80 €. Der Beschwerdeführer wendete sich schließlich mit seiner Verfassungsbeschwerde gegen die auf das Urteil des Amtsgerichts folgenden Entscheidungen des Landgerichts und des Oberlandesgerichts und rügt die Verletzung seines Grundrechts auf freie Meinungsäußerung aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig und im Sinne des § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG offensichtlich begründet. Von Bedeutung sind die folgenden Ausführungen aus den Entscheidungsgründen des BVerfG:

Diese verfassungsrechtlichen Maßstäbe (Anm.: zu Art. 5 I 1 GG) haben die Gerichte durch die Annahme einer hinreichenden Individualisierung des negativen Werturteils verkannt. Sie kommen in verfassungsrechtlich nicht tragfähiger Weise zu dem Ergebnis, dass sich die hier in Rede stehende Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe bezieht. Hierfür reicht es nicht, dass die im Stadion eingesetzten Polizeikräfte eine Teilgruppe aller Polizistinnen und Polizisten sind. Vielmehr bedarf es einer personalisierten Zuordnung. Worin diese liegen soll, ergibt sich aus den Urteilsgründen nicht. Für eine Konkretisierung ist nicht erforderlich, dass die eingesetzten Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen dem Beschwerdeführer namentlich bekannt sind. Es genügt aber nicht, dass der Beschwerdeführer das Fußballspiel in dem Bewusstsein, dass Einsatzkräfte der Polizei anwesend sein würden, besuchte. Es fehlen Feststellungen dazu, dass sich der Beschwerdeführer bewusst in die Nähe der Einsatzkräfte der Polizei begeben hat, um diese mit seiner Parole zu konfrontieren. Der bloße Aufenthalt im Stadion im Bewusstsein, dass die Polizei präsent ist, genügt den verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine erkennbare Konkretisierung der Äußerung auf bestimmte Personen nicht. Es ist hieraus nicht ersichtlich, dass die Äußerung sich individualisiert gegen bestimmte Beamte richtet.

 
Beschluss vom 17. Januar 2017 – 2 BvL 1/10 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG hat mit diesem Beschluss entschieden, dass die im Besoldungsrecht des Landes Rheinland-Pfalz vorgesehene „Wartefrist“, wonach ein Beamter oder Richter, dem ein Amt ab den Besoldungsgruppen B 2 oder R 3 übertragen worden ist, für die Dauer von zwei Jahren das Grundgehalt der nächstniedrigeren Besoldungsgruppe erhält, mit Artikel 33 Abs. 5 GG unvereinbar und damit nichtig ist.
 
Beschlüsse vom 17. Januar 2017 – 2 BvL 2/14 u.a.
Von Interesse für die Studenten älteren Semesters:
Die Verfahren betreffen die Rückmeldegebühren des Landes Brandenburg gemäß § 30 Abs. 1a Satz 1 des Gesetzes über die Hochschulen des Landes Brandenburg (Brandenburgisches Hochschulgesetz – BbgHG) idF des Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes zur Beseitigung des strukturellen Ungleichgewichts im Haushalt (Haushaltsstrukturgesetz 2000 – HStrG 2000) vom 28. Juni 2000. Die Regelung der Rückmeldegebühren ist mir Art. 2 Abs. 1 iVm den Art. 104a ff. GG sowie mit Art. 3 Abs. 1 des GG unvereinbar und nichtig, soweit danach bei jeder Rückmeldung Gebühren von 100 Deutschen Mark beziehungsweise 51 Euro pro Semester erhoben wurden.
 
Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
In der Entscheidung zum NPD-Verbotsverfahren sei auf unseren Artikel vom 20. Januar 2017 verwiesen.
 
Beschlüsse vom 9. Februar 2017 – 1 BvR 2897/14 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Die hier getroffenen Entscheidungen ergingen zur Abbildung von Prominenten im öffentlichen und im privaten Raum durch die Presse. Die wesentlichen Erwägungen seien der o.a. Pressemitteilung wie folgt entnommen:

Die Zivilgerichte müssen im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung das Gewicht der Pressefreiheit bei der Berichterstattung über Ereignisse, die von großem öffentlichen Interesse sind, ausreichend berücksichtigen. Von Bedeutung ist dabei unter anderem, ob sich die abgebildete Person im öffentlichen Raum bewegt. Betrifft die visuelle Darstellung die Privatsphäre oder eine durch räumliche Privatheit geprägte Situation, ist das Gewicht der Belange des Persönlichkeitsschutzes erhöht. Über die sich hieraus näher ergebenden Anforderungen hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts in zwei heute veröffentlichten Beschlüssen entschieden.

 
Beschluss vom 22. Februar 2017 – 1 BvR 2875/16 (siehe auch die Pressemitteilung)
Die im Ergebnis unzulässige Verfassungsbeschwerde betrifft die Nichteinhaltung der Beschwerdefrist. Die Beschwerdeführerin wendete sich vorliegend gegen eine in NRW zum 1. Januar 2016 in Kraft getretene Vorschrift, wobei die Vorgängervorschrift zu der angegriffenen Regelung allerdings bereits zum 1. März 1998 in Kraft getreten war. Das BVerfG führte im Grundsatz dazu aus, dass rein redaktionelle Änderungen eines Gesetzes, die den materiellen Gehalt und den Anwendungsbereich einer Norm nicht berühren, die Frist zur Einlegung einer Verfassungsbeschwerde nicht neu in Lauf setzen können. Die Verfassungsbeschwerde wurde daher nicht zur Entscheidung angenommen.
 
Beschluss vom 08. März 2017 – 2 BvR 483/17 (siehe auch die Pressemitteilung)
Die erfolglose Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Yildirim am 18. Februar 2017 in Oberhausen. Das BVerfG führte im Hinblick auf Staatsoberhäupter und Mitglieder ausländischer Regierungen aus, dass diese weder von Verfassungs wegen noch nach einer allgemeinen Regel des Völkerrechts einen Anspruch auf Einreise in das Bundesgebiet hätten und sich in ihrer amtlichen Eigenschaft auch nicht auf Grundrechte berufen könnten. Die Verfassungsbeschwerde ist jedoch bereits deshalb unzulässig, weil der Beschwerdeführer nicht hinreichend substantiiert dargelegt konnte, dass er vorliegend selbst betroffen ist.
Zu dieser Thematik sei im Übrigen auf unseren Artikel vom 11. März 2017 verwiesen.
 

31.03.2017/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2017-03-31 11:00:492017-03-31 11:00:49BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (1. Quartal/2017)
Dr. Marius Schäfer

BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (4. Quartal/2016)

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht

Gleich zum Start in das neue Jahr stellen wir euch mit diesem Rechtsprechungsüberblick wieder eine Reihe von ausgesuchten und bislang veröffentlichten Entscheidungen vor, die das Gericht in den letzten Monaten getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten. Dargestellt werden lediglich die bereits veröffentlichten Entscheidungen.
Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
 
Beschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG hat mit diesem Beschluss die Anforderungen an die Folgenabwägung der widerstreitenden Interessen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, wie folgt konkretisiert:

Droht bei Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes eine erhebliche Grundrechtsverletzung, die durch eine stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so darf sich das Fachgericht im Eilverfahren grundsätzlich nicht auf eine bloße Folgenabwägung der widerstreitenden Interessen beschränken. Das Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert dann vielmehr regelmäßig eine über die sonst übliche, bloß summarische Prüfung des geltend gemachten Anspruchs hinausgehende, inhaltliche Befassung mit der Sach- und Rechtslage.

In dem Verfahren wendete sich die Beschwerdeführerin gegen die sofortige Vollziehung einer vorzeitigen Besitzeinweisung.
Im Übrigen sei auf unseren Artikel vom 20. Oktober 2016 verwiesen.
 
Beschlüsse vom 20. September 2016 – 1 BvR 1140/15 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Für den ein oder anderen Studenten im Schwerpunktbereich relevant, hat das BVerfG mit diesem Beschluss mehrere Verfassungsbeschwerden gegen das im August 2014 in Kraft getretene Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG 2014) nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer wendeten sich in diesem Verfahren gegen die Deckelung der Strommenge, für die Betreiber von Bestandsbiogasanlagen ihren Vergütungsanspruch in voller Höhe geltend machen können (§ 101 I EEG 2014), sowie gegen die Beschränkung der Substrate, für deren Verwendung in Biogasanlagen ein zusätzlicher sog. „Landschaftspflegebonus“ bezahlt wird (§ 101 I Nr. 1 EEG 2014). Zwar würden beide angegriffenen Neuregelungen eine „unechte“ Rückwirkung entfalten. Diese verletzten allerdings nicht das verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen der Beschwerdeführer.
 
Beschluss vom 20. September 2016 – 2 BvR 2453/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zum Grundsatz der Bestenauslese bei Bundesrichterwahlen, hat das BVerfG mit folgenden Leitsätzen ausgeführt:

1. Die Berufung von Richtern an den obersten Gerichtshöfen des Bundes ist an Art. 33 Abs. 2 GG zu messen. Das durch Art. 95 Abs. 2 GG vorgegebene Wahlverfahren bedingt jedoch Modifikationen gegenüber rein exekutivischen Auswahl- und Beförderungsentscheidungen.

 

2. Die Mitglieder des Richterwahlausschusses haben bei ihrer Entscheidung die Bindung des zuständigen Ministers an Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten. Der eigentliche Wahlakt unterliegt keiner gerichtlichen Kontrolle.

 

3. Der zuständige Minister hat sich bei seiner Entscheidung den Ausgang der Wahl grundsätzlich zu eigen zu machen, es sei denn, die formellen Ernennungsvoraussetzungen sind nicht gegeben, die verfahrensrechtlichen Vorgaben sind nicht eingehalten oder das Ergebnis erscheint nach Abwägung aller Umstände und insbesondere vor dem Hintergrund der Wertungen des Art. 33 Abs. 2 GG nicht mehr nachvollziehbar.

 

4. Der Minister muss begründen, wenn er seine Zustimmung verweigert oder wenn er der Wahl eines nach der Stellungnahme des Präsidialrats oder den dienstlichen Beurteilungen nicht Geeigneten zustimmt.

 
Beschluss vom 20. September 2016 – 2 BvE 5/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur Parteifähigkeit der G 10-Kommission im Organstreitverfahren, im Zusammenhang mit dem Antrag auf Herausgabe der NSA-Selektorenlisten, hat das BVerfG wie folgt ausgeführt:

Die G 10-Kommission ist ein Kontrollorgan eigener Art und im Organstreit nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Verbindung mit § 13 Nr. 5, §§ 63 ff. BVerfGG nicht parteifähig. Sie ist weder oberstes Bundesorgan, noch ist sie eine andere durch das Grundgesetz oder die Geschäftsordnung eines obersten Bundesorgans mit eigenen Rechten ausgestattete Beteiligte.

 
Beschluss vom 21. September 2016 – 2 BvL 1/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss hat das BVerfG entschieden, dass die Strafvorschrift in § 10 I und III Rindfleischetikettierungsgesetz (RiFlEtikettG) mit den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsanforderungen (Art. 103 II i.V.m. Art. 104 I 1 GG sowie Art. 80 I 2 GG) unvereinbar und damit nichtig ist. Zwar dürfe der Gesetzgeber die Beschreibung eines Straftatbestandes durch Verweisung auf eine andere Vorschrift ersetzen (Blankettstrafgesetz). Die Verweisung in § 10 I RiFlEtikettG ließe jedoch nicht hinreichend klar erkennen, welche Verstöße gegen unionsrechtliche Vorgaben sanktioniert werden sollen.
Weitergehende Ausführungen findet ihr in unserem Artikel vom 01. Dezember 2016.
 
Beschluss vom 26. September 2016 – 1 BvR 1326/15
Das BVerfG hat mit diesem Beschluss entschieden, dass § 19 III Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) gegen Artikel 12 I GG verstößt und damit nichtig ist.
 
Beschluss vom 13. Oktober 2016 – 2 BvE 2/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur Herausgabe der NSA-Selektorenlisten durch die Bundesregierung an den NSA-Untersuchungsausschuss, hat das BVerfG im Organstreitverfahren entschieden:

1. § 18 Abs. 3 PUAG billigt nicht jeder Minderheit im Untersuchungsausschuss die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren zu. Antragsbefugt ist vielmehr nur die von der konkreten oder potentiellen Einsetzungsminderheit im Deutschen Bundestag im Sinne des Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG getragene Ausschussminderheit.
 
2. Das Beweiserhebungsrecht eines parlamentarischen Untersuchungsaus-schusses unterliegt Grenzen, die, auch soweit sie einfachgesetzlich geregelt sind, ihren Grund im Verfassungsrecht haben müssen (vgl. BVerfGE 124, 78 <118>). Völkerrechtliche Verpflichtungen können demgemäß keine unmittelbare Schranke des parlamentarischen Beweiserhebungsrechts begründen, da sie als solche keinen Verfassungsrang besitzen.
 
3. Das aus dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses grundsätzlich folgende Recht auf Vorlage der NSA-Selektorenlisten ist nicht durch die Einsetzung der sachverständigen Vertrauensperson und deren gutachterliche Stellungnahme erfüllt.
 
4. Dem Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses steht das Interesse der Bundesregierung an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung gegenüber. Zu diesen Aufgaben gehört auch die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste zur Gewährleistung eines wirksamen Staats- und Verfassungsschutzes.
 
5. Hier:
Das Geheimhaltungsinteresse der Bundesregierung überwiegt das parlamentarische Informationsinteresse, weil die vom Beweisbeschluss erfassten NSA-Selektorenlisten aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen nicht ihrer Verfügungsbefugnis unterfallen, ihre Einschätzung, eine nicht konsentierte Herausgabe dieser Listen könne die Funktions- und Kooperationsfähigkeit deutscher Nachrichtendienste erheblich beeinträchtigen, nachvollziehbar ist und sie dem Vorlageersuchen in Abstimmung mit dem Untersuchungsausschuss durch andere Verfahrensweisen so präzise, wie es ohne eine Offenlegung von Geheimnissen möglich gewesen ist, Rechnung getragen hat.

 
Urteil vom 13. Oktober 2016 – 2 BvR 1368/16 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss hat das BVerfG mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, welche sich gegen eine Zustimmung des deutschen Vertreters im Rat der EU zur Unterzeichnung, zum Abschluss und zur vorläufigen Anwendung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada (Comprehensive Economic and Trade Agreement – CETA) richteten. Wie aus der Pressemitteilung hervorgeht, habe die Bundesregierung allerdings sicherzustellen,
– dass ein Ratsbeschluss über die vorläufige Anwendung nur die Bereiche von CETA umfassen wird, die unstreitig in der Zuständigkeit der Europäischen Union liegen,
– dass bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der Hauptsache eine hinreichende demokratische Rückbindung der im Gemischten CETA-Ausschuss gefassten Beschlüsse gewährleistet ist, und
– dass die Auslegung des Art. 30.7 Abs. 3 Buchstabe c CETA eine einseitige Beendigung der vorläufigen Anwendung durch Deutschland ermöglicht.
Sofern diese Maßgaben eingehalten werden, bestünden für die Rechte der Beschwerdeführer sowie für die Mitwirkungsrechte des Deutschen Bundestages keine schweren Nachteile, die im Rahmen einer Folgenabwägung den Erlass einer einstweiligen Anordnung geboten erscheinen ließen.
 
Beschluss vom 27. Oktober 2016 – 1 BvR 458/10 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur Befreiungsfestigkeit des besonderen Stilleschutzes am Karfreitag durch Art. 5 HS. 2 Bayerisches Gesetz über den Schutz der Sonn- und Feiertage (FTG), hat das BVerfG mit folgenden Leitsätzen ausgeführt:

1. Die Anerkennung des Karfreitags als gesetzlicher Feiertag sowie seine Ausgestaltung als Tag mit einem besonderen Stilleschutz und die damit verbundenen grundrechtsbeschränkenden Wirkungen sind dem Grunde nach durch die verfassungsrechtliche Regelung zum Sonn- und Feiertagsschutz in Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 139 WRV gerechtfertigt, da sie niemandem eine innere Haltung vorschreiben, sondern lediglich einen äußeren Ruherahmen schaffen.
2. Für Fallgestaltungen, in denen eine dem gesetzlichen Stilleschutz zuwiderlaufende Veranstaltung ihrerseits in den Schutzbereich der Glaubens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4 Abs. 1 und 2 GG) oder der Versammlungsfreiheit (Art. 8 Abs. 1 GG) fällt, muss der Gesetzgeber jedoch die Möglichkeit einer Ausnahme von stilleschützenden Unterlassungspflichten vorsehen.

 
Beschluss vom 02. November 2016 – 1 BvR 289/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Dieser Beschluss betrifft die erfolglose Verfassungsbeschwerde gegen die polizeiliche Identitätsfeststellung und Freiheitsentziehung im Rahmen einer Versammlung.
 
Beschlüsse vom 07. November 2016 – 1 BvR 1089/12 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Diese Beschlüsse betreffen die erfolglosen Verfassungsbeschwerden gegen die begrenzte Überführung in der DDR erworbener Rentenansprüche.
 
Beschluss vom 08. November 2016 – 1 BvR 3237/13
Dieser Beschluss betrifft die erfolglose Verfassungsbeschwerde einer Schülerin, welche sich mit ihrer Verfassungsbeschwerde dagegen wendete, dass ihr eine aus religiösen Gründen begehrte Befreiung vom gemeinsamen, sogenannten koedukativen Schwimmunterricht für Mädchen und Jungen durch die Schulleitung versagt wurde.
 
Beschlüsse vom 22. November 2016 – 1 BvL 6/14 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Eventuell auch für den Schwerpunktbereich relevant, hat das BVerfG mit diesen Beschlüssen zur Beschränkung des Rechtsschutzes im Telekommunikationsgesetz wie folgt entschieden:

Eine Beschränkung des Rechtsschutzes, den ein reguliertes Telekommunikationsunternehmen mit Wirkung für die Vergangenheit gegen Entgeltentscheidungen der Bundesnetzagentur erhalten kann, auf den im Eilverfahren erlangten Rechtsschutz, ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nur vereinbar, solange und soweit sie erforderlich ist, um den Wettbewerb zu fördern.

 
Urteile vom 06. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesen Urteilen hat das BVerfG entschieden, dass die Regelungen des Dreizehnten Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes vom 31. Juli 2011 („13. AtG-Novelle“) im Wesentlichen mit dem Grundgesetz vereinbar ist, denn die darin getroffenen Regelungen erwiesen sich weitgehend als eine zumutbare und auch die Anforderungen des Vertrauensschutzes und des Gleichbehandlungsgebots wahrende Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums.
Für weitergehende Informationen sei auf unseren Artikel vom 08. Dezember 2016 verwiesen.
 
Beschlüsse vom 14. Dezember 2016 – 2 BvR 2557/16 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Hiermit hat das BVerfG die Abschiebung eines afghanischen Staatsangehörigen aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls ausgesetzt. Laut der Pressemitteilung habe die Kammer die Frage ausdrücklich offen gelassen, ob angesichts der aktuellen Lage in Afghanistan Abschiebungen derzeit verfassungsrechtlich vertretbar sind. Die Entscheidung beruhe allein auf einer Folgenabwägung, bei der die Gründe für den Erlass der einstweiligen Anordnung überwiegen würden.
 

01.01.2017/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2017-01-01 14:00:202017-01-01 14:00:20BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (4. Quartal/2016)
Dr. Marius Schäfer

BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (3. Quartal/2016)

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Zum Ende des 3. Quartals des Jahres 2016, in dem das Bundesverfassungsgericht fast schon traditionell wieder besonders aktiv und tätig gewesen ist, stellen wir euch mit diesem Rechtsprechungsüberblick wieder eine Reihe von ausgesuchten Entscheidungen vor, die das Gericht in den letzten Monaten getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten. Dargestellt werden lediglich die bereits veröffentlichten Entscheidungen.
Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
 
Beschluss vom 28. Juni 2016 – 1 BvR 3388/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Hinsichtlich der Frage, ob Tatsachenbehauptungen verbreitet werden dürfen, die weder erweislich wahr noch unwahr sind, sei von den Fachgerichten eine Abwägungsentscheidung zwischen der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) zu treffen. Die Verfassungsbeschwerde betraf die fachgerichtliche Untersagung einer Äußerung des Beschwerdeführers von Dopingvorwürfen gegen eine Sportlerin. Diese Vorwürfe seien wegen Nichterweislichkeit als „prozessual unwahr“ einzuordnen und überwögen bereits deshalb das Persönlichkeitsrecht der Sportlerin, was vom BVerfG als Verletzung der Meinungsfreiheit gewertet wurde.
 
Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 3487/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) erlangt auch im Rahmen dieser Entscheidung eine Bedeutung, welche eine zivilgerichtliche Verurteilung zum Gegenstand hatte, mit der dem Beschwerdeführer die Behauptung wahrer Tatsachen über einen drei Jahre zurückliegenden Rechtsstreit auf Internet-Portalen untersagt worden war. Den Fachgerichten sei hier jedoch vorzuwerfen, dass diese die Bedeutung und Tragweite der Meinungsfreiheit nicht hinreichend gewürdigt hätten, denn die Schwelle zur Persönlichkeitsrechtsverletzung wird bei der Mitteilung wahrer Tatsachen über die Sozialsphäre regelmäßig erst dann überschritten, wo diese einen Persönlichkeitsschaden befürchten lasse, welcher außer Verhältnis zu dem Interesse an der Verbreitung der Wahrheit stehe.
 
Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2732/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Wiederum zur Reichweite der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) führte das BVerfG in diesem Beschluss aus, dass eine Verkürzung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung darin zu sehen sei, wenn eine Äußerung unzutreffend als Tatsachenbehauptung eingestuft wird, weil die Vermutung zugunsten der freien Rede für Tatsachenbehauptungen nicht in gleicher Weise gelte wie für Meinungsäußerungen im engeren Sinne. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war hier die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen übler Nachrede.
 
Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 2646/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
In der zugrunde liegenden Verfassungsbeschwerde ging es um strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Beleidigung. Der Begriff der Schmähkritik sei von Verfassungs wegen aufgrund seines die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) verdrängenden Effekts eng zu verstehen. Schmähkritik gelte als ein Sonderfall der Beleidigung, welcher nur in seltenen Ausnahmekonstellationen gegeben sei, sodass die Anforderungen hieran besonders streng anzulegen sein müssten. Grund ist der, da eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit hier – im Gegensatz zu einer Beleidigung – ausnahmsweise nicht stattfinde. Von daher sei die unzutreffende Einstufung einer Äußerung als Schmähkritik ein eigenständiger verfassungsrechtlicher Fehler, auch wenn die Äußerung im Ergebnis durchaus als Beleidigung bestraft werden dürfe.
Weiterführend sei an dieser Stelle auf unseren Artikel vom 12.08.2016 verwiesen.
 
Beschluss vom 29. Juni 2016 – 1 BvR 1015/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Bezüglich der (erfolglosen) Verfassungsbeschwerde gegen die Einführung des „Bestellerprinzips“ bei Maklerprovisionen für Wohnraummietverträge führte das BVerfG aus:

Um sozialen und wirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwirken, durfte der Gesetzgeber aufgrund seiner Einschätzung der Nachfragesituation auf dem Mietwohnungsmarkt durch Einführung des Bestellerprinzips die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Freiheit der Wohnungsvermittler beschränken, von Wohnungssuchenden ein Entgelt für ihre Vermittlungstätigkeit zu erhalten.

 
Beschluss vom 19. Juli 2016 – 2 BvR 470/08 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen die diskriminierende Preisgestaltung durch ein kommunales Freizeitbad sei auf unseren Artikel vom 24.08.2016 verwiesen.
 
Beschluss vom 26. August 2016 – 2 BvF 1/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
In diesem Normenkontrollverfahren ging es auf Antrag des Berliner Senats um die Löschung der im Rahmen des Zensus 2011 erhobenen Daten. Aufgrund einer Folgenabwägung wurde diese vom BVerfG vorläufig gestoppt. Die Außervollzugsetzung von § 19 des Zensusgesetzes 2011 gilt bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens für sechs Monate.
 
Beschluss vom 26. Juli 2016 – 1 BvL 8/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur staatlichen Schutzpflicht hinsichtlich der Beschränkung ärztlicher Zwangsbehandlung auf untergebrachte Betreute führte das BVerfG mit folgenden Leitsätzen aus:

1.Aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgt die Schutzpflicht des Staates, für nicht einsichtsfähige Betreute bei drohenden erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen unter strengen Voraussetzungen eine ärztliche Behandlung als letztes Mittel auch gegen ihren natürlichen Willen vorzusehen.
2.a) Im Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG kann Vorlagegegenstand auch eine Norm sein, bei der das Gericht eine Ausgestaltung vermisst, die nach dessen plausibel begründeter Überzeugung durch eine konkrete verfassungsrechtliche Schutzpflicht geboten ist.
b) Besteht ein gewichtiges objektives Bedürfnis an der Klärung einer durch eine Vorlage aufgeworfenen Verfassungsrechtsfrage, kann die Vorlage trotz Erledigung des Ausgangsverfahrens durch den Tod eines Hauptbeteiligten zulässig bleiben.

 
Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 371/11 (siehe auch die Pressemitteilung)
Bezüglich einer (erfolglosen) Verfassungsbeschwerde gegen die Berücksichtigung von Einkommen eines Familienangehörigen bei der Gewährung von Grundsicherung führte das BVerfG aus:

Bei der Ermittlung der Bedürftigkeit für die Gewährung existenzsichernder Leistungen (Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1 GG) kann grundsätzlich unabhängig von einem Unterhaltsanspruch das Einkommen und Vermögen von Personen berücksichtigt werden, von denen in der familiären Gemeinschaft zumutbar zu erwarten ist, dass sie tatsächlich füreinander einstehen und „aus einem Topf“ wirtschaften.

 
Beschluss vom 28. Juli 2016 – 1 BvR 335/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss führte das BVerfG aus, dass eine erneute Veröffentlichung von bereits weit verbreiteten Informationen nur in geringerem Maße in das informationelle Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingreife als dies bei einer erstmaligen Veröffentlichung der Fall sei. Die Erwähnung der Adoptivtöchter des Fernsehmoderators Günther Jauch in der betreffenden Wortberichterstattung sei von diesen hinzunehmen, da dieselbe Information bereits in mehreren, nicht beanstandeten Artikeln veröffentlicht worden war.
 
Beschluss vom 22. August 2016 – 2 BvR 2953/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Bezüglich der richterlichen Ausgestaltung des kartellrechtlichen Diskriminierungsverbots bei der Vergabe von Stromkonzessionen sei auf die Ausführungen aus der erwähnten Pressemitteilung verwiesen:

Gemeinden haben bei der Vergabe von Stromkonzessionen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot zu beachten. Die Rechtsprechung leitet hieraus das Verbot der direkten Übernahme örtlicher Energieverteilernetze ohne vorherige Ausschreibung (Verbot direkter Aufgabenerledigung), das Verbot, bei der Ausschreibung des Betriebs örtlicher Energieverteilernetze den Betrieb durch eine kommunale Beteiligungsgesellschaft vorzugeben (Systementscheidungsverbot), sowie das Verbot, bei der Auswahl des Betreibers eines örtlichen Energieverteilernetzes spezifische kommunale Interessen zu berücksichtigen (Verbot der Berücksichtigung kommunaler Interessen) ab. Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass es sich bei dieser Rechtsprechung um in Anwendung bestehenden Gesetzesrechts entwickelte Grundsätze handelt, denen nicht die Qualität selbständiger Rechtsnormen zukommt. Deshalb können sie auch nicht im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde gerügt werden.

 

30.09.2016/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2016-09-30 10:00:372016-09-30 10:00:37BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (3. Quartal/2016)
Christian Muders

Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht

Im Folgenden eine Übersicht über im Juli veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 1. Juni 2016 – 2 StR 335/15
Anfrage des 2. Strafsenats an die übrigen Senate gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden, dass eine Nötigung zur Herausgabe von Betäubungsmitteln keine Erpessung darstellt (§§ 253, 255 StGB), da Betäubungsmittel nicht dem Vermögen des Genötigten unterfallen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ist dem Vermögen im Sinne der §§ 253, 263 StGB auch der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln zuzurechnen, weil der strafrechtliche Vermögensbegriff wirtschaftlich betrachtet werden soll. Daran will der 2. Strafsenat nicht festhalten. Die gleichzeitige Strafdrohung gegen denjenigen, der unerlaubt Betäubungsmittel besitze und denjenigen, der dem Besitzer diesen unerlaubten Besitz durch Täuschung oder Nötigung entziehe, stelle einen offenkundigen Widerspruch dar. Zudem bleibe die Strafbarkeit nach anderen Straftatbeständen als den Vermögensdelikten bei der Ausklammerung des unerlaubten Besitzes aus dem strafrechtlich geschützten Vermögen unberührt und verhindere, dass ein strafrechtsfreier Raum entstehe. Die Besitzschutzregeln der §§ 858 ff. BGB, die bisweilen als Grund für die Forderung nach einem flankierenden strafrechtlichen Schutz des Besitzes angeführt würden, dienten nicht dem Schutz des Vermögensbestandes und besagten nichts über die Legitimität des Besitzes. Die Anwendung der Vermögensdelikte auf die Entziehung des Drogenbesitzes sei auch nicht deswegen geboten, weil in angrenzenden Fällen, in denen dem Opfer die Betäubungsmittel weggenommen würden, ein Eigentumsdelikt (namentlich § 242 StGB) vorläge. Divergenzen zwischen dem Schutz von Eigentum und Vermögen würden auch an anderer Stelle hingenommen und zwängen nicht dazu, die Auslegung des Merkmals „Vermögen“ auf illegal erworbene Rechtspositionen zu erstrecken. Der Schutz des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gegen Wegnahme durch Eigentumsdelikte erscheine zudem seinerseits nicht zwingend.
II. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2016 – 4 StR 112/16
Die Vorschrift des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB setzt das Einbrechen, Einsteigen oder Eindringen in eine Wohnung voraus. Bricht der Täter in Kellerräume ein, ist der Tatbestand nur erfüllt, wenn diese Räume durch eine unmittelbare Verbindung zum Wohnbereich dem Begriff des Wohnens typischerweise zuzuordnen sind. Dies ist regelmäßig beim Keller eines Einfamilienhauses, nicht aber bei vom Wohnbereich getrennten Kellerräumen in einem Mehrfamilienhaus der Fall (st. Rspr.). Das Aufhebeln einer Kellertür in einem Mehrfamilienhaus ist daher zur Verwirklichung des Tatbestandes auch dann nicht ausreichend, wenn der Täter im Nachgang in dem sodann ungehindert zugänglichen Wohnbereich des Hauses stehlenswerte Gegenstände entwendet.
III. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 – 3 StR 22/16
Die Vorschrift des § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB (gefährliche Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung) wird durch den Qualifikationstatbestand des § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB (Misshandlung Schutzbefohlener, wobei der Schutzbefohlene in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung gebracht wird) verdrängt. Dies hat seinen materiellen Grund darin, dass abstrakte Gefährdungsdelikte gegenüber den dieselben Rechtsgüter schützenden konkreten Gefährdungsdelikten subsidiär sind. Dies gilt auch für das Verhältnis von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zur schweren Misshandlung von Schutzbefohlenen gemäß § 225 Abs. 3 Nr. 1 StGB, denn Grund der Strafschärfung ist auch hier, dass die schutzbefohlene Person durch die Tat nach § 225 Abs. 1 StGB in die konkrete Gefahr des Todes gebracht wird. Daneben ist für eine Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung aufgrund der bloß abstrakten Lebensgefährdung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB kein Raum.
IV. BGH, Urteil vom 22. Juni 2016 – 5 StR 98/16
Ein vollendeter Raub (§ 249 StGB) ist auch dann gegeben, wenn der Kläger bereits mit Zueignungsabsicht handelnd zunächst das Opfer durch Gewalteinwirkung verletzt und den anschließenden Krankenhausaufenthalt sodann nutzt, um alsbald in dessen Haus zu gelangen und dort ungehindert Gegenstände mitzunehmen. Für die raubspezifische Einheit von qualifizierter Nötigung und Wegnahme [i.S.e. neben die finale Verknüpfung von Gewaltanwendung und Wegnahme tretenden, zeitlich-örtlichen Zusammenhangs] ist dabei maßgeblich, ob es zu einer – vom Täter erkannten – nötigungsbedingten Schwächung des Gewahrsamsinhabers in seiner Verteidigungsfähigkeit oder -bereitschaft gekommen ist (Leitsatz des Gerichts). Dies ist auch dann der Fall, wenn der Geschädigte aufgrund schwerer Verletzungen ins Krankenhaus verbracht wird, da er dann ähnlich wie bei einer Bewusstlosigkeit schon nicht mehr in der Lage ist, einen gegen den Gewahrsamsbruch des Angeklagten gerichteten Abwehrwillen zu bilden und die zeitliche Differenz zwischen Gewaltanwendung und Wegnahmehandlung nicht mehr als zwei Stunden beträgt. Das in § 252 StGB enthaltene Erfordernis „auf frischer Tat“ steht dieser Auslegung schon im Hinblick auf die andersartige Struktur dieses Tatbestands nicht entgegen. Eine Fehlvorstellung des Täters, der ursprünglich beabsichtigte, bereits unmittelbar nach der Gewalteinwirkung aufgrund einer Bewusstlosigkeit des Opfers Gegenstände aus dessen Haus mitzunehmen, stellt dabei eine unwesentliche Abweichung von Kausalverlauf dar (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).

01.08.2016/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2016-08-01 11:00:552016-08-01 11:00:55Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Christian Muders

Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht

Im Folgenden eine Übersicht über im Juni veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 12. April 2016 – 2 StR 523/15
Ein soziales Näheverhältnis wie eine Wohngemeinschaft führt nicht allgemein zu einer Beschränkung des Notwehrrechts nach § 32 StGB. Selbst die Annahme einer Garantenstellung aufgrund einer rasch auflösbaren Gemeinschaft würde nämlich jedenfalls sowohl den Angreifer als auch den Verteidiger zur Rücksichtnahme verpflichten. Sie kann daher das dem Notwehrrecht zu Grunde liegende Prinzip der Rechtsbewährung nicht durchbrechen. Die Fallgruppe der besonderen persönlichen Beziehungen, die zu einer sozialethischen Einschränkung des Notwehrrechts führen, ist daher auf Fälle einer engen familiären Verbundenheit oder eheähnlichen Lebensgemeinschaft zu beschränken. Damit ist eine einfache Wohngemeinschaft zwischen Täter und Opfer nicht vergleichbar (st. Rspr.).
II. BGH, Beschluss vom 28. April 2016 – 4 StR 317/15
Derjenige, der mit einem anderen im Rahmen eines Geschäftsbesorgungsvertrages vereinbart, im eigenen Namen Gemälde und Oldtimer von Dritten anzukaufen und bei der Weiterleitung hierfür eine Erstattung der Auslagen zuzüglich einer Provision in Höhe von 3 bzw. 5 % zu erhalten, begeht einen Betrug (§ 263 StGB), wenn er dem Auftraggeber höhere Kaufpreise benennt, als tatsächlich mit den Dritten vereinbart und gezahlt wurden. Dabei kommt es für die Frage des Vermögensschadens nicht darauf an, ob die erworbenen Gemälde bzw. Oldtimer tatsächlich (auch) die vom Täter genannten, höheren Kaufpreise wert gewesen wären. Denn durch die falschen Angaben zu den angefallenen Kaufpreisen in den einzelnen Rechnungen täuschte der Täter seinem Auftraggebern vor, Zahlungen in dieser Höhe seien für die auftragsgemäße Beschaffung der Kunstwerke und Oldtimer jeweils erforderlich gewesen und von ihm auch tatsächlich erbracht worden. Gegenstand der Täuschung war somit nicht der Wert der jeweiligen Kaufgegenstände, sondern der Umfang der Aufwendungen, die bei der Erfüllung des zuvor erteilten Kaufauftrages angefallen sind und deren vollständiger Ersatz aufgrund der Rahmenvereinbarung in Verbindung mit den erteilten Kaufaufträgen geschuldet war.
III. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – 4 StR 487/15
Wird durch dieselbe Handlung ein Pkw in Brand gesetzt, während dies bei einem im Eigentum einer anderen Person stehenden Wagen trotz entsprechendem dolus eventualis nicht geschieht, liegen neben einer vollendeten Brandstiftung (§ 306 Abs. 1 Nr. 4 StGB) nicht zusätzlich auch eine hierzu in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) stehende versuchte Brandstiftung gemäß § 306 Abs. 1 Nr. 1 und 4, §§ 23 Abs. 1, 22 StGB vor. § 52 Abs. 1 StGB erfasst zwar auch den Fall, dass dasselbe Strafgesetz durch eine Handlung mehrfach verletzt wird (sog. gleichartige Idealkonkurrenz). Ob eine mehrere taugliche Tatobjekte beeinträchtigende Handlung zu einer mehrmaligen oder lediglich zu einer in ihrem Gewicht gesteigerten einmaligen Gesetzesverletzung geführt hat, hängt aber von dem in Rede stehenden Tatbestand ab. Stellt dieser auf die Verletzung von Gesamtheiten ab und werden keine höchstpersönlichen Rechtsgüter geschützt, so führt eine handlungseinheitliche Beeinträchtigung mehrerer Tatobjekte selbst dann nicht zu einer mehrfachen Verwirklichung des Tatbestands, wenn verschiedene Rechtsgutsträger geschädigt worden sind. So verhält es sich auch bei der Brandstiftung nach § 306 Abs. 1 StGB, die als „qualifiziertes Sachbeschädigungsdelikt“, dem auch ein Element der Gemeingefährlichkeit anhaftet, keine höchstpersönlichen Rechtsgüter schützt.
– – –
Zuletzt noch eine prozessuale Entscheidung, die sich mit dem Bestehen eines Beweisverwertungsverbotes hinsichtlich gewonnener Beweismittel bei Durchsuchung eines Pkw ohne die hierzu erforderliche richterliche Anordnung befasst:
IV. BGH, Beschluss vom 21. April 2016 – 2 StR 394/15
Die Anordnung einer Pkw-Durchsuchung, die durch die Staatsanwaltschaft wegen der Annahme von Gefahr im Verzug ohne richterliche Beteiligung angeordnet wird (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO), obwohl eine solche Dringlichkeit nicht vorliegt, führt zu einem Beweisverwertungsverbot. Es entlastet den anordnenden Staatsanwalt dabei nicht, wenn diesem das Fehlen von Gefahr im Verzug nicht bewusst gewesen ist, wenn eine solche Fehlvorstellung auf nicht vollständiger Information beruht und damit der Sphäre der Ermittlungsbehörden zuzurechnen ist, zumal wenn noch nicht einmal der Versuch unternommen wurde, an einem Werktag zu dienstüblichen Zeiten eine richterliche Entscheidung zu erlangen, während der Angeklagte sich in Untersuchungshaft befand. Dem Aspekt eines möglichen hypothetisch rechtmäßigen Ermittlungsverlaufs kann bei einer solch groben Verkennung des Richtervorbehalts keine Bedeutung zukommen. Die Einhaltung der durch § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO festgelegten Kompetenzregelung könnte in diesen Fällen bei Anerkennung des hypothetisch rechtmäßigen Ersatzeingriffs als Abwägungskriterium bei der Prüfung des Vorliegens eines Beweisverwertungsverbots stets unterlaufen und der Richtervorbehalt sogar letztlich sinnlos werden. Bei Duldung grober Missachtungen des Richtervorbehalts entstünde gar ein Ansporn, die Ermittlungen ohne Einschaltung des Ermittlungsrichters einfacher und möglicherweise erfolgversprechender zu gestalten. Damit würde das wesentliche Erfordernis eines rechtsstaatlichen Ermittlungsverfahrens aufgegeben, dass Beweise nicht unter bewusstem Rechtsbruch oder gleichgewichtiger Rechtsmissachtung erlangt werden dürfen.

03.07.2016/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2016-07-03 11:00:462016-07-03 11:00:46Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Dr. Marius Schäfer

BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (2. Quartal/2016)

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechungsübersicht, Verfassungsrecht

Gerne stellen wir euch auch wieder zur Halbzeit des Jahres 2016 mit diesem Rechtsprechungsüberblick eine ausgesuchte Reihe der bislang veröffentlichten Entscheidungen vor, welche das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen drei Monaten getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten.
Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
 
Beschluss vom 10. März 2016 – 1 BvR 2844/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG führte in diesem Beschluss aus, dass die Meinungsfreiheit nach Art. 5 I 1 GG auch die Freiheit umfasst, ein Geschehen subjektiv und sogar emotionalisiert darzustellen, insbesondere als Erwiderung auf einen unmittelbar vorangegangenen Angriff auf die Ehre, der gleichfalls in emotionalisierender Weise erfolgt ist. Der Verfassungsbeschwerde einer Beschwerdeführerin, die sich gegen eine zivilgerichtliche Unterlassungsverurteilung gewandt hatte, wurde insoweit stattgegeben.
Siehe auch unseren Artikel vom 02. Mai 2016.
 
Beschluss vom 23. März 2016 – 1 BvR 184/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG hielt in dieser Entscheidung fest, dass die Anordnung einer Betreuung ohne persönliche Anhörung durch das Betreuungsgericht nicht nur das Recht auf rechtliches Gehör verletzt, sondern auch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG darstellt.
 
Urteil vom 19. April 2016 – 1 BvR 3309/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur Bereitstellung eines Verfahrens zur sogenannten rechtsfolgenlosen Klärung der Abstammung gegenüber dem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater erging folgender Leitsatz des BVerfG:

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) verpflichtet den Gesetzgeber nicht dazu, neben dem Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach § 1600d BGB auch ein Verfahren zur isolierten, sogenannten rechtsfolgenlosen, Klärung der Abstammung von einem mutmaßlich leiblichen, aber nicht rechtlichen Vater bereitzustellen.

 
Urteil vom 20. April 2016 – 1 BvR 966/09 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Zu den teilweise erfolgreichen Verfassungsbeschwerden gegen die Ermittlungsbefugnisse des BKA zur Terrorismusbekämpfung seien folgende Leitsätze angeführt:a) Die Ermächtigung des Bundeskriminalamts zum Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen (Wohnraumüberwachungen, Online-Durchsuchungen, Telekommunikationsüberwachungen, Telekommunikationsverkehrsdatenerhebungen und Überwachungen außerhalb von Wohnungen mit besonderen Mitteln der Datenerhebung) ist zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus im Grundsatz mit den Grundrechten des Grundgesetzes vereinbar.

1. a) Die Ermächtigung des Bundeskriminalamts zum Einsatz von heimlichen Überwachungsmaßnahmen (Wohnraumüberwachungen, Online-Durchsuchungen, Telekommunikationsüberwachungen, Telekommunikationsverkehrsdatenerhebungen und Überwachungen außerhalb von Wohnungen mit besonderen Mitteln der Datenerhebung) ist zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus im Grundsatz mit den Grundrechten des Grundgesetzes vereinbar.
b) Die Ausgestaltung solcher Befugnisse muss dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Befugnisse, die tief in das Privatleben hineinreichen, müssen auf den Schutz oder die Bewehrung hinreichend gewichtiger Rechtsgüter begrenzt sein, setzen voraus, dass eine Gefährdung dieser Rechtsgüter hinreichend konkret absehbar ist, dürfen sich nur unter eingeschränkten Bedingungen auf nichtverantwortliche Dritte aus dem Umfeld der Zielperson erstrecken, verlangen überwiegend besondere Regelungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung sowie einen Schutz von Berufsgeheimnisträgern, unterliegen Anforderungen an Transparenz, individuellen Rechtsschutz und aufsichtliche Kontrolle und müssen mit Löschungspflichten bezüglich der erhobenen Daten flankiert sein.
2. Anforderungen an die Nutzung und Übermittlung staatlich erhobener Daten richten sich nach den Grundsätzen der Zweckbindung und Zweckänderung.
a) Die Reichweite der Zweckbindung richtet sich nach der jeweiligen Ermächtigung für die Datenerhebung; die Datenerhebung bezieht ihren Zweck zunächst aus dem jeweiligen Ermittlungsverfahren.
b) Der Gesetzgeber kann eine Datennutzung über das für die Datenerhebung maßgebende Verfahren hinaus im Rahmen der ursprünglichen Zwecke dieser Daten erlauben (weitere Nutzung). Dies setzt voraus, dass es sich um eine Verwendung der Daten durch dieselbe Behörde zur Wahrnehmung derselben Aufgabe und zum Schutz derselben Rechtsgüter handelt. Für Daten aus Wohnraumüberwachungen oder einem Zugriff auf informationstechnische Systeme müssen zusätzlich für jede weitere Nutzung auch die für die Datenerhebung maßgeblichen Anforderungen an die Gefahrenlage erfüllt sein.
c) Der Gesetzgeber kann darüber hinaus eine Nutzung der Daten auch zu anderen Zwecken als denen der ursprünglichen Datenerhebung erlauben (Zweckänderung).
Die Verhältnismäßigkeitsanforderungen für eine solche Zweckänderung orientieren sich am Grundsatz der hypothetischen Datenneuerhebung. Danach muss die neue Nutzung der Daten dem Schutz von Rechtsgütern oder der Aufdeckung von Straftaten eines solchen Gewichts dienen, die verfassungsrechtlich ihre Neuerhebung mit vergleichbar schwerwiegenden Mitteln rechtfertigen könnten. Eine konkretisierte Gefahrenlage wie bei der Datenerhebung ist demgegenüber grundsätzlich nicht erneut zu verlangen; erforderlich aber auch ausreichend ist in der Regel das Vorliegen eines konkreten Ermittlungsansatzes.
Für Daten aus Wohnraumüberwachungen und Online-Durchsuchungen darf die Verwendung zu einem geänderten Zweck allerdings nur erlaubt werden, wenn auch die für die Datenerhebung maßgeblichen Anforderungen an die Gefahrenlage erfüllt sind.
3. Die Übermittlung von Daten an staatliche Stellen im Ausland unterliegt den allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen von Zweckänderung und Zweckbindung. Bei der Beurteilung der neuen Verwendung ist die Eigenständigkeit der anderen Rechtsordnung zu achten. Eine Übermittlung von Daten ins Ausland verlangt eine Vergewisserung darüber, dass ein hinreichend rechtsstaatlicher Umgang mit den Daten im Empfängerstaat zu erwarten ist.

 
Urteil vom 03. Mai 2016 – 2 BvE 4/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Besonders bedeutsam ist die Entscheidung des BVerfG zu spezifischen Oppositionsfraktionsrechten im Deutschen Bundestag. Die Leitsätze dazu lauten:

1. Das Grundgesetz enthält einen durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts konkretisierten allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz effektiver Opposition.
2. Das Grundgesetz begründet jedoch weder explizit spezifische Oppositions(fraktions)rechte, noch lässt sich ein Gebot der Schaffung solcher Rechte aus dem Grundgesetz ableiten.
3. Einer Einführung spezifischer Oppositionsfraktionsrechte steht zudem Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG entgegen.
4. Einer Absenkung der grundgesetzlich vorgegebenen Quoren eines Drittels (Art. 39 Abs. 3 Satz 3 GG) oder Viertels (Art. 23 Abs. 1a Satz 2, Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Art. 45a Abs. 2 Satz 2 und Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) der Mitglieder des Bundestages für die Ausübung parlamentarischer Minderheitenrechte steht die bewusste Entscheidung des Verfassungsgebers für die bestehenden Quoren entgegen.

Siehe auch unseren Artikel vom 06. Mai 2016.
 
Beschluss vom 06. Mai 2016 – 1 BvL 7/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur unzulässigen Richtervorlage zur Verfassungswidrigkeit von Arbeitslosengeld II-Sanktionen sei auf unseren Artikel vom 03. Juni 2016 verwiesen.
 
Beschluss vom 09. Mai 2016 – 1 BvR 2202/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zur erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen die Versagung der nachträglichen Einrichtung einer Begräbnisstätte in einer Kirche verweisen wir auf unseren Artikel vom 22. Juni 2016.
 
Beschluss vom 17. Mai 2016 – 1 BvR 257/14 u.a. (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG kam in diesem Beschluss zu dem Ergebnis, dass die Kundgabe der Buchstabenkombination „ACAB“ im öffentlichen Raum vor dem Hintergrund der Freiheit der Meinungsäußerung (Art. 5 I 1 GG) nicht ohne weiteres strafbar ist. Eine Verurteilung wegen Beleidigung nach § 185 StGB setze daher voraus, dass sich die Äußerung auf eine hinreichend überschaubare und abgegrenzte Personengruppe beziehe, denn ansonsten sei der Eingriff in die Meinungsfreiheit nicht gerechtfertigt.
 
Beschluss vom 18. Mai 2016 – 1 BvR 895/16 (siehe auch die Pressemitteilung)
Zu diesem erfolglosen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen einzelne Regelungen des Tabakerzeugnisgesetzes sei auf unseren Artikel vom 20. Mai 2016 verwiesen.
 
Urteil vom 31. Mai 2016 – 1 BvR 1585/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
In einer Aufsehen erregenden Entscheidung über die Verwendung von Samples zur künstlerischen Gestaltung stellte das BVerfG wie folgt fest:

1. Die von Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG geforderte kunstspezifische Betrachtung verlangt, die Übernahme von Ausschnitten urheberrechtlich geschützter Gegenstände als Mittel künstlerischen Ausdrucks und künstlerischer Gestaltung anzuerkennen. Steht dieser Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in Urheber- oder Leistungsschutzrechte gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, so können die Verwertungsinteressen der Rechteinhaber zugunsten der Kunstfreiheit zurückzutreten haben.
2. Der Schutz des Eigentums kann nicht dazu führen, die Verwendung von gleichwertig nachspielbaren Samples eines Tonträgers generell von der Erlaubnis des Tonträgerherstellers abhängig zu machen, da dies dem künstlerischen Schaffensprozess nicht hinreichend Rechnung trägt.
3. Bei der Kontrolle der fachgerichtlichen Anwendung des Rechts der Europäischen Union prüft das Bundesverfassungsgericht insbesondere, ob das Fachgericht drohende Grundrechtsverletzungen durch Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union abgewehrt hat und ob der unabdingbare grundrechtliche Mindeststandard des Grundgesetzes gewahrt ist.

 
Urteil vom 21. Juni 2016 – 2 BvR 2728/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Von hoher Brisanz ist auch das mit Spannung erwartete Urteil des BVerfG zu den Verfassungsbeschwerden und Organstreitverfahren gegen das OMT-Programm der Europäischen Zentralbank. Dazu folgende Leitsätze:

1. Zur Sicherung seiner demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration hat der Bürger grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür vorgesehenen Formen der Art. 23 Abs. 1 Sätze 2 und 3, Art. 79 Abs. 2 GG erfolgt.
2. Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die ultra vires ergehen, verletzen das im Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 Satz 2 GG niedergelegte Integrationsprogramm und damit zugleich den Grundsatz der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG). Der Abwendung derartiger Rechtsverletzungen dient das Institut der Ultra-vires-Kontrolle.
3. Die Verfassungsorgane trifft aufgrund der ihnen obliegenden Integrationsverantwortung die Verpflichtung, Maßnahmen von Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Europäischen Union, die eine Identitätsverletzung bewirken oder einen Ultra-vires-Akt darstellen, entgegenzutreten.
4. Die Deutsche Bundesbank darf sich an einer künftigen Durchführung des OMT-Programms nur beteiligen, wenn und soweit die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Maßgaben erfüllt sind, das heißt wenn
– das Volumen der Ankäufe im Voraus begrenzt ist,
– zwischen der Emission eines Schuldtitels und seinem Ankauf durch das ESZB eine im Voraus festgelegte Mindestfrist liegt, die verhindert, dass die Emissionsbedingungen verfälscht werden,
– nur Schuldtitel von Mitgliedstaaten erworben werden, die einen ihre Finanzierung ermöglichenden Zugang zum Anleihemarkt haben,
– die erworbenen Schuldtitel nur ausnahmsweise bis zur Endfälligkeit gehalten werden und
– die Ankäufe begrenzt oder eingestellt werden und erworbene Schuldtitel wieder dem Markt zugeführt werden, wenn eine Fortsetzung der Intervention nicht erforderlich ist.

 

30.06.2016/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2016-06-30 12:00:032016-06-30 12:00:03BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (2. Quartal/2016)
Christian Muders

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Im Folgenden eine Übersicht über im Mai veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 26. November 2015 – 3 StR 17/15
Ein Mitglied des Aufsichtsrats einer GmbH trifft die Pflicht im Sinne des Untreuetatbestandes (§ 266 StGB), das Vermögen der Gesellschaft zu betreuen. Es verletzt diese Pflicht u.a. dann, wenn es mit einem leitenden Angestellten der Gesellschaft bei einem das Gesellschaftsvermögen schädigenden, die Grenzen der unternehmerischen Entscheidungsfreiheit überschreitenden Fehlverhalten zusammenwirkt. Ein Verstoß gegen die europarechtlichen Vorschriften zur Gewährung von Beihilfen begründet jedoch keine Pflichtverletzung im Sinne des Untreuetatbestandes; denn diese Regelungen dienen nicht dem Schutz des Vermögens des Beihilfegebers, sondern dem des europäischen Binnenmarktes vor Wettbewerbsverzerrungen („Nürnburgringverfahren“; zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
II. BGH, Urteil vom 20. Januar 2016 – 1 StR 398/15
Notwendige Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen vollendeten Raubes (§ 249 StGB) ist neben einer finalen Verknüpfung zwischen dem Einsatz der qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme ebenfalls ein räumlich-zeitlicher Zusammenhang dergestalt, dass es zu einer nötigungsbedingten Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Gewahrsamsinhabers über das Tatobjekt gekommen ist. Dieses neben den Finalzusammenhang tretende eigenständige Merkmal folgt aus der gegenüber einem Diebstahl erhöhten Strafdrohung bei Raub. Sie beruht auf dem wesentlich höheren Schuld- und Unrechtsgehalt, der an den Einsatz von qualifizierten Nötigungsmitteln zur Herbeiführung des Gewahrsamsbruchs beim Opfer anknüpft. Daher ist der Raubtatbestand nicht erfüllt, wenn der Täter auf das Opfer zwar mit Gewalt in der Absicht einwirkt, die Wegnahme zu erleichtern, das Opfer jedoch im Anschluss den Gewahrsam aus anderen Gründen preisgibt; es kommt dann nur ein versuchter Raub in Betracht (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
III. BGH, Beschluss vom 10. März 2016 – 3 StR 404/15
Wer eine Räumlichkeit durch eine zum ordnungsgemäßen Zugang bestimmte Tür betritt, steigt nicht im Sinne von § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB ein, unabhängig davon, auf welche Weise er die Tür geöffnet hat (Leitsatz des Gerichts). Daher verwirklicht eine Person, die durch ein auf Kipp stehendes Fenster eines Wohnhauses greift und die am oberen Fensterrahen angebrachte Verriegelungsschiene löst, um das Fenster weiter nach hinten zu kippen und sodann den Griff der danebenliegenden Terrassentür umzulegen, um zu Diebstahlszwecken in den Wohnbereich zu gelangen, lediglich einen einfachen Diebstahl. Dies entspricht der Binnensystematik der § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB, da der Alternative des Eindringens zu entnehmen ist, dass das Betreten durch eine hierzu bestimmte Öffnung nur dann vom Regelbeispiel bzw. der Qualifikation erfasst sein soll, wenn dies unter Nutzung eines falschen Schlüssels oder eines anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten, auf den Schließmechanismus einwirkenden Werkzeuges geschieht. Das hergebrachte Begriffsverständnis deckt sich zudem mit dem allgemeinen Sprachgebrauch im Sinne des Sichverschaffens unrechtmäßigen Zutritts durch Hineinklettern (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
IV. BGH Urteil vom 28. April 2016 – 4 StR 563/15
Ein Ausnutzen der besonderen Verhältnisse im Sinne des § 316a Abs. 1 StGB (räuberischer Angriff auf Kraftfahrer) setzt in objektiver Hinsicht nur voraus, dass der Führer eines Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt des Angriffs in einer Weise mit der Beherrschung seines Kraftfahrzeugs und/oder mit der Bewältigung von Verkehrsvorgängen beschäftigt ist, dass er gerade deswegen leichter zum Angriffsobjekt eines Überfalls werden kann. Daher ist es regelmäßig ausreichend, dass sich das Fahrzeug des Opfers noch in Bewegung befindet, ohne dass es darauf ankommt, dass sich die konkrete Tat an einem einsamen Ort ohne weiteres Verkehrsaufkommen ereignet. Subjektiv ist erforderlich, dass sich der Täter in tatsächlicher Hinsicht der die Abwehrmöglichkeiten des Tatopfers einschränkenden besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs im Zeitpunkt der Tat bewusst ist. Nicht notwendig ist hingegen, dass er eine solche Erleichterung seines Angriffs zur ursächlichen Bedingung seines Handelns macht. Dass der Täter nicht von vornherein geplant hat, sich durch die verkehrsspezifischen Umstände einen Vorteil für sein Angriffsvorhaben zu verschaffen, ist daher unschädlich.
– – –
Zum Schluss noch eine Entscheidung, die sich mit dem absoluten Revisionsgrund der fehlerhaften Besetzung des Gerichts (§ 338 Nr. 1 StPO) und damit der Frage nach dem gesetzlichen Richter im Zusammenhang mit der Anordnung der Zuziehung eines Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 GVG) durch den Vorsitzenden beschäftigt:
V. BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 544/15
Kann ein zur Urteilsfindung berufener Richter wegen Krankheit nicht zu einer Hauptverhandlung er
scheinen, die bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden hat (§ 229 Abs. 3 Satz 1 StPO), so kommt der Eintritt eines Ergänzungsrichters (§ 192 Abs. 2 GVG) grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann (Leitsatz des Gerichts). Im Hinblick auf das Prinzip des gesetzlichen Richters ist es insoweit geboten, die Feststellung des Verhinderungsfalls zurückzustellen und abzuwarten, ob die Hauptverhandlung noch unter Mitwirkung des erkrankten Richters fortgesetzt werden kann. Solange die Fristen gehemmt sind, ist für eine Ermessensentscheidung des Vorsitzenden deshalb kein Raum, und der Eintritt des Ergänzungsrichters kommt erst in Betracht, wenn der erkrankte Richter nach Ablauf der maximalen Fristenhemmung zu dem ersten notwendigen Fortsetzungstermin weiterhin nicht erscheinen kann (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).

09.06.2016/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2016-06-09 09:34:562016-06-09 09:34:56Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
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Im Folgenden eine Übersicht über im April veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 1. Dezember 2015 – 4 StR 390/15
Die fakultative Strafmilderung wegen tätiger Reue nach § 320 Abs. 1 i.V.m. § 49 Abs. 2 StGB kommt auch bei einer Verurteilung wegen Angriffs auf den Luft- und Seeverkehr im Sinne der Vorschrift des § 316c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB in Betracht, bei der Vollendung bereits mit der Ausführung der Tathandlung eintritt (Leitsatz des Gerichts; zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Dem Wortlaut von § 320 Abs. 1 StGB, der ohne Einschränkung auf § 316c Abs. 1 StGB verweist, kann eine Einschränkung auf eine einzelne Tatvariante nicht entnommen werden. Es kommt hinzu, dass der Anwendungsbereich des § 320 Abs. 1 StGB nicht nur eröffnet wird, wenn der Täter „sonst den Erfolg abwendet“, sondern auch dann, wenn er „freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt“. Schon vom Wortsinn her sind damit die Tathandlungen des in § 316c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB geregelten bloßen Tätigkeitsdelikts vom Anwendungsbereich der Vorschrift nicht ausgenommen. Vom Sinn und Zweck der Vorschrift her dient die Möglichkeit der tätigen Reue zudem im Fall des reinen Tätigkeitsdelikts als Ausgleich für die dadurch bewirkte erhebliche Vorverlagerung des Vollendungszeitpunktes, von dem an auch ein Rücktritt nach § 24 StGB ausgeschlossen ist, und dient darüber hinaus dem Opferschutz.
II. BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 1 Ars 10/15
Der 1. Senat hält entgegen dem Anfragebeschluss des 2. Strafsenats vom 18. März 2015 – 2 StR 96/14 – daran fest, dass die Ausdehnung der deutschen Strafgewalt auf Auslandstaten ausländischer Täter im Rahmen des § 6 Nr. 5 StGB (Geltung des deutschen Strafrechts für im Ausland begangene Taten des unbefugten Vertriebs von Betäubungsmitteln) zu ihrer Rechtfertigung über die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen hinaus keines weiteren legitimierenden Anknüpfungspunktes im Sinne einer Begrenzung der strafrechtlichen Regelungsgewalt bedarf. Denn das in der vorgenannten Vorschrift zum Ausdruck kommende Weltrechtsprinzip lässt eine Ausdehnung der Strafgewalt auf Taten gegen Rechtsgüter zu, deren Schutz im gemeinsamen Interesse der Staatengemeinschaft liegt, um Verfolgungsdefizite im Tatortstaat zu überwinden und im Interesse der internationalen Staatengemeinschaft einen effektiven strafrechtlichen Schutz dieser Rechtsgüter zu gewährleisten. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 6 Nr. 5 StGB werden weitere Voraussetzungen nicht vorgesehen. Auch Sinn und Zweck der Vorschrift gebieten keine über den Wortlaut hinausgehende Einschränkung. Denn vom Schutzzweck her sachgerecht und vom Gesetzgeber erkennbar gewollt ist es, dem Betäubungsmittelhandel, der wegen seiner grenzüberschreitenden Gefährlichkeit auch Inlandsinteressen berührt, durch Anwendung des deutschen Strafrechts auf den Händler entgegenzuwirken, gleich welcher Staatsangehörigkeit er ist und wo er die Tat begangen hat. Die Beschränkung auf Taten mit einem qualifizierten Inlandsbezug wäre bei der Umsetzung dieses Schutzzwecks eher hinderlich.
III. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2016 – 3 StR 538/15
Schließen sich mehrere Täter zu einer Bande zusammen, um fortgesetzt Diebstähle nach § 242 Abs. 1, § 244a Abs. 1 StGB zu begehen, hat dies nicht zur Folge, dass jede von einem der Bandenmitglieder aufgrund der Bandenabrede begangene Tat den anderen Bandenmitgliedern ohne Weiteres als gemeinschaftlich begangene Straftat im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB zugerechnet werden kann. Vielmehr ist für jede einzelne Tat nach den allgemeinen Kriterien festzustellen, ob sich die anderen Bandenmitglieder hieran als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen beteiligt oder ob sie gegebenenfalls überhaupt keinen strafbaren Tatbeitrag geleistet haben (ständige Rspr.). Sofern sich der Tatbeitrag eines Bandenmitglieds daher im konkreten Fall lediglich auf einen Hinweis bezüglich eines lohnenswerten Einbruchsobjekts beschränkt, bei dem die eigentliche Tat durch andere Bandenmitglieder erst Tage später vollzogen wird und der Tippgeber mit einem vergleichsweise geringen Teil der Tatbeute entlohnt wird, liegt insofern lediglich Strafbarkeit wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl vor (§ 27 i.V.m. § 244a Abs. 1 StGB).
IV. BGH, Beschluss vom 7. März 2016 – 2 StR 123/15
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zieht bei einem Geschehen, welches schon vollständig abgeschlossen ist, das Einverständnis des später Hinzutretenden trotz Kenntnis, Billigung oder Ausnutzung der durch den anderen Mittäter geschaffenen Lage eine strafbare Verantwortung für den bereits abgeschlossenen Vorgang nicht nach sich. Daher kann dann, wenn einer der Täter das überraschend anwesende Opfer im Rahmen eines geplanten Wohnungseinbruchsdiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB) mit Pfefferspray attackiert, was von dem weiteren Täter nachträglich gebilligt wird, eine Verurteilung des zweiten Täters wegen besonders schweren Raubes in Betracht kommen (§ 251 Abs. 2 Nr. 1 StGB), nicht hingegen im Hinblick auf die allein durch den ersten Täter bereits vollendete gefährliche Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
V. BGH, Beschluss vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15
Vorsätzlicher Bankrott durch Verheimlichen von Bestandteilen des Vermögens im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist im Falle der Insolvenz einer natürlichen Person bei fortdauerndem Verheimlichen bis zur Restschuldbefreiung erst dann beendet, wenn diese erteilt wird (Leitsatz des Gerichts). Dementsprechend kann auch erst ab diesem Zeitpunkt die Verfolgungsverjährung der Tat beginnen (§ 78a Satz 1 StGB). Nach dem vom BGH in ständiger Rechtsprechung angewendeten materiellen Beendigungsbegriff ist die Tat nämlich erst beendet, wenn der Täter sein rechtsverneinendes Tun insgesamt abschließt, das Tatunrecht mithin tatsächlich in vollem Umfang verwirklicht ist. Das Rechtsgut der Insolvenzdelikte besteht im Schutz der Insolvenzmasse vor unwirtschaftlicher Verringerung, Verheimlichung und ungerechter Verteilung zum Nachteil der Gesamtgläubigerschaft. Bei der Insolvenz einer natürlichen Person dauert im Falle des Verheimlichens von Vermögensbestandteilen im Sinne von § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB der Angriff auf das geschützte Rechtsgut bei einer erstrebten Restschuldbefreiung daher jedenfalls so lange an, bis das Insolvenzgericht durch Beschluss feststellt, dass der Schuldner die beantragte Restschuldbefreiung erlangt hat. Denn die Pflicht, ohne besondere Nachfrage Vermögensbestandteile zu offenbaren, besteht gemäß §§ 20, 97 InsO nicht nur nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch noch nach dessen Abschluss im Restschuldbefreiungsverfahren fort (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
VI. BGH, Urteil vom 6. April 2016 – 5 StR 504/15
Die Milderung der lebenslangen Freiheitsstrafe bei Mord nach der sogenannten „Rechtsfolgenlösung“ (§§ 211, 49 Abs. 1 Nr. 1 StGB) wurde für Fälle der Heimtücke entwickelt und ist auf Konstellationen, in denen das Mordmerkmal der „Befriedigung des Geschlechtstriebs“ einschlägig ist (hier: „Schlachtung“ eines hiermit einverstandenen anderen Menschen, um hierdurch sexuelle Befriedigung, zumindest aber sexuellen Lustgewinn zu erhalten), nicht ohne weiteres anwendbar. In diesem Fall handelt der Täter nicht aus einer außergewöhnlichen Notlage oder einer notstandsnahen Bedrängnis heraus, sondern tötet primär zur Befriedigung seines Geschlechtstriebs und damit in besonders verwerflicher Weise. Hieran vermag auch der Wunsch des Tatopfers, getötet zu werden, nichts zu ändern, sofern die Voraussetzungen des § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) nicht festgestellt werden können (hier: Wunsch des Opfers nicht handlungsleitend, da der Angeklagte von vornherein aus eigenem Antrieb im Internet nach Personen gesucht habe, die bereit wären, sich von ihm töten, insbesondere „schlachten“ zu lassen).
– – –
Zum Schluss noch eine prozessuale Entscheidung, die sich mit dem Einbringen von polizeilichen Observationsberichten in die Hauptverhandlung beschäftigt:
VII. BGH, Beschluss vom 8. März 2016 – 3 StR 484/15
Polizeiliche Observationsberichte können in der Hauptverhandlung nach § 256 Abs.1 Nr. 5 StPO verlesen werden. Aus dem Wortlaut des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ergibt sich weder, dass Observationsberichte im Speziellen von einer Verlesung ausgenommen sein sollen, noch, dass Ermittlungshandlungen im Sinne der Vorschrift ausschließlich „Routinemaßnahmen“ betreffen. Ebenfalls spricht auch die teleologische Auslegung des § 256 Abs.1 Nr. 5 StPO gegen einen Ausschluss von Observationsberichten aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift. Als Erwägung für die Verlesung von Protokollen und Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden führen die Gesetzesmaterialien an, dass etwa ein Polizeibeamter „in der Hauptverhandlung ohnehin in der Regel kaum mehr bekunden [könne] als das, was in dem Protokoll bereits schriftlich festgelegt“ sei (BT-Drs. 15/1508 S. 26). Dies trifft auf polizeiliche Observationsprotokolle aber gleichfalls zu. Kleine Details wie etwa Zeitangaben zu – für sich gesehen – wenig eindrücklichen einzelnen Beobachtungsvorgängen, die erst nachträglich in einem größeren Zusammenhang Bedeutung gewinnen können, werden in der zeitnahen Verschriftung oft zuverlässiger bekundet werden als nach oft langer Zeit in der Hauptverhandlung aus dem Gedächtnis.

01.05.2016/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2016-05-01 13:00:142016-05-01 13:00:14Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Christian Muders

Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht

Im Folgenden eine Übersicht über im März veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Urteil vom 13. Januar 2016 – 2 StR 148/15
Ein in einem öffentlich-rechtlichen Anstellungsverhältnis stehender Schulsekretär, der nach der internen Aufgabenverteilung allein für das Bestell- und Zahlwesen einer Schule zuständig ist, ist auch dann Amtsträger im Sinne von § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB, wenn er nicht nach außen als Entscheidungsträger auftritt, sondern nur faktisch die Entscheidung darüber trifft, welche Bestellungen realisiert, welche Zulieferer beauftragt und dass Zahlungen angewiesen werden (Leitsatz des Gerichts). Er kann daher wegen Bestechlichkeit (§ 332 StGB) strafbar sein, wenn er einen Lieferanten gegen „Provisionszahlungen“ bei der Bestellung für Verbrauchsmittel bevorzugt und diesem durch den gutgläubigen Schulleiter oder ein sonstiges gutgläubiges Mitglied des Kollegiums Auszahlungen zuweisen lässt, ohne dass tatsächlich Leistungen erfolgen (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
II. BGH, Urteil vom 27. Januar 2016 – 5 StR 328/15
Ein Verwaltungsangestellter, der mit der Bearbeitung von Bußgeldverfahren betraut ist und diese zu Gunsten der betroffenen Personen jeweils zu einem endgültigen – im Verfahrensgang nicht vorgesehenen – Abschluss bringt, indem er Akten aus dem Dienstverkehr entzieht, um auf diese Weise eine Ahndung der Verstöße zu verhindern, begeht eine Rechtsbeugung nach § 339 StGB. Denn er beendet die Bußgeldverfahren mit fremdnütziger Zielrichtung in außergesetzlicher Weise, deren gesetzmäßige Führung seine dienstliche Aufgabe ist. Mit seinem im Ergebnis einer abschließenden Entscheidung gleichkommenden Vorgehen entfernt er sich bewusst und in schwerwiegender Weise von Recht und Gesetz.
III. BGH, Urteil vom 2. Februar 2016 – 1 StR 435/15
Die von einer Prostituierten aufgrund einer vorherigen Vereinbarung erbrachten sexuellen Handlungen und die dadurch begründete Forderung auf das vereinbarte Entgelt (§ 1 Satz 1 ProstG) gehören zum strafrechtlich geschützten Vermögen (Anschluss an BGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 – 3 StR 467/10, NStZ 2011, 278 f.) (Leitsatz des Gerichts). Daher kann sich ein Freier eines Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB schuldig machen, wenn er der Prostituierten unter Vorspiegelung seiner Zahlungswilligkeit und -fähigkeit als Entgelt einen nicht gedeckten Scheck übergibt und im Anschluss die sexuellen Dienstleistungen in Anspruch nimmt. Angesichts der gesetzgeberischen Wertung des § 1 Satz 1 ProstG muss bereits den in Erfüllung eingegangener Verabredungen und in Erwartung des vereinbarten Entgelts erbrachten sexuellen Leistungen ein betrugsstrafrechtlich relevanter wirtschaftlicher Wert zugemessen werden (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
IV. BGH, Beschluss vom 4. Februar 2016 – 4 StR 266/15
Die Verurteilung eines Elternteils wegen Misshandlungen des eigenen Kindes, die „in dubio pro reo“ für den Fall, dass der andere Elternteil die tatbestandliche Handlung begangen hat, ihm als Garant in Form des unechten Unterlassensdelikts (§§ 13, 225 StGB) angelastet wird, lässt sich nicht auf die Erwägung stützen, dass das Kind bereits in der Vergangenheit entweder durch den einen oder den anderen Elternteil Misshandlungen erfahren hatte, sodass dem verurteilten Elternteil eine besondere Fürsorgepflicht traf. Wenn nämlich auch für die frühere Misshandlung der jetzige Verurteilte als Täter in Betracht kommt, bestand für ihn keine Veranlassung, aufgrund dessen gerade im Hinblick auf einen zu befürchtenden und unterstellten Übergriff des anderen Partners von einer Erfolgsabwendungspflicht ausgehen zu müssen.
V. BGH, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 4 StR 459/15
Eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln durch Unterlassen scheidet in einem Fall, in welchem der Inhaber einer Wohnung Kenntnis davon hat, dass sein Mitbewohner Heroin in der Wohnung lagert und damit handelt, ohne hiergegen einzuschreiten, mangels Garantenstellung des Wohnungsinhabers aus. Denn der Inhaber einer Wohnung hat grundsätzlich rechtlich nicht dafür einzustehen, dass in seinen Räumen durch Dritte keine Straftaten begangen werden. Ein Ausnahmefall kommt nur dann in Betracht, wenn die Wohnung wegen ihrer besonderen Beschaffenheit oder Lage – über ihre Eigenschaft als nach außen abgeschirmter Bereich hinaus – eine Gefahrenquelle darstellt (ständige Rspr).
– – –
Zum Schluss noch zwei prozessuale Entscheidung, die sich mit einem Verstoß gegen Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK und den Grundsatz des fairen Verfahrens bzw. der Frage beschäftigen, ob die Höhe der Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer zulässiger Gegenstand einer Verständigung nach § 257c StPO sein kann:
VI. BGH, Urteil vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 457/14
Ein Angeklagter kann auf die das Strafverfahren abschließende Entscheidung nur dann hinreichend Einfluss nehmen, wenn ihm der Verfahrensgegenstand in vollem Umfang bekannt ist, was auch die Kenntnis der Anklageschrift voraussetzt. Deshalb hat ein Angeklagter nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK das Recht, innerhalb möglichst kurzer Frist in einer ihm verständlichen Sprache in allen Einzelheiten über Art und Grund der gegen ihn erhobenen Beschuldigung unterrichtet zu werden. Dieses Recht beinhaltet für den der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtigen Beschuldigten grundsätzlich die Übersendung einer Übersetzung der Anklageschrift in einer für ihn verständlichen Sprache. Die mündliche Übersetzung allein des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung genügt nur in Ausnahmefällen, namentlich dann, wenn der Verfahrensgegenstand tatsächlich und rechtlich einfach zu überschauen ist. Der Umstand, dass der Angeklagte einen Verteidiger hat, führt – auch unter Berücksichtigung des § 187 Abs. 2 Satz 5 GVG – zu keiner abweichenden rechtlichen Bewertung. Ein Angeklagter, dem die Anklageschrift nicht ordnungsgemäß mitgeteilt wurde, kann daher grundsätzlich die Aussetzung der Hauptverhandlung verlangen, um seine Verteidigung genügend vorbereiten zu können. Wird ihm dies verwehrt, liegt hierin ein Verstoß gegen Art.6 Abs. 3 Buchst. a) EMRK sowie den Grundsatz des fairen Verfahrens.
VII. BGH, Beschluss vom 25. Februar 2016 – 1 StR 79/15
Die Höhe der Kompensation für eine hinsichtlich Art, Ausmaß und ihrer Ursachen prozessordnungsgemäß festgestellte überlange Verfahrensdauer ist ein zulässiger Verständigungsgegenstand nach § 257c Abs. 2 Satz 1 StPO. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers können Verständigungsgegenstand u.a. grundsätzlich die Maßnahmen sein, über die das erkennende Gericht verfügen kann, somit Maßnahmen, die es im Erkenntnis treffen kann; Grundsätze der richterlichen Sachverhaltsaufklärung und Überzeugungsbildung sollten hingegen nicht angetastet werden. Danach erweist sich die Verständigung über Art und Ausmaß einer Kompensation für eine überlange Verfahrensdauer als zulässiger Verständigungsgegenstand, sofern die tatsächlichen Grundlagen, aufgrund derer das Gericht Art und Ausmaß der Verzögerung sowie ihre Ursachen ermittelt hat, außen vor bleiben (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).

01.04.2016/1 Kommentar/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2016-04-01 14:00:592016-04-01 14:00:59Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Dr. Marius Schäfer

BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (1. Quartal/2016)

Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verfassungsrecht

Gerne stellen wir euch auch wieder für das erste Quartal des Jahres 2016 mit diesem Rechtsprechungsüberblick eine ausgesuchte Reihe der bislang veröffentlichten Entscheidungen vor, welche das Bundesverfassungsgericht in den vergangenen drei Monaten getroffen hat und die Anlass zum aufmerksamen Studieren geben sollten.
Insbesondere im Hinblick auf die Vorbereitung zur Mündlichen Prüfung ist ein aktueller Kenntnisstand der Rechtsprechung – nicht nur der des Verfassungsgerichtes – unerlässlich. Daneben fließen Entscheidungen dieses hohen Gerichtes regelmäßig in Anfangssemester- oder Examensklausuren ein.
Dargestellt wird in diesem Beitrag insofern anhand der betreffenden Leitsätze, Pressemitteilungen oder kurzen Ausführungen aus den Gründen eine überblicksartige Auswahl aktueller Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, welche ihr nachschlagen solltet.
 
Beschluss vom 08. Dezember 2015 – 1 BvR 1864/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Mit diesem Beschluss hat das BVerfG eine Verfassungsbeschwerde gegen § 3 Satz 1 Nr. 13 des Tierschutzgesetzes (TierSchG), wonach es verboten ist, ein Tier für eigene sexuelle Handlungen zu nutzen oder für sexuelle Handlungen Dritter abzurichten oder zur Verfügung zu stellen und dadurch zu artwidrigem Verhalten zu zwingen, nicht zur Entscheidung angenommen. Die Beschwerdeführer machten in diesem Zusammenhang geltend, dass sie sich zu Tieren sexuell hingezogen fühlten, der Ordnungswidrigkeitentatbestand jedoch ein Eingriff in ihr sexuelles Selbstbestimmungsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) sei. Angesichts des vom Gesetzgeber verfolgten Schutzzwecks ist der durch das Verbot vermittelte Eingriff allerdings gerechtfertigt, entschied das BVerfG. Damit können entsprechende Verstöße nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 TierSchG weiterhin als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße bis zu 25.000,00 EUR geahndet werden.
 
Beschluss vom 15. Dezember 2015 – 2 BvR 2735/14 (siehe auch die Pressemitteilung)
Die vor dem BVerfG erhobene Verfassungsbeschwerde hat die Auslieferung des Beschwerdeführers nach Italien auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehls, der zur Vollstreckung eines in Abwesenheit des Beschwerdeführers ergangenen Strafurteils erlassen wurde, zum Gegenstand. Diesbezüglich führte das Verfassungsgericht in seinem Beschluss aus, dass der Schuldgrundsatz, nach dem jede strafrechtliche Sanktion den Nachweis von Tat und Schuld in einem prozessordnungsgemäßen Verfahren voraussetzt, in der Menschenwürdegarantie des Art. 1 Abs. 1 GG wurzelte und daher auch bei der Auslieferung zur Vollstreckung eines in Abwesenheit ergangenen Strafurteils in Vollzug des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbefehl gewahrt werden müsse. Der durch das BVerfG gewährleistete Grundrechtsschutz könne sich im Einzelfall also auch auf unionsrechtlich determinierte Hoheitsakte erstrecken, wenn dies zur Wahrung der durch Art. 79 Abs. 3 GG verbürgten Verfassungsidentität unabdingbar geboten sei. Insoweit wurde der Beschluss des OLG Düsseldorf über die Auslieferung des Beschwerdeführers, der in Italien in Abwesenheit zu einer Freiheitsstrafe von 30 Jahren verurteilt worden war, aufgehoben und zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen.
Siehe auch unseren Artikel vom 10. Februar 2016.
 
Beschluss vom 16. Dezember 2015 – 2 BvR 1958/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Aus beamtenrechtlicher Sicht durchaus interessant, hat das BVerfG mit diesem Beschluss im Rahmen eines eines Konkurrentenstreits entschieden, dass ein Dienstposten mehreren Besoldungsgruppen zugeordnet werden könne, wenn hierfür ein sachlicher Grund besteht. Dazu folgende Leitsätze:

  1. Eine Dienstpostenbündelung (sogenannte Topfwirtschaft) ist nur zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht. Ein solcher sachlicher Grund kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der von der Dienstpostenbündelung betroffene Bereich Teil der sogenannten „Massenverwaltung“ ist, bei der Dienstposten in der Regel mit ständig wechselnden Aufgaben einhergehen.

  2. Der Dienstherr muss sich bewusst machen, welche Dienstposten von der Bündelung betroffen sind und welche Aufgaben in dieser Spannweite anfallen. Andernfalls besteht nicht die – für die Zulässigkeit einer Dienstpostenbündelung wiederum erforderliche – Möglichkeit einer angemessenen Leistungsbewertung.

 
Beschluss vom 21. Dezember 2015 – 2 BvR 2347/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
Aufgrund einer Folgenabwägung hat das Verfassungsgericht mit diesem Beschluss den Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen den seit dem 10. Dezember 2015 gültigen § 217 StGB abgelehnt. Demnach macht sich derjenige strafbar, welcher in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, abgelehnt. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
 
Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 BvR 3102/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das Verfassungsgericht hat im Hinblick auf § 56 Abs. 1 Satz 1 Insolvenzordnung (InsO) entschieden, dass der darin geregelte Ausschluss juristischer Personen von der Bestellung zum Insolvenzverwalter mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf folgende Leitsätze:

  1. Der Ausschluss juristischer Personen von der Bestellung zum Insolvenzverwalter durch § 56 Abs. 1 Satz 1 InsO verstößt weder gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) noch gegen das Grundrecht auf Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG).

  2. Mit der Durchsetzung berechtigter Forderungen dient das Insolvenzverfahren auch der Verwirklichung des Justizgewährungsanspruchs und ist in die Garantie effektiven Rechtsschutzes einbezogen.

Siehe auch unseren Artikel vom 03. Februar 2016.
 
Beschluss vom 12. Januar 2016 – 1 BvL 6/13 (siehe auch die Pressemitteilung)
In einem Verfahren der konkreten Normenkontrolle auf Vorlage des BGH hat das BVerfG in diesem Beschluss entschieden, dass § 59a Abs. 1 Satz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) insoweit verfassungswidrig und nichtig sei, als er Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten verbietet, sich mit Ärztinnen und Ärzten sowie mit Apothekerinnen und Apothekern zur gemeinschaftlichen Berufsausübung in einer Partnerschaftsgesellschaft zu verbinden. Zu beachten sind folgende Leitsätze:

Das Sozietätsverbot aus § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO verletzt das Grundrecht der Berufsfreiheit, soweit es Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten eine gemeinschaftliche Berufsausübung mit Ärztinnen und Ärzten oder mit Apothekerinnen und Apothekern im Rahmen einer Partnerschaftsgesellschaft untersagt.

 
Beschluss vom 29. Januar 2016 – 1 BvQ 6/16
Das BVerfG hat den hier gegenständlichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit der Begründung abgelehnt, dass durch das Auferlegung eines Fackelverbots keine Gefährdung des Demonstrationserfolgs in einer einen schweren Nachteil im Sinne des § 32 Abs. 1 BVerfGG bewirkenden Weise vorliege. Der Antragstellerin wurde zuvor untersagt, bei dem von ihr angemeldeten Aufzug Gegenstände jeglicher Art mit Ausnahme handelsüblicher Tabakwaren, aber insbesondere Fackeln abzubrennen.
 
Beschluss vom 26. August 2015 – 2 BvF 1/15 (siehe auch die Pressemitteilung)
In diesem Normenkontrollverfahren hat das BVerfG auf Antrag des Berliner Senats die Löschung der im Rahmen des Zensus 2011 erhobenen Daten vorläufig gestoppt. Dabei gilt die Außervollzugsetzung von § 19 des Zensusgesetzes 2011 bis zur Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch für sechs Monate.
 
Beschluss vom 17. Februar 2016 – 1 BvL 8/10 (siehe auch die Pressemitteilung)
Das BVerfG hat mit diesem Beschluss ausgeführt, dass die Regelungen über die Akkreditierung von Studiengängen des Landes NRW, wonach Studiengänge durch Agenturen „nach den geltenden Regelungen“ akkreditiert werden müssen, mit dem Grundgesetz (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG) unvereinbar seien, denn die wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung von Studiengängen müsse der Gesetzgeber selbst treffen. Dazu folgender Leitsatz:

Das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG steht zwar Vorgaben zur Qualitätssicherung von Studienangeboten grundsätzlich nicht entgegen. Wesentliche Entscheidungen zur Akkreditierung darf der Gesetzgeber jedoch nicht weitgehend anderen Akteuren überlassen, sondern muss sie unter Beachtung der Eigenrationalität der Wissenschaft selbst treffen

 

31.03.2016/0 Kommentare/von Dr. Marius Schäfer
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Marius Schäfer https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Marius Schäfer2016-03-31 11:30:312016-03-31 11:30:31BVerfG: Rechtsprechungsüberblick im Verfassungsrecht (1. Quartal/2016)
Christian Muders

Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen

Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Strafrecht

Im Folgenden eine Übersicht über im Januar veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 – 3 StR 537/14
Der 3. Senat gibt seine bisherige Rechtsprechung auf, wonach alle mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte an einer kriminellen Vereinigung im Sinne des § 129 Abs. 1 StGB zu einer tatbestandlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden. Vielmehr unterbleibt diese Verknüpfung jedenfalls mit solchen Handlungen, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder sonst deren Interessen dienen. Diese stehen zwar gemäß § 52 Abs. 1 Alt. 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten, mitgliedschaftlichen Beteiligung gemäß § 129 Abs. 1 Var. 2 StGB, stehen jedoch, soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt, sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
II. BGH, Beschluss vom 5. November 2015 – 2 StR 96/15
Die Einräumung der allgemeinen Nutzungsmöglichkeit eines Pkw an den Partner, mit welchem dieser u.a. Fahrten zu einer Cannabisplantage unternimmt, ist – als neutrale Handlung – regelmäßig nur dann Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 27 StGB, § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG), wenn der Helfende – entsprechend der Grundsätze zu berufstypisch neutralen Handlungen – hiervon sicher weiß. Hält er es demgegenüber nur für möglich, dass sein Tun zur Begehung einer Straftat genutzt wird, so reicht dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht aus, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein“ ließ (vgl. BGHSt 46, 107, 112).
III. BGH, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 3 StR 438/15
Der Versuch der Beteiligung an einem Verbrechen im Sinne von § 30 Abs. 2 StGB (hier: Verabredung der Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion gemäß § 308 Abs. 1 StGB) steht mit einer unter Strafe gestellten Vorbereitung dieses Verbrechens (hier: Vorbereitung eines Explosions- oder Strahlungsverbrechens gemäß § 310 Abs. 1 Nr. 2 StGB) jedenfalls dann in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB), wenn die sich aus § 30 Abs. 1 und 2 StGB ergebende Strafandrohung diejenige für die Vorbereitungshandlung übersteigt (Leitsatz des Gerichts; zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).

01.02.2016/0 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2016-02-01 13:00:052016-02-01 13:00:05Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
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Human Rights and Labour – Modern Slavery – Effektive Durchsetzung von Menschenrechten in globalen Lieferketten

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