BGH: Keine Abkürzung der Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel
Der BGH hat sich in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urteil vom 29.05.2013 – VIII ZR 174/12) mit der Wirksamkeit einer AGB-Klausel zur Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel befasst. Das Kaufrecht und insbesondere die Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind Kernthemen in allen Staatsexamina.
Sachverhalt (verkürzt)
Die Eheleute E wollen einen Geländewagen beim örtlichen Autohandel kaufen. Im Geschäft des Autohändlers A entscheiden sie sich für einen Gebrauchtwagen. E unterschreiben einen Vertrag, der folgende Klausel enthält:
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger war Folgendes vorgesehen:
„VI. Sachmangel
Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
…
VII. Haftung
Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe dieser Bedingungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt: Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten und ist auf den bei Vertragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. Diese Beschränkung gilt nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. …“
Vor Übergabe des Fahrzeugs am 12.10.2006 wird dieses noch mit einer speziellen Anlage für den Betrieb mit Flüssiggas ausgerüstet. In der Folgezeit kommt es mehrfach zu Fehlern an dem Gastank. Der Wagen wird daraufhin mehrfach – erfolglos – von A repariert. Letztlich fordern E den A am 16.10.2008 schriftlich und unter Fristsetzung dazu auf, eine Erklärung zur Reparaturbereitschaft abzugeben. Andernfalls müsse man das Fahrzeug in einem anderen Autohaus reparieren lassen.
Die Eheleute verlangen Zahlung der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 1.313,70 €, Schadensersatz in Höhe von 800 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die A beruft sich auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche.
Ansprüche E gegen A?
Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) und b) BGB
Bei den im Sachverhalt genannten Klauseln handelt es sich unproblematisch um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 I 1 BGB, da sie einseitig vom Verwender A in das Vertragsverhältnis eingeführt wurden und nicht von E und A gemeinsam ausgehandelt wurden. Soweit zur Charakterisierung als AGB oder zur Frage der wirksamen Einbeziehung nach § 305 II BGB im Sachverhalt keine genaueren Angaben zu finden sind, sollte dies in der Klausur lediglich kurz festgestellt werden. Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträgen) ist zudem auf § 310 III BGB zu achten.
Im vorliegenden Fall erkennt der BGH einen Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) und b) BGB darin, dass in Ziff. VII der AGB zwar der Haftungsausschluss für Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht gilt. In Ziff. VI erstreckt sich jedoch die kürzere Verjährung der Gewährleistungsrechte von 1 Jahr (§ 438 BGB: 2 Jahre) auf sämtliche Schäden. Der BGH
[…] hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam ist, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Ziffer VI. 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist daher unwirksam, weil es an einer Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 BGB bezeichneten Schadensersatzansprüche fehlt. Ziffer VII.1. Satz 3 nimmt die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit zwar von der gegenständlichen Haftungsbeschränkung in Ziffer VII., aber nicht von der zeitlichen Haftungsbegrenzung in Ziffer VI. aus.
(Amtliche Pressemitteilung)
Anwendbarkeit der gesetzlichen Gewährleistungsfristen
Nach Auffassung des BGH war die Vertragsklausel damit unwirksam. Aufgrund des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion und der offensichtlichen Unteilbarkeit der Bestimmung, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 I BGB. Es gelten stattdessen die gesetzlichen Vorschriften, § 306 II BGB. Das Gericht hat sich, wie aus der Pressemitteilung ohne nähere Angaben hervorgeht, in diesem Zusammenhang mit der Frage befasst, ob die gesetzlichen Gewährleistungsfristen des Kaufrechts gemäß § 438 BGB Anwendung finden und dies bejaht.
Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der von A und E geschlossenen Vereinbarung um einen Kaufvertrag nach § 433 BGB handelt. Dafür müssten beim Sachkauf die gegenseitigen Hauptpflichten der Vertragspartner schwerpunktmäßig in der Verschaffung des Eigentums und Übergabe der Kaufsache gegen Zahlung des Kaufpreises liegen. Dies hat der BGH, anders als die Vorinstanz, bejaht, denn
[…] im Mittelpunkt steht die Übertragung von Eigentum und Besitz an dem – umgerüsteten – Fahrzeug auf die Kläger; der Verpflichtung zum Einbau der Flüssiggasanlage kommt im Vergleich dazu kein solches Gewicht zu, dass sie den Vertrag prägen würde.
Dies lässt sich mit einfachen Argumenten gut begründen: Im Mittelpunkt steht in erster Linie der Erwerb des Fahrzeugs. Die Ausrüstung des Wagens mit einer Flüssiggasanlage spielt hingegen eine untergeordnete Rolle und kann insoweit als „Sonderausstattung“ angesehen werden.
Verjährungshemmung nach § 203 BGB und -neubeginn nach § 438 II BGB
Nach dem Sachverhalt bestehen zudem starke Anhaltspunkte dafür, dass die Mängelrechte der E bereits verjährt sind (zu den Grundlagen instruktiv unser Beitrag). Der BGH hat unter diesem Aspekt den Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Hier stellt sich dann auch in der Klausur die Frage, ob bereits eine Verjährungshemmung nach § 203 BGB eingetreten ist. Dann müsste hinsichtlich der (erfolglosen) Reparaturversuche durch A ein „Verhandeln“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift anzunehmen sein.
Dies lässt sich wohl im konkreten Fall bejahen: Der Begriff des „Verhandelns“ wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Voraussetzung ist, dass sich der Unternehmer mit dem geltend gemachten Mangel auseinandersetzt und die Mängelrüge überprüft. Dies ist bei Nachbesserungsarbeiten regelmäßig gegeben (vgl. Palandt/Ellenberger, 70. Aufl. § 203 Rz. 2).
Zugleich lässt sich diskutieren, ob durch die mangelhaften Nachbesserungsversuche die Verjährung gemäß § 438 II BGB jeweils neu begonnen hat. Dies ist bei der Nachbesserung stark umstritten, da sich so in bestimmten Fällen die Verjährungsfrist für den Verkäufer unzumutbar in die Länge ziehen kann. Handelt es sich bei jedem Nachbesserungsversuch um den gleichen Mangel oder um eine Folge der mangelhaften Nachbesserung, ist ein Verjährungsneubeginn zu bejahen (vgl. Palandt/Weidenkaff, 70. Aufl. § 438 Rz. 16a). In der Klausur wären hierzu genaue Angaben im Sachverhalt anzutreffen.
Fazit
Ein schöner Fall, nicht nur für das erste Examen, an dem sich die Grundsätze der Wirksamkeit von AGB und der Verjährung im Kaufrecht abprüfen lassen.
In der Klausur wäre insbesondere herauszuarbeiten, an welcher gesetzlichen Vorschrift die Wirksamkeit der benannten Klauseln scheitert. Hier ist zwischen der gegenständlichen (zulässigen) und zeitlichen (unzulässigen) Beschränkung zu differenzieren. Danach ist zu bestimmen, welche gesetzliche Verjährungsfrist gilt. Im Kaufrecht beträgt diese nach § 438 I Nr. 2 BGB 2 Jahre. Vertretbar wäre es wohl auch, in der Vereinbarung einen (gemischten) Werkvertrag zu erkennen – es wird die technische Umrüstung des PKW geschuldet – wobei die gesetzliche Verjährungsfrist hier auch 2 Jahre betragen dürfte, § 634a I Nr. 1 BGB („Veränderung einer Sache“).
Der Fall ist auch aus klausurtaktischen Gründen interessant: Wer vorschnell die Wirksamkeit der Klausel bejaht, schneidet sich die gesamte Problematik zur Verjährung ab. Um zur Problematik des Verjährungsneubeginns bei mangelhafter Nacherfüllung zu kommen, ist die Annahme eines Kaufvertrags ratsam. Eine hilfsgutachterliche Prüfung ist in aller Regel vom Klausurersteller nicht gewollt.
Kann mir bitte jemand erklären, warum die Jahresfrist gegen AGB-Klauseln verstoßen. Nach Paragraph 475 II darf man doch im Rahmen von Verbraucherverträgen die Verjährungsfrist auf einen Zeitraum von mindestens einem Jahr beschränken, oder nicht? Hab ich gerade einen Denkfehler?
Die Klausel ist ja unwirksam, da die in § 309 Nr. 7 a) aufgeführten Ansprüche nicht von der verkürzten Jahresfrist ausgenommen wurden. Das fiese am Fall ist ja, dass die Klausel VII, also die sachliche Begrenzung, wirksam, die zeitliche, also Klausel VI, nicht wirksam ist. Denn die 2-Jahresfrist auf 1 Jahr herabzusetzen ist ja auch eine „Begrenzung der Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit“ iSd § 309 Nr. 7 a).
Wenn die Klausel unwirksam ist, muss, was die Verjährung betrifft, über § 306 Abs. 2 auf § 438 Abs. 1 Nr. 2 zurückgegriffen werden.
Ok, ich glaub, ich habe es verstanden. Wenn ich richtig verstanden habe, wären die Klauseln insgesamt wirksam, sofern die Klausel VI den Zusatz enthalten würde: „Diese Beschränkung gilt nicht für die Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit…“?
Ja, Schadensersatzansprüche aus der Verletzung von den in 309 Nr. 7 a genannten Rechtsgütern sowie SE-Ansprüche aufgrund grober Fahrlässigkeit sowie einfacher Fahrlässigkeit, soweit es um wesentliche Vetragspflichten geht, müssten ausgenommen werden, dh für sie muss eine Verjährungsfrist von 2 Jahren gelten. Die aller anderen Ansprüche darf dagegen auf 1 Jahr verkürzt werden.
mE ist ein Verkürzung der Verjährungsfrist für die „sonstigen“ Schäden sinnlos, da sie ja wegen der Ausschlussklausel ja ohnehin ausgeschlossen sind. Besteht ein Anspruch gar nicht, muss man auch deren Verjährung nicht regeln. Die Verjährungs-Klausel müsste daher nicht bestimmte Ansprüche ausnehmen, sondern ist von vorne herein auf den Nacherfüllungsanspruch zu beschränken. Dann gilt ohnehin nicht 309 Nr. 7 (und auch nicht Nr. 8 b ff, da keine neue Sache), sondern nur 475 II.