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Philip Musiol

BVerfG zur Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen der Polizei

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Uncategorized, Verfassungsrecht

Mit Beschluss vom 29.07.2022 (2 BvR 54/22) entschied das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde eines mutmaßlichen Graffiti-Sprayers, der sich gegen die zwangsweise Durchführung von erkennungsdienstlichen Maßnahmen (Anfertigung von Fingerabdrücken und Lichtbildaufnahmen) durch die Polizei richtete. Der Fall eignet sich als Grundlage für eine Klausur im Öffentlichen Recht ebenso wie als StPO-Zusatzfrage, da „Aufhänger“ der Grundrechtsprüfung eine strafprozessrechtliche Norm ist.

I.             Sachverhalt

Ausgangspunkt ist ein strafrechtlich relevanter Sachverhalt: Im Juni 2021 brachte der zunächst unbekannte Graffiti-Sprayer G an einem Gebäude zwei großflächige, mit silberner Sprühfarbe ausgeführte Übermalungen der dort bereits in weißer und schwarzer Farbe angebrachten Schriftzüge „Toni F. Du Jude“ und „Antifa Boxen“ an. Dabei wurde G wurde er von einem Zeugen angesprochen, gefilmt und fotografiert. Dieser Zeuge gab bei seiner späterem Vernehmung an, er sei in der Lage, den Täter wiederzuerkennen. Die Eigentümerin des betroffenen Gebäudes stellte Strafantrag. Aufgrund eines anonymen Hinweises erkannten zwei Polizeibeamte den G auf den vom Zeugen gefertigten Lichtbildern wieder. Gegen G wurde ein Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung eingeleitet.

So viel zur Vorgeschichte des Ermittlungsverfahrens, das selbst Gegenstand der Verfassungsbeschwerde wurde. Im Rahmen des besagten Ermittlungsverfahrens ordnete die zuständige Polizeibehörde die erkennungsdienstliche Behandlung des G an. Diese stützte die Polizei auf § 81b Alt. 1 und Alt. 2 StPO. Die polizeiliche Anordnung erstreckte sich auf ein sog. Fünfseitenbild, ein Ganzkörperbild, eine Personenbeschreibung, ein Spezialbild sowie auf einen Zehnfinger- und Handflächenabdruck, wobei die Begründung der Anordnung nicht zwischen den genannten Maßnahmen unterschied. G sei einer Tat nach § 303 Abs. 2 StGB verdächtig. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei notwendig, da die angeordneten Maßnahmen für die Sachverhaltsaufklärung erforderlich seien. Insbesondere sei die Anfertigung von Lichtbildern erforderlich, damit der Zeuge den G darauf identifizieren oder entlasten könne. Denn die vom Zeugen angefertigten Bildaufnahmen seien von schlechter Qualität, ebenso könnte G die Tat vor Gericht abstreiten oder sich auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen. Darüber hinaus sei gegen G seit März 2013 in sieben Fällen – unter anderem auch wegen Sachbeschädigung durch Sprühen von Graffiti – ermittelt worden. Daher bestehe die begründete Wahrscheinlichkeit, dass G erneut strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Die Anordnung sei erforderlich, um diese zu erwartenden Straftaten aufklären zu können, da es bislang keine entsprechenden Daten über G in den polizeilichen Datenbanken gebe.

G ging erfolglos gegen die Anordnung vor dem Amtsgericht und vor dem Landgericht vor. Er berief sich darauf, dass eine Anfertigung von Finger- und Handflächenabdrücken ungeeignet zur Sachverhaltsaufklärung sei, da am Tatort kein Vergleichsmaterial gefunden wurde. Außerdem bestreite er nicht, die Person auf den Aufnahmen des Zeugen zu sein und mit diesem gesprochen zu haben. Bemerkenswert ist, dass das Landgericht, das der Beschwerde des G nicht abhalf, die Rechtmäßigkeit der Anordnung nicht selbst überprüfte, sondern zur Begründung seiner Entscheidung vollumfänglich Bezug auf die polizeiliche Anordnung nahm, dieser sei „nichts hinzuzufügen“. Hiergegen richtete sich die Verfassungsbeschwerde des G.

II.            Entscheidung

Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde statt. Der G werde durch die Anordnung in seinem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 1 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Zunächst befasste sich das Gericht mit der Eröffnung des Schutzbereichs der informationellen Selbstbestimmung. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleistet die aus dem Gedanken der Selbstbestimmung folgende Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Es gewährt seinen Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren. Davon werden alle Informationen, die über die Bezugsperson etwas aussagen können, umfasst. Die erkennungsdienstliche Behandlung fällt also in den Schutzbereich der informationellen Selbstbestimmung. Sodann wendet sich das BVerfG der Einschränkbarkeit des Grundrechts zu. § 81b Alt. 1 StPO kommt hiernach als Grundrechtsschranke in Betracht. Ein Grundrechtseingriff könne nach § 81b Alt. 1 StPO gerechtfertigt sein, wenn gegen den Betroffenen ein Strafverfahren geführt wird und gegen ihn ein Anfangsverdacht im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO besteht. Zudem müssen die einzelnen Maßnahmen jeweils für den Zweck der Durchführung des Strafverfahrens konkret notwendig sein. Diesem Maßstab werde die Entscheidung des Landgerichts nicht gerecht, dabei differenziert das BVerfG nach den verschiedenen Maßnahmen, die die Anordnung enthielt.

Zwar sei § 81b StPO anwendbar, da G Beschuldigter in einem Strafverfahren war und gegen ihn ein konkreter Anfangsverdacht nach § 152 Abs. 2 StPO bestand. Nach § 81b Alt. 1 StPO, worauf sich die Anordnung stützte, ist aber weiterhin erforderlich, dass die erkennungsdienstlichen Maßnahmen der Durchführung des Strafverfahrens und damit der Täterfeststellung dienen. Hierzu sind die Anfertigung von Zehnfinger- und Handflächenabdrücken ungeeignet. Die Ermittlung des Täters könne hierüber schon deshalb nicht erfolgen, weil am Tatort keine entsprechenden Abdrücke sichergestellt wurden.

Die Anfertigung der Lichtbildaufnahmen sei zur Ermittlung des Täters zwar nicht schon ungeeignet. Dennoch sei auch die Anordnung der Anfertigung eines Fünfseiten- und Ganzkörperbildes verfassungsrechtlich nicht tragfähig begründet. Insoweit wirft die Erforderlichkeit Fragen auf: Denn der Zeuge habe angegeben, dass er in der Lage sei, den Täter wiederzuerkennen. Eine entsprechende Gegenüberstellung hätte auch in der – zeitnah zu erwartenden – Hauptverhandlung erfolgen können. Beachtlich sei außerdem, dass G von den Polizeibeamten mittels der vom Zeugen gefertigten Lichtbildaufnahmen identifiziert wurde. Vor diesem Hintergrund sei nicht ersichtlich, wieso diese Aufnahmen für einen späteren Abgleich ungeeignet seien und weshalb es damit der erkennungsdienstlichen Aufnahmen bedurft hätte.

Darauf, ob § 81b Alt. 2 StPO den Eingriff rechtfertigen könnte, ging das Gericht nicht ein. Hierauf könne für die Rechtmäßigkeit der Anordnung nach § 81b Alt. 1 StPO kein Bezug genommen werden, da der Gesetzgeber präzise Verwendungszwecke vorgegeben habe. Das BVerfG stellte eine Verletzung der informationellen Selbstbestimmung des G durch die Anordnung der Maßnahmen fest, nicht nur durch die Erwähnung von § 81b Alt. 1 StPO in der Anordnung.  

III.          Einordnung

Es handelt sich um eine Entscheidung, die – eingekleidet in eine Urteilsverfassungsbeschwerde oder eine StPO-Zusatzfrage – von hoher Prüfungsrelevanz ist. Der Beschluss des BVerfG gibt Anlass, Grundkenntnisse im Verfassungs- und Strafprozessrecht zu wiederholen: Zum einen betrifft das die Fragen, wann ein konkreter Anfangsverdacht vorliegt und wer „Beschuldigter“ ist. Zum anderen bietet es sich an, das Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung zu wiederholen. Das Grundrecht ist nicht normiert und muss daher in einer Klausur aus den Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG hergeleitet werden. Bei der gutachterlichen Prüfung ist darauf zu achten, dass Beschwerdegegenstand die letztinstanzliche Entscheidung des LG ist und der Prüfungsmaßstab des BVerfG auf die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts begrenzt ist.

Im Rahmen der Anwendung des § 81b StPO als Grundrechtsschranke ist trennscharf zwischen den beiden Alternativen der Norm zu trennen. Hieran ist jede einzelne Maßnahme, die Gegenstand der Anordnung ist, zu messen. Dies entspricht dem gesetzgeberischen Willen, der zwei verschiedene, präzise Verwendungszwecke für die erkennungsdienstliche Behandlung vorgegeben hat. Die beiden Alternativen des § 81b StPO verfolgen dabei völlig unterschiedliche Zielrichtungen: Einerseits geht es um die Aufklärung eines laufenden Verfahrens, andererseits geht es präventivpolizeiliche Maßnahmen, die sich auf zukünftige Verfahren beziehen. Gerade in einem grundrechtssensiblen Bereich, wie der erkennungsdienstlichen Behandlung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens, sollte die Ermittlungsbehörde strenge Anforderungen an ihr eigenes Handeln stellen. Dies erfordert die genaue Prüfung des Zwecks und der Eignung jeder einzelnen Maßnahme. Es würde der Systematik des § 81b StPO und dem Schutz des Betroffenen widersprechen, wenn ein und dieselbe Maßnahme auf zwei grundverschiedene Alternativen derselben Norm gestützt würde, und so eine nach 81b Alt. 2 StPO rechtmäßige Datenerhebung zur Kompensation für eine defizitär begründete Anordnung gemäß § 81b Alt. 1 StPO herangezogen werden könnte.

22.08.2022/1 Kommentar/von Philip Musiol
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Philip Musiol https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Philip Musiol2022-08-22 09:39:432022-10-24 14:46:02BVerfG zur Zulässigkeit erkennungsdienstlicher Maßnahmen der Polizei
Dr. Lena Bleckmann

Tindern nur in Grenzen erlaubt – Soldatin darf sich nicht zu freizügig verhalten

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Soldaten und Soldatinnen dürfen bei Tinder nicht zu offensiv nach Sexualkontakten suchen. In diesem Sinne hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 25.5.2022 über die Rechtsbeschwerde einer Bataillonskommandeurin der Bundeswehr entschieden. Bislang liegt allein die Pressemitteilung des Gerichts vor (PM. Nr. 34/2022 v. 25.5.2022). In der öffentlichen Debatte ist die Entscheidung aber bereits präsent – daher hier die wichtigsten Eckpunkte und Fragestellungen.

I. Worum geht es?

Die Bataillonskommandeurin (ein Bataillon ist nach der Definition des Dudens eine Truppenabteilung bzw. ein Verband mehrerer Kompanien oder Batterien, der Kommandeur bzw. die Kommandeurin führt diesen Verband) Anastasia B. ist innerhalb der Bundeswehr und darüber hinaus bekannt. Sie ist offen trans*. In ihrem privaten Tinder-Profil verwendete sie den Text „Spontan, lustvoll, trans*, offene Beziehung auf der Suche nach Sex. All genders welcome.“ Das Profil enthielt dabei ihren Vornamen und ein Bild, auf dem sie selbst deutlich zu erkennen war.  Hieran anknüpfend erhielt sie einen disziplinarrechtlichen Verweis. Der Verweis ist der förmliche Tadel eines bestimmten pflichtwidrigen Verhaltens eines Soldaten, siehe § 23 Abs. 1 Wehrdisziplinarordnung. Die Tinder-Nutzung in ihrer konkreten Ausgestaltung wurde mithin als Verletzung der Dienstpflichten gewertet. Diese Bewertung wurde durch das Truppendienstgericht und nunmehr auch – wenn auch mit leicht abweichender Begründung – durch das Bundesverwaltungsgericht gebilligt.

II. Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts

Während das Truppendienstgericht noch  mit dem guten Ruf der Bundeswehr argumentierte, der durch ein entsprechendes Auftreten der Bataillonskommandeurin beeinträchtigt werden soll, geht das BVerwG davon aus, dass aus den privaten Aktivitäten der Soldatin auf dem Datingportal in der Öffentlichkeit keine Rückschlüsse auf die Bundeswehr als Ganzes gezogen werden können.

Auch betont das BVerwG das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung als Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Hierzu gehöre auch, dass der Einzelne über seine geschlechtlichen Beziehungen frei bestimmen und sich für ein promiskuitives Sexualverhalten entscheiden könne. Ein solches Verhalten muss auch nicht allein in der engsten persönlichen Lebenssphäre stattfinden: Das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung besteht nach den Ausführungen des BVerwG über die Intimsphäre hinaus auch in der Privat- und ebenso in der Sozialsphäre des Einzelnen. Der Schutz erstrecke sich auch darauf, im Internet Kontakte mit Gleichgesinnten zu suchen. Dieser grundrechtliche Schutz war vom Truppendienstgericht nicht ausdrücklich berücksichtigt worden.

Das BVerwG gelangt am Ende aber trotzdem nicht zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Zur Begründung der Berechtigung des Verweises als disziplinarische Maßnahme verweist das Gericht auf die auch außerhalb des Dienstes bestehende Wohlverhaltenspflicht eines Soldaten. Nach § 17 Abs. 2 S. 1 Soldatengesetz muss das Verhalten des Soldaten „dem Ansehen der Bundeswehr sowie der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Dienst als Soldat erfordert“. Das Auftreten der Bataillonskommandantin im Internet wird der Achtung und dem Vertrauen, die der Dienst erfordert, nach Ansicht des BVerwG nun wohl nicht gerecht. Aufgrund der „besonders hervorgehebenen dienstlichen Stellung einer Bataillonskommandeurin mit Personalverantwortung für ca. 1.000 Personen“ scheint das Gericht erhöhte Anforderungen an das Auftreten in der Öffentlichkeit auch im privaten Kontext zu stellen. Die außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht verlange, dass die Betroffene bei der Wahl der verwendeten Worte und Bilder im Internet Rücksicht auf ihre berufliche Stellung nehme. Sie müsse daher Formulierungen vermeiden, die den falschen Eindruck eines wahllosen Sexuallebens und eines erheblichen Mangels an charakterlicher Integrität erwecken. Die von der Soldatin verwendete Profilbeschreibung erwecken nun aber nach Ansicht des Gerichts gerade Zweifel an der erforderlichen charakterlichen Integrität. Der Onlineauftritt stellt nach dieser Bewertung mithin einen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht und damit einen tauglichen Gegenstand einer Disziplinarmaßnahme, namentlich des Verweises als mildester Maßnahme dar.

 III. Ausblick

Die Pressemitteilung ist ausgesprochen kurz gehalten. Die wesentlichen Erwägungen des BVerwG lassen sich ihr zwar entnehmen, dennoch ist die ausführliche Entscheidungsbegründung mit Spannung zu erwarten. Der Verweis auf die dienstliche und außerdienstliche Wohlverhaltenspflicht von Soldaten findet sich in der jüngeren Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte insbesondere im Hinblick auf politische Äußerungen, die Zweifel an der Verfassungstreue aufkommen lassen (siehe etwa BVerwG, Urt. v. 13.1.2022 – 2 WD 4/21, NVwZ-RR 2022, 385; Beschl. v. 10.10.2019 – 2 WDB 2/19, NVwZ-RR 2020, 694; OVG Münster, Beschl. v. 27.1.2022 – 1 B 1756/21, BeckRS 2022, 1160; VG Stuttgart, Beschl. v. 9.3.2022 – 14 K 5778/21, BeckRS 2022, 5547) oder auf von Soldaten verübte Straftaten (BVerwG, Urt. v. 10.2.2022 – 2 WD 1.21, BeckRS 2022, 11476; Urt. v. 14.10.2021 – 2 WD 26.20, BeckRS 2021, 41961).

Ob die sexuelle Promiskuität sich hier ohne weiteres einreiht, etwa mit antisemitischen oder beleidigenden Äußerungen, Körperverletzungen oder anderen Straftaten gleichgesetzt werden kann, darf durchaus bezweifelt werden. Zwar erfordert ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nicht, dass der Tatbestand eines Strafgesetzes verwirklicht wird (BVerwG, Urt. v. 13.1.2022 – 2 WD 4/21, NVwZ-RR 2022, 385 (Rn. 40)). Ein Soldat müsse sich insbesondere dann in seinem privaten Verhalten mäßigen, wenn dabei ein besonderer Bezug zur Dienstausübung, d.h. zu seinem militärischen Auftrag, zu seinen Kameraden oder zur Bundeswehr besteht (siehe ebenda). Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ durch das BVerwG legt weiterhin nahe, dass ein besonderer Bezug zur Dienstausübung – der im hiesigen Fall gerade fehlt – keine zwingende Voraussetzung für die Annahme eines Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht ist. In der Gesamtabwägung scheint es dennoch geboten, zu berücksichtigen, ob und inwiefern ein Bezug des privaten Verhaltens zum Dienst des Soldaten steht. Je weniger verwerflich das private Verhalten, desto höhere Anforderungen wird man an den Dienstbezug stellen müssen.

Ob das Verhalten der Bataillonskommandantin im vom BVerwG zu entscheidenden Fall nun überhaupt als verwerflich einzustufen ist und (bejahendenfalls) in welchem Maße dem so ist, ist eine Frage, deren Beantwortung sich ganz maßgeblich an den moralischen Wertvorstellungen des Betrachters orientiert. Anders als etwa im Hinblick auf rechtsradikale Äußerungen dürfte die Bewertung auch in der politischen Mitte hier je nach Kreis der Befragten ausgesprochen unterschiedlich ausfallen. Konservativere Beobachter mögen argumentieren, das mit der festen Partnerschaft zweier Personen einhergehende Wertekonzept sei ebenso in der Verfassung verankert, wie die freiheitlich demokratische Grundordnung. Offen ausgelebtes, sexuell promiskuitives Verhalten könnte dann als mit den geltenden gesellschaftlichen Wertvorstellungen unvereinbar eingeordnet werden. Dann ist wohlgemerkt eine Abwägung dieser Verfassungswerte mit dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vorzunehmen. Angehörige des progressiveren Lagers und insbesondere jüngere Personen, die mit der Nutzung von Dating-Apps womöglich eher vertraut und an einen promiskuitiven Lebensstil einiger Nutzer gewissermaßen gewöhnt sind – mag es auch nicht ihrem eigenen Lebensentwurf entsprechen –, werden hier wohl toleranter, jedenfalls gleichgültiger sein. Der Schluss vom Sexualleben auf die fehlende charakterliche Integrität wird gerade in diesen Kreisen eher verwundern und vielfach Anstoß finden. In den Ausführungen des BVerwG in der aktuellen Pressemitteilung wirkt dieser Schluss tatsächlich etwas eilig. Gerade in diesem Punkt sind jedoch die ausführlichen Entscheidungsgründe abzuwarten – sie werden zeigen, inwiefern die Erwägungen des Gerichts in verschiedenen Gesellschaftsgruppen anschlussfähig sind.

Entscheidungen wie die vorliegende, die von moralisch-sittlichen Wertvorstellungen geprägt sind, sind immer nur eine Momentaufnahme dahingehend, welche Vorstellungen zur Zeit der Entscheidung vorherrschend sind. Diese Problematik ist aus dem Zivilrecht im Hinblick auf die Beurteilung der Sittenwidrigkeit bekannt. Sittliche Vorstellungen unterliegen einem steten Wandel – ein Wandel in verschiedene Richtungen und in unterschiedlicher Geschwindigkeit je nach gesellschaftlicher Schicht. Es ist gut denkbar, dass die Einschätzung zutrifft, ein allzu öffentlich ausgelebter, sexuell promiskuitiver Lebensstil sei mit dem in weiten Teilen der Gesellschaft vorherrschenden Wertefundament nicht vereinbar, und dass die Anhänger dieser Wertvorstellung auch von einem solchen Lebensstil auf die Integrität und die Eignung des Betroffenen für bestimmte Tätigkeiten schließen. Es ist jedoch ebenso denkbar, dass die Bewertung in fünf oder auch zehn Jahren ganz anders ausfallen würde – dann müsste auch die Entscheidung in einem Fall wie dem hier besprochenen eine andere sein.

02.06.2022/0 Kommentare/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2022-06-02 08:39:002022-08-03 08:31:47Tindern nur in Grenzen erlaubt – Soldatin darf sich nicht zu freizügig verhalten
Dr. Lena Bleckmann

Neues zur Schmähkritik – Das BVerfG entscheidet zu Hasskommentaren bei Facebook

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Dass die in sozialen  Medien mögliche Anonymität einige Nutzer zuweilen verleitet, unter ihrem Deckmantel Hass und Hetze zu verbreiten, dürfte inzwischen hinlänglich bekannt sein. Insbesondere Politiker sehen sich solchen Hasskommentaren besonders häufig ausgesetzt. Einzelne wissen sich jedoch zu wehren: Renate Künast, MdB und Mitglied der Partei Bündnis 90/Die Grünen, verlangte, nachdem ihr gegenüber auf Facebook Dinge geäußert wurden, die man ihr wohl kaum ins Gesicht gesagt hätte, von dem Unternehmen die Auskunft über die Bestandsdaten der jeweiligen Nutzer – zum Zwecke der Rechtsverfolgung wollte sie die Identität der Nutzer herausfinden.
Das Verfahren hat bereits erhebliche mediale Aufmerksamkeit erlangt. Zu mehreren Entscheidungen der Berliner Gerichte tritt nun ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.12.2021, Az. 1 BvR 1073/20. Die wichtigsten Eckpunkte der Entscheidung des BVerfG sollen im Folgenden überblicksweise dargestellt werden.


I. Was bisher geschah
Im Instanzenzug war Künast nur teilweise erfolgreich – so gestattete das LG Berlin (Beschl. v. 21.1.2020 – 27 AR 17/19) die Auskunft über die Bestandsdaten der Nutzer in sechs Fällen, das KG Berlin (Beschl. v. 11.3.2020 – 10 W 13/20) später für weitere sechs Kommentare. Im Übrigen sahen die Gerichte die Schwelle zur strafbaren Beleidigung nicht überschritten. Voraussetzung für einen Auskunftsanspruch über die Daten nach § 14 Abs. 3 Telemediengesetz a.F., der hier noch einschlägig war, ist jedoch eine Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte, die von § 10a Abs. 1 des Telemediengesetzes oder § 1 Abs. 3 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) in der damaligen Fassung erfasst werden, begehrt wird. Rechtswidrig i.d.S. sind insbesondere Äußerungen, die tatbestandlich eine Straftat gegen die persönliche Ehre nach §§ 185 ff. StGB darstellen.
Hinweis: Zur Wiederholung der Prüfung der §§ 185 ff. StGB siehe hier unseren Beitrag zu dem Thema.
Hinsichtlich von Äußerungen wie „Pädophilen-Trulla“, „Die ist Geisteskrank“, „Ich könnte bei solchen Aussagen diese Personen die Fresse polieren“ oder „Gehirn Amputiert“ führte das KG Berlin jedoch aus:
„Der Senat verkennt dabei keineswegs, dass es sich insoweit gleichfalls um erheblich ehrenrührige Bezeichnungen und Herabsetzungen der Ast. handelt. Unter Berücksichtigung der verfassungsgerichtlichen Vorgaben ist allerdings festzustellen, dass die Schwelle zum Straftatbestand der Beleidigung gem. § 185 StGB nicht überschritten wird. Denn es liegt kein Fall der abwägungsfreien Diffamierung (Angriff auf die Menschenwürde, Formalbeleidigung bzw. Schmähkritik) vor und die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Ast. erreicht auch nicht ein solches Gewicht, dass die Äußerungen unter Einbeziehung des konkret zu berücksichtigenden Kontexts – anders als die zu Ziff. I. zu beurteilenden Äußerungen lediglich als persönliche Herabsetzung und Schmähung der Ast. erscheinen (…)“  (KG Berlin, Beschl. v. 11.3.2020 – 10 W 13/20)
Insbesondere aufgrund eines Bezugs zu dem Ausgangspost bejahte das KG für einzelne Äußerungen einen Sachbezug und stützte darauf die Ansicht, die Grenze der Beleidigung sei, da der Kommentar damit nicht ausschließlich der Diffamierung diene, nicht überschritten. In dem Ausgangspost wurde eine Äußerung Künasts aus einer Bundestagsdebatte derart verkürzt wiedergegeben, dass für den Leser der Eindruck entstehen konnte, Künast billige pädophile Praktiken.


 II. Die Entscheidung des BVerfG im Überblick
Künast zog schließlich vor das Bundesverfassungsgericht – und dort bekam sie nun Recht. Das BVerfG sieht die Beschwerdeführerin in ihrem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG verletzt. Wie immer befasst sich das BVerfG nur mit der Verletzung spezifischen Verfassungsrechts. Dieses müssen die Fachgerichte bei der Entscheidung hinreichend berücksichtigen. Zentrale Frage ist daher: Haben die Fachgerichte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht so interpretationsleitend berücksichtigt, dass sein „wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt“  (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, Rn. 27).
In Fällen wie dem hier in Rede stehenden bewegt man sich im Spannungsbereich zwischen der Meinungsäußerungsfreiheit und dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Aufhänger für die Grundrechtsprüfung musste vorliegend insbesondere § 185 StGB sein. Ist dessen Tatbestand erfüllt, liegt eine rechtswidrige Äußerung i.S.d. § 1 Abs. 3 NetzDG in der damaligen Fassung vor, ebenso wie eine Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB sowie die Verletzung des APR als absolut geschütztes Recht, was einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB analog eröffnet.
Für die Prüfung, ob denn eine strafbare Beleidigung nach § 185 StGB vorliegt, haben die Gerichte nun schrittweise vorzugehen. Zunächst muss der Inhalt der Äußerungen erfasst und bei Interpretationsspielraum gedeutet werden. Zur Erinnerung: Schon auf dieser ersten Stufe ist die Meinungsfreiheit des sich Äußernden zu berücksichtigen, bei mehreren möglichen Auslegungsmethoden ist meinungsfreundliche Auslegungsvariante zugrunde zu legen (vgl. auch Kahl/Ohlendorf, JuS 2008, 682, 684)
Ist der Sinngehalt der Äußerung ermittelt, erfordert die Feststellung einer Beleidigung i.S.d. § 185 StGB weiterhin grundsätzlich eine Abwägung von Meinungsfreiheit und Allgemeinem Persönlichkeitsrecht. Der strafrechtliche Schutz der persönlichen Ehre darf nicht zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 Var. 1 GG führen, zugleich muss ein hinreichender Schutz des Persönlichkeitsrechts gleichwohl gewährleistet sein. Mit den Worten des BVerfG:
„Die Belange der Meinungsfreiheit finden demgegenüber vor allem in § 193 StGB Ausdruck, der bei der Wahrnehmung berechtigter Interessen eine Verurteilung wegen ehrverletzender Äußerungen ausschließt und – vermittelt über  § 823 Absatz 2 BGB – auch im Zivilrecht zur Anwendung kommt. Diese Vorschriften tragen dem Umstand Rechnung, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht vorbehaltlos gewährleistet ist. Nach  Artikel 2 Absatz 1 GG wird es durch die verfassungsmäßige Ordnung einschließlich der Rechte anderer beschränkt. Zu diesen Rechten gehört auch die Freiheit der Meinungsäußerung aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 GG. Auch diese ist nicht vorbehaltlos garantiert. Sie findet nach Artikel 5 Absatz 2 GG ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen und in dem Recht der persönlichen Ehre (…)“ (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, Rn. 26, Nachweise im Zitat ausgelassen).
Die Abwägung der betroffenen Rechtsgüter kann allerdings im Einzelfall entbehrlich sein – dies insbesondere dann, wenn ein Fall von Schmähkritik vorliegt. Schmähkritik liegt vor, „wenn eine Äußerung keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und es bei ihr im Grunde nur um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht“ (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, Rn. 29).
Einen solchen Fall von Schmähkritik hatte das KG Berlin nun abgelehnt, der Sachbezug insbesondere der Äußerung „Pädophilen-Trulla“ wurde ausdrücklich betont (a.a.O.). Hier kann die Prüfung nun allerdings nicht stehen bleiben. Denn: Dass eine Äußerung keine Schmähkritik darstellt, heißt noch nicht, dass es sich auch nicht um eine strafbare Beleidigung handelt. Das BVerfG moniert in der aktuellen Entscheidung aber nun eine solche Gleichsetzung von Beleidigung und Schmähkritik:
„Es mag die im Ausgangsverfahren vertretene Auffassung der Beschwerdeführerin gewesen sein, dass es sich bei der Äußerung um Schmähkritik handele. Dies dispensiert aber das Fachgericht nicht davon, bei Nichtvorliegen einer besonderen Anforderungen unterworfenen Schmähkritik die einfache Beleidigung, die eine Abwägung der betroffenen Rechtspositionen erfordert, in Betracht zu ziehen und zu prüfen. Vorliegend hat sich das Fachgericht aufgrund einer fehlerhaften Maßstabsbildung, die eine Beleidigung letztlich mit der Schmähkritik gleichsetzt, mit der Abwägung der Gesichtspunkte des Einzelfalls nicht auseinandergesetzt. Hierin liegt eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin. Bereits dieser – praktisch vollständige – Abwägungsausfall muss zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung führen.“ (BVerfG, Beschl. v. 19.12.2021 – 1 BvR 1073/20, Rn. 45 f.)
Das Kammergericht hätte mithin nach der Ablehnung einer Schmähkritik noch eine weitere Abwägung der betroffenen Rechtsgüter – Meinungsfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht – vornehmen müssen. Schon die Tatsache, dass dies nicht erfüllt ist, stellt nach Ansicht des BVerfG eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Beschwerdeführerin dar und führt daher zum Erfolg der Verfassungsbeschwerde. Welche Punkte in die vorzunehmende Abwägung mit einzubeziehen sind, ist im Beschluss des BVerfG unter den Randnummern 30 ff. nachzulesen.


III. Was aus der Entscheidung mitzunehmen ist
Was Klausur- und Examenskandidaten aus der Entscheidung mitnehmen sollten, lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Schmähkritik und strafrechtlich relevante Beleidigung sind keine Synonyme. Die Ablehnung des Vorliegens von Schmähkritik befreit nicht von der Notwendigkeit einer Abwägung der betroffenen Rechtsgüter. Die Entscheidung enthält damit wenig grundlegend Neues. Sie sollte aber allemal als Anlass genommen werden, die Grundsätze der Meinungsfreiheit, des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und ihres Verhältnisses zueinander zu wiederholen. Da strafrechtliche Erwägungen in Klausuren hier oft den Aufhänger bieten, sollten auch die §§ 185 ff. StGB in ihrer Relevanz nicht unterschätzt werden.

03.02.2022/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2022-02-03 14:33:112022-08-03 08:36:07Neues zur Schmähkritik – Das BVerfG entscheidet zu Hasskommentaren bei Facebook
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BVerfG: Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken für die Quellen- Tele­kommunikations­über­wachung

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Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Christoph Klaus Klang, LL.M. (Speyer) veröffentlichen zu können. Der Autor studierte Rechtswissenschaften in Hannover und Speyer und ist zurzeit als Dezernent und Datenschutzbeauftragter des Regionalen Landesamts für Schule und Bildung in Braunschweig tätig.

Mit Beschluss vom 8.6.2021 (1 BvR 2771/18) hat der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde abgewiesen, die sich gegen die Befugnis zur Quellen-TKÜ und der daraus resultierenden Pflichten des Staates richtet. Die Entscheidung befasst sich schwerpunktmäßig mit dem sich hierbei ergebenden staatlichen Zielkonflikt zwischen einerseits dem Schutz informationstechnischer Systeme vor Angriffen Dritter mittels unbekannter Sicherheitslücken und andererseits der bewussten Offenhaltung solcher Lücken zur Ermöglichung einer der Gefahrenabwehr dienenden Quellen-TKÜ.
 
I. Worum geht es?
Nicht nur im Rahmen der Strafverfolgung sondern auch im Wege der Gefahrenabwehr besteht ein staatliches Interesse an der Möglichkeit die Telekommunikation bestimmter Personen zu überwachen und ggf. aufzuzeichnen. Mit der Quellen-TKÜ werden Daten schon im IT-System des Kommunikators abgegriffen, bevor die Verschlüsselung für einen etwaigen Transport erfolgt. Der Zugriff auf das IT-System des Betroffenen kann dabei auf verschiedenen Wegen erfolgen. So ist neben einem physischen Eingriff auch die Nutzung einer IT-Sicherheitslücke denkbar. Im Sinne von § 2 BSIG sind IT-Sicherheitslücken Eigenschaften von Programmen oder sonstigen informationstechnischen Systemen, durch deren Ausnutzung es möglich ist, dass sich Dritte gegen den Willen des Berechtigten Zugang zu fremden informationstechnischen Systemen verschaffen oder die Funktion der informationstechnischen Systeme beeinflussen können. Sind einer Behörde entsprechende IT-Sicherheitslücken bekannt, können diese für eine Quellen-TKÜ genutzt werden. Damit lässt sich ein objektives Interesse des Staates feststellen, dass entsprechende IT-Sicherheitslücken offengehalten werden. Hieraus resultiert dann die Gefahr, dass der Staat ihm bekanntwerdende IT-Sicherheitslücken bewusst nicht an den Hersteller meldet. Solche, dem Hersteller nicht bekannten IT-Sicherheitslücken, werden als „Zero-Day-Schwachstellen“ bezeichnet, da Sie dem Hersteller seit null Tagen bekannt sind.
 
II. Sachverhalt (verkürzt)
Zum 17.1.2021 wurde das Polizeigesetz des Landes Baden-Württemberg <PolG BW> neu gefasst. Die Regelungen zur Quellen-TKÜ wurde aus der alten Fassung nunmehr unverändert in den neuen § 54 PolG BW übernommen
 
Gemäß § 54 Abs. 2 PolG BW darf die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation ohne Wissen der betroffenen Person in der Weise erfolgen, dass mit technischen Mitteln in von ihr genutzte informationstechnische Systeme eingegriffen wird, wenn

  1. Durch technische Maßnahmen sichergestellt ist, dass ausschließlich laufende Telekommunikation überwacht und aufgezeichnet wird, und
  2. der Eingriff notwendig ist, um die Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation insbesondere auch in unverschlüsselter Form zu ermöglichen.

 
Gemäß § 54 Abs.  3 PolG BW ist bei Maßnahmen nach Absatz 2 sicherzustellen, dass

  1. an dem informationstechnischen System nur Veränderungen vorgenommen werden, die für die Datenerhebung unerlässlich sind, und
  2. die vorgenommenen Veränderungen bei Beendigung der Maßnahme, soweit technisch möglich, automatisiert rückgängig gemacht werden

Das eingesetzte Mittel ist gegen unbefugte Nutzung zu schützen. Kopierte Daten sind gegen Veränderung, unbefugte Löschung und unbefugte Kenntnisnahme zu schützen.
 
Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. und der Chaos Computer Club Stuttgart e.V. (im Folgenden: Beschwerdeführer) wenden sich mit Ihrer Verfassungsbeschwerde, binnen der Jahresfrist nach § 93 Abs.  3 BVerfGG, gegen die in § 54 PolG BW geregelte Befugnis zur Quellen-TKÜ. Diese habe zur Folge, dass zur Durchführung der Überwachung IT-Sicherheitslücken von informationstechnischen Systemen, die der Behörde, nicht aber dem jeweiligen Hersteller bekannt seien, offengehalten würden und so Angriffe von dritter Seite ermöglichen. Die Beschwerdeführer befürchten, dass die Polizeibehörden ihnen bekannte IT-Sicherheitslücken nicht melden werden, da sie deren Schließung durch den Hersteller vermeiden wollen, um die Lücken für die Durchführung einer polizeilichen Überwachungsmaßnahme verwenden zu können. Grundsätzlich habe das Land Baden-Württemberg es versäumt, mit einer zwingend gebotenen Begleitreglung ein „Schwachstellen-Management“ zu schaffen, das insbesondere die Verwendung von Sicherheitslücken verbieten müsse, die dem Hersteller des betreffenden Systems nicht bekannt seien. Die Regelung des § 54 PolG BW gefährde daher sowohl das Fernmeldegeheimnis als auch die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme.
 
III. Die Entscheidung des Gerichts
Im Ergebnis verwirft das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde als unzulässig. Die Beschwerdeführer sind als juristische Personen Grundrechtsträger und damit beschwerdefähig. Sie haben die Möglichkeit einer Verletzung der sich aus den Grundrechten ergebenden Schutzpflichten allerdings nicht hinreichend dargelegt und im Übrigen die Anforderungen der Subsidiarität im weiteren Sinne nicht gewahrt.
 
Die Begründung erfolgt allerdings in bemerkenswerter Ausführlichkeit. Das Bundeverfassungsgericht erkennt, dass sowohl das Fernmeldegeheimnis als auch die grundrechtliche Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme betroffen sind.
 
Der erkennende Senat hält an der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts fest. Danach erschöpft sich der Gewährleistungsgehalt von Grundrechten nicht bloß in ihrer Abwehrfunktion, sondern sie enthalten zugleich eine objektive Wertentscheidung der Verfassung, die auch staatliche Schutzpflichten begründen kann (vgl.  BVerfG 39, 1 (79); st. Rspr.).
 
Aus diesen Schutzpflichten einerseits und aus der Ermächtigung zur Quellen-TKÜ über IT-Sicherheitslücken andererseits entsteht ein Zielkonflikt, dessen gebotene Lösung dem Staat obliegt.
 
1. Betroffenheit von Art. 10 Abs. 1 GG
Art. 10 Abs.  1 GG erklärt das Briefgeheimnis sowie das Post- und Fernmeldegeheimnis für unverletzlich. Nach Abs. 2 dürfen Beschränkungen nur aufgrund eines Gesetzes angeordnet werden. Dient die Beschränkung dem Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Bestandes oder Sicherung des Bundes oder eines Landes, so kann das Gesetz bestimmen, daß sie dem Betroffen nicht mitgeteilt wird und daß an die Stelle des Rechtsweges die Nachprüfung durch von der Volksvertretung bestellte Organe und Hilfsorgane tritt.
 
Das Bundesverfassungsgericht bestätigt, dass sofern Zugriffe Dritter Inhalte und Umstände der laufenden Telekommunikation erfassen, das durch Art. 10 Abs. 1 GG geschützte Fernmeldegeheimnis betroffen ist (vgl. BVerfGE 120, 274 (307)). Art. 10 Abs. 1 GG begründet daher neben einem Abwehrrecht auch einen konkreten staatlichen Auftrag, die dem Fernmeldegeheimnis unterfallende Kommunikation vor dem Zugriff privater Dritter zu schützen (vgl. BVerfGE 106, 28 (37)).
 
2. Betroffenheit von Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleistet auch die Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme (vgl. BVerfGE 120, 274 (306 ff.) und ist daher ebenfalls bei dessen Infiltration betroffen. Aus der Bedeutung der Nutzung informationstechnischer Systeme für die Persönlichkeitsentfaltung und aus den Persönlichkeitsgefährdungen, die mit dieser Nutzung verbunden sind, folgt ein grundrechtlich erhebliches Schutzbedürfnis (1 BvR 370/07 – 1 BvR 595/07).
 
Der angegriffene § 54 Abs. 2 PolG BW ermächtigt die zuständigen Behörden zwar lediglich bzgl. laufender TK-Vorgänge zur Quellen-TKÜ, sodass ein hierauf gestützter staatlicher Eingriff vordergründig an Art. 10 Abs. 1 GG zu messen wäre. Dringen aber Dritte über eine unbekannte Schutzlücke in das System ein, könnten sie möglicherweise auf das gesamte informationstechnische System und seinen Datenbestand zugreifen. Sie können dieses insbesondere ausspähen, manipulieren und erpresserisch mit der Manipulation oder Vernichtung von Daten, drohen.
Daher sind hier die Grundrechte in ihrer Schutzdimension so sehr betroffen, dass sich hieraus eine konkrete grundrechtliche Schutzpflicht des Staates ergibt.
 
3. Zur grundrechtlichen Schutzpflicht
Die zunehmende vom Fernmeldegeheimnis erfasste elektronische Kommunikation und die verstärkte Umstellung ehemals analoger Vorgänge auf digitale Prozesse sowie die immer breitere mobile Nutzung informationstechnischer Systeme erhöhen zwangsläufig die Abhängigkeit von Informationstechnologie ständig weiter.
 
Das Bundesverfassungsgericht erkennt, dass sich die Verflechtung von Entfaltungsfreiheit und Informationstechnik zunehmend intensiviert wird. Die Grundrechtsträger können von ihren grundrechtlichen Freiheiten ohne die Nutzung entsprechender informationstechnischer Systeme immer weniger Gebrauch machen. Sie können sich immer weniger den Gefahren der Nutzung informationstechnischer Systeme dadurch entziehen, dass sie auf deren Nutzung verzichten.
 
Vor diesem Hintergrund gebieten die Grundrechte, dass auch der Staat selbst die berechtigten Erwartungen der Grundrechtsträger an die Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme achtet (vgl. BVerfGE 120, 274 (306)). Darüber hinaus besteht eine staatliche Pflicht, zum Schutz der Integrität und Vertraulichkeit integrationstechnischer Systeme gegen Angriffe durch Dritte beizutragen. Erlangen Behörden von einer, dem Hersteller unbekannten, IT-Sicherheitslücke Kenntnis, trifft sie eine konkrete grundrechtliche Schutzpflicht. Er ist dann verpflichtet, die Nutzerinnen und Nutzer informationstechnischer Systeme vor Angriffen Dritter auf diese Systeme zu schützen.
 
4. Der Zielkonflikt
Bestünde keine Ermächtigung zur Quellen-TKÜ unter Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken hätten die Behörden kein eigenes Interesse daran, diese zu nutzen, um darüber informationstechnische Systeme infiltrieren zu können. Es ist davon auszugehen, dass im Lichte der Erfüllung der grundgesetzlichen Schutzpflichten der Staat dann die ihm bekanntwerdenden Lücken dem Hersteller melden würde, damit dieser die Lücke schließen kann.
 
Ist eine Behörde hingegen ermächtigt, zum Zweck der Gefahrenabwehr eine Quellen-TKÜ, unter Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken, durchzuführen, löst dies für sie einen Zielkonflikt aus. Dieser besteht zwischen einerseits dem öffentlichen Interesse an einer möglichst großen Sicherheit informationstechnischer Systeme und andererseits der Ermöglichung einer dem Schutz von anderen hochrangigen Rechtsgütern dienenden Quellen-TKÜ. Daraus folgt die Gefahr, dass die ermächtigte Behörde es unterlässt, die Schließung der Lücke anzuregen oder sogar gegebenenfalls aktiv darauf hinwirkt, dass die Lücke unerkannt bleibt.
 
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die bloße Existenz staatlicher Überwachungsbefugnisse für Dritte einen Anreiz schafft, ihnen bekannte IT-Sicherheitslücken nicht den Herstellern selbst zu melden, sondern ihre Kenntnis staatlichen Behörden gegen eine Bezahlung anzubieten. Dies erhöht die Gefahr, dass IT-Sicherheitslücken dem Hersteller nicht gemeldet werden.
 
Das Bundesverfassungsgericht hält daran fest, dass die Quellen-TKÜ nicht von vorneherein verfassungsrechtlich unzulässig ist (vgl. bereits BVerfGE 120, 274 (326) zur Online-Durchsuchung). Aus der grundrechtlichen Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme ergibt sich daher kein Anspruch darauf, die Quellen-TKÜ durch Nutzung unerkannter IT-Sicherheitslücken zu untersagen. Aufgrund der oben genannten Gefahren für die Sicherheit entsprechender Systeme unterliegt die Nutzung durch unerkannte IT-Sicherheitslücken jedoch erhöhter Rechtfertigungsanforderungen. Das Bundesverfassungsgericht sieht in der Folge daher die grundrechtlichen Schutzpflichten dahingehend konkretisiert, dass eine staatliche Verpflichtung besteht, den Umgang der Polizeibehörden mit entsprechenden IT-Sicherheitslücken zu regeln.
 
5. Staatliche Regelungen zur Lösung des Zielkonflikts
Die grundrechtliche Schutzpflicht verlangt eine Regelung darüber, wie die Behörde bei der Entscheidung über ein Offenhalten unerkannter Sicherheitslücken den Zielkonflikt zwischen dem notwendigen Schutz vor Infiltration durch Dritte einerseits und der Ermöglichung von Quellen-TKÜ andererseits auflöst.
 
Der ermächtigten Behörde muss eine Abwägung der gegenläufigen Belange für den Fall aufgegeben werden, dass ihr eine, dem Hersteller unbekannte, Schutzlücke bekannt wird. Es ist sicherzustellen, dass die ermächtigte Behörde bei jeder Entscheidung über das Offenhalten einer dem Hersteller unbekannten IT-Sicherheitslücke einerseits die Gefahr einer weiteren Verbreitung der Kenntnis von dieser IT-Sicherheitslücke ermittelt und andererseits den Nutzen möglicher behördlicher Infiltration mittels dieser Lücke quantitativ und qualitativ bestimmt. Beide Aspekte müssen zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die IT-Sicherheitslücke ist dann an den Hersteller zu melden, wenn nicht das Interesse an der Offenhaltung derselbigen überwiegt.
 
Das Bundesverfassungsgericht stellt dann fest, dass bereits unterschiedliche Regelungen zum Schutz informationeller Systeme bestehen, ohne dieser aber einer abschließenden verfassungsrechtlichen Prüfung zu unterziehen.
 
Es wäre die Aufgabe der Beschwerdeführer gewesen hinreichend dazulegen, dass die bestehenden Regelungen der grundrechtlichen Schutzpflicht nicht genügen. Auf die entsprechenden Fragen sind die Beschwerdeführer allerdings nicht eingegangen. Mit den Anforderungen an die Feststellung einer gesetzgeberischen Schutzpflichtverletzung sind spezifische Darlegungslasten verbunden. Eine mögliche Grundrechtsverletzung geht aus einem Vortrag in der Regel nur dann hervor, wenn sich dieser nicht in pauschalen Behauptungen und punktuell herausgegriffenen, angeblichen Unzulänglichkeiten der Rechtslage erschöpft. Vielmehr ist es erforderlich, dass der gesamte gesetzlichen Regelungszusammenhang erfasst wird. Je nach Fallkonstellation gehört hierzu auch, dass zumindest die einschlägigen Regelungen des als unzureichend beanstandeten Normkomplexes jedenfalls in Grundzügen dargestellt werden und begründet wird, warum vom Versagen der gesetzgeberischen Konzeption auszugehen ist.
 
a) § 54 Abs. 3 S. 2 PolG BW
Zunächst enthält die Ermächtigungsgrundlage selbst Schutzvorkehrungen. § 54 Abs. 3 S 2 PolG BW verpflichtet die Behörden dafür Sorge zu tragen, dass das eingesetzte Mittel gegen die unbefugte Nutzung durch Dritte geschützt ist Es ist zwar denkbar, dass das in § 54 Abs. 3 S. 2 PolG BW genannte „Mittel“ die Infiltrationssoftware meint und nicht die zu ihrer Einbringung genutzte IT-Sicherheitslücke bezeichnet. Dafür spricht, dass die IT-Sicherheitslücke im Zielsystem unabhängig von Handeln der Behörde besteht. § 54 Abs. 3 S. 2 POlG BW könnte allerdings auch fachrechtlich dahingehend auszulegen sein, dass unter das Tatbestandsmerkmal „eingesetztes Mittel“ auch die ausgenutzte Schwachstelle subsumiert wird. Dies hätte zur Folge, dass diese – etwa durch eine Meldung an den Hersteller – gegen eine unbefugte Nutzung zu schützen wäre.
 
b) Datenschutz-Folgeabschätzung
Eine Lösung des Zielkonflikts zwischen den öffentlichen Interessen an einem behördlichen Zugriff auf Telekommunikation einerseits und an einer möglichst großen Sicherheit informationstechnischer Systeme andererseits könnte auch im Rahmen der Datenschutz-Folgeabschätzung Rechnung getragen werden. § 80 PolG BW sieht eine entsprechende Regelung vor. Hat gemäß § 80 Abs. 1 PolG BW  eine bestimmte Form der Verarbeitung, insbesondere bei Verwendung neuer Technologien, aufgrund der Art, des Umfangs, der Umstände und der Zwecke der Verarbeitung voraussichtlich ein hohes Risiko für die Rechtsgüter betroffener Personen zu Folge, so hat die Polizei vorab eine Abschätzung der Folgen der vorgesehenen Verarbeitungsvorgänge für die betroffenen Personen durchzuführen.
 
Zu klären ist hierfür, inwieweit das Offenhalten einer IT-Sicherheitslücke ein „Verarbeitungsvorgang“ im Sinne von § 80 Abs. 1 PolG BW darstellt. Gemäß § 12 Abs. 2 PolG BW stellt eine „Verarbeitung“ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten, wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung dar.
 
Dem Bundesverfassungsgericht erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass der Verarbeitungsvorgang als ein einheitlicher Lebenssachverhalt zu begreifen ist. Dieser muss nicht erst mit der Datenausleitung bei der eigentlichen Telekommunikationsüberwachung beginnen, sondern kann bereits davor liegende, vorbereitende Schritte erfassen. Das bewusste Offenhalten einer der Behörde bekannten IT-Sicherheitslücke könnte so als vorbereitender Schritt einer Quellen-TKÜ angesehen werden. Damit würde auch das Offenhalten entsprechender IT-Sicherheitslücken von § 80 PolG BW erfasst werden. Ob darüber hinaus gehend die hier maßgebliche Gefahr, dass Dritte die IT-Sicherheitslücke zur Infiltration des informationstechnischen Systems nutzen, auch im Sinne von § 80 Abs.  1 PolG BW als „Folge“ dieses Verarbeitungsvorgangs zu verstehen ist, bedürfte allerdings weiterer Klärung.
 
c) Cybersicherheitsgesetz BW
Entsprechende Schutzvorschriften könnten sich zudem aus dem Cybersicherheitsgesetz BW <CSG> ergeben. Das Gesetz sieht die Errichtung der Cybersicherheitsagentur Baden-Württemberg vor, welches gemäß § 4 Abs. 1 CSG als zentrale Koordinierungs- und Meldestelle für die Zusammenarbeit der öffentlichen Stellen in Angelegenheiten der Cybersicherheit in Baden-Württemberg fungiert. Dabei sammelt und wertet es insbesondere alle für die Abwehr von Gefahren für die Cybersicherheit erforderlichen Informationen, unter anderem zu Sicherheitslücken aus. § 4 Abs. 3 CSG statuiert die Pflicht der Landesbehörden bekanntwerdende Sicherheitslücken an die Cybersicherheitsagentur zu melden. Darüber hinaus sollen gemäß § 5 CSG der Cybersicherheitsagentur Befugnisse zur Abwehr von Gefahren für die Cybersicherheit eingeräumt werden. Die Cybersicherheitsagentur soll ferner nach § 8 Abs. 1 CSG Empfehlungen, Hinweise sowie Warnungen zu IT-Sicherheitslücken an die Öffentlichkeit oder die betroffenen Kreise – in der Regel nach vorheriger Anhörung des Herstellers – aussprechen dürfen.
 
d) Untergesetzlich geregelte Mindeststandards
Jedenfalls aus dem Vertrag über die Errichtung des IT-Planungsrats und über die Grundlagen der Zusammenarbeit beim Einsatz der Informationstechnologie in den Verwaltungen von Bund und Ländern – Vertrag zur Ausführung von Art.  91c GG <IT-Staatsvertrag> ergibt sich ein untergesetzlich geregelter Mindeststandard. Das Land Baden-Württemberg hat zusammen mit den anderen Bundesländern und der Bundesrepublik Deutschland den Vertrag ratifiziert. Unter dieser Grundlage hat der IT-Planungsrat ein verbindliches Meldeverfahren zum Informationsaustausch für Bund und Länder als IT-Sicherheitsstandard im Sinne von § 2 Abs. 1 des IT-Staatsvertrags vereinbart (Vgl. Beschluss Nr. 2017/35) Danach sind IT-Sicherheitsvorfälle, bei denen Auswirkungen auf die Länder oder den Bund nicht ausgeschlossen werden können oder die auch für andere als relevant eingeschätzt werden, zu melden sind.
 
Die Meldungen sollen unter anderem an das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erfolgen. Erfasst werden auch neuartige Sicherheitslücken in IT-Produkten (vgl.  § 2 Abs.  2 in Verbindung mit Anlage 1 des Beschlusses). Gemäß § 3 des Beschlusses sind sowohl der Bund als auch die Länder meldepflichtig. Insofern stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass das BSI seine Ermessensspielräume bei der Entscheidung über den weiteren Umgang mit derartigen Kenntnissen ausfüllen könnte und müsste. Dies insbesondere dann, wenn es um die Erteilung von Warnungen bezüglich IT-Sicherheitslücken in informationstechnischen Systemen an die Öffentlichkeit oder die betroffenen Kreise nach § 7 Abs.  1 S.  1 Nr.  1 lit. a BSIG, und Information der Hersteller, unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Schutzpflichten, geht.
 
Das Bundesverfassungsgericht stellt allerdings klar, dass die Frage, ob der grundrechtlichen Schutzpflicht durch eine untergesetzlich normierten Mitteilungspflicht genüge getan werden kann, einer näheren Prüfung bedürfe. Der von dem IT-Planungsrat vereinbarte Meldestandard ein weiteres Element der Gesamtregelung des Schutzes vor der unzulässigen Nutzung von IT-Sicherheitslücken durch Dritte sein könnte, hätten die Beschwerdeführer auch hier ihrer Darlegungspflicht nachkommen müssen.
 
6. Verstoß gegen Subsidiaritätsprinzip
Im Übrigen stellt das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Verfassungsbeschwerde zudem nicht den Anforderungen der Subsidiarität im weiteren Sinne genügt. Denn zunächst sind erst einmal sämtliche prozessualen Möglichkeiten zu nutzen, welche der Grundrechtsverletzung abhelfen können.
Maßgeblich geht es um umfangreiche Fragen zur Auslegung verschiedener Bestimmungen des Polizei-, des Datenschutz-, des Cybersicherheits- und des IT-Sicherheitsrechts und damit um vorwiegend einfaches Recht. Die erforderliche Beschreitung des fachgerichtlichen Rechtswegs durch die Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Feststellungs- oder vorbeugenden Unterlassungsklage sei den Beschwerdeführenden zumutbar gewesen.
 
IV. Anmerkung
Die Entscheidung stellt einen weiteren wichtigen Wegweiser im staatlichen Umgang mit informationstechnischen Systemen dar, die zunehmende Bedeutung für das Ausleben der grundrechtlichen Freiheiten erlangen (vgl. etwa BVerfGE 120, 274 zur Online-Durchsuchung; 1 BvR 16/13 – Recht auf Vergessen I; 1 BvR 276/17 – Recht auf Vergessen II). Der Staat bewegt sich, insbesondere im Hinblick auf die Quellen-TKÜ, in einem permanenten Spannungsverhältnis als Garant und Adressat des Schutzbereiches des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und dem davon umfassten Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. In seiner Entscheidung erkennt das Bundesverfassungsgericht nunmehr erstmals an, dass den Staat eine konkrete grundrechtliche Schutzpflicht trifft, wenn er von einer Sicherheitslücke im System weiß, die dem Hersteller nicht bekannt ist.
 
Gemäß § 93d Abs. 1 S. 3 BVerfGG ist für die Ablehnung der Annahme einer Verfassungsbeschwerde keine Begründung erforderlich. Die gleichwohl sehr ausführlich erfolgte Begründung ist ein Anzeichen dafür, dass die Verfassungsbeschwerde durchaus Grundsatzfragen der grundrechtlichen Ausgestaltung von Maßnahmen der Quellen-TKÜ betrifft. Trotz der Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hat das Bundesverfassungsgericht es als erforderlich erachtet den Gesetzgebern von Bund und Länder Hinweise zu den Schutzdimensionen des Fernmeldegeheimnisses und der grundrechtlichen Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme zu geben.
 
Die sehr deutlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu den durch die Beschwerdeführer nicht hinreichend nachgekommenen Darlegungslast können als Hinweis auf die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rüge einer Verletzung der gesetzgeberischen Schutzpflichten verstanden werden. Der erste Senat betont ausdrücklich, dass sich aus seiner Entscheidung zur teilweise erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen den Klimaschutz (1 BvR 2656/18) nichts Anderes ergibt. Dort ist zwar festgestellt, dass die Beschwerdeführenden zur Begründung der Beschwerdebefugnis nicht alle relevanten Maßnahmen ermitteln müssen. Dies war aber deshalb verzichtbar, weil der Gesetzgeber selbst eine zusammenfassende Regelung getroffen habe, auf die sich der Angriff des Beschwerdeführenden beschränken konnte.
 
Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist der Beschluss insoweit bemerkenswert, dass er sich – zumindest in groben Zügen – mit etwaigen inhaltlichen Anforderungen der Datenschutzfolgeabschätzung befasst und diese gleichzeitig als obligatorisch vor dem Einsatz einer Quellen-TKÜ ansieht. Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts deuten an, dass die Datenschutz-Folgeabschätzung geeignet ist, Schwächen der Normenbestimmtheit in Sicherheitsgesetzten prozedural auszugleichen.

27.01.2022/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-01-27 09:00:132022-05-20 10:42:05BVerfG: Ausnutzung von IT-Sicherheitslücken für die Quellen- Tele­kommunikations­über­wachung
Alexandra Ritter

Die Bundesnotbremse vor dem BVerfG (Teil 2)

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Nach dem ersten Teil der Besprechung des Urteils des BVerfG zur sog. Bundesnotbremse im Hinblick auf Kontaktbeschränkungen, hier nun der zweite Teil, der die Verfassungsmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen in den Blick nimmt.
II. Ausgangsbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG
1. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art 104 Abs. 1 GG
a) Schutzbereich
Die von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art 104 Abs. 1 GG geschützte Fortbewegungsfreiheit ist ein Jedermann-Grundrecht, sodass die Beschwerdeführer als natürliche Personen vom Schutzbereich umfasst sind.
Der sachliche Schutzbereich bezieht sich auf die „im Rahmen der geltenden allgemeinen Rechtsordnung gegebene tatsächliche körperliche Bewegungsfreiheit vor staatlichen Eingriffen […]. Das Grundrecht gewährleistet allerdings von vornherein nicht die Befugnis, sich unbegrenzt und überall hin bewegen zu können […]. Die Fortbewegungsfreiheit setzt damit in objektiver Hinsicht die Möglichkeit voraus, von ihr tatsächlich und rechtlich Gebrauch machen zu können. Subjektiv genügt ein darauf bezogener natürlicher Wille […].“ (Rn. 241)
Der Schutzbereich der Fortbewegungsfreiheit ist somit eröffnet.
b) Eingriff
aa) Fortbewegungsfreiheit
Ein Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit liegt vor, „wenn die betroffene Person durch die öffentliche Gewalt gegen ihren Willen daran gehindert wird, einen Ort oder Raum, der ihr an sich tatsächlich und rechtlich zugänglich ist, aufzusuchen, sich dort aufzuhalten oder diesen zu verlassen […].“ (Rn. 243)
Die Regelung des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG wirkt zunächst jedoch psychisch und nicht physisch. Zu dieser Eingriffskonstellation nimmt das BVerfG ausführlich Stellung. Im Einzelnen:
„Für den Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG ist konstitutiv, dass die Betroffenen durch die öffentliche Gewalt gegen ihren Willen daran gehindert werden, einen Ort oder Raum, der ihnen an sich tatsächlich und rechtlich zugänglich ist, aufzusuchen, sich dort aufzuhalten oder diesen zu verlassen. […] In notwendiger Abgrenzung zur allgemeinen Handlungsfreiheit […] können aber auch staatliche Maßnahmen in die Fortbewegungsfreiheit eingreifen, die auf den Willen des Betroffenen zur Ausübung der Fortbewegungsfreiheit in vergleichbarer Weise wirken wie bei unmittelbarem Zwang. Hebt staatlich veranlasster körperlich wirkender Zwang die an sich tatsächlich und rechtlich bestehende Möglichkeit auf, von der Fortbewegungsfreiheit Gebrauch zu machen, handelt es sich stets um einen Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit Art. 104 Abs. 1 GG. Regelmäßig genügt dafür aber auch bereits, dass solcher Zwang angedroht wird oder ein Akt der öffentlichen Gewalt die rechtliche Grundlage für die Anwendung derartigen Zwangs schafft […]. Dementsprechend kann in die Fortbewegungsfreiheit auch durch allein psychisch vermittelten Zwang eingegriffen werden. Um einen gegen den Willen auf Ausübung der Fortbewegungsfreiheit gerichteten staatlichen Eingriffsakt annehmen zu können, bedarf es einer davon ausgehenden Zwangswirkung, die nach Art und Ausmaß einem unmittelbar wirkenden physischen Zwang vergleichbar ist […]. Ob eine vergleichbare Zwangswirkung gegeben ist, richtet sich nach den konkreten tatsächlichen und rechtlichen Umständen. Für einen Eingriff können staatlich angeordnete Verbote genügen, einen bestimmten Ort oder Bereich nicht ohne Erlaubnis zu verlassen […].“ (Rn. 246)
Die Ausgangsbeschränkungen vermitteln psychisch einen Zwang, sie einzuhalten und von der Fortbewegungsfreiheit keinen Gebrauch zu machen (Rn. 247). Bezüglich der Vergleichbarkeit der Zwangswirkung mit unmittelbar physisch wirkendem Zwang, stellt das BVerfG zum einen darauf ab, dass ein Verstoß gegen die Ausgangsbeschränkungen mit physisch wirkendem Zwang im Rahmen des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts durchsetzbar ist – das allein genügt aber nicht, denn „ansonsten würde sich Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG wegen der Möglichkeit, mit gefahrenabwehrrechtlichen Maßnahmen auf jeden Verstoß gegen die objektive Rechtsordnung zu reagieren, zu einer Art Übergrundrecht wandeln.“ (Rn. 248)
Deshalb hält es zum anderen fest, dass das verbotene Verhalten selbst einen deutlichen Bezug zur Fortbewegungsfreiheit aufweist, indem es für ein knappes Drittel der Tageszeit verboten war, sich außerhalb einer Wohnung aufzuhalten (Rn. 248). Die Vergleichbarkeit sei somit gegeben.
bb) Freiheitsentziehung gem. Art 104 Abs. 2 GG
Die Schwelle der Freiheitsentziehung i.S.v. Art. 104 Abs. 2 GG wurde durch § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG nach Auffassung des BVerfG nicht überschritten (Rn. 250). Eine Freiheitsentziehung liegt vor, „wenn die Bewegungsfreiheit nach jeder Richtung hin aufgehoben wird, was eine besondere Eingriffsintensität und grundsätzlich eine nicht nur kurzfristige Dauer der Maßnahme voraussetzt […]“ (Rn. 250). Dadurch dass der Ort – unter Wahrung der geltenden Kontaktbeschränkungen und soweit es sich um eine Wohnung oder Unterkunft handelte – frei ausgewählt werden konnte und die Maßnahme auf Zeiten geringer Mobilität beschränkt war, ist die Schwelle zur Freiheitsentziehung nicht überschritten (Rn. 250).
c) Verfassungsmäßige Rechtfertigung
Die Fortbewegungsfreiheit unterliegt der Schranke von Art. 2 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG.
aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit von § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG
In Bezug auf die formelle Verfassungsmäßigkeit gelten die Ausführungen zu den Kontaktbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG.
bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit
Erneut sei an dieser Stelle auf die Darstellung der Prüfung der Vereinbarkeit mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und mit dem Bestimmtheitsgebot gemäß Art. 103 Abs. 2 GG verzichtet. Die Vereinbarkeit wird vom BVerfG bejaht.
(1) Eingriff in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG durch ein Gesetz
Art. 2 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG gestattet den Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit auf Grund eines Gesetzes. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG greift als selbst vollziehendes Gesetz jedoch unmittelbar ohne weiteren Vollzugsakt in den Schutzbereich ein. Eine enge Wortlautauslegung der Schranken würde dazu führen, dass Eingriffe in die Fortbewegungsfreiheit durch solche selbst vollziehenden Gesetze stets materiell verfassungswidrig sind.
Das BVerfG geht jedoch nicht von diesem engen Schrankenbegriff aus. Es erkennt an, dass der Wortlaut auf ein kompetenzielles Verständnis der Schranken (i.S.e. Verwaltungsvorbehalts), hindeuten kann (Rn. 268). Dagegen argumentiert es dennoch wie folgt:
„Wenn aber Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG auch auf selbstvollziehende Maßnahmen des Gesetzgebers Anwendung findet, obwohl diese für sich genommen nicht unmittelbar körperliche Zwangswirkung entfalten, ist es konsequent, dass auch ein solcher legislativer Grundrechtseingriff der Schrankenregelung des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG genügen kann.“ (Rn. 268)
Weiter führt es dazu aus:
„Nichts spricht dafür, dass Art. 2 Abs. 2 Satz 2 und Art. 104 Abs. 1 GG nach ihrem Zweck gegenüber dem Gesetzgeber ein absolutes, uneinschränkbares Recht begründen soll. Wird der Gesetzgeber selbst unmittelbar an dieses Grundrecht gebunden, muss er umgekehrt auch von der vorgesehenen Beschränkungsmöglichkeit Gebrauch machen können. Der Schrankenvorbehalt steht dem nicht entgegen. Bei Eingriffen in die Fortbewegungsfreiheit unmittelbar durch Gesetz droht kein mit dem Schutzzweck der Schranken unvereinbarer Verlust an Rechtsschutz. Die gesetzliche Anordnung des Freiheitseingriffs schafft keine Lage, die die Schutzmechanismen des Art. 104 Abs. 1 Satz 1 zweiter Halbsatz und Satz 2 GG auslösen müsste. Teleologische Gründe sprechen daher bei einem erweiterten Eingriffsverständnis dagegen, die Schrankenregelungen in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG kompetenziell als Verwaltungsvorbehalt auszulegen.“ (Rn. 272)
(Zusätzlich nimmt das BVerfG eine gesetzeshistorische Betrachtung der Schranken vor. Diese ist nach Auffassung des BVerfG nicht nur unergiebig – in der Klausursituation ist eine Auslegung anhand der Gesetzmaterialien im Regelfall nicht möglich. Daher sei auf die Darstellung der diesbezüglichen Ausführungen verzichtet.)
Damit standen die Schranken der Art. 2 Abs. 2 Satz 3 und Art. 104 Abs. 1 GG den als selbstvollziehendes förmliches Gesetz geregelten Ausgangsbeschränkungen aus § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG nicht entgegen.
(2) Verhältnismäßigkeit
(a) Legitimer Zweck
Bezüglich des verfassungsrechtlich legitimen Zwecks ergeben sich keine Unterschiede zu den Ausführungen bezüglich der Kontaktbeschränkungen.
(b) Geeignetheit
Bei der Geeignetheitsprüfung der Ausgangsbeschränkungen spielt der Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers eine wichtige Rolle. Nach Auffassung des BVerfG lagen nachvollziehbare Gründe für die Annahme des Gesetzgebers vor, dass durch die Ausgangsbeschränkungen mittelbar auch die Anzahl und Dauer privater Zusammenkünfte reduziert werden kann, indem die An- und Abreisezeiten außerhalb der betroffenen Zeiträume liegen müssen (Rn. 277).
Auch sind die fachwissenschaftlichen Grundlagen, auf die sich die Annahmen des Gesetzgebers stützen nicht zu beanstanden (Rn. 278). Diese gehen davon aus, dass Infektionsschutzmaßnahmen in Innenräumen wie Abstandhalten, das Tragen von Masken, Lüften und allgemeine Hygieneregeln dem Infektionsrisiko nur eingeschränkt entgegenwirken können, dies aber zur Nachtzeit im privaten Rückzugsbereich nur eingeschränkt durchsetzbar ist (Rn. 278). Zudem lagen wissenschaftliche Erkenntnisse vor, nach denen nächtliche Ausgangsbeschränkungen zu einer Absenkung des R-Wertes (der R-Wert gibt an, wie viele Menschen eine infizierte Person in einer bestimmten Zeiteinheit im Mittel ansteckt) um 0,1 führen (Rn. 279).
Damit erfüllt § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG die Anforderung der Geeignetheit.
(c) Erforderlichkeit
Als alternative Maßnahme kommt für die Ausgangsbeschränkungen die Kontrolle privater Zusammenkünfte zur Nachtzeit unter Verzicht auf die Ausgangsbeschränkungen in Betracht (Rn. 285). Damit diese Kontrolle dem Infektionsrisiko in Innenräumen mit gleicher Wirksamkeit entgegenwirken können, müssten sie zum einen flächendecken angelegt sein und zum anderen müssten die privaten Innenräume durch ein Betreten der Vollzugsbehörden kontrolliert werden (Rn. 285). Damit verbunden wären dann wiederum schwerwiegende Eingriffe in Persönlichkeitsrechte sowie in die Schutzsphäre von Art. 13 GG. Kontrollen wären somit keine mildere Maßnahme (Rn. 285). Die Ausgangsbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG waren somit auch erforderlich.
(d) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
Wie auch bei den Kontaktbeschränkungen erkennt das BVerfG in den Ausgangsbeschränkungen einen schwerwiegenden Eingriff, der sich auf unterschiedliche Weisen auswirken kann (Rn. 292). Das Gewicht des Eingriffs wird auch durch die Bußgeldvorschrift des § 73 Abs. 1a Nr. 11c IfSG erhöht (Rn. 294).
Allerdings enthielt § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 2 lit. a bis g IfSG zahlreiche Ausnahmeregelungen, die die Eingriffsintensität minderten (Rn. 296). Insbesondere die Härtefallklausel nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. f IfSG „stand einer grundrechtsfreundlichen Auslegung und Anwendung offen, die ermöglichte, zwischen dem Lebens- und Gesundheitsschutz und weiteren legitimen Belangen im Einzelfall abzuwägen.“ (Rn. 296)
Im Übrigen wirken sich die tageszeitliche Begrenzung der Ausgangsbeschränkungen, die Befristung der Regelung und deren am Pandemiegeschehen flexible Ausrichtung mildernd aus (Rn. 297). Durch diese Mechanismen hat der Gesetzgeber nicht dem Lebens- Und Gesundheitsschutz sowie der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems einseitig Vorrang eingeräumt, sondern einen angemessenen Interessenausgleich bewirkt (Rn. 299). Insbesondere die Härtefallklausel, die die Berücksichtigung besonderer Umstände im Einzelfall ermöglichte, trug dazu bei (Rn. 300).
d) Zwischenergebnis
28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2IfSG stellt einen Eingriff in die Fortbewegungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art 104 Abs. 1 GG dar. Der Eingriff ist jedoch verfassungsmäßig gerechtfertigt.
2. Familien- und Ehegrundrecht gemäß Art. 6 Abs. 1 GG
a) Schutzbereich
Zum Schutzbereich von Art. 6 Abs. 1 GG s.o.
b) Eingriff
Im vorliegenden Fall war es manchen der Beschwerdeführer nicht möglich, eine Zusammenkunft mit Ehe- oder Lebenspartnern so zu gestalten, dass die Anreise vor Einsetzen der Ausgangsbeschränkungen erfolgte. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG griff dadurch in das subjektive Recht dieser Beschwerdeführer aus Art. 6 Abs. 1 GG ein (Rn. 251).
c) Verfassungsmäßige Rechtfertigung
Die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG unterliegen lediglich verfassungsunmittelbaren Schranken.
Bezüglich der Verhältnismäßigkeit gilt weitestgehend das zur Fortbewegungsfreiheit Gesagte. Zu ergänzen ist, dass der Eingriff durch die Beschränkung familiärer und partnerschaftlicher Kontakte an Gewicht gewinnt.
Allerdings enthielt § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Hs. 2 lit. a bis g IfSG Ausnahmebestimmungen, sie sich gerade auf diese Kontakte auswirkten. Darauf stellte auch das BVerfG ab:
„Die Ausnahmen in Buchstabe c für die Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts sowie in Buchtstabe d für die Durchführung unaufschiebbarer Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder Minderjähriger milderten die Intensität des Eingriffs vor allem in die Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG ab. Das Zusammenwirken der genannten Ausnahmen kam unter anderem Alleinerziehenden in ihrer besonderen Belastungssituation entgegen (dazu oben Rn. 296).“ (Rn. 300)
So stellte das BVerfG auch hier im Ergebnis fest, dass der Eingriff verfassungsrechtlich gerechtfertigt war.
3. Allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG
Auch der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG ist eröffnet. Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt in der mit § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG korrespondierenden Bußgeldvorschrift § 73 Abs. 1a Nr. 11c IfSG (Rn. 252). Die allgemeine Handlungsfreiheit unterliegt den Schranken von Art. 2 Abs. 1 GG. Auch der Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG ist gerechtfertigt (Rn. 304).
 
C. Fazit
Die Frage nach der Vereinbarkeit von Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie mit den Grundrechten ist also mit dem bekannten Prüfungsaufbau zu meistern. Innerhalb der Zulässigkeit ist insbesondere bei der Beschwerdebefugnis darauf zu achten, ob eine Rechtssatz- oder Urteilsverfassungsbeschwerde vorliegt. Das sind aber keine neuen Probleme, sondern gehören zum Standardwissen der Grundrechtsvorlesung.
Im Rahmen der Begründetheit ist dem dynamischen Pandemiegeschehen Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hatte zum Zeitpunkt, in dem er die Maßnahmen mit § 28b IfSG geregelt hat, einen bestimmten Kenntnisstand bezüglich der Eigenarten der Corona-Pandemie. Die Prüfung muss sich auf diesen Kenntnisstand beziehen und aus der derzeitigen Perspektive vorgenommen werden. Hilfreich dabei ist der weite Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers, der jedoch keinen „Freifahrtschein“ bewirkt. Die Maßnahmen müssen auf tragfähiger Grundlage beruhen, nachvollziehbar sein und dürfen nicht einseitig zulasten der geschützten Freiheitsrechte gehen.
Im Grunde sollte auch die Kenntnis dieser Grundsätze bereits bekannt sein – dieser Beitrag zeigt unter Bezug auf die Erwägungen des BVerfG, wie sie sich in der konkreten Prüfung niederschlagen.

15.12.2021/1 Kommentar/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2021-12-15 09:08:572021-12-15 09:08:57Die Bundesnotbremse vor dem BVerfG (Teil 2)
Alexandra Ritter

Die Bundesnotbremse vor dem BVerfG

Examensvorbereitung, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Dieser Beitrag beschäftigt sich mit der Darstellung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 zu den durch das Vierte Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021 in § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG für einen Zeitraum von gut zwei Monaten eingefügten bußgeldbewehrten Kontaktbeschränkungen (Teil 1) sowie bußgeldbewehrten Ausgangsbeschränkungen (Teil 2) nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG zur Eindämmung der Corona-Pandemie, der sogenannten Bundesnotbremse.
Die Begutachtung von Sachverhalten unter Berücksichtigung des Pandemiegeschehens ist auch in den (Examens)Klausuren angekommen. Die Fallgestaltungen dazu sind vielfältig und können das Zivil- und Strafrecht, aber insbesondere das öffentliche Recht betreffen. So hat das BVerfG in dem Beschluss geprüft, inwiefern die Maßnahmen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG (bußgeldbewehrte Kontaktbeschränkungen) und nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG (bußgeldbewehrte Ausgangsbeschränkungen) in Freiheitsgrundrechte eingriffen und ob die Eingriffe gerechtfertigt waren. Die Prüfung fand im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde statt und betrifft eine klassische Prüfungskonstellation für Klausuren. Die Folgende Darstellung ordnet die wesentlichen Erwägungen des BVerfG in den Prüfungsaufbau ein. Die behandelten Aspekte können in der Klausur jedoch nicht nur rein grundrechtlich, sondern auch verwaltungsrechtlich oder staatsorganisationsrechtlich (bspw. im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle) eingekleidet werden. Im Übrigen soll der Schwerpunkt der Darstellung auf der Begründetheitsprüfung liegen. Zuvor werden aber auch einzelne Aspekte der Zulässigkeitsprüfung aufgegriffen.
Die Verweise auf Randnummern beziehen sich auf die Randnummern in der vom BVerfG veröffentlichten Fassung des Beschlusses, die unter https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/11/rs20211119_1bvr078121.html (letzter Abruf v. 9.12.2021) abrufbar ist. Zur besseren Übersichtlichkeit und Lesbarkeit wurden die Verweise auf Quellen innerhalb der Zitate aus dem Beschluss ausgespart.
A. Zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
I. Beschwerdebefugnis
In der Zulässigkeitsprüfung liegt nur ausnahmsweise der Schwerpunkt der Prüfung. Die Beschwerdebefugnis sollte dennoch nicht zu knapp bearbeitet werden. Die Beschwerdebefugnis einer Verfassungsbeschwerde setzt voraus, dass eine Möglichkeit der Grundrechtsverletzung besteht und der Beschwerdeführer selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist.
1. Möglichkeit der Grundrechtsverletzung
Zunächst müssen der Beschwerdeführer substantiiert die Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung darlegen. Die reine Behauptung der Verletzung eines Grundrechts genügt nicht. In seinem Beschluss stellte das BVerfG fest, dass nicht hinreichend dargelegt wurde, wie die Kontaktbeschränkungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG die Grundrechte aus Art. 11 Abs. 1 GG, Art. 8 GG, Art. 5 Abs. 3 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 1 Abs. 1 GG verletzen können. Bezogen auf diese Grundrechte hat das BVerfG die Möglichkeit einer Verletzung im konkreten Fall abgelehnt (Rn. 91 ff.)
Nicht abgelehnt hat das BVerfG aber die Möglichkeit einer Verletzung der Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG durch die Kontaktbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG, sowie die Möglichkeit einer Verletzung der Grundrechte aus Art. 6 Abs. 1 GG, Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 GG und Art. 2 Abs. 1 GG  durch die Ausgangsbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG.
2. Selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen
Die Beschwerdeführer machten die Verletzung eigener Rechte und damit Selbstbetroffenheit geltend. Zudem traten die Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen ab der Überschreitung des Inzidenzwertes von 100 ein, sodass keine Durchführungsmaßnahme notwendig war. Damit waren die Beschwerdeführer unmittelbar betroffen.
Gegenwärtige Betroffenheit setzt voraus, dass die angegriffene Maßnahme bereits Rechtswirkung entfaltet und sich noch nicht erledigt hat. Bei zwei der Beschwerdeführer lag im Zeitpunkt der Erhebung der Verfassungsbeschwerde die Inzidenz noch unter dem die Maßnahmen auslösenden Schwellenwert. Das BVerfG stellte hierzu fest:
„Jedoch bestand bei beiden Beschwerdeführenden nicht lediglich eine vage Aussicht, dass sie irgendwann einmal in der Zukunft von den angegriffenen Regelungen betroffen sein könnten […]. Der Schwellenwert von 100 wurde am Wohnort der Beschwerdeführenden zu 1) und 2) schon ab 27. April bis einschließlich 3. Mai 2021 überschritten. Das zum maßgeblichen Zeitpunkt dynamische Infektionsgeschehen ließ auch für sie zeitnah nach Inkrafttreten des Gesetzes die Geltung der Beschränkungen erwarten. Das genügt für ihre gegenwärtige Betroffenheit in eigenen Rechten.“ (Rn. 86)
II. Rechtsschutzbedürfnis
Zum Rechtsschutzbedürfnis sind in aller Regel keine besonderen Ausführen anzustellen; in den meisten Fällen genügt die positive Feststellung, dass es vorliegt. In manchen Konstellationen ist es jedoch angezeigt, das Rechtsschutzbedürfnis ausführlicher darzulegen. Denn das Rechtsschutzbedürfnis muss auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung durch das BVerfG vorliegen. Dem könnte hier entgegenstehen, dass in diesem Zeitpunkt die angegriffenen Regelungen nicht mehr galten (die Maßnahmen waren beschränkt auf einen Zeitraum bis zum 20. Juni 2021) oder dass die Inzidenzen in den örtlichen Bezugsräumen gesunken sind.
Trotz Erledigung kann das Rechtsschutzinteresse aber fortbestehen, „wenn andernfalls entweder die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung unterbliebe und der gerügte Grundrechtseingriff besonders belastend erscheint, eine Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist oder die aufgehobene oder gegenstandslos gewordene Maßnahme den Beschwerdeführer noch weiterhin beeinträchtigt […].“ (Rn. 98)
Das Pandemiegeschehen war weder mit Sinken der Inzidenzwerte noch mit Ablauf der Maßnahmen beendet, sodass auch in Zukunft „Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie ergriffen werden [könnten], die sich in der Regelungstechnik und den Regelungsinhalten an den hier angegriffenen Vorschriften orientieren.“ (Rn. 99)
Damit besteht das Rechtsschutzinteresse fort.
III. Subsidiarität und Rechtswegerschöpfung
Bei der Rechtssatzverfassungsbeschwerde sind zuletzt noch Ausführungen bezüglich der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde und dem Erfordernis der Rechtswegerschöpfung angezeigt.
Nach Auffassung des BVerfG ist auch gegen eine Rechtsnorm der Rechtsschutz vor den Fachgerichten vorrangig zur Verfassungsbeschwerde zu ersuchen, im Wege der Feststellungs- oder Unterlassungsklage (Rn. 101). Dieses Erfordernis kann aber entfallen, wenn die betreffenden Normen entweder keine klärungsbedürftigen einfachrechtlichen Fragen beinhalten oder solche zwar beinhalten, aber das BVerfG bei seiner verfassungsrechtlichen Beurteilung nicht auf deren Beantwortung angewiesen ist (vgl. Rn. 101).
Von letzterem ging das BVerfG hier aus (Rn. 103). Daher stehen die Subsidiarität und das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde hier nicht entgegen.
B. Zur Begründetheit der Verfassungsbeschwerde
Für die Prüfung der Begründetheit bietet es sich an, eine Aufteilung nach den einzelnen Normen und den damit verbundenen Maßnahmen vorzunehmen. Dies ermöglicht einen klaren und strukturierten Aufbau, der dem Leser und Korrektor eine bessere Nachvollziehbarkeit bietet. Die Prüfung der einzelnen Maßnahme erfolgt dann im Rahmen des klassischen Aufbaus nach Schutzbereich – Eingriff – Rechtfertigung.
I. Kontaktbeschränkungen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG
Die Beschwerdeführer könnten durch die Bestimmung des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG in ihren Grundrechten verletzt sein. In Betracht kommt eine Verletzung der Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG.
1. Familien- und Ehegrundrecht gem. Art. 6 Abs. 1 GG
a) Schutzbereich
Den Gewährleistungsgehalt von Art. 6 Abs. 1 GG beschreibt das BVerfG wie folgt:
„Das Ehe- und das Familiengrundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisten ein Recht, sich mit seinen Angehörigen beziehungsweise seinem Ehepartner in frei gewählter Weise und Häufigkeit zusammenzufinden und die familiären Beziehungen zu pflegen. Vom Familiengrundrecht erfasst sind die tatsächliche Lebens- und Erziehungsgemeinschaft der Kinder und ihrer Eltern, unabhängig davon, ob diese miteinander verheiratet sind, wie auch weitere spezifisch familiäre Bindungen, wie sie zwischen erwachsenen Familienmitgliedern und zwischen nahen Verwandten auch über mehrere Generationen hinweg bestehen können.“ (BVerfG, Pressemitteilung Nr. 101/2021 vom 30. November 2021)
Gewährleistet wird ein „Recht, sich mit seinen Angehörigen beziehungsweise seinem Ehepartner in frei gewählter Weise und Häufigkeit zusammenzufinden und die familiären Beziehungen zu pflegen“ (Rn. 108). Damit ist der Schutzbereich eröffnet.
b) Eingriff
In diesen Schutzbereich müsste durch die Kontaktbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IfSG eingegriffen worden sein. Zu dem Eingriff führt das BVerfG aus:
„Die Regelung machte vollstreckungsfähige Vorgaben [§ 73 Abs. 1a Nr. 11b IfSG] für private Zusammenkünfte sowohl im öffentlichen als auch im privaten Raum. Damit beschnitten die Kontaktbeschränkungen die Möglichkeiten, über die Ausgestaltung sowohl des familiären als auch des ehelichen Zusammenlebens selbst frei zu entscheiden. […] In unterschiedlichen Haushalten lebenden Kindern verbot das Gesetz, gemeinsam ihre Eltern zu besuchen. Erst recht schlossen die Kontaktbeschränkungen im Grundsatz das Zusammenkommen von mehr als drei in die Schutzbereiche fallenden Personen aus. Zulässig blieb insoweit lediglich der Kontakt über Mittel der Fernkommunikation.“ (Rn. 109)
Damit liegt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 6 I GG vor.
c) Rechtfertigung
Der Eingriff könnte verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein. Art. 6 Abs. 1 GG enthält keinen Schrankenvorbehalt und unterliegt damit lediglich verfassungsimmanenten Schranken (Rn. 116, wobei das BVerfG irrtümlicherweise von verfassungsunmittelbaren Schranken spricht). Das eingreifende Gesetz, das einem anderen Verfassungsgut dienen müsste, muss auch formell und materiell verfassungsgemäß sein.
aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit
Der Bund hat gem. Art. 72 Abs. 1, 74 Abs. 1 Nr. 19 GG die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit für Maßnahmen gegen übertragbare Krankheiten. Damit hatte er die Gesetzgebungskompetenz für Maßnahmen zur Eindämmung des Pandemiegeschehens im Zusammenhang mit der ansteckenden Krankheit Covid-19 (Rn. 118). Fehler im Gesetzgebungsverfahren und in der Form liegen nicht vor. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG war formell verfassungsmäßig.
bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit
An dieser Stelle geht das BVerfG zunächst auf die von den Beschwerdeführern gerügten Umstände ein, dass die gewählte Regelungsmechanik gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoße und das Bestimmtheitsgebot i.S.v. Art 103 Abs. 2 GG nicht gewahrt sei. Beide Aspekte verneint das BVerfG. Auf eine Darstellung der Prüfung sei an dieser Stelle verzichtet, um eine ausführliche Darstellung der Verhältnismäßigkeitsprüfung zu ermöglichen.

  • 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG müsste auch verhältnismäßig sein. Der Gesetzgeber muss dazu mit dem einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck verfolgen, das Gesetz muss geeignet sein diesen Zweck zu erreichen und dazu erforderlich sein und verhältnismäßig im engeren Sinne sein.

(1) Legitimes Ziel
Der Gesetzgeber müsste zunächst einen verfassungsrechtlich legitimen Zweck verfolgt haben. Hierzu hält das BVerfG fest:
„Jedenfalls bei Gesetzen, mit denen der Gesetzgeber von ihm angenommenen Gefahrenlagen für die Allgemeinheit oder für Rechtsgüter Einzelner begegnen will, erstreckt sich die Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht auch darauf, ob die dahingehende Annahme des Gesetzgebers hinreichend tragfähige Grundlagen hat […}. Gegenstand verfassungsgerichtlicher Überprüfung ist also sowohl die Einschätzung des Gesetzgebers zum Vorliegen einer solchen Gefahrenlage als auch die Zuverlässigkeit der Grundlagen, aus denen er diese abgeleitet hat oder ableiten durfte. Allerdings belässt ihm die Verfassung für beides einen Spielraum, der vom Bundesverfassungsgericht lediglich in begrenztem Umfang überprüft werden kann […]. (Rn. 170 f.)
Hier bezweckte der Gesetzgeber den Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung sowie die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems und damit die bestmögliche Krankenversorgung sicherzustellen (Rn. 174). Mit den Maßnahmen wollte der Gesetzgeber „ausdrücklich seine in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG wurzelnde Schutzpflicht erfüllen (vgl. BTDrucks 19/28444, S. 8). Dies umfasst den Schutz vor sämtlichen mit einer SARS-CoV-2-Infektion einhergehenden Gesundheits- und Lebensgefahren, insbesondere vor schweren Krankheitsverläufen und Langzeitfolgen (Long Covid).“ (Rn. 174).
Zur Bedeutung dieser Belange führt das BVerfG aus:
„Sowohl der Lebens- und Gesundheitsschutz als auch die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sind bereits für sich genommen überragend wichtige Gemeinwohlbelange und daher verfassungsrechtlich legitime Gesetzeszwecke […]. Aus Art. 2 Abs. 2 GG, der den Schutz des Einzelnen vor Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit und seiner Gesundheit umfasst […], kann zudem eine Schutzpflicht des Staates folgen, die eine Vorsorge gegen Gesundheitsbeeinträchtigungen umfasst […].“ (Rn. 176).
Die Annahmen des Gesetzgebers, die ihn zu seinem Tätigwerden veranlassten, stützten sich auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse des Robert Koch-Instituts, das das Pandemiegeschehen wissenschaftlich beobachtet und analysiert (Rn. 178). Dessen Einschätzungen schlossen sich mehrere wissenschaftliche Fachgesellschaften an (Rn. 181). Der Gesetzgeber stützte sich somit auf eine tragfähige Grundlage.
(2) Geeignetheit
Die Maßnahmen des § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG müssten zur Erreichung des verfassungsrechtlich legitimen Zwecks geeignet sein. Zu den Anforderungen an die Geeignetheit stellt das BVerfG fest:
„Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung bereits die Möglichkeit, durch die gesetzliche Regelung den Gesetzeszweck zu erreichen […]. Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetzgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes zu erreichen […].“ (Rn. 185).
Dieser Spielraum ist jedoch nicht unbeschränkt. Zwar dürfen bei schwerwiegenden Grundrechtseingriffen tatsächliche Unsicherheiten grundsätzlich nicht ohne Weiteres zulasten der Grundrechtsträger gehen (Rn. 185). Hier „war und ist insoweit gesicherte Erkenntnislage, dass SARS-CoV-2 über respiratorische Sekrete übertragen wird“ (Rn. 193).  Die sachkundigen Dritten führten aus, „dass jede Einschränkung von Kontakten zwischen Menschen einen wesentlichen Beitrag zur Eindämmung von Virusübertragungen leistet“ (Rn. 195).
Die Kontaktbeschränkungen gem. § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG waren somit zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung geeignet.
Auch wird durch geringere Infektionszahlen die Zahl der intensivpflichtig zu behandelnden Patienten verringert, sodass die Kontaktbeschränkungen auch geeignet sind, zur Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems beizutragen (Rn. 197).
(3) Erforderlichkeit
Die mit § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG getroffene Maßnahme müsste erforderlich sein. Das ist der Fall, wenn kein milderes aber gleich wirksames Mittel zur Verfügung steht. Auch hierbei kommt dem Gesetzgeber Spielraum zu, „die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen auch im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren“ (Rn. 204). Als alternative Maßnahmen kommen der Schutz durch Impfung und die Ausgestaltung von Verhaltensregeln bei Kontakten in Betracht.
Im Zeitpunkt des Inkrafttretens von § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG war allerdings lediglich ein sehr geringer Teil der Bevölkerung doppelt geimpft und aufgrund der zu dieser Zeit herrschenden Impfstoffknappheit war mit einer schnell steigenden Impfquote nicht zu rechnen (Rn. 206). Der Schutz vor Infektionen mit SARS-CoV-2 bzw. vor einer Transmission der Erreger allein durch die Impfung erreicht damit nicht dieselbe Wirksamkeit (Rn. 206).
Zur Alternative der Ausgestaltung von Verhaltensregeln bei Kontakten führt das BVerfG aus: „Verhaltensregeln für ansonsten personell unbeschränkte Kontakte stellten ebenfalls kein gleich wirksames Mittel dar. Zwar können nach gesicherter Erkenntnis Vorkehrungen getroffen werden, um zwischenmenschliche Kontakte möglichst infektionsarm verlaufen zu lassen. Das ordnungsgemäße Tragen von Mund und Nase bedeckenden Masken kann das Infektionsrisiko […] ebenso reduzieren wie das Abstandhalten, Hygienemaßnahmen und das Lüften von Räumen. Gesicherte Erkenntnisse darüber, dass das Infektionsrisiko bei der Einhaltung solcher Regeln gleichermaßen ausgeschlossen wäre, wie bei dem gänzlichen Verbot menschlicher Ansammlungen, existieren dagegen nicht.“ (Rn. 210)
Damit stellen Verhaltensregeln keine gleich wirksame Alternative dar. Die mit § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG getroffenen Regelungen waren erforderlich.
(4) Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne
Der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung dürfte nicht außer Verhältnis zur Schwere des damit verbundenen Eingriffs liegen (Rn. 216). In den Worten des BVerfG:
„Um dem Übermaßverbot zu genügen, müssen hierbei die Interessen des Gemeinwohls umso gewichtiger sein, je empfindlicher die Einzelnen in ihrer Freiheit beeinträchtigt […]. Umgekehrt wird gesetzgeberisches Handeln umso dringlicher, je größer die Nachteile und Gefahren sind, die aus gänzlich freier Grundrechtsausübung erwachsen können […].“ (Rn. 216)
Die Kontaktbeschränkungen führten dazu, dass es den Betroffenen verwehrt war,
„sich in frei gewählter Weise zusammenzufinden. Durch die Anknüpfung an einen Haushalt schlossen die Kontaktbeschränkungen auch persönliche Begegnungen zwischen Personen mit besonders nahen familiären, durch Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Bindungen aus, wie typischerweise im Eltern-Kind-Verhältnis, wenn es sich um Kinder in einem Alter über 14 Jahren handelte. Das Verbot privater Zusammenkünfte galt zudem auch in Konstellationen, in denen regelmäßig die persönliche Begegnung zwischen in verschiedenen Haushalten lebenden nahen Familienangehörigen besondere Bedeutung hat, wie dies etwa bei dem persönlichen Kontakt zwischen erwachsenen Kindern und ihren Eltern beziehungsweise einem Elternteil der Fall sein kann. So ließ § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG etwa den zeitgleichen Besuch von erwachsenen, in verschiedenen Haushalten lebenden Geschwistern bei einem in einem eigenen Haushalt lebenden Elternteil nicht zu.“ (Rn. 220)
Das BVerfG geht in einem ersten Schritt somit von einem deutlich schwerwiegenden Eingriff aus. In einem zweiten Schritt geht es dann auf die Umstände ein, die die Intensität des Eingriffs mildern. Relevant sind hier die vom Gesetzgeber getroffenen Ausnahmeregelungen. So wird die Intensität des Eingriffs in Art. 6 Abs. 1 GG insbesondere dadurch gemildert, dass für Personen eines Haushalts untereinander keine Beschränkungen galten (Rn. 226). Auch dass eine zusätzliche Person mit allen zu einem Haushalt gehörenden agieren durfte, sieht es als Erleichterung insbesondere für Alleinerziehende (Rn. 226). Zudem blieben Kontakte zur Ausübung des Sorge- oder Umgangsrechts blieben ohnehin vollumfänglich gestattet, § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz IfSG (Rn. 226). Außerdem sei die Eingriffsintensität „durch den dynamisch am Pandemiegeschehen ausgerichteten und regional differenzierenden Regelungsansatz in § 28b IfSG erheblich begrenzt“ und auch die zeitliche Befristung des Gesetzes wirke sich mindern aus (Rn. 226).
Auf der anderen Seite spricht das BVerfG den verfolgten Zwecken des Lebens- und Gesundheitsschutzes und der Aufrechterhaltung eines funktionsfähigen Gesundheitssystems „überragende Bedeutung“ (Rn. 227) zu. Angesichts des dynamischen Infektionsgeschehens bestand im maßgeblichen Zeitpunkt ein dringender Handlungsbedarf (Rn. 227 f.). Insbesondere ließ „[d]er Blick in teilweise noch stärker vom Pandemiegeschehen betroffene Nachbarstaaten […] eine weitergehende Eskalation befürchten“ (Rn. 229). Der Gesetzgeber durfte davon ausgehen, „dass es darauf ankam, die Dynamik des Infektionsgeschehens möglichst umfassend und rasch zu durchbrechen, um die Bevölkerung vor Gefahren für Leib und Leben durch ein außer Kontrolle geratenes Infektionsgeschehen und eine dadurch bewirkte Funktionsunfähigkeit des Gesundheitssystems zu bewahren.“ (Rn. 230).
Indem der Gesetzgeber Ausnahmeregelungen getroffen und die Kontaktbeschränkungen an sich begrenzt ausgestaltet hat, hat er die kollidierenden Verfassungsgüter in einen verfassungsgemäßen Ausgleich gebracht (Rn. 232). Die Maßnahme der Kontaktbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG war verhältnismäßig im engeren Sinne.
d) Zwischenergebnis

  • 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG greift in die Rechte der Beschwerdeführer aus Art. 6 Abs. 1 GG ein. Der Eingriff ist jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

2. Allgemeine Handlungsfreiheit
a) Schutzbereich
Art. 2 Abs. 1 GG ist ein Jedermann-Grundrecht, sodass der persönliche Schutzbereich für die Beschwerdeführer als natürliche Personen eröffnet ist.
Der sachliche Schutzbereich umfasst „jede Form menschlichen Handelns ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht der Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt […]. Selbstverständlich erfasst das auch das Zusammentreffen mit beliebigen anderen Menschen.“ (Rn. 112)
Damit ist der Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit gem. Art. 2 Abs. 1 GG eröffnet.
b) Eingriff
Indem die Kontaktbeschränkungen solche Zusammentreffen unter Bußgeldandrohung beschnitten, wurde dadurch in die allgemeine Handlungsfreiheit „über die Beeinträchtigung von Art. 6 Abs. 1 GG hinausgehend“ (Rn. 112) eingegriffen.
c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Die allgemeine Handlungsfreiheit unterliegt den Schranken von Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Im Ergebnis erkennt das BVerfG aus den oben genannten Gründen auch den Eingriff in die Rechte aus Art. 2 Abs. 1 GG als gerechtfertigt an. Zudem sieht es die ergänzende Bußgeldvorschrift als gerechtfertigt an (Rn. 237).
3. Allgemeines Persönlichkeitsrecht
a) Schutzbereich
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ist ein Jedermann-Grundrecht, sodass der persönliche Schutzbereich für die Beschwerdeführer als natürliche Personen eröffnet ist.
Zum sachlichen Schutzbereich führt das BVerfG aus:
„Das allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleistet solche Elemente der Persönlichkeitsentfaltung, die – ohne bereits Gegenstand der besonderen Freiheitsgarantien des Grundgesetzes zu sein – diesen in ihrer konstituierenden Bedeutung für die Persönlichkeit nicht nachstehen […]. Danach schützt es zwar nicht jegliche Zusammenkunft mit beliebigen anderen Personen, bietet jedoch Schutz davor, dass sämtliche Zusammenkünfte mit anderen Menschen unterbunden werden und die einzelne Person zu Einsamkeit gezwungen wird. Anderen Menschen überhaupt begegnen zu können, ist für die Persönlichkeitsentfaltung von konstituierender Bedeutung.“ (Rn. 113)
Auch dieser Schutzbereich ist eröffnet.
b) Eingriff
Die Maßnahmen könnten in diesen Aspekt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts insbesondere dann eingreifen, wenn alleinstehende und -lebende Personen betroffen sind. Bezüglich eines Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht ergänzt das BVerfG:
„Für sie [gemeint sind die alleinstehenden- und lebenden Personen] konnte es während der Geltungsdauer der Beschränkungen schwierig sein, überhaupt anderen Menschen zu begegnen. Insoweit halfen die Ausnahmen nach § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 zweiter Halbsatz IfSG nicht. Sie waren auf familiäre Beziehungen ausgerichtet und konnten deshalb nicht verhindern, dass alleinstehende Personen Gefahr liefen, eine Zeit besonderer Isolation zu erleben. Sie waren jeweils darauf angewiesen, eine andere Person zu finden, die sich gerade mit ihnen treffen wollte und dafür bereit war, auf alternative Begegnungsmöglichkeiten zu verzichten. Für alleinstehende und -lebende Menschen konnte das die Möglichkeit der Begegnung mit anderen Menschen so sehr erschweren, dass dies vor dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht gerechtfertigt werden musste.“ (Rn. 114)
c) Verfassungsrechtliche Rechtfertigung
Auch hier sei auf die obigen Ausführungen verwiesen. Innerhalb der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne ist freilich auf die Schwere des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht abzustellen. Wie bei Art. 6 Abs. 1 GG stellte das BVerfG fest, dass der Eingriff besonders schwer wiegt, insbesondere für alleinstehende oder –lebende Personen (Rn. 221). Auch die Tatsache, dass das öffentliche Leben im Übrigen stark eingeschränkt war das Risiko der Vereinsamung bestand, führte zu einer erheblichen Schwere des Eingriffs (Rn. 221).
Im Ergebnis sei der Eingriff aus den oben aufgeführten Erwägungen jedoch gerechtfertigt.
4. Zwischenergebnis zu den Kontaktbeschränkungen
Die Kontaktbeschränkungen gemäß § 28b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 IfSG greifen in die Rechte aus Art. 6 Abs. 1 GG, in die allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG ein. Die Eingriffe sind jedoch verfassungsmäßig gerechtfertigt.
 
Teil 2 dieses Beitrags, der sich mit der Verfassungsmäßigkeit von Ausgangsbeschränkungen befasst, folgt kommende Woche hier auf www.juraexamen.info.

09.12.2021/1 Kommentar/von Alexandra Ritter
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Alexandra Ritter https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Alexandra Ritter2021-12-09 11:33:052021-12-09 11:33:05Die Bundesnotbremse vor dem BVerfG
Dr. Lena Bleckmann

Der Entschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Vererblichkeit

Deliktsrecht, Erbrecht, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Im Juni 2017 verstarb Altkanzler Helmut Kohl. In den Jahren zuvor hatte er einen Rechtsstreit gegen einen Autor geführt, der auf Grundlage von ursprünglich für die Memoiren Kohls geführten Interviews das Buch „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ veröffentlichte. Kohl sah sich hierin falsch zitiert und machte insgesamt 116 Verletzungen seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerichtlich geltend und verlangte hierfür neben Unterlassung insbesondere Geldentschädigung. Eine Entschädigung in Höhe von 1.000.000 Euro sprach das LG Köln dem Altkanzler auch zu (LG Köln. Urt. v. 27.4.2017 – 14 O 323/15, BeckRS 2017, 125934). Vor Rechtskraft des Urteils verstarb Kohl allerdings, der Rechtsstreit wurde durch seine Witwe und Alleinerbin weitergeführt. Nun hat er ein Ende gefunden – der BGH hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2021 (Az. VI ZR 258/18) mangels Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs in dieser Hinsicht abgewiesen (siehe PM Nr. 218/2021 v. 29.11.2021).
Diese topaktuelle Entscheidung sollte Anlass geben, sich mit dem Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auseinanderzusetzen. Dieser ist bei Prüfern nicht unbeliebt, die Klausur- und Examensrelevanz dürfte durch die neue Entscheidung noch steigen. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Prüfung und beleuchtet insbesondere die Frage der Vererblichkeit des Anspruchs.
I. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB
Nach § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird hier nicht ausdrücklich als Schutzgut genannt. Die Erweiterung des Tatbestands um „sonstige Rechte“ gewährleistet allerdings einen Schutz anderer absoluter Rechte über die Aufzählung hinaus. Einschränkend ist der Begriff des „sonstigen Rechts“ so zu verstehen, dass es sich um ein mit Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum vergleichbar bedeutsames, absolutes Recht handeln muss (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 143). Dass hierzu auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt, ist heute einhellig anerkannt (BeckOK BGB/Förster, § 823 Rn. 177; Schulze BGB, § 823 Rn. 42).
Neben dem Ersatz materieller Schäden kann auf Grundlage des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auch eine Geldentschädigung für einen entstandenen Nichtvermögensschaden erlangt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass ein hinreichend schwerer Eingriff vorliegt und die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise ausgeglichen werden kann (etwa BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029 (2033). Hierbei handelt es sich nicht im immateriellen Schadensersatz nach § 253 BGB. Vielmehr gründet der Entschädigungsanspruch unmittelbar auf dem Schutzauftrag des verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsrechts (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 389). Dem Anspruch kommt dabei in erster Linie eine Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion zu, wobei die Genugtuung im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1994 – VI ZR 56/94, NJW 1995, 861 (865)).
II. Hinweise zur Prüfung des Anspruchs nach § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG
Die Prüfungsreihenfolge der Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB gilt auch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – festzustellen sind mithin Rechtsgutsverletzung, Verletzungshandlung, haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden. Zur Feststellung, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen ist, sind Kenntnisse aus dem Verfassungsrecht erforderlich, die von dort bekannten Fallgruppen gelten auch hier. Besondere Aufmerksamkeit bedarf bei der Prüfung des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit. Denn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist, wie das ebenfalls als „sonstiges Recht“ geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein sog. Rahmenrecht. Rahmenrechte dienen als Auffangtatbestände dem Füllen von Schutzlücken (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (912)). Notwendigerweise unterliegt ihr Schutzbereich daher keiner festen Grenzziehung. Die hieraus folgende Weite führt dazu, dass nicht jedes den Schutzbereich betreffende Verhalten als rechtswidrig eingeordnet werden kann – anders als bei der Verletzung anderer von § 823 Abs. 1 BGB geschützter Rechtsgüter wird die Rechtswidrigkeit daher nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern ist positiv festzustellen (MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 7). Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der aufseiten des Schädigers bestehende, schutzwürdige Interessen ebenso zu berücksichtigen sind, wie die Intensität des Grundrechtseingriffs aufseiten des Betroffenen. Diese ist unter Heranziehen der Sphärentheorie des BVerfG zu bestimmen (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (914)). Auch eine Wiederholung des Eingriffs kann eine besondere Schwere begründen (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 391).

Hinweis: Soweit hier Lücken bestehen, sollte der Streit zur Prüfung der Rechtswidrigkeit im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB (Stichwort Lehre vom Handlungs-/Erfolgsunrecht) wiederholt werden.

Aus dem Charakter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht folgt weiterhin seine Subsidiarität – speziellere Persönlichkeitsrechte sind daher vorrangig zu prüfen! (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (915))
III. Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs
Besteht der Entschädigungsanspruch nun, ist der Geschädigte aber verstorben, so wie es im Fall von Helmut Kohl geschehen ist, stellt sich die Frage nach dem Anspruchsübergang auf dessen Erben. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über.
Für eine Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs wurde diejenige des Schmerzensgeldes angeführt – seit der Abschaffung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. zum 1.7.1990 können Schmerzensgeldansprüche im Todesfalle auf die Erben übergehen. Bei abweichender Beurteilung im Rahmen des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG soll ein Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (siehe Nachweise bei BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871).
In der genannten Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 schloss sich der BGH indes der Gegenansicht an; ausgehend vom Zweck des Entschädigungsanspruchs wurde die Vererblichkeit verneint.
„Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus. Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht. Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient. Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung – auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung – aber nicht alleine zu tragen. Dies wirkt sich nicht nur – wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen – auf die Beurteilung der Frage aus, ob der Geldentschädigungsanspruch auch unabhängig von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er – wie im vorliegend zu beurteilenden Fall – bei Fortfall dieser Funktion weiterbestehen kann.“ (BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2872 f.), Nachweise im Zitat ausgelassen).
Aus der Streichung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. lasse sich auch kein anderweitiger gesetzgeberische Wille ableiten (BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2872); ebenso Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005)). Weiterhin soll sich an der fehlenden Vererblichkeit auch weder durch die Anhängigkeit des Anspruchs (hierzu BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2873)), noch durch dessen Rechtshängigkeit etwas ändern (hierzu BGH, Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005 f.)). Mit Eintritt der Rechtskraft allerdings kann der Anspruch vererbt werden, da sodann eine gesicherte Rechtsposition entstanden ist. Hierzu der BGH:
„Der erkennende Senat hat bereits mehrfach klargestellt, dass bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht, während der Präventionsgedanke die Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag. Der Senat hat deshalb für die Frage der Vererblichkeit eines bereits anhängigen Entschädigungsanspruchs ausgeführt, dass die Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage nichts daran ändert, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert. Aus dem Gedanken der Genugtuung folgt weiter, dass auch ein rechtshängiger Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Denn ebenso wenig wie der Erblasser Genugtuung bereits mit der Einreichung der Klage erlangt, erlangt er sie mit deren Zustellung. Sie tritt erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung ein. Denn mit der Rechtskraft und nicht – wie die Revision meint – mit der Zustellung der Klage, mit der allenfalls eine Aussicht auf Genugtuung entsteht, wird eine gesicherte Position erlangt. Der Senat hat in dem Urteil vom 29.4.2014 formuliert, sterbe der Erblasser, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden sei, verliere die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Daraus kann nicht abgeleitet werden, Genugtuung werde erst mit der Erfüllung erlangt. Stirbt der Erblasser nach Rechtskraft der Entscheidung, geht der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf seinen Erben über.“ (BGH, Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005 f.), Nachweise im Zitat ausgelassen, Hervorh. d. Verf.).
IV. Festhalten an der Rechtsprechungslinie auch im Jahr 2021
An dieser Entscheidungspraxis hält der BGH ausweislich der Pressemitteilung zum Abschluss des Verfahrens im Fall Kohl fest: Durchgreifende Gründe, die Rechtsprechung aufzugeben, habe der Senat nicht gesehen (PM Nr. 218/2021 v. 29.11.2021). Da die Entscheidung des LG Köln, die dem Altkanzler einen Entschädigungsanspruch zusprach, zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht rechtskräftig war, geht der Anspruch in Millionenhöhe nicht auf seine Witwe und Alleinerbin über.
Viel Neues folgt aus der Entscheidung also nicht – für Studenten wie Examenskandidaten ist sie gleichwohl wichtig, denn dem einen oder anderen Prüfer dürfte sie in Erinnerung rufen, wie gut sich doch eine Prüfung des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit erbrechtlichem Einschlag für Klausuren in Studium und Examen eignet.
 

02.12.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-12-02 09:19:482021-12-02 09:19:48Der Entschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Vererblichkeit
Gastautor

Jur:Next Urteil: Die Kleider des Strafgefangenen

Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Der nachfolgende Beitrag stammt aus der gemeinsamen Kooperation mit jur:next und behandelt einen examensrelevanten Beschluss des BVerfG bzgl. der Unterbringung eines unter Videoüberwachung stehenden, vollständig entkleideten Strafgefangenen im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.
 
Beschluss des BVerfG vom 18. März 2015 Az.: – 2 BvR 1111/13 –
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Unterbringung eines Strafgefangenen in einem besonders gesicherten Haftraum mit Videoüberwachung unter vollständiger Entkleidung.
Leitsatz: „Im Hinblick auf die Ausstrahlungswirkung des Art. 1 Abs. 1 GG auf den Inhalt des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und die hieraus resultierende besondere Wertigkeit dieses Schutzgutes berührt die Unterbringung in einem besonders gesicherten Haftraum mit permanenter Videoüberwachung bei vollständiger Entkleidung die durch Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG geschützte Intimsphäre des Betroffenen.“
I. Zum Sachverhalt
Der Beschwerdeführer (B) war in der Abteilung für psychisch auffällige in der Justizvollzugsanstalt Kassel untergebracht, wo eine Zahnarztsprechstunde vorgesehen war. Nachdem diese Behandlung nicht durchgeführt werden konnte, begann der Gefangene gegen seine Haftraumtür zu schlagen und zu treten. Daraufhin wurde dieser in einen besonders gesicherten videoüberwachten Haftraum ohne gefährdende Gegenstände verbracht und dort zum Ausschluss von Selbstverletzungen vollständig entkleidet. Der Haftraum war zwar dauerhaft beheizt, jedoch erhielt der B erst am folgenden Tag eine Hose und eine Decke aus schnell reißendem Material. Dies wurde von der JVA unter Verweis auf § 88 I, III iVm. Abs. 2 Nr. 1 StVollzG damit begründet, dass anfangs zu befürchten gewesen sei, dass er diese verwenden könne, um eine Überschwemmung des Haftraums durch Verstopfen der Toilette zu erzielen. Nach Beschreiten des Rechtsweges vor dem LG Kassel („Antrag auf gerichtliche Entscheidung“ nach § 109 I StVollzG)[1] und vor dem OLG Frankfurt („Rechtsbeschwerde“ nach § 116 I StVollzG)[2], die die Maßnahmen der JVA unbeanstandet ließen erhob B frist- und formgerecht Verfassungsbeschwerde vor dem BVerfG. Er sah sich durch die JVA einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt, was das LG im Urteil und das OLG zudem in der unzulässigen Ablehnung der Verfahrensrüge verkannt hätten.
II. Problemaufriss
Die Zulässigkeit der VfB richtet sich nach Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 13 I Nr. 8 a BVerfGG. Beschwerdegegenstand ist einerseits die vollständig entkleidete Unterbringung als Akt der Exekutive sowie die darauf bezogenen bestätigenden Urteile der Gerichte als Akte der Judikative. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass B durch die Maßnahmen der JVA, aber auch durch die Urteile in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 GG selbst, gegenwärtig und unmittelbar betroffen ist, womit er auch beschwerdebefugt ist. Zwar sind die Maßnahmen der JVA bereits vollstreckt und der B ist zwischenzeitlich aus der Haft entlassen worden, jedoch wirken die bestätigenden Urteile immer noch belastend. Zudem stellt das BVerfG klar, dass auch das Rechtsschutz-interesse nicht entfallen ist: „[…] wenn gewichtige Grundrechtsverletzungen in Frage stehen, besteht das Rechtsschutzinteresse trotz Erledigung fort.“[3] Der Grundsatz der Subsidiarität erfordert, dass zudem alle sonstigen Mittel, die dem Beschwerdeführer zur Korrektur der Verletzung zur Verfügung stehen, ergriffen werden müssen. Die nach § 116 Abs. I StVollzG erhobene Verfahrensrüge, mit der die Verletzung der Amtsaufklärungspflicht gerügt wird, ist wie der Grds. der Subsidiarität nur dann ausgeschöpft, wenn der Beschwerdeführer angibt, auf welchem Weg die Strafvollstreckungskammer die erstrebte Aufklärung hätte versuchen müssen. Nach Sinn und Zweck dieses Grundsatzes ist aber dann kein ausdrückliches Vorbringen zu bestimmten Rügepunkten zu verlangen, wenn sich bereits aus dem angegriffenen Beschluss selbst tatsächliche Anhaltspunkte dafür ergeben, den zur Entscheidung unterbreiteten Fall unter ganz bestimmten Gesichtspunkten zu würdigen.[4] Vor diesem Hintergrund hatte B einen durchgreifenden Verfahrensmangel gerügt und so mit seiner Rechtsbeschwerde alles ihm Zumutbare zur gerichtlichen Korrektur unternommen. Form und Frist gemäß §§ 23 I, 93 I S. 1 BVerfGG waren, da er sich zumindest auch gegen das letzte Urteil des OLG wendete, gewahrt. Die VfB ist somit insgesamt zulässig.
Begründet ist die VfB gemäß Art. 93 I Nr. 4 a GG, wenn der Akt öffentlicher Gewalt in den Schutzbereich eines Grundrechts eingreift und dieser Eingriff verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Die Urteilsverfassungsbeschwerde ist in den folgenden Fällen begründet: die Rechtsgrundlage ist verfassungswidrig; der Einfluss der Grundrechte wurde ganz oder grds. verkannt; die Rechtsanwendung ist grob oder offensichtlich willkürlich oder die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung wurden überschritten.
Das Urteil des OLG Frankfurt könnte zunächst die Reichweite der Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG[APR]) verkannt haben. Der Schutzbereich der Menschenwürde (Art. 1 I GG) umfasst als tragendes Konstitutionsprinzip im System der Grundrechte den sozialen Wert – und Achtungsanspruch, der dem Mensch aufgrund seiner Subjektqualität zukommt.[5] Gerade auch im Strafvollzug müssen die Voraussetzungen eines menschenwürdigen Daseins dem Gefangenen erhalten bleiben. Aus dieser Prägung des APR durch Art. 2 I iVm Art. 1 I GG ergibt sich der Bereich einer geschützten Intimsphäre des Betroffenen. Dieser war durch die vollständig entkleidete Unterbringung in einem Haftraum mit permanenter Videoüberwachung der ständigen Beobachtung durch die Vollzugsbediensteten ausgesetzt, womit ein Eingriff in die Intimsphäre vorliegt.[6] An dieser Stelle verweist das BVerfG zudem auf die Wertungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die bei der Auslegung der Grundrechte des Grundgesetzes zu berücksichtigen sind. Dieser hatte auch bei Vorliegen einer ernsthaften Gefahr der Selbstverletzung oder Selbsttötung festgestellt, dass der Gefangene durch die Entziehung der Kleidung bei gleichzeitiger Videoüberwachung einer unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ausgesetzt ist.[7]
Der Schutzbereich des Rechts auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 II S. 1 GG) umfasst die menschliche Gesundheit im biologosch-physiologischen Sinne.[8] Der Gefangene musste die Nacht ohne Kleidung und Bettwäsche verbringen und war so zumindest einer Beeinträchtigung des körperlichen Wohlbefindens durch „Frieren“ ausgesetzt. Angaben bezüglich der Temperatur oder dessen regelmäßigen Kontrolle fehlten in den Aussagen der JVA und der Urteile, sodass bereits aufgrund diesen Umstands eine Unterkühlung nicht auszuschließen und ein Eingriff in Art. 2 II S. 1 GG vorliegt.[9]
Weiterhin könnte ein Eingriff in das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) durch das Verkennen der Zulässigkeit der Verfahrensrüge vor dem OLG vorliegen. Aufgrund der gegebenen Rechtswegmöglichkeiten ist konsequenterweise nicht jede Verkennung von Grundrechten bzw. der Zulässigkeit von Klagen ein Eingriff in Art. 19 IV GG. Das Grundrecht ist jedoch dann berührt, wenn ins Auge springende Grundrechtsverletzungen im Haftvollzug von den Gerichten in der Folge ohne ausreichende Sachverhaltsaufklärung als rechtmäßig bestätigt werden.[10] Die JVA hatte hier vorgetragen, dass die Darlegungen des Gefangenen nicht den Tatsachen entsprächen, das LG dem offenbar ohne Weiteres Glauben geschenkt und schließlich das OLG die dies betreffende Verfahrensrüge ohne weitere Prüfung wegen formeller Mängel abgelehnt (§ 118 Abs. 2 Satz 2 StVollzG), sodass auch ein Eingriff in Art. 19 IV GG vorliegt.
Die Rechtfertigung der Eingriffe erfordert eine verfassungsgemäße Rechtsgrundlage und deren verfassungsgemäße Anwendung. Ermächtigungsgrundlage für die Bestätigung des rechtmäßigen Handelns der JVA in den Urteilen war § 88 I, III iVm. II Nr. 1 StVollzG. Zur Verfassungsmäßigkeit der Norm bezieht das BVerfG keine Stellung. In einer Klausur sollte aber zumindest klargestellt werden, dass „der Entzug oder die Vorhaltung von Gegenständen“ (§ 88 II Nr. 1 StVollzG) als schwerwiegender Eingriff in das APR nur durch gleichwertige Verfassungsgüter („Abwendung erheblicher Gefahren für den Gefangenen“) gerechtfertigt sein kann. Dem Rahmen möglicher verfassungskonformer Auslegung genügt es nur dann, wenn es eng begrenzte Anwendungsräume gibt und die Maßnahme systematisch ultima ratio ist. Der Eingriff durch das Urteil in Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG bzw. Art. 2 II S. 1 GG wäre dann gerechtfertigt, wenn in der Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen der „Abwendung erheblicher Gefahren für den Gefangenen“ (§ 88 I StVollzG) oder der „Gefahr erheblicher Störung der Anstaltsordnung“ (§ 88 III StVollzG) der Reichweite der Grundrechte genüge getan worden wäre. Die Wegnahme einzelner Kleidungsstücke kann in diesem Zusammen-hang insbesondere bei Suizidgefahr zwar gerechtfertigt sein. Der Grundsatz der Verhältnis-mäßigkeit erfordert bezüglich dieses legitimen Ziels jedoch einen angemessen Ausgleich zur Erheblichkeit des Eingriffs. So konnte dem Gefangenen als milderes Mittel Ersatzkleidung aus schnell reißendem Material zur Verfügung gestellt werden, um ihn nicht zum bloßen Objekt des Strafvollzuges zu degradieren. Dieses war auch gleich geeignet, da die auf das bloße Trommeln an die Zellentür gestützte Annahme der Selbstgefährdung nicht trägt. Im Hinblick auf die zusätzliche Möglichkeit der Videoüberwachung, durch die auch ein etwaiges Verstopfen der Toilette unmittelbar hätte verhindert werden können, war die Maßnahme damit bereits nicht erforderlich. Somit das stellt das Urteils des LG bloße Ordnungsbelange über den die Würde berührenden Intimbereich des Betroffenen und verkennt die Tragweite von Art. Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG bzw. Art. 2 II S. 1 GG. Bezüglich des Eingriffs in Art. 19 IV GG ist festzustellen, dass die bloße Darstellung des LG der (strittigen) ausreichenden Beheizung des Haftraums nicht ausreichend ist. Sie verkennt, dass bei „einer kumulativen Anordnung einzelner Sicherungsmaßnahmen die Notwendigkeit jeder einzelnen Maßnahme detailliert zu begründen ist.“[11] Die daran anschließende automatische Ablehnung der Verfahrensrüge wegen formeller Mängel vor dem OLG stellt eine unzumutbare, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigende Erschwerung des effektiven Rechtsschutzes dar.
III. Bedeutung für das Studium
Das BVerfG setzt seine Argumentation zu der Behandlung von Strafgefangenen in konkretisierender Weise fort.[12] Diese ist in Bezug auf die Wahrung des APR und des effektiven Rechtsschutzes überaus linear, klar und somit essentielles Basiswissen für jeden im Examen. Abgesehen davon gilt es den immer wiederkehrenden vermischenden Strukturen in den Entscheidungen des BVerfG zu trotzen und eine saubere Prüfung nach den einzelnen Grundrechten und den angegriffenen öffentlichen Akten durchzuführen. Besonders auffällig wird in dieser Entscheidung dabei auch, wie unklar oft die Grenze zu einer Superrevisionsentscheidung verläuft. So darf das BVerfG nur die spezifische Verletzung von Verfassungsrecht in den angeführten Urteilen rügen. Diese Grenze verwischt im vorliegenden Beschluss immer wieder, wenn der von den Vorgerichten bereits ermittelte Sachverhalt in Frage gestellt, anders ausgelegt, oder gar ein Eingriff aufgrund des Fehlens anderslautender Sachverhaltsermittlungen (bspw. zu Art. 2 II GG) einfach angenommen wird. Diese Ungenauigkeiten des BVerfG sind übrigens daher in einer Examensklausur absolut verboten.
 
[1] Beschl. des LG Kassel v. 12.06.2012 – 3 StVK 12/11.
[2] Beschl. des OLG Frankfurt am Main v. 26.02.2013 – 3 Ws 695/12 (StVollz).
[3] 2 BvR 553/01 -, NJW 2002, 2699 (2700).
[4] Vertiefend dazu: BVerfG, Beschl. v. 18.06.2008 – 2 BvR 1119/07 -, juris, Rn. 16.
[5] Jarass/Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 6.
[6] Vgl. Rn. 30.
[7] Verstößt insofern gegen Art. 3 der EMRK, vgl. EGMR, Hellig v. Germany, Urt. v. 07.07.2011 – 20999/05 -, § 56 f.
[8] Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 II, Rn. 83.
[9] So das BVerfG durchaus vage in Rn. 43.
[10] Vgl.Rn.39.
[11] Rn. 36.
[12] Vgl. dazu auch BVerfG, Beschl. v. 15.07. 2010 – 2 BvR 1023/08.

09.05.2015/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2015-05-09 09:01:232015-05-09 09:01:23Jur:Next Urteil: Die Kleider des Strafgefangenen
Redaktion

Notiz: OLG Koblenz zur Löschung erotischer Aufnahmen nach Ende einer Beziehung

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Schon gelesen?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist in Examensklausuren und mündlichen Prüfungen äußerst beliebter Prüfungsstoff (eine Reihe von Beiträgen, die examensrelevante Konstellationen behandeln, findet sich etwa hier). Das OLG Koblenz hatte in diesem Zusammenhang einen Fall zu entscheiden, in dem die Löschung gemeinsamer Bild- und Videoaufnahmen nach dem Ende eine Beziehung verlangt wurde (Urteil vom 20.05.2014 – 3 U 1288/13).

Löschung intimer Aufnahmen

Das OLG verneinte dabei einen umfassenden Anspruch gegen den früheren Partner auf Löschung von überlassenen Dateien mit eigenen Foto- und Videoaufnahmen. Erotische und intime Aufnahmen seien hingegen nach dem Ende der Beziehung zu löschen.

Nach Auffassung des OLG stellt die während einer Beziehung im Einvernehmen erfolgte Fertigung von Lichtbildern und Filmaufnahmen keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der abgebildeten Person dar. Die Einwilligung habe auch zum Inhalt, dass der Andere die Aufnahmen im Besitz habe und über sie verfüge. Der Widerruf des Einverständnisses sei aber nicht ausgeschlossen, wenn aufgrund veränderter Umstände dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen Vorrang vor dem Umstand zu gewähren sei, dass er/sie der Anfertigung der Aufnahmen zu irgend einem Zeitpunkt zugestimmt habe. Das sei nach Beendigung der Beziehung der Fall, wenn es sich um intime und damit den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts betreffende Aufnahmen handele. Der Anspruch auf Löschung digitaler Fotografien und Videoaufnahmen sei auf diesen Bereich beschränkt.

Keine vollständige Löschung

Die vollständige Löschung könne hingegen bei einer Abwägung der Persönlichkeitsrechte des Betroffenen mit den Eigentumsrechten auf Seiten des Inhabers der Bilder nicht beansprucht werden. Anders als bei intimen Aufnahmen seien Lichtbilder, welche den/die Betroffene(n) im bekleideten Zustand in Alltags- oder Urlaubssituationen zeigten, in einem geringeren Maße geeignet, sein/ihr Ansehen gegenüber Dritten zu beeinträchtigen. Es sei allgemein üblich, dass Personen, denen die Fertigung von Aufnahmen bei Feiern, Festen und im Urlaub gestattet werde, diese auf Dauer besitzen und nutzen dürfen.

24.05.2014/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2014-05-24 13:34:212014-05-24 13:34:21Notiz: OLG Koblenz zur Löschung erotischer Aufnahmen nach Ende einer Beziehung
Dr. Simon Kohm

BVerwG zum Haar- und Barterlass der Bundeswehr – Ein Prüfungsgespräch

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In zwei Entscheidung vom 17.12.2013 (Volltext steht noch aus) (Az. 1 WRB 2.12, 1 WRB 2.12) hat sich das BVerwG mit dem Haar- und Barterlass der Bundeswehr beschäftigt. Wie auch die Schule ist die Bundeswehr ein Tummelplatz für Probleme des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts und des Prozessrechts. Grund hierfür ist insbesondere die Stellung des Soldaten, einerseits als weisungsgebundener Beamter, andererseits als Bürger mit subjektiven Rechten. Grund genug, sich mit diesem aktuellen Fall zu beschäftigen – vorliegend einmal in Gestalt eines Prüfungsgesprächs im Rahmen der  mündlichen Prüfung.
Stellen Sie sich bitte folgenden Sachverhalt vor: Soldat S ist noch vor der Abschaffung der Wehrpflicht freiwillig Wehrdienstleistender. Zu seinem Dienstantritt trug er 40cm lange Haare, die offen auf den Rücken fielen. Seine Haare sicherte er in der Folge mit Haargummis, also zu einem Pferdeschwanz gebunden, der bis zu den Schulterblättern reichte, später trug er die Haare hochgebunden. Dem S wurde mehrfach von seinen Dienstvorgesetzten vorgegeben, seinen Haarschnitt dem sog. Haar- und Barterlass der Bundeswehr anzupassen. Dieser besagt für die Haare männlicher Soldaten:

Haare müssen am Kopf anliegen oder so geschnitten sein, dass Ohren und Augen nicht bedeckt werden; das Haar muss so getragen werden, dass bei aufrechter Kopfhaltung Uniform- und Hemdkragen nicht berührt werden.

Der S sah nicht ein, diese an ihn gerichteten Befehle zu befolgen und legte hiergegen Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung ein. Er sieht sich insbesondere in seinem Recht auf Gleichbehandlung verletzt. Nachdem dies erfolglos blieb, erhob er einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim zuständigen Truppendienstgericht.
Warum wendet sich der S nicht an das nächstgelegene Verwaltungsgericht? Liegt denn keine öffentlich rechtliche Streitigkeit vor?
Der S könnte nur dann vor das Verwaltungsgericht ziehen, wenn der Verwaltungsrechtsweg gem. § 40 VwGO eröffnet wäre.
Unabhängig davon, ob hier eine öffentlich rechtliche Streitigkeit vorliegt, könnten hier aber eine auf- oder abdrängende Sonderzuweisung vorliegen. Zunächst einmal bestimmt § 82 Abs. 1 Soldatengesetz (SG), dass für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Dies dürfte hier grundsätzlich gegeben sein. Allerdings ist im Falle einer Beschwerde § 17 Abs. 1 Wehrbeschwerdeordnung (WBO) einschlägig. Hiernach kann der Soldat eine gerichtliche Entscheidung beantragen, wenn seine Beschwerde eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber zum Gegenstand hat. Das Konkurrenzverhältnis zu den Vorschriften des Soldatengesetzes regelt § 17 Abs. 2 WBO, der festhält, dass das Verfahren vor dem Truppendienstgericht insoweit an die Stelle des Verwaltungsrechtsweges tritt. Es liegt damit eine abdrängende Sonderzuweisung vor.
Die vorliegende Sache wurde in letzter Konsequenz durch das BVerwG entschieden. Unabhängig davon, wie die Sache dorthin gekommen ist – das ist hier zu speziell – fragt sich, wer denn beim BVerwG für diese Rechtsfragen zuständig ist. Eine kleine Hilfestellung: das Aktenzeichen lautet 1 WRB 2.12.
Wenn nach der Zuständigkeit innerhalb des Gerichts gefragt wird, dann ist die funktionale Zuständigkeit gemeint, also die Zuständigkeit der unterschiedlichen Spruchkörper. Die Spruchkörper beim Bundesverwaltungsgericht heißen Senate.
Genau so ist es. Wie finden Sie aber heraus, welcher Senat für welche Sachen zuständig ist?
Das steht im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts. Gem. § 21e Abs. 1 Satz 1 GVG verteilt das Präsidium unter anderem die anfallenden Geschäfte. Hierzu wird ein Plan beschlossen, der sog. „Geschäftsverteilungsplan“ gem. § 21e Abs. 9 GVG.
Bevor Sie weitermachen: Warum gibt es denn überhaupt das Erfordernis der Geschäftsverteilung?
Hierdurch wird Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG relevant, wonach niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Das bedeutet, dass vor Erhebung einer Klage oder eines sonstigen Rechtsbehelfs feststehen muss, welche Spruchkörper eines Gerichts – hier welcher Senat des BVerwG – für die Sache zuständig sein wird. So wird Missbrauch und Willkür vorgebeugt.
Eine kleine Bonusfrage: Wissen Sie denn auch zufällig, wie viele Senate das BVerwG hat und welcher hier zuständig sein könnte?
Das BVerwG hat derzeit 13 Senate (10 Revisionssenate, 1 Disziplinarsenat sowie 2 Wehrdienstsenate). Funktional zuständig ist einer der Wehrdienstsenate, was man aus dem Aktenzeichen ableiten kann.
Genau, sie sagen richtigerweise, dass das BVerwG 2 Wehrdienstsenate hat. Aber woher weiß ich jetzt, welcher der beiden für unseren S zuständig ist?
Diese Information findet sich ebenso im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts. Hier werden Kriterien aufgeführt, nach denen die Zuständigkeit der einzelnen Senate genau feststeht.
Welche Kriterien fallen Ihnen denn hierzu ein?
Denkbar ist eine Differenzierung nach Eingangszeit, Sachgebiet oder Anfangsbuchstaben der Beteiligten.
Richtig, das reicht aus. Wenn die Sache denn nun an unseren intern zuständigen Senat gelangt, was passiert nun? Bekommt jeder Richter eine Kopie der Akte und muss sich einarbeiten?
Nein, es gibt in jedem Verfahren einen sog. Berichterstatter, der primär spruchkörperintern „zuständig“ ist. Dieser arbeitet sich in den Fall ein und berichtet dann den Kollegen über den Sach- und Streitstand.
Richtig. Aber wie genau bestimmt sich, wer denn innerhalb des Spruchkörpers zuständig ist? Immer der Jüngste oder der Kleinste?
Das wird ebenso festgelegt, im Rahmen der sog. Geschäftsverteilung innerhalb der Spruchkörper, § 21 g GVG. Erforderlich ist hierzu ein Beschluss aller, dem Spruchkörper zugehörigen Berufsrichter.
Vielen Dank. Aber nun zurück zur Sache. Ich rufe Ihnen den Sachverhalt nochmal ins Gedächtnis. Ich habe von einem sog. Haar- und Barterlass gesprochen, in dem die genauen Details geregelt sind. Welche Rechtsqualität kommt diesem „Erlass“ denn zu?
Der Erlass ist kein Gesetz. Er ist kein formelles Gesetz, da er nicht vom Parlament beschossen wurde. Ebenso ist er kein materielles Gesetz, also keine Satzung oder Rechtsverordnung. Vielmehr handelt es sich bei dem genannten Erlass um eine bloße Anweisung der Exekutive an nachgeordnete Dienststellen, hier eine Anweisung des Bundesministers der Verteidigung.
Darf denn der Bundesminister derartige Erlässe nach „Gutdünken“ an die untergeordneten Dienststellen richten oder ist er hier an gewissen Einschränkungen gebunden?
Auch der Bundesminister der Verteidigung ist als Teil der Exekutive an die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebunden, Art. 20 Abs. 3 GG. Er muss also bei dem Runderlass aufgrund eines und nicht gegen ein Gesetz gehandelt haben, Vorbehalt und Vorrang des Gesetzes.
So ist es. Warum gilt denn der Vorbehalt des Gesetzes und in welchem Bereich der Verwaltung ist er zwingend?
Die Verwaltung muss ihrerseits an die Entscheidungen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers gebunden sein, dieser muss alle wesentlichen Aspekte selbst regeln, ohne der Verwaltung hier zu freie Hand zu lassen. Dies gilt insbesondere im Rahmen der Eingriffsverwaltung, da hier in Rechte des Bürgers eingegriffen wird.
Lassen Sie mich kurz unterbrechen. Sie sagten, Rechte des Bürgers. Hat der S denn überhaupt derartige Rechte, wenn es um seinen Dienst als Soldat geht oder gibt der diese nicht am Kasernentor ab, wie es so schön heißt?
Nein, auch der Soldat befindet sich im Dienst nicht im grundrechtsfreien Raum. Das verdeutlicht auch Art. 17a GG, der einige Grundrechte als ausdrücklich einschränkbar nennt. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und der Gleichheitssatz kommen dem S weiterhin zu.
Richtig. Und wie steht es mit dem Vorrang des Gesetzes. Verstößt der Erlass denn nun gegen das Allgemeine Persönlichkeitsrecht?
Jedenfalls der Schutzbereich ist eröffnet. Auch die eigene, persönliche Entscheidung, das eigene Äußere so zu bestimmen, wie man will, fällt in den Schutzbereich des APR. Hierin wurde auch eingegriffen, wobei die Sozialsphäre betroffen ist. Der Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein. Hier gilt die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG. Denkbar wäre es, auf die kollidierende verfassungsrechtlich verbriefte Funktionsfähigkeit der Bundeswehr abzustellen. Denn diese wird auch durch ein einheitliches Äußeres sichergestellt. Dazu das BVerwG in seiner Pressemitteilung:

Der spezifische Auftrag und die Funktionsfähigkeit der Streitkräfte sind unverändert in einem hohen Maß durch ein nach außen einheitliches Auftreten und einen nach innen engen Zusammenhalt ihrer Angehörigen geprägt. Einschränkungen der Soldaten in der freien Gestaltung ihrer Haartracht sind deshalb durch das Regelungsziel eines – für das Selbstverständnis und die öffentliche Wahrnehmung bestimmenden – einheitlichen äußeren Erscheinungsbilds der Bundeswehr bei der Erfüllung ihres Verteidigungsauftrags im In- und Ausland gerechtfertigt. Im Hinblick auf die auch den Soldaten in weitem Umfang gewährleisteten Freiheiten zur individuellen Lebensgestaltung stellt die im Äußerlichen bleibende Regelung der Haartracht ein verhältnismäßiges Mittel dar, zumal keine „Einheitsfrisur“ verordnet, sondern lediglich äußere Grenzen gesetzt werden.

Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 GG wäre abzulehnen. Dabei dient die Möglichkeit für Frauen, längere Haare zu tragen, der Frauenförderung und ist dem Umstand geschuldet, dass an ein Erscheinungsbild der Frauen noch keine öffentliche Erwartungshaltung geknüpft ist. Dazu das BVerwG in seiner Pressemitteilung:

Die Regelung über die Haartracht von Soldatinnen, die diesen auch das Tragen längerer Haare gestattet, stellt eine zulässige Maßnahme zur Förderung von Frauen in der Bundeswehr dar, die die striktere Regelung der Haartracht für männliche Soldaten nicht in Frage stellt. Im Anschluss an die allgemeine Öffnung der Bundeswehr für Frauen im Januar 2001 und bei einem Anteil der Frauen in den Streitkräften von derzeit rund 10 % hat sich für das äußere Erscheinungsbild von Soldatinnen noch keine Tradition oder Erwartungshaltung innerhalb der Bundeswehr und in der Öffentlichkeit verfestigt.

Vielen Dank, die Prüfung ist beendet.
Fazit: Das Wissen zu den einzelnen Rechtswegen ist nicht Pflicht. Aber zumindest eine Idee sollte man haben. Die Vorschrift des § 82 SG kann bekannt sein. Die Fragen zum Geschäftsverteilungsplan und Art. 102 GG sind Pflichtstoff. Bei der Grundrechtsprüfung kommt es natürlich weniger auf das Ergebnis, sondern mehr auf die Qualität der Argumente an.
Weitere haarige Entscheidungen:

  • BVerwG, Urteil vom 02.03.2006, Az. 2 C 3.05. Hier hat das BVerwG für die betroffenen Polizeibeamten entschieden.
  • Truppendienstgericht Süd, Beschluß vom 4. 1. 2005, Az. S4 – BLc 18/04 auch zum Haar- und Barterlass.
  • OVG Koblenz, Beschluss vom 22.09. 2003, Az. 2 B 11357/03.OVG.

““

18.12.2013/4 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2013-12-18 11:51:222013-12-18 11:51:22BVerwG zum Haar- und Barterlass der Bundeswehr – Ein Prüfungsgespräch
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Düsseldorf: Recht am eigenen Bild bei Verfremdung

Deliktsrecht, Rechtsprechung

In einem kürzlich ergangenen Judikat des OLG Düsseldorf (Urteil vom 23.07.2013 – I-20 U 190/12)  ging es einmal mehr um eine Klärung von Rechtsfragen zur Reichweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR). In diesem Fall ging es im Speziellen um die Ausprägung des APR in Form des Rechts am eigenen Bild. Da derartige Sachverhalte stets eine sehr hohe Examensrelevanz aufweisen, sei in diesem Kontext direkt auch auf weitere Konstellationen zur Durchsetzung des APR  hingewiesen, siehe dazu kürzlich im öffentlich-rechtlichen Bereich hier, aktuell in zivilrechtlicher Hinsicht hier und zu einem Präzedenzfall des BGH, dem sog. Herrenreiter-Fall, hier.
Sachverhalt
Im dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall hatte ein Händler im Internet Bilder zum Verkauf angeboten. Diese Bilder waren auf der entsprechenden Verkaufsseite für jedermann sichtbar. Die Bilder zeigten eine Fotografie des Golf-Profis Martin Kaymer, die allerdings durch eine Abänderung der Farbkombination verfremdet wurde, so dass sie nun im Pop Art-Stil gestaltet war. Eines der Bilder wurde für knapp 45 EUR verkauft.
Martin Kaymer wurde bezüglich der Veröffentlichung seines Bildnisses nicht um seine Erlaubnis gefragt und war mit einer derartigen Verbreitung nicht einverstanden. Aus diesem Grund klagte er auf Unterlassung der Veröffentlichung und Verbreitung der Bilder und forderte zusätzlich Schadensersatz. Der Maler berief sich im Verfahren auf seine Kunstfreiheit aus Art. 5 III S. 1 GG. Außerdem argumentierte er, seien seine Bilder doch gute Werbung für Martin Kaymer und würden zudem eine Art Tribut zu seinen Ehren darstellen.
Anspruch auf Unterlassung
Das OLG Düsseldorf erblickte in dem Verhalten des Malers einen Verstoß gegen das Recht am eigenen Bild aus Art 2, Art. 1 GG. Aus diesem Grunde nahm es einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 2 BGB analog i.V.m. §§ 22, 23 Abs. 2 KUG zugunsten von Martin Kaymer an. In diesem Kontext galt es für das Gericht im Rahmen der Rechtswidrigkeit die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 KUG zu prüfen.
Gemäß §23 Abs. 1 Nr. 1 dürfen Bildnisse von Personen aus dem Bereich der Zeitgeschichte ohne deren vorherige Zustimmung verbreitet werden. Zu differenzieren sind dabei „absolute Personen“ der Zeitgeschichte, darunter fallen Prominente, die aufgrund ihrer Bekanntheit immer wieder in der Öffentlichkeit stehen, und „relative Personen“ der Zeitgeschichte, die nur durch ein einmaliges Ereignis in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Bezüglich der Verbreitung der Bildnisse relativer Personen legte die Rechtsprechung einen strengeren Maßstab für die Veröffentlichung und Nutzung an. Kaymer erschien aufgrund seiner sportlichen Leistungen und seines Bekanntheitsgrades häufiger in Zeitungen und Zeitschriften und ist somit der ersten Gruppe zuzuordnen. Der BGH änderte seine gradlinige Rechtsprechung, nachdem ihm der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte widersprochen hatte. Auch Bildnisse absoluter Personen dürfen nicht mehr ohne Weiteres verwendet und kommerziell genutzt werden, die Zulässigkeit beurteilt sich nun danach, ob eine Frage des allgemeinen Interesses bedient würde. Auf den möglichen Werbeeffekt oder die Ehrerbietung für den Prominenten kommt es dabei nicht an.
Nach § 23 Abs. 1 Nr. 4 KUG ist die Verbreitung eines Bildnisses einer Person auch ohne dessen Einwilligung zulässig, sofern die Verbreitung des Werkes, das nicht auf Bestellung angefertigt wurde, einem höheren und überwiegenden Interesse der Kunst dient.
Das OLG führte hierzu indes aus, dass ein höheres und überwiegendes Interesse der Kunst im Falle einer Bildverfremdung im Pop Art-Stil im konkreten Fall nicht feststellbar sei. Die Bilder wiesen über rein handwerkliches Können hinaus keinen künstlerischen Gehalt auf. Auch komme den Bildern lediglich ein sehr geringer Informationswert für die Allgemeinheit zu, sie dienten vielmehr vorrangig kommerziellen Interessen. Es überwiege daher das Recht von Martin Maymer, selbst über die Verwendung von Bildnissen seiner Person zu kommerziellen Zwecken zu bestimmen. Dennoch
Sofern der Künstler noch mehr Energie in die Umbearbeitung und künstlerische Gestaltung des Bildes gesteckt hätte, wäre ein anderes Ergebnis denkbar gewesen. Erforderlich wäre ein eigener Entwicklungs- und Bearbeitungsprozess des Künstlers, durch den etwas Neues, über das reine Bildnis in anderen Farben Hinausgehendes, erschaffen worden wäre. Die bloße Verfremdung der Fotografie, die übrigens mittlerweile sogar einfach am Computer oder sogar Smartphone herzustellen möglich ist, reichte dem OLG nicht aus.
Anspruch auf Schadensersatz
Herrn Kaymer wurde vom OLG Düsseldorf zudem Schadensersatz zuerkannt. Ein derartiger Anspruch kann sich im Kontext von Verletzungen am Recht des eigenen Bildes aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergeben.
Zum einen ist ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 i.V.m. § 22, 23 KUG denkbar. Ein derartiger Anspruch bestand im vorliegenden Fall, da das Gericht einen Verstoß gegen §§ 22, 23 KUG annahm. Verschulden i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB war ebenso gegeben, da der Künstler die Bilder anfertigte und vertrieb, ohne zuvor bei Herrn Kaymer nachzufragen.
Im Hinblick auf die Schadenshöhe ist bei einer Verletzung des Rechts am eigenen Bild Folgendes zu beachten: Es besteht nämlich ein Wahlrecht zwischen der Herausgabe des durch die Verletzung erzielten Gewinns, der Geltendmachung des konkreten Schadens einschließlich des entgangenen Gewinns und der Beanspruchung eines Schadensersatzes in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr. Die hier letztgenannte Option ist insbesondere im Hinblick auf Sachverhalte, die die Veröffentlichungen von Bildern von Prominenten betreffen, die übliche.
Die vorgenannte fiktive Lizenzgebühr kann im Übrigen auch im Rahmen eines Anspruchs nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB eingefordert werden. Vorteilhaft ist an dieser Anspruchsgrundlage, dass kein Verschuldenserfordernis besteht. Nachteilig ist, dass sich der Beklagte hier nach § 818 Abs. 3 BGB ggf. auf Entreicherung berufen kann.
Für alle Referendare sei an dieser Stelle noch gesagt, dass die Höhe der fiktiven Lizenzgebühr nicht durch Beweise dargelegt werden muss. Das Gericht kann im im Zivilprozess in derartigen Fällen nach § 287 ZPO selbst eine Schätzung vornehmen.
Schmerzensgeld
Sofern die Bildveröffentlichung zugleich noch eine ganz erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung darstellt, kann außerdem noch Schmerzensgeld gem. § 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22 und 23 Abs. 2 KUG i.V.m. Art. 1 und 2 Abs. 1 GG (nach anderer Auffassung direkt aus Art. 1 Abs. 1 GG) erwogen werden. Ein derartiger Anspruch ist allerdings nur bei ganz besonders schweren Eingriffen denkbar. Beim Recht am eigenen Bild könnte eine derartige Schwere etwa beim Veröffentlichen von Fotos beim Geschlechtsverkehr oder durch grob ehrverletzende Bilder angenommen werden. Für den vorliegenden Fall, bei dem Kaymer nicht in entwürdigender oder lächerlich machender Pose dargestellt wurde, kam dieser Anspruch also nicht in Betracht.

31.07.2013/1 Kommentar/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-07-31 09:00:002013-07-31 09:00:00OLG Düsseldorf: Recht am eigenen Bild bei Verfremdung
Nicolas Hohn-Hein

BGH: „Playboy am Sonntag“

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In einer kürzlich im Volltext veröffentlichten Entscheidung des BGH (Az. I ZR 234/10 – Urteil v. 31.05.2012) ging es um die Frage, ob eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG gegeben ist, wenn eine Zeitung (hier: BILD am Sonntag) ein Foto eines Prominenten (hier: Gunter Sachs) abbildet, das die Person beim Lesen eben dieser Zeitung in der Freizeit zeigt. Nach den gängigen Grundsätzen ist – im Falle der Verletzung des APR – der Verletzer zur Zahlung eines angemessenen Lizenzbetrags verpflichtet.
Sachverhalt (vereinfacht)
Kläger G ist ein bekannter Schauspieler, Entertainer und Lebemann, der in der Vergangenheit große öffentliche Aufmerksamkeit genossen hat. Trotz seines fortgeschrittenen Alters und seinem Rückzug ins Private besteht immer noch ein erhebliches Medieninteresse. Ein großes deutsches Boulevardblatt (B) lässt es sich daher nicht nehmen, G bis in den Urlaub auf seiner Yacht in St. Tropez zu folgen. B gelingt es, ohne Wissen des G, ein Foto davon zu machen wie G gerade die Sonntagsausgabe der B liest.
In der Folge veröffentlich B das Foto:

Das Foto ist großformatig übertitelt mit:

„Psst, nicht stören!
Playboy (75) am Sonntag
Auf einer Jacht in St.-Tropez schaukelt G“

Im daneben stehenden Artikel heißt es u.a.: „Genüsslich blättert er durch die Seiten der B„. G ist entsetzt. Er sei niemals mit der Veröffentlichung solcher Fotos einverstanden gewesen. Er habe sich völlig unbeobachtet gefühlt. Darüber hinaus lese er zwar tatsächlich ab und an die B. Bei dem konkreten Artikel handele es sich aber um eine gezielte Werbemaßnahme der B, die nicht dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit diene, sondern allein kommerziellen Zwecken.
Kann G von B eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 Euro verlangen?
Abgestuftes Schutzkonzept des BGH bei §§ 22, 23 KUG
Der Einstieg in die Prüfung der Rechtslage erfolgt über die Feststellung, dass im vorliegenden Fall eine mögliche Rechtsverletzung durch die Veröffentlichung des Bildnisses des G an den Voraussetzungen der §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz (KUG) zu messen ist. Nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG ist eine Einwilligung des Betroffenen (§ 22 KUG) nicht erforderlich, wenn es sich um eine Person der Zeitgeschichte handelt. Eine Ausnahme bildet § 23 Abs. 2 KUG, wonach das Zustimmungserfordernis wieder auflebt, wenn der Verbreitung des Bildnisses ein berechtigtes Interesse des Betroffenen entgegensteht (zur Rechtsprechung des BGH vgl. insbes. GRUR 2011, 259, Rn. 13 = NJW 2011, 746 – „Rosenball in Monaco“ mwN).
Zustimmung aufgrund des werbenden Charakters der Berichterstattung erforderlich
Das Gericht hält § 23 Abs. 2 KUG im vorliegenden Fall für anwendbar, da es, nach Ansicht der Richter, der B nicht um das reine Informationsinteresse der Öffentlichkeit ging, sondern zu Werbezwecken für das eigene Blatt geschah. Ein Bildnis, das zu Werbezwecken zur Verfügung gestellt wird, ist grundsätzlich vermögensrechtlicher Bestandteil des APR. Dabei muss die Werbung keine Werbung „im klassischen“ Sinne sein (z.B. Printanzeige, Werbespot o.ä.). Ein werbender Charakter sei insoweit ausreichend, denn

[…] die für die Beurteilung der Verwendung von Bildnissen im Rahmen von Werbeanzeigen entwickelten Grundsätze gelten gleichermaßen für eine redaktionelle Bildberichterstattung, die (auch) der Eigenwerbung dient (zum Titelbild von Zeitschriften vgl. BGH, Urteil vom 14. März 1995 – VI ZR 52/94, NJW-RR 1995, 789 f. – Chris-Revue; BGH, GRUR 2009, 1085, Rn. 24 ff. – Wer wird Millionär?; GRUR 2011, 647 Rn. 12 ff. – Markt & Leute). Ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild kommt insoweit insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwendung des Bildnisses den Werbe- und Imagewert des Abgebildeten ausnutzt, indem die Person des Abgebildeten als Vorspann für die Anpreisung des Presseerzeugnisses vermarktet wird (BGH, GRUR 2009, 1085 Rn. 29 f. – Wer wird Millionär?).

B könne sich ferner auch nicht darauf berufen, es handele sich lediglich um eine Berichterstattung über wahre Tatsachen. Maßgeblich sei der Kontext, in dem die Wort-Bildberichterstattung erfolge, und der Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Lesers. Der BGH schließt sich diesbezüglich den Ausführungen des Berufungsgerichts an.

Das Berufungsgericht ist vielmehr davon ausgegangen, dass der Leser durch den Kontext der begleitenden Wortberichterstattung, die bei der Beurteilung zu berücksichtigen ist, die Berichterstattung vor allem als Eigenwerbung für das Blatt der Beklagten verstehen musste, die über eine reine Tatsachenberichterstattung hinaus geht. So hat es angenommen, der Eingriff in den vermögensrechtlichen Bestandteil des Persönlichkeitsrechts des Klägers wiege deshalb so besonders schwer, weil die werbliche Vereinnahmung des Klägers im Mittelpunkt der Berichterstattung stehe. Die einzig aktuelle Information erschöpfe sich in der Lektüre des Blatts der Beklagten. Diese Information habe aber keinen Nachrichtenwert und biete insofern keine Orientierung im Hinblick auf eine die Allgemeinheit interessierende Sachdebatte. Die übrige Wortberichterstattung verfolge allein den Zweck, den Werbewert des Klägers zu vergrößern. Damit habe der Beitrag inhaltlich ganz überwiegend den Charakter einer Werbeanzeige.

Ein Eingriff in das APR des G war – mangels erforderlicher Einwilligung gemäß § 23 Abs. 2 KUG – damit grundsätzlich gegeben.
APR des G überwiegt das Informationsinteresse der Öffentlichkeit
Üblicherweise schließt sich an die Bejahung des Eingriffs in das APR die Frage an, ob dieser rechtswidrig erfolgte. Hierzu trifft das Gericht eine Abwägungsentscheidung zwischen dem Interesse des Betroffenen an dem Schutz seiner Person (Art. 1 Abs. 1 GG iVm. Art. 2 Abs. 1 GG) und dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit (Informations- und Pressefreiheit, Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG). Die Abwägung erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls.
Der BGH stellt in diesem Zusammenhang zunächst die berechtigten Interessen der Beteiligten gegenüber. Zum einen finde ein gewisser Imagetransfer zugunsten der B und zulasten des G statt, sodass eine Beeinträchtigung des G anzunehmen sei. Dagegen genieße jedoch auch Eigenwerbung für ein Presseerzeugnis Schutz gemäß Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG wie das Presseerzeugnis selbst.
Im Ergebnis stellt der BGH auf den mangelnden Nachrichtenwert der Meldung und die besondere Hervorhebung der Werbewirksamkeit der Abbildung ab. Dies wirkt insbesondere dann um so schwerer, wenn es sich um einen Eingriff in die Privatsphäre des Betroffenen handelt und dieser in der konkreten Situation davon ausgehen konnte „für sich“ zu sein.

Es hat insoweit angenommen, der Kläger werde durch das große Foto, welches ihn lesend auf seiner Jacht im Hafen von Saint-Tropez zeige sowie die begleitende Wortberichterstattung in seiner Privatsphäre sowie seinem Recht am eigenen Bild verletzt, weil ihn das Bild und der Begleittext in einer offensichtlich privaten Situation der Öffentlichkeit präsentierten, in der er habe davon ausgehen können, unbeobachtet zu sein. Demgegenüber bestehe nur ein geringes schutzwürdiges Informationsinteresse. […]

Bei der Bildberichterstattung sind für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes auch der Anlass und die Umstände zu berücksichtigen, unter denen die Aufnahme entstanden ist, etwa unter Ausnutzung von Heimlichkeit oder beharrlicher Nachstellung. Auch ist bedeutsam, in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt wird. Die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts wiegt schwerer, wenn die visuelle Darstellung durch Ausbreitung von üblicherweise öffentlicher Erörterung entzogenen Einzelheiten des privaten Lebens thematisch die Privatsphäre berührt oder wenn der Betroffene nach den Umständen typischerweise die berechtigte Erwartung haben durfte, nicht in den Medien abgebildet zu werden. Das kann nicht nur bei einer durch räumliche Privatheit geprägten Situation, sondern außerhalb örtlicher Abgeschiedenheit auch in Momenten der Entspannung oder des Sich-Gehen-Lassens außerhalb der Einbindung in die Pflichten des Berufs und des Alltags der Fall sein (BGH, Urteil vom 1. Juli 2008 – VI ZR 243/06, GRUR 2008, 1024 Rn. 24 = NJW 2008, 3138 – Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). […]

Art. 5 Abs. 1 GG gebietet es nicht generell anzunehmen, dass mit jeder visuellen Darstellung aus dem Privat- und Alltagsleben prominenter Personen ein Beitrag zur Meinungsbildung verbunden ist, der es aufgrund ihrer positiven oder negativen Leitbildfunktionen für sich allein rechtfertigt, die Belange des Persönlichkeitsschutzes zurückzustellen. Zwar gilt die Pressefreiheit auch für unterhaltende Beiträge über das Privat- oder Alltagsleben von Prominenten und über ihr soziales Umfeld einschließlich der ihnen nahe stehenden Personen. Denn der Unterhaltung dienende Beiträge stellen einen wesentlichen Bestandteil der Medienbetätigung dar. Allerdings bedarf es gerade bei unterhaltenden Inhalten in besonderem Maß der abwägenden Berücksichtigung der kollidierenden Rechtspositionen der Betroffenen (BGH, GRUR 2008, 1024, Rn.20 – Shopping mit Putzfrau auf Mallorca). Auch nach Art. 10 EMRK ist das Recht auf Meinungsäußerung der Presse bei der Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens oder allgemein bekannte Personen eng auszulegen, wenn sich die veröffentlichten Fotos und die Berichte dazu auf Einzelheiten des Privatlebens beziehen und nur die öffentliche Neugier befriedigen sollen (EGMR, NJW 2012, 1056 Rn. 110 – von Hannover/Deutschland Nr. 2). Die Grenze der zulässigen Berichterstattung über das Alltagsleben prominenter Personen wird daher – wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat – ebenfalls maßgeblich vom Informationswert der Berichterstattung bestimmt. […]

Die Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG musste daher im vorliegenden Fall zurückstehen.
Anmerkung: Anspruchsgrundlage war hier eine Eingriffskondiktion aus § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 2 BGB jedenfalls wegen des Eingriffs in den Zuweisungsgehalt des Rechts am eigenen Bild durch die kommerzielle Nutzung des Fotos. Darüber, ob auch § 823 Abs. 1 BGB herangezogen werden konnte, musste der BGH daher nicht mehr entscheiden, sodass es auf die Frage eines Verschuldens der B nicht ankam.
Fazit
G konnte hier die Zahlung einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von 50.000 Euro verlangen. Eine interessante Entscheidung, die Anlass geben wird, die Grundsätze rund um das APR und die Bezüge zum KUG abzuprüfen. Zu diesem aktuellen Thema ergehen regelmäßig Entscheidungen (vgl. z.B. hier und hier, etwas älter hier). Dass die deutsche Rechtsprechung sich mittlerweile seit der Caroline-Entscheidung des EGMR im Jahr 2004 von den Begriffen der „relativen“ und der „absoluten“ Personen der Zeitgeschichte verabschiedet hat, sollte dem Kandidaten bekannt sein.

03.01.2013/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-01-03 09:00:112013-01-03 09:00:11BGH: „Playboy am Sonntag“
Dr. Christoph Werkmeister

Ausstrahlung von „Frauentausch“ wegen APR-Verletzung untersagt

Deliktsrecht, Rechtsprechung
Das LG Berlin hat mit Entscheidung vom 26.07.2012 (Az. 27 O 14/12) der Produktionsfirma der TV-Serie „Frauentausch“ untersagt, eine Folge dieser Serie selbst oder durch Dritte zu veröffentlichen oder zu verbreiten.
Geklagt hatte eine Frau, die mit ihrer Familie an der Produktion mitgewirkt hatte und sich durch die Art der Darstellung in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt sah.
Verbot trotz Einwilligung

Nach Auffassung des Landgerichts hat die Klägerin zwar vor Produktion der Sendung eine Einwilligungserklärung gegenüber der Produktionsfirma abgegeben. Darin sei von einer „TV-Dokumentations-Serie“ die Rede gewesen, die vorrangig einen Dokumentationscharakter haben sollte. Tatsächlich seien die Aufnahmen dann so nachbearbeitet worden, dass die Klägerin gezielt lächerlich gemacht worden sei. Sie sei als überforderte und geistig verwirrte, bei ihren Kindern unbeliebte Mutter der praktisch veranlagten, sympathischen und ordentlichen Tauschmutter gegenüber gestellt worden. Mit derartigen nachträglichen Bearbeitungen zum ausschließlichen Zweck der Verspottung habe sie nicht rechnen müssen.

Schmerzensgeld bei APR-Verletzung nur im Ausnahmefall

Bezüglich der Forderung von Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 15.000 Euro hat das LG Berlin die Klage dagegen abgewiesen. Die Missachtung des Persönlichkeitsrechts sei nicht so schwerwiegend, dass eine finanzielle Entschädigung geboten sei.

 

18.08.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-08-18 07:30:122012-08-18 07:30:12Ausstrahlung von „Frauentausch“ wegen APR-Verletzung untersagt
Dr. Christoph Werkmeister

EGMR und BVerfG zu Inzestbeziehungen zwischen Geschwistern

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Beck-aktuell berichtet über ein aktuelles Urteil des EGMR, dem ein Urteil des BVerfG vorangegangen ist. In der Sache stellte der EGMR fest, dass es mit der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist, dass ein Mann, der mit seiner jüngeren Schwester eine sexuelle Beziehung eingegangen war und mit ihr vier Kinder bekommen hat, in Deutschland wegen Inzestes zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden ist. Das Urteil ist für die Klausuren zu vernachlässigen, kann jedoch durchaus für Gesprächsstoff in anstehenden mündlichen Prüfungen sorgen. Ausreichend sollte hierfür aber die Lektüre des kurzen Überblick im zu Eingang verlinkten Artikel sein.
Nachtrag: Das Urteil gibt es hier im Volltext.

13.04.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-04-13 13:32:092012-04-13 13:32:09EGMR und BVerfG zu Inzestbeziehungen zwischen Geschwistern
Zaid Mansour

Fotografierverbot von SEK-Polizeibeamten rechtswidrig – BVerwG Urteil vom 28.03.2012 – 6 C 12.11

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner heutigen Entscheidung geurteilt, dass ein von der Polizei gegenüber Zeitungsmitarbeitern ausgesprochenes Verbot der Anfertigung von Fotos der an einem Einsatz beteiligten Beamten eines Spezialeinsatzkommandos rechtswidrig war.
A. Sachverhalt (vereinfacht)
Die in zivil gekleideten Beamten des Einsatzkommandos waren damit beauftragt, den mutmaßlichen Sicherheitschef einer russischen Gruppierung, die dem Bereich der organisierten Kriminalität zuzuordnen ist (russische Mafia), aus der Untersuchungshaft bei einer Augenarztpraxis in der Fußgängerzone der Stadt X in NRW vorzuführen.
Der Einsatz wurde von zwei Journalisten, darunter ein Fotoreporter, bemerkt. Als sich der Fotoreporter anschickte Bilder der Einsatzfahrzeuge und der am Einsatz beteiligten Beamten anzufertigen, wurde er von dem Einsatzleiter in formell rechtmäßiger Weise aufgefordert sein Vorhaben zu unterlassen. Der Journalist unterließ es daraufhin, Bilder anzufertigen. Begründet wurde das Verbot damit, dass die beteiligten Einsatzkräfte durch eine Veröffentlichung der Bilder hätten enttarnt werden können, was ihrer Einsetzbarkeit in Zukunft nicht zuträglich gewesen wäre. Zudem hätten sie auch persönlich durch etwaige Racheakte gefährdet werden können.
Der Zeitungsverlag, für den die Journalisten tätig, sind klagte vor dem zuständigen Verwaltungsgericht gegen das Fotografierverbot.
B. Rechtliche Würdigung
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Die Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs nach § 40 I VwGO ist zu bejahen, da die streitentscheidende Norm vorliegend dem Polizeirecht, mithin einer Materie des öffentlichen Rechts, zuzuordnen ist.
II. Zulässigkeit
1. Im Rahmen einer Klausurbearbeitung des Falles stellt sich zunächst bei der Zulässigkeitsprüfung die Frage nach der statthaften Klageart. Hierbei könnte angenommen werden, dass eine Anfechtungsklage statthaft sei. Dazu müsste es sich bei dem Fotografierverbot um einen Verwaltungsakt gehandelt haben. Ein solcher lag vorliegend mithin vor, insbesondere war das Verhalten des Einsatzleiters darauf gerichtet eine einzelfallbezogene Rechtsfolge zu setzen. Es sollte dem Bearbeiter allerdings auffallen, dass sich die rechtliche Beschwer dieses Verwaltungsaktes durch Zeitablauf erledigt hat (§ 43 Abs. 2 VwVfG NW) und folglich eine Fortsetzungsfeststellungsklage in analoger Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist.
2. Der Zeitungsverlag ist als Drittbetroffener möglicherweise in seinem aus der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) folgenden Recht auf Informationsbeschaffung durch eigenes Personal verletzt und folglich klagebefugt.
3. Ein Vorverfahren i. S. von § 68 VwGO ist jedenfalls in NRW nach § 110 Abs. 1 JustG NW nicht erforderlich. Darüber hinaus hätte es seine Aufgabe (Selbstkontrolle der Verwaltung und Zweckmäßigkeitsprüfung) vorliegend ohnehin nicht mehr erfüllen können.
4. Die Klageerhebung bei vorprozessualer Erledigung des Verwaltungsakts vor Eintritt der Bestandskraft unterliegt keiner Fristbindung.
5. Das erforderliche Fortsetzungsfestellungsinteresse, welches in Fällen vorprozessualer Erledigung mit dem Feststellungsinteresse in § 43 Abs. 1 VwGO identisch ist und alle schützenswerten Interessen rechtlicher, wirtschaftlicher und ideeller Art umfasst, ergibt sich vorliegend aus der Tatsache, dass sich polizeiliche Maßnahmen typischerweise kurzfristig erledigen und die Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit der Klageeröffnung gebietet (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.07.1999 – 6 C 7.98; s. auch BVerwG, Urt. v. 06.02.1986 – 5 C 4/84). Des Weiteren ist ein Fortsetzungsfestellungsinteresse auch aufgrund der möglich erscheinenden Verletzung des Zeitungsverlags in seiner Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG vorliegend zu bejahen.
III. Begründetheit
Die Klage ist begründet, wenn und soweit die polizeiliche Maßnahme rechtswidrig war und der Kläger (der Zeitungsverlag) dadurch in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog). Die polizeiliche Maßnahme war rechtmäßig, wenn sie auf einer Ermächtigungsgrundlage basierte von der in formell und materiell rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht wurde.
1. Als Ermächtigungsgrundlage kommt vorliegend, mangels Einschlägigkeit spezieller Befugnisnormen, die polizeiliche Generalklausel aus § 8 Abs. 1 PolG NW in Betracht.
2. Die polizeiliche Maßnahme ist laut Sachverhalt in formell rechtmäßiger Weise ergangen.
3. Voraussetzung für ein polizeiliches Einschreiten ist das Vorliegen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Maßgeblich ist dabei die Prognose aus der ex-ante Perspektive.
Eine Gefahr ist zu bejahen, wenn bei ungehindertem Geschehensablauf ein Schadenseintritt für ein Schutzgut der öffentlichen Sicherheit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Als Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit gelten, die objektive Rechtsordnung, Individualrechte des Einzelnen sowie die Funktionsfähigkeit von Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und anderer Hoheitsträger.
Vorliegend sah der Einsatzleiter eine Enttarnung der am Einsatz beteiligten Beamten und eine Gefährdung von Leib und Leben eben jener durch das Anfertigen von Fotografien des Einsatzes, sowie eines damit einhergehenden Verlustes der zukünftigen Einsatzfähigkeit des Sondereinsatzkommandos als wahrscheinlich an. Aus der Sicht eines einsichtigen und unbefangenen Polizeibeamten lässt sich damit das Vorliegen einer Gefahr für Schutzgüter der öffentlichen Sicherheit, namentlich den Individualrechten der beteiligten Polizeibeamten, sowie
(mit Blick auf die eventuelle Gefährdung der Einsatztauglichkeit für zukünftige Einsätze) der Funktionsfähigkeit staatlicher Veranstaltungen, bejahen.
Die Einschreitungsvoraussetzungen der polizeilichen Generalklausel sind damit im vorliegenden Fall zu bejahen.
4. Das vom Einsatzleiter ausgesprochene Anfertigungsverbot müsste auch dem aus dem Rechtsstaatsprinzip erwachsenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen. Die Maßnahme müsste hinsichtlich der Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Zwecks also geeignet, erforderlich und angemessen sein.
Das Verbot Bilder vom Einsatz anzufertigen ist nicht schlichtweg untauglich die damit verfolgten Zwecke zu erreichen und folglich geeignet.
Weiterhin müsste die Maßnahme erforderlich gewesen sein, was dann der Fall ist, wenn es kein milderes, gleich geeignetes Mittel zur Zweckerreichung gab. Dazu heißt es in der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts:

„[…]Die Polizei durfte nicht schon das Anfertigen der Fotografien untersagen. Der Einsatz von Polizeibeamten, namentlich ein Einsatz von Kräften des Spezialeinsatzkommandos stellt im Sinne der einschlägigen Bestimmung des Kunsturhebergesetzes ein zeitgeschichtliches Ereignis dar, von dem Bilder auch ohne Einwilligung der abgelichteten Personen veröffentlicht werden dürfen. Ein berechtigtes Interesse der eingesetzten Beamten kann dem entgegenstehen, wenn die Bilder ohne den erforderlichen Schutz gegen eine Enttarnung der Beamten veröffentlicht werden. Zur Abwendung dieser Gefahr bedarf es aber regelmäßig keines Verbots der Anfertigung von Fotografien, wenn zwischen der Anfertigung der Fotografien und ihrer Veröffentlichung hinreichend Zeit besteht, den Standpunkt der Polizei auf andere, die Pressefreiheit stärker wahrende Weise durchzusetzen. Eine solche Lage war hier gegeben.“

Danach hätte ein Hinweis der Einsatzleitung auf die bei ohne Unkenntlichmachung der Polizeibeamten bestehenden Gefahr genügt, um einer Enttarnung und den damit einhergehenden Gefahren entgegenzuwirken.
Im Ergebnis war das Verbot der Anfertigung von Bildern rechtswidrig und verletzte den Zeitungsverlag in seinen Rechten. Folglich ist die Fortsetzungsfeststellungsklage begründet.
Anmerkung: Die Bearbeitung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Vielmehr soll den Lesern ein Leitfaden für die Lösung des Falles, wie er beispielsweise im Rahmen einer mündlichen Prüfung auftauchen könnte, gegeben werden.

29.03.2012/9 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2012-03-29 15:20:532012-03-29 15:20:53Fotografierverbot von SEK-Polizeibeamten rechtswidrig – BVerwG Urteil vom 28.03.2012 – 6 C 12.11
Dr. Christoph Werkmeister

Mal wieder ein Fall zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht – Jens Lehmann vs. Tim Wiese

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Sachverhalt

Torwart Tim Wiese muss kein Schmerzensgeld an Jens Lehmann zahlen. Mit Urteil vom 25.08.2011 wies das Landgericht München II die Klage des früheren Torhüters der deutschen Nationalmannschaft auf 20.000 Euro ab. Nachdem Wiese von einem Journalisten mit einer Kritik Lehmanns an seiner Spielweise konfrontiert worden war hatte er in Richtung Lehmann unter anderem geäußert: «Der Mann gehört auf die Couch. Vielleicht wird ihm da geholfen. Einweisen – am besten in die Geschlossene!». Nach Auffassung der Kammer ist in dieser Äußerung kein rechtswidriger Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu sehen (Az: 8 O 127/11). [Quelle: Beck-aktuell]

Im vorliegenden aktuellen Fall, der sich hervorragend für das Abfragen der Grundsätze zum aPR in der mündlichen Prüfung eignet,  ging es um eine altbekannte Problematik. Solche Fälle drehen sich materiellrechtlich um Ansprüche aus § 823 I, BGB, wobei das  allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG) als verletztes Schutzrecht in Frage kommt. Gleichermaßen kommt ein Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 185 StGB in Betracht.
Besonderheiten bei Rahmenrechten
Da es sich beim APR um ein sog. Rahmenrecht (wie den eigerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) handelt, gilt es die Rechtswidrigkeit des Eingriffs positiv festzustellen. Im konkreten Fall heißt das, dass die gegenläufigen Rechtspositionen miteinander abgewogen werden müssen – es findet also eine Verhältnismäßigkeitsprüfung statt: Hier  stand die Meinungsfreiheit von Wiese gegen das aPR von Lehmann im Raum. Im Rahmen der Abwägung entschied das LG München II, dass keine reine Schmähkritik vorliege, da sich Wiese auch sachlich mit der vorangegangenen Stellungnahme von Lehmann auseinandergesetzt habe. Die Meinungsfreiheit decke zudem auch härtere Formulierungen bzw. einen etwas ausfallenderen Tonfall ab. Insbesondere im Milieu des Profifußballs seien Schimpfwörter und die Austragung von Konflikten zwischen Sportlern über die Medien ganz üblich.
Des Weiterem gilt es zu berücksichtigen, dass es sich bei Lehmann wohl um eine absolute Person der Zeitgeschichte handelt. Bei solchen Persönlichkeiten, die in der Öffentlichkeit stehen, fällt die Abwägung  ohnehin prinzipiell schlechter aus. Als Person, die in der kontemporären Diskussion quasi jedermann bekannt ist, muss eben auch ein gewisses Maß an Toleranz für Kritik von dritter Seite (insbesondere auch von der Presse) akzeptiert werden.
Im Rahmen einer Diskussion von §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 185 StGB sind ähnliche Erwägungen anzustellen. Hier muss die Meinungsfreiheit des Äußernden ebenfalls bei der wertenden Betrachtung, ob eine Beleidigung im strafrechtlichen Sinne vorliegt, mit einbezogen werden. Das Ergebnis fällt demnach genauso aus, so dass es zu keiner Haftung kommt.
 

27.08.2011/4 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-08-27 20:44:272011-08-27 20:44:27Mal wieder ein Fall zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht – Jens Lehmann vs. Tim Wiese
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuelle Rechtsprechung: Das Recht am eigenen Wort (Wiedergabe einer Äußerung in Presseberichterstattung)

Deliktsrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Sebastian Diehl veröffentlichen zu können. Sebastian promoviert derzeit rechtsvergleichend im Urheberrecht und hat gerade seinen LL.M.-Studiengang an der University of Cambridge absolviert.
Das Recht am eigenen Wort (Wiedergabe einer Äußerung in Presseberichterstattung)
OLG Köln, Urt. v. 28.7.2009 – 15 U 37/09 = ZUM 2011, 69 ff.
BGH Urt. v. 21.6.2011 – VI ZR 262/09
(Pressemitteilung Nr. 107/2011, abrufbar unter www.bundesgerichtshof.de)
Am 21. Juni 2011 hat der sechste Senat des Bundesgerichtshofes über zivilrechtliche Ansprüche im Zusammenhang mit der Wiedergabe von im Rahmen einer Pressekonferenz gefallenen Aussagen in Printmedien entschieden. Demnach umfasst das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (APR) auch das Recht am eigenen Wort und schützt vor Fehlzitaten und unrichtiger, verfälschter oder entstellter Wiedergabe von Äußerungen. Im konkreten Fall stellte das Gericht allerdings (anders als die Vorinstanzen) keine zu beanstandende Berichterstattung fest.
I. Sachverhalt (vgl. OLG Köln, ZUM 2011, 69 ff.)
Die Klägerin ist Journalistin, Fernsehmoderatorin und Buchautorin. Im Rahmen einer Pressekonferenz zu ihrem Buch „Das Prinzip Arche Noah“ hatte sie sich gegenüber Journalisten wie folgt geäußert:
„Wir müssen den Familien Entlastung und nicht Belastung zumuten und müssen auch ‘ne Gerechtigkeit schaffen zwischen kinderlosen und kinderreichen Familien. Wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der darauf folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das – alles was wir an Werten hatten – es war ‘ne grausame Zeit, das war ein völlig durchgeknallter hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle – aber es ist eben auch das, was gut war – das sind die Werte, das sind Kinder, das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt – das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehen bleiben.“
Am darauffolgenden Tag veröffentlichte die Tageszeitung „Hamburger Abendblatt“ (sowohl in Printform als auch online)  einen Artikel,  der sich mit dem Buch der Klägerin befasste und ihre Äußerungen in folgender Form wiedergab:  „In diesem Zusammenhang machte die Autorin einen Schlenker zum Dritten Reich. Da sei vieles sehr schlecht gewesen, z. B. Adolf Hitler, aber einiges eben auch sehr gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter. Die hätten die 68er abgeschafft, und deshalb habe man nun den gesellschaftlichen Salat. Kurz danach war diese Buchvorstellung Gott sei Dank zu Ende.“
Diese Berichterstattung hat die Klägerin als unzutreffend angegriffen. In mehreren Instanzen hat sie ihre Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und (später) Richtigstellung verfolgt. Während sowohl das LG Köln als auch das OLG Köln im Wesentlichen der Argumentation der Klägerin gefolgt waren und die Wiedergabe der Äußerungen als Falschzitat eingeordnet hatten, hat der Bundesgerichtshof nunmehr die Ansprüche zurückgewiesen. Obgleich zum heutigen Datum die Begründung des letztinstanzlichen Urteils noch nicht vorliegt, verdeutlicht die Entscheidung die Bedeutung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen zivilrechtlicher Auseinandersetzungen über Berichterstattungen in der Presse. Für die Zwecke der Fallbearbeitung sind folgende Punkte hervorzuheben (die Besprechung wird ergänzt, sobald die Urteilsbegründung vorliegt):

II. Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts
Einleitend ist hinzuweisen auf Begriff und positivrechtliche Grundlage des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG, deliktsrechtlicher Schutz als sonstiges absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB). Das APR ist Rahmen- und Auffangrecht und kommt nur zum Tragen, sofern nicht spezielle Persönlichkeitsrechte betroffen sind (im Rahmen der Presseberichterstattung ist hier insbesondere an §§ 22 ff. KunstUrhG zu denken, u.U. können auch urheberpersönlichkeitsrechtliche Befugnisse aus §§ 12-14 UrhG einschlägig sein). Der Schutzbereich des APR ist  grundsätzlich weit zu fassen – es gebietet Achtung vor der Person und der selbstbestimmten Entfaltung der Persönlichkeit und steht Herabwürdigung, Instrumentalisierung und Beschränkungen der Handlungsfreiheit entgegen (vgl. ausführlich Bamberger, in: BeckOK BGB, Bamberger/Roth (Stand 1.3.2011), § 12, Rn. 93 ff., 134 ff., 139).
Hinsichtlich der Berichterstattung über die Äußerungen der Klägerin kommt eine Beeinträchtigung des APR in der Ausprägung des Rechts am eigenen Wort in Betracht. Der Einzelne ist insofern davor geschützt (BGH Urt. v. 21.6.2011 – VI ZR 262/09, Pressemitteilung Nr. 107/2011),
„dass ihm Äußerungen zugeschrieben werden, die er nicht getan hat und die seine Privatsphäre oder den von ihm selbst definierten sozialen Geltungsanspruch beeinträchtigen. Der grundrechtliche Schutz wirkt dabei nicht nur gegenüber Fehlzitaten, sondern auch gegenüber unrichtigen, verfälschten oder entstellten Wiedergaben einer Äußerung.“
Ob der Schutzbereich des APR vorliegend einschlägig ist, hängt folglich von der Interpretation der Äußerung der Klägerin als auch von der Deutung der konkreten Berichterstattung ab.
Mit Bezug auf den Presseartikel der Beklagten war das OLG Köln davon ausgegangen, es handele sich um eine in Zitatform wiedergegebene subjektive Auslegung der Äußerung der Klägerin. Da nicht deutlich werde, dass die Aussagen im Rahmen der Pressekonferenz auch in anderer Weise hätten interpretiert werden können, liege insofern ein Falschzitat vor. Die Beklagte hätte ihre eigene Interpretation als solche kenntlich machen müssen, um dem Vorwurf einer unwahren Tatsachenbehauptung zu entgehen (ZUM 2011, 69, 72):
„Die […] Tatsachenbehauptung, dass die Klägerin sich dem Inhalt nach eindeutig in der ihr mittels des Zitats »in den Mund gelegten« Weise geäußert habe, ist indessen unwahr. Zitate nehmen als Stilmittel »Authentizität« für sich in Anspruch, konkret die Übereinstimmung der Darstellung einer Äußerung mit der tatsächlich gefallenen Äußerung, mithin die Übereinstimmung der Darstellung der Wirklichkeit mit der Wirklichkeit. Hiervon abweichend handelt es sich indessen bei der als Zitat wiedergegebenen Aussage um eine Interpretation bzw. eine Auslegung der tatsächlich von der Klägerin anlässlich der Pressekonferenz gemachten mehrdeutigen Äußerung durch die den Beitrag verfassende Journalistin, nicht aber um die seitens der Klägerin tatsächlich gefallene Äußerung. […] Eben das geht indessen aus dem Artikel nicht hervor. Die darin enthaltene beanstandete Äußerung wird nicht als subjektive Deutung der den Artikel verfassenden Journalistin, sondern als die einer Interpretation nicht bedürftige eindeutige – tatsächlich so gemachte – Erklärung der kritisierten Klägerin dargestellt. Sie ist daher als »Falschzitat« einzuordnen […].“
Hinsichtlich der möglichen Interpretation der Äußerung der Klägerin führt das Gericht aus (aaO):
„Die Formulierung, wonach das (wertzuschätzende) Bild der Mutter »… leider mit dem Nationalsozialismus … abgeschafft …« worden sei, lässt sich aus der Sicht jedenfalls eines nicht unerheblichen Teils der Adressaten in dem Sinne verstehen, dass der Nationalsozialismus das bis dahin in Deutschland verbreitete Bild der Mutter abgeschafft habe. […] Ein anderer, ebenfalls als nicht unerheblich einzuschätzender Teil der Adressaten wird zwar angesichts des […] folgenden Begriffs »… aber …« ein Verständnis der Aussage dahin entwickeln, dass damit gerade im Gegensatz zu der negativen Kritik an dem (mit der erkennbar angesprochenen Person des Adolf Hitler personifizierten) Nationalsozialismus auch Positives hervorgehoben werden soll […]. Das ändert indessen nichts daran, dass dieser nicht fernliegenden, vertretbaren Deutung die erstgenannte Interpretation als ebenso vertretbar und ebenso wenig fernliegend gegenübersteht. In dieser Situation liegt aber eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in der Ausprägung des Rechts am eigenen Wort vor, wenn die Wiedergabe einer Äußerung, die mehrere Interpretationen zulässt, zwar einer aus der Sicht des Durchschnittsadressaten vertretbaren Deutung folgt, aber auch ein anderes Verständnis möglich ist, das die Rechte des Zitierten besser wahrt, und der Zitierende bei seiner Äußerung nicht kenntlich macht, dass es sich um seine Interpretation einer mehrdeutigen Aussage handelt.“
Der BGH ist dieser Interpretation nicht gefolgt. Wie sich aus der Pressemitteilung ergibt, vertritt der Senat vielmehr die Auffassung, die Aussage der Klägerin sei in der Berichterstattung „weder unrichtig noch verfälscht oder entstellt wiedergegeben.“ Ihre Äußerung lasse „im Gesamtzusammenhang betrachtet gemessen an Wortwahl, Kontext der Gedankenführung und Stoßrichtung nur die Deutung zu, die die Beklagte ihr beigemessen hat.“ (BGH aaO)
Wer dieser Ansicht folgt, muss eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs des APR im Rahmen einer Fallbearbeitung vorliegend ablehnen. Wer die Deutung des Berufungsgerichts bevorzugt und von einem Fehlzitat ausgeht (was mit entsprechender Begründung durchaus vertretbar erscheint), muss die weitere Frage nach der Rechtswidrigkeit der Verletzungshandlung aufwerfen.
III. Rechtswidrige Beeinträchtigung des APR
Im Unterschied zu anderen im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB geschützten absoluten Rechten besteht das APR als so genanntes Rahmenrecht mit einem offenen Schutzbereich. Folglich indiziert die Tatbestandsmäßigkeit der Verletzungshandlung nicht deren Rechtswidrigkeit. Erforderlich für die Feststellung einer Verletzung des Rechts ist eine umfassende Abwägung der betroffenen Rechtspositionen und Interessen der Beteiligten. Im Bereich der Presseberichterstattung gewinnen dabei die grundrechtlich geschützten Freiheiten aus Art. 5 GG Bedeutung (Meinungsfreiheit, Pressefreiheit) – siehe zum Ganzen Bamberger, aaO, Rn. 169 ff. Wesentliches Ziel ist ein Ausgleich der konfligierenden Positionen, die grundsätzlich gleichrangig in Ansatz zu bringen sind (zu Besonderheiten einer gesteigerten Sorgfaltspflicht von Medienangehörigen hinsichtlich der Prüfung des Inhalts der Berichterstattung ausführlich Bamberger, aaO, Rn. 196 ff.). Das OLG Düsseldorf stellte im Rahmen der Abwägung entscheidend darauf ab,
„ob die der Klägerin zugeschriebene Äußerung der tatsächlichen Erklärung einen anderen Inhalt, eine andere Tendenz oder Färbung gegeben hat, durch welche die Klägerin in ihrer Ehre und sozialen Wertgeltung beeinträchtigt wird. Im Ausgangspunkt ist hierbei von dem Verständnis auszugehen, das sich aus dem Kontext der Erklärung als der Klägerin günstigere bzw. dem von ihr Gemeinten gerechter werdende Version darstellt […].“ (ZUM 2011, 69, 73)
Für das Gericht ergab sich danach im konkreten Fall eine rechtswidrige Verletzungshandlung (aaO):
„Die der Klägerin mit der streitbefangenen Äußerung zugeschriebene Aussage beeinträchtigt nach diesen Maßstäben massiv die soziale Wertgeltung der Klägerin und lässt sie in negativem Licht erscheinen: Die der Klägerin in den Mund gelegte Aussage bagatellisiert letztlich den Unrechtsgehalt des sich durch geplante, systematische Verbrechen an der Menschlichkeit »auszeichnenden« Naziregimes – personifiziert durch die Person Adolf Hitlers. […] Dass eine Äußerung, die der Klägerin einen durch die Öffentlichkeit solchermaßen bewerteten Standpunkt zuschreibt, ihre soziale Wertgeltung beschädigt und sie herabwürdigt, liegt auf der Hand.“
IV. Rechtsfolgen bei Annahme einer rechtswidrigen Verletzung: Ansprüche auf Unterlassung, Richtigstellung, Schadensersatz (siehe die vorinstanzliche Entscheidung des OLG Köln)
Sofern eine rechtswidrige Verletzung des APR angenommen wird, folgen hieraus Ansprüche auf Unterlassung der konkreten Äußerung seitens der Beklagten im Rahmen der Berichterstattung (von besonderer Bedeutung mit Blick auf die online-Ausgabe der Zeitung) sowie auf Richtigstellung aus § 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB analog (vgl. allgemein Bamberger, aaO, Rn. 205 ff.). Zum Berichtigungsanspruch vgl. die Ausführungen des OLG Köln (ZUM 2011, 69, 75):
„Es geht um die Beseitigung der aus einer unwahren Tatsachenbehauptung andauernden bzw. fortwirkenden Störung. […] Da im Wege der Berichtigung nur Erklärungen verlangt werden können, die zur Beseitigung der Beeinträchtigung geeignet sind […], sind die der Beklagten abzuverlangenden Erklärungen so zu fassen, dass den gerade aus der Unwahrheit der Tatsachenbehauptung nachwirkenden Folgen begegnet wird. Da sich die Unwahrheit der Tatsachenbehauptung hier gerade aus dem Fehlen des Interpretationsvorbehalts ergibt, ist daher klarzustellen, dass die streitbefangene Äußerung lediglich eine subjektive Bewertung bzw. Interpretation der tatsächlich anlässlich der Pressekonferenz gemachten Äußerung der Klägerin durch die den Artikel verfassende Autorin darstellt. […] Der Berichtigungsanspruch geht grundsätzlich dahin, dass die Richtigstellung auf die Art und Weise vorzunehmen ist, wie die richtiggestellte Tatsachenbehauptung den Adressaten präsentiert worden ist.“
Neben den Ansprüchen auf Unterlassung und Beseitigung kommt auch ein Anspruch auf Entschädigung in Geld in Betracht (Ersatz des Nichtvermögensschadens). Ein solcher Anspruch  kann bei Verletzungen des APR aus dem Schutzauftrag des Art. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG folgen (indes nicht aus § 253 BGB); Voraussetzung ist eine schuldhafte, objektiv erheblich ins Gewicht fallende Persönlichkeitsrechtsverletzung, die nur durch Zuerkennung einer Geldentschädigung angemessen ausgeglichen werden kann (vgl. Bamberger, aaO, Rn. 232 ff.). Das OLG Köln bejahte dies (ZUM 2011, 69, 73 f.):
„Die geschehene Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin ist nicht nur als schwerwiegend, sondern es ist auch das Verschulden der Beklagten als hoch anzusiedeln. Die Beklagte muss sich eine erhebliche Verletzung der ihr als Presseorgan auferlegten Sorgfalt entgegenhalten lassen. Dabei trifft es im Ausgangspunkt zwar zu, dass der Presse keine Sorgfaltspflichten auferlegt werden dürfen, welche sich in ihren Auswirkungen als eine die Freiheit der Presseberichterstattung gefährdende »Gängelung« darstellen könnten. Der Beklagten würde solches aber auch nicht abverlangt. […] Angesichts der hohen Eignung der streitbefangenen Aussage, das öffentliche Ansehen der Klägerin massiv zu beschädigen, hätte die Beklagte sich durch einfache Nachfrage bei der Klägerin vergewissern können und müssen, ob sie sich tatsächlich so – wie in dem von der Autorin verfassten Beitrag dargestellt – geäußert hat. Eine solche klarstellende Nachfrage lag vor allem auch mit Blick auf den Charakter der Veranstaltung nahe […].“
Den Einwand des Mitverschuldens ließ das Gericht insoweit nicht zu (ZUM 2011, 69, 74):
„Die Klägerin hat […] mit der Mehrdeutigkeit und Unklarheit ihrer Aussage nicht (mit)veranlasst, dass die von ihr damit ermöglichten verschiedenen Deutungen in Presseberichterstattungen nicht als solche bzw. als eine von dem Autor der betroffenen Berichterstattung vorgenommene Interpretation der mehrdeutigen Aussage der Klägerin gekennzeichnet werden. Eben darin liegt aber die Rechtsverletzung begründet; an dieser hat die Klägerin weder im Sinne der Adäquanz kausal mitgewirkt noch hat sie sie mitverschuldet.“
V. Fazit
Die Entscheidungshistorie im vorliegenden Kontext unterstreicht die Relevanz des APR im Rahmen der Presseberichterstattung. Die divergierenden Urteile von Berufungsinstanz und BGH verdeutlichen, dass die Annahme einer Beeinträchtigung des offenen Schutzbereichs des Persönlichkeitsrechts eine nicht nur oberflächliche Auseinandersetzung mit den Umständen des konkreten Falles voraussetzt. Das Urteil des OLG Köln zeigt dabei auf, welche Punkte im Rahmen der Fallbearbeitung von besonderer Bedeutung sind (Vorliegen eines Fehlzitates als Beeinträchtigung des Rechts am eigenen Wort, Rechtswidrigkeit nach Abwägung der betroffenen Interessen, Verschulden und Schwere des Eingriffs, spezifische Rechtsfolgen); in einigen Punkten bietet die Argumentation des OLG durchaus Anlass zur Kritik (so etwa hinsichtlich der Ausführungen zur Abwägung im Rahmen der Rechtswidrigkeit sowie in Bezug auf die angenommene Erheblichkeit der Verletzung). Hierauf wird im Rahmen einer näheren Besprechung des Urteils des BGH zurückzukommen sein.
 

29.06.2011/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2011-06-29 12:27:442011-06-29 12:27:44Aktuelle Rechtsprechung: Das Recht am eigenen Wort (Wiedergabe einer Äußerung in Presseberichterstattung)
Nicolas Hohn-Hein

Arbeitsrecht: Hohe Anforderungen an außerordentliche Kündigung bei Veröffentlichung eines (Büro-) Romans durch den Arbeitnehmer

Arbeitsrecht, Zivilrecht

Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Herford (Az. 2 Ca 1394/10 – Urteil vom 18.02.2011) beschäftigt sich mit der Frage, ob einem Arbeitnehmer gekündigt werden kann, wenn dieser einen Roman veröffentlicht, der starke Bezüge zum Büro-Alltag des Autors aufweist. Der Fall wird im Folgenden anhand des typischen Aufbaus einer Kündigungsschutzklage dargestellt entsprechend einer möglichen Fallstellung in einer Examensklausur.
Sachverhalt
K ist Angestellter der Küchenmöbel-Firma B. Ende Oktober 2010 hatte K ein Buch mit dem Titel „Wer die Hölle fürchtet, kennt das Büro nicht“ veröffentlicht. Darin beschreibt der fiktive Ich-Erzähler „Jockel Beck“ seine Erfahrungen als Angestellter in einem ebenfalls fiktiven Unternehmen, das zumindest ähnliche Unternehmensstrukturen wie die der B aufweist. Die Erlebnisse und Gespräche des Erzählers mit den Angehörigen des Unternehmens, sowie deren besonderen Eigenheiten sind Gegenstand zahlreicher satirisch überspitzter Darstellungen und sollen den Leser unterhalten. Die Geschäftsleitung der B erfährt am 29.10.2010 von dem Roman und dessen Inhalt.
Der Vorgesetzte (V) ist erbost und kündigt dem K – nach erfolgter Anhörung und mit Zustimmung des Betriebsrats am 08.11.2010 – fristlos mit Schreiben vom 10.11.2010, welches ihm noch am selben Tag zugeht. Als Begründung heißt es später, das Buch sei unmittelbar eine reale Beschreibung seines Büroalltags. Zahlreiche Angestellte würden eindeutig lächerlich gemacht und diskriminiert. Bezüglich einer bestimmten Mitarbeiterin – im Betrieb von Kollegen und im Buch als „Fatma“ bezeichnet – ließe sich eine der Romanfiguren eins zu eins übertragen. Im Übrigen habe K durch sein Werk für erhebliche Unruhe und Aufregung in der Belegschaft gesorgt. Man befürchte einen regelrechten „Aufstand“ unter einigen Mitarbeitern im betrieblichen Umfeld des K, wenn dieser auch weiterhin weiterbeschäftigt werden würde. Konkrete Anhaltspunkt habe man hierfür nicht, jedoch spreche die „allgemeine Stimmunglage“ stark dafür. Viele Angestellte fühlten sich in ihren Gefühlen verletzt. Im Ergebnis seien die Darstellungen des Klägers in dem Buch als ausländerfeindlich, ehrverletzend, beleidigend und sexistisch einzustufen. Nicht nur der Wiederherstellung des Betriebsklimas, sondern auch der Abwendung einer Rufschädigung des Unternehmens sei es geschuldet, dem K eine Weiterbeschäftigung zu versagen.
K kann die ganze Aufregung nicht verstehen. In dem Buch werde explizit im Vorwort darauf hingewiesen, dass sämtliche beschriebene Personen, deren Namen und die jeweiligen Situationen frei erfunden und damit nicht identifizierbar seien. Es handele sich gerade nicht um ein Sachbuch mit einem realen Hintergrund. Überdies habe K das Buch in seiner Freizeit verfasst, sodass schon kein ausreichender Bezug zu seiner Stellung als Arbeitnehmer bestehe. Außerdem stimme die Beschreibung der besagten Angestellten mit der realen Person nicht überein. Es gebe zwar in der Tat eine Angestellte, die in seinem Büroalltag despektierlich „Fatma“ genannt werde, für diese Äußerungen sei K jedoch nicht verantwortlich. Was den Betriebsfrieden angehe, so habe V gezielt „Stimmung“ gegen K gemacht, indem dieser – was zutrifft – mit Auszügen aus dem Buch durch den Betrieb gelaufen sei und die Angestellten dazu befragt hat, ob sie sich in dem Roman wiederfinden und ggf. beleidigt fühlten. Insgesamt beruft sich K auf sein Grundrecht aus Art.5 Abs.3 GG.
K legt fristgemäß Kündigungsschutzklage bei dem zuständigen Arbeitsgericht ein. Von der Zulässigkeit der Klage ist auszugehen. Hat die Klage des K Erfolg?
Der folgende Lösungsvorschlag erhebt keinen Anspruch auf inhaltliche Vollständigkeit.
Lösungvorschlag
Die Kündigungsschutzklage des K müsste begründet sein.
I. Zugang einer schriftlichen Kündigung, § 623 BGB.
Dem K ist am 10.11.2011 ein Schreiben der B zugegangen (§ 130 Abs.1 BGB), in dem zum Ausdruck kommt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen K und B enden soll. Damit ist eine schriftliche Kündigung gegeben. (Der Arbeitnehmerstatus des Betroffenen nach § 5 ArbGG ist in der Regel unproblematisch)
II. Keine Präklusion, §§ 4, 7 KSchG
Da K noch am Folgetag nach Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage beim zuständigen Gericht erhoben hat, ist die Wirksamkeitsfiktion gemäß §§ 4, 7 KSchG nicht eingetreten.
III. Wirksamkeit der Kündigung nach den allgemeinen Regeln des BGB
Ferner müssten die allgemeinen Regeln des BGB über die Wirksamkeit von Willenserklärungen eingehalten worden sein. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte im Sachverhalt ist hiervon vorliegend auszugehen. (Andere Unwirksamkeitsgründe: Stellvertretung, Bedingungsfeindlichkeit, Geschäftsfähigkeit etc.)
IV. Sonderkündigungsschutz
Der Betrieb der B verfügt über einen Betriebsrat. Nach §§ 102, 103 Abs.1 BetrVG ist der Betriebsrat vor Aussprache einer außerordentlichen Kündigung anzuhören und seine Zustimmung einzuholen. Ansonsten wäre die Kündigung unwirksam und B müsste einen entsprechenden Antrag nach § 103 Abs.2 BetrVG beim Arbeitsgericht stellen. Hier wurde der Betriebsrat rechtzeitig am 08.11.2010 angehört und dessen Zustimmung abgewartet. Die Voraussetzungen für die Beteiligung des Betriebsrats sind damit erfüllt. (Andere Schutzmöglichkeiten: MuSchG, AGG, BEEG, § 613a IV 1 BGB, §§ 85, 91 SGB IX)
V. Materielle Voraussetzungen der Kündigung
(Die weitere Prüfung richtet sich danach, ob es sich um eine ordentliche oder außerordentliche, fristlose Kündigung handelt. Hier: Außerordentliche fristlose Kündigung nach § 626 BGB)
1. Zwei-Wochen-Frist nach § 626 Abs.2 BGB
Die zweiwöchige Kündigungsfrist müsste eingehalten worden sein. Die Geschäftsleitung hat am 29.10.2010 von dem Buch und dessen Inhalt Kenntnis erlangt. Gemäß § 187 Abs.1 BGB beginnt die Frist am darauf folgenden Tag, dem 30.10.2010. Fristende ist damit der Ablauf des 12.11.2010 um 23:59, § 188 Abs.2 BGB (siehe auch unten in den Kommentaren). Vorliegend ist dem K das Schreiben am 10.11.2010 und damit noch innerhalb der Frist zugegangen.
2. „Wichtiger Grundes“ nach § 626 Abs.1 BGB
Damit die außerordentliche fristlose Kündigung wirksam ist, ist ein „wichtiger Grund“ gemäß § 626 Abs.1 BGB erforderlich. Es müssen daher Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Ein bestimmter Sachverhalt muss zunächst objektiv geeignet sein, die Beendigung des Dienstverhältnisses zu begründen. Sodann ist zu klären, ob die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles und der Abwägung der Interessen beider Vertragsteile zumutbar ist oder nicht (Zwei-Schritt-Prüfung).
a) Grund: Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Angestellten
Ein Kündigungsgrund könnte darin liegen, dass K das allgemeine Persönlichkeitsrecht gemäß Art. 2 Abs.1 i.V.m. Art. 1 Abs.1 GG verletzt haben könnte. Das wäre der Fall, wenn der Betroffene erkennbar Gegenstand einer medialen Darstellung gemacht wird.

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im sogenannten Esra-Fall (ein autobiographischer Liebesroman von Maxim Biller) ist bei der Abwägung mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG auf die mögliche Erkennbarkeit der realen Person in der Gestalt des im Roman fiktionalen Protagonisten abzustellen. Erst wenn bei solchen Biographien ohne wesentliche Abweichung von der Wirklichkeit eine Darstellung einer real existierenden Person erzielt wird, liegt ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht vor. Dabei ist zu beachten, dass die Kunstfreiheit das Recht zur Verwendung von Vorbildern aus der Lebenswirklichkeit positiv mit einschließt – so ausdrücklich das BVerfG).
Für den Fall, dass Persönlichkeitsrechte betroffen sind, ist zu fragen, ob der hohe Stellenwert der Kunstfreiheit in Art. 5 Abs. 3 GG Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten im Wege der Wechselwirkung möglicherweise rechtfertigt. Hierbei hat das Bundesverfassungsgericht eine kunstspezifische Betrachtungsweise angelegt, um einen etwaigen Wirklichkeitsbezug des Romans zu ermitteln. Das Bundesverfassungsgericht vermutet dabei zugunsten des Autors eine Fiktionalität des Werkes. Etwas anderes gilt erst dann, wenn der Romanautor einen Faktizitätsanspruch selbst erhebt; […]
Kann dabei ein objektiv besonnener und verständiger Leser erkennen, dass sich der Romantext nicht in einer reportagenhaften Schilderung einer realexistierenden Person und von realen Ereignissen erschöpft, sondern vielmehr auf einer dahinterliegenden Ebene spielt, so können Persönlichkeitsrechte nach der oben benannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gerade nicht betroffen sein.

Gerade einem Satire-Roman ist es zu eigen, dass er Sachverhalte überspitzt und bewusst übertrieben darstellt und den Leser auf bestimmte Themen hinweist, indem er ihn zum Lachen bringt. Ob sie dem guten Geschmack entspricht, ist aufgrund von Art. 5 Abs.3 GG nicht Gegenstand der Beurteilung.
Im vorliegenden Fall hat K im Vorwort des Buches ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Roman um eine reine Fiktion handelt.

Es fehlt eine substantielle Darlegung, dass die der Romanfigur (als Ich-Erzähler) zuzuschreibenden Verhaltensauffälligkeiten (incl. der vermeintlichen Erfüllung von Straftatbeständen) irgendeinen tatsächlichen Bezug und Wahrheitsgehalt zu real existierenden Personen im Betrieb der Beklagten hat. Nach der Logik der Beklagten hätten dann noch zahlreiche weitere Kündigung angedacht werden müssen. Aber die Beklagte erkennt dieses Dilemma im Kernpunkt selbst, als sie in ihrer Begründung der Kündigung die Vermischung von Realität und Fantasie immer wieder selbst feststellt.Weiterhin lassen reicht eine allgemeine Ähnlichkeit mit dem Unternehmen der B nicht aus, um einen entsprechenden direkten Bezug herzustellen.Die Beklagte übersieht, dass sich die im Buch aufgegriffenen Betriebsstrukturen auch in anderen Betrieben wieder finden lassen: Geschäftsführer, Betriebsrat, Buchhaltungsabteilung, Verkaufsabteilung, Einkaufsabteillung usw. sind den meisten Firmenstrukturen immanent. In vielen Firmen werden sich auch Mitarbeiter anderer Nationalitäten als der Deutschen finden lassen; es wird auch des Öfteren Mitarbeiter mit Haarzöpfen geben.

Auch reichen nur teilweise Übereinstimmungen zu realen Personen nicht aus. Vielmehr muss die Romanfigur im Ganzen der realen Person entsprechen. Sowohl innere, als auch äußere Merkmale müssen sich dabei im Roman niedergeschlagen haben. Dies ist bei der als „Fatma“ betitlten Mitarbeiterin aber nicht erkennbar geworden.

Wie bereits oben darauf hingewiesen ist der Umstand, dass Teile der Arbeitnehmerschaft der Beklagten Romanfiguren auf das äußere Erscheinungsbild und in einem Fall zusätzlich auf die Nationalität reduzieren, ohne die Gesamtperson und Handlungen aus der Realität dabei im Auge zu behalten, ist ein Defizit im Ausgangspunkt zur Aussprache und Vorbereitung der außerordentlichen Kündigung vom 10.11.2010. Nach Art der „Rosinen-Theorie“ werden nur solche vermeintliche Übereinstimmungen aus dem Buch mit der Lebenswirklichkeit herausgepickt, die für sich einen ersten Rückschluss auf eine mögliche Person im Betrieb zulassen. Dabei wird beklagtenseitig das äußere Erscheinungsbild der Person von dem inneren Erscheinungsbild (Charakter, Psyche, usw.) völlig losgelöst beurteilt. Statt ein Gesamtbild der im Roman dargestellten Persönlichkeiten wahrzunehmen, wird auf ein paar krass ins Auge springender Einzelheiten reduziert. Erst diese Reduzierung und die anschließende, darauf basierende Gleichschaltung von Romanfigur zu möglicherweise real existierenden Personen kann das Vorgehen der Kollegen und der Beklagten erklären, rechtfertig aber keine außerordentliche Kündigung.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Angestellten wurde folglich nicht verletzt. Ein entsprechender Kündigungsgrund ist nicht gegeben.
b) Grund: Nebenpflichtverletzung des K
K könnte eine Nebenpflicht nach § 241 Abs.2 BGB verletzt haben, indem nach der Romanveröffentlichung zu „Unruhen“ unter der Belegschaft gekommen ist.

Üblicher Weise werden unter dem Begriff Betriebsfrieden Störungen eines Arbeitnehmers gezählt, der Arbeitskollegen zu oppositionellen Verhalten gegen den Arbeitgeber, zum Vertragsbruch etc. aufwiegelt und versucht, bewusst den Betriebsfrieden zu stören. In einer solchen Situation wäre die Rücksichtnahmepflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer zur vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitskollegen verpflichtet. Er hat die Privatsphäre von Arbeitgeber und Arbeitskollegen zu beachten. Private Konflikte dürfen nicht in den Betrieb übertragen werden. Wird der Betriebsfrieden durch aktive Handlungen gestört, die das friedliche Zusammenarbeiten der Arbeitnehmerschaft untereinander und mit dem Arbeitgeber erschüttern oder nachhaltig beeinträchtigen und nachteilige betriebliche Auswirkungen etwa durch eine Störung des Betriebsablaufs haben, kann eine verhaltensbedingte, ordentliche Kündigung gerechtfertigt sein.
Voraussetzung ist allerdings auch hier, dass das Verhalten dem Arbeitnehmer als Vertragspflichtverletzung vorwerfbar ist. Auch dürfen die Grundrechte des Arbeitnehmers insbesondere seine Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Eine außerordentliche Kündigung kommt wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erst bei schwerwiegenden Störungen des Betriebsfriedens oder des Arbeitsablaufs in Betracht. Im Übrigen trifft den Arbeitgeber bei Streitigkeiten unter Arbeitnehmern, die einen geordneten Betriebsablauf gefährden können, eine besondere Vermittlungspflicht.

Folglich fehlt es auch in dieser Hinsicht an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs.1 BGB.
c) Grund: sog. Druck-Kündigung
Es könnte ein Fall der Druck-Kündigung vorliegen, wenn sich der Arbeitgeber gezwungen sieht, einem bestimmten Arbeitnehmer zu kündigen, da ansonsten mit erheblichen Konsequenzen seitens der Belegschaft, des Betriebsrats oder Kunden des Arbeitgebers (Kündigung, Verweigerung der Zusammenarbeit, Abbruch der Geschäftsbeziehungen) zu rechnen wäre. Hierbei wird zwischen der unechten Druck-Kündigung und der (echten) Druckkündigung aus betriebsbedingten Gründen unterschieden. Während bei der ersten Variante das Entlassungsbegehren objektiv aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen nach § 1 Abs.2 S.1 KSchG gerechtfertigt ist, basiert die betriebsbedingte Druck-Kündigung auf außer- oder innerbetrieblichen Umständen.
Eine unechte Druckkündigung kommt hier nicht in Betracht, da im Verhalten oder in der Person des K keine Pflichtverletzungen zu erkennen sind (s.o.). K kann sich dahingehend auf sein Recht aus Art. 5 Abs.3 GG berufen.
Es könnte sich jedoch um eine betriebsbedingte Druck-Kündigung handeln.

Die Fälle einer betriebsbedingten Druck-Kündigung sind dagegen selten und werden teilweise sogar ganz abgelehnt. […] Letzteres vor allem vor dem Hintergrund, dass das Recht nicht dem Unrecht weichen muss. Die Frage die sich bei betriebsbedingten Druck-Kündigungen auftut ist, ob bei rechtswidrigen Drohungen es dem Arbeitgeber zumutbar sein kann, den Eintritt erheblicher Schäden zu riskieren, wenn ein milderes Mittel als die Kündigung fehlt.[…] Weitere Voraussetzungen einer betriebsbedingten Druck-Kündigung ist, dass der Arbeitgeber sich zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer stellt und alle zumutbaren Mittel einsetzt, um die Belegschaft und die Person, von denen der Druck ausgeht, von ihrer Drohung abzubringen. Konkrete Darlegungen hierzu lassen die Betriebsratsanhörung und der Prozessvortrag vermissen.
Sollten hinter dem (Druck-)Kündigungsbegehren gar diskriminierende Motive des Arbeitnehmers stehen, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die ihm gem. § 12 AGG gegenüber Arbeitnehmern und nach § 19 AGG gegenüber Geschäftspartnern zustehenden Abwehrmöglichkeiten auszuschöpfen. Nur wenn trotz allem ein bestimmtes angedrohtes Verhalten nicht zu verhindern ist und dem Arbeitgeber dadurch schwere wirtschaftliche Beeinträchtigungen drohen würden, kann die Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei muss die Kündigung nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit das Einzige in Betracht kommende Mittel sein, um etwaige Schäden abzuwenden.
[…]Die Berufung des Beklagten darauf, dass nach Aussage aller Abteilungsleiter es im Fall einer Fortführung des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger zu einem „Aufstand“ kommen würde, ist kein ausreichender Sachvortrag für die Annahme, dass eine außerordentliche Druck-Kündigung unumgänglich gewesen ist am 10.11.2010.

Ergebnis: Ein wichtiger Grund gemäß § 626 Abs.1 BGB ist nicht gegeben. Die außerordentliche fristlose Kündigung der B ist damit unwirksam. Die Klage des K ist begründet. (Zur Möglichkeit einer Umdeutung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung, siehe unten)
Fazit
Die Kündigungsschutzklage sollte man kennen. Sobald der gängige Aufbau einmal verinnerlicht wurde, wird der Schwerpunkt der Prüfung regelmäßig in der Behandlung der möglichen Kündigungsgründe liegen. Dabei handelt es sich meist um eine Abwägungsentscheidung, die stets in zwei Schritten zu prüfen ist: Ist der Kündigungsgrund objektiv geeignet, eine vorzeitige Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen? Wenn ja, gilt dies auch für den konkreten Einzelfall unter Abwägung der jeweiligen Interessen der Vertragspartner? Geht die außerordentliche fristlose Kündigung nicht durch, sollte man die Möglichkeit einer Umdeutung (§ 140 BGB) in eine vorsorgliche fristwahrende ordentliche Kündigung im Hinterkopf behalten. Dies wird in der Regel möglich und von der Zustimmung des Betriebsrats – wenn vorhanden – gedeckt sein (da ein „minus“ zur außerordentlichen fristlosen Kündigung; umgekehrt dagegen nicht, vgl. auch HK-ArbR/Braasch § 626 Rz. 43f).
Um den Rahmen des Beitrags nicht zu sprengen und da die Umdeutungsmöglichkeit in der Entscheidung nicht in Erscheinung tritt, wurde von einer Prüfung abgesehen. Nach allgemeiner Ansicht darf das Arbeitsgericht eine solche Umdeutung jedenfalls nicht von Amts wegen vornehmen. In der Regel werden entsprechende Hinweise im Sachverhalt anzutreffen sein.
Der Fall eignet sich gut für eine Examensklausur, da typische Probleme des Arbeitsrechts mit grundrechtlichen Überlegungen (APR, Kunstfreiheit) verknüpft werden.

08.04.2011/2 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2011-04-08 00:00:522011-04-08 00:00:52Arbeitsrecht: Hohe Anforderungen an außerordentliche Kündigung bei Veröffentlichung eines (Büro-) Romans durch den Arbeitnehmer
Samuel Ju

BGH: Internet-Berichterstattung über Straftäter unter namentlicher Nennung stellt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar – Fall „Sedlmayer“

Deliktsrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir danken Nicolas für einen weiteren Gastbeitrag zu einem aktuellen Urteil des BGH vom 1.2.2011, in der es insbesondere um die examensrelevante Problematik des allgemeinen Persönichkeitsrechts in der Zivilrechtsklausur geht.
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des BGH (Urteil vom 1.02.2011 – VI ZR 345/09) ging es um die Frage, ob sich der verurteilt Mörder des Schauspielers Walter Sedlmayer gegen Berichte im Internet wehren kann, die den Mordfall unter namentlicher Nennung der an der Straftat beteiligten Personen sowie Veröffentlichung von Bildern derselben zum Gegenstand haben. Der Fall ist insofern interessant, als dass klassische Fragen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Rahmen von § 823 I BGB, § 1004 BGB analog angesprochen werden, die sehr gut Thema einer zivilrechtlichen Klausur sein können.
Sachverhalt
Im Jahr 1993 war der bekannte Schauspieler Walter Sedlmayer ermordet worden. Der rechtskräftig wegen Mordes verurteilte Kläger K wurde 2008 auf Bewährung aus der Haft entlassen, nachdem er im Jahr 2004 erfolglos – unter Hinzuziehung der Presse – eine Wiederaufnahme des Verfahrens angestrengt hatte. Die Beklagte B ist Betreiberin eines Internetportals. Dort hatte B schon im Jahr 2005 einen Bericht veröffentlicht, der sich mit der Wiederaufnahme des Verfahrens des K beschäftigt und bis zum heutigen Zeitpunkt in einem Archiv frei abrufbar ist. In diesem Bericht werden (neben anderen Beteiligten an der Tat) der K namentlich und mit Foto genannt und der Fortgang des Wiederaufnahmeverfahrens erläutert.
K sieht sich in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt und verlangt die Unterlassung der Namensnennung. Insbesondere führe diese Form der Berichterstattung zu einer permanenten und unangemessenen Stigmatisierung seiner Person, die mit dem Informationsinteresse der Allgemeinheit nicht zu rechtfertigen sei. Immerhin habe er seine Strafe schon verbüßt.
K beruft sich gegenüber B auf § 823 Abs.1, 1004 BGB analog i.V.m Art. 1 Abs.1, Art. 2 Abs.1 GG.
Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des K ist gegeben
Der Vorinstanz folgend bejaht der BGH einen Eingriff in das allgemeines Persönlichkeitsrecht des K. Ein solcher Eingriff ist nicht nur dann anzunehmen, soweit „klassische“ Massenmedien (Tagespresse, Funk- und Fernsehen) über einen vergleichbaren Sachverhalt berichten, sondern auch bei einem „Bereithalten“ und „Abrufbarmachen“ des Berichts mittels eines Online-Archivs.

Denn die Berichterstattung über eine Straftat unter Nennung des Namens des Straftäters beeinträchtigt zwangsläufig dessen Recht auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens, weil sie sein Fehlverhalten öffentlich bekannt macht und seine Person in den Augen der Adressaten von vornherein negativ qualifiziert ([…]vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, AfP 2010, 261 Rn. 11 mit NA-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Juni 2010 – 1 BvR 1316/10; BVerfGE 35, 202, 226; BverfG NJW 2006, 2835; AfP 2009, 365 Rn. 15). Dies gilt nicht nur bei aktiver Informationsübermittlung durch die Medien, wie es im Rahmen der herkömmlichen Berichterstattung in Tagespresse, Rundfunk oder Fernsehen geschieht, sondern auch dann, wenn – wie im Streitfall – den Täter identifizierende Inhalte lediglich auf einer passiven Darstellungsplattform im Internet zum Abruf bereitgehalten werden (vgl. BVerfG, AfP 2009, 365 Rn. 17). Diese Inhalte sind nämlich grundsätzlich jedem interessierten Internetnutzer zugänglich (vgl. Senatsurteile vom 15. Dezember 2009 – VI ZR 227/08, aaO – „Onlinearchiv“ I; vom 9. Februar 2010 – VI ZR 243/08, aaO – „Onlinearchiv“ II; vom 20. April 2010 – VI ZR 245/08, aaO; Verweyen/Schulz, AfP 2008, 133, 137).

 
Ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch Medienberichte verletzt, muss zwischen Art. 1 Abs. 1,  Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK und Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 GG abgewogen werden.

Denn wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als eines Rahmenrechts liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalles sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind.

 
Fehlende Stigmatisierung aufgrund geringer Breitenwirkung der Veröffentlichung
Der BGH stellt zunächst fest, dass unter bestimmten Voraussetzungen auch bei Verbreitung wahrer Tatsachen ein Interesse des Betroffenen an einer Einschränkung der Meinungs– und Pressefreiheit überwiegen kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Berichterstattung das Ansehen des Betroffenen nachhaltig und in einer erheblichen beschädigt. Bei aktuellen Berichten über besonders schweren Straftaten ist jedoch zusätzlich das erhöhte Interesse der Allgemeinheit an einer umfangreichen Aufklärung in die Abwägung mit einzubeziehen. Hingegen kann dieses Interesse dann zurücktreten, wenn die Straftat schon einige Zeit zurückliegt und die Resozialisierung des Täters ggf. schon abgeschlossen ist. Eine zu besorgende Stigmatisierung ist jedenfalls dann zu befürchten, wenn die Berichterstattung in einem breiten Spektrum und ohne aktuellen Bezug Verbreitung findet. (So im Fall „Lebach I“, BVerfGE 35, 2020, auf den K sich u.a. berufen hat).
Nach Ansicht des BGH ist der vorliegende Fall mit der zitierten Entscheidung nicht vergleichbar.

[…] Zwar kommt dem Interesse des Klägers, von einer Reaktualisierung seiner Verfehlung verschont zu bleiben, vorliegend erhöhtes Gewicht zu. Die von ihm begangene Straftat und die Verurteilung liegen lange zurück; der Kläger ist im Januar 2008 aus der Strafhaft entlassen worden. Andererseits beeinträchtigt die beanstandete Meldung sein Persönlichkeitsrecht einschließlich seines Resozialisierungsinteresses unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht in erheblicher Weise. Sie ist insbesondere nicht geeignet, den Kläger „ewig an den Pranger“ zu stellen oder in einer Weise „an das Licht der Öffentlichkeit zu zerren“, die ihn als Straftäter (wieder) neu stigmatisieren könnte. Die Meldung enthält wahrheitsgemäße Aussagen über ein Kapitalverbrechen an einem bekannten Schauspieler, das erhebliches öffentliches Aufsehen erregt hatte. In ihr wird sachbezogen und objektiv mitgeteilt, dass sich in dem Fall neue Erkenntnisse ergeben hätten und eine Entscheidung über den Antrag des Klägers auf Wiederaufnahme des Verfahrens kurz bevorstehe. Die den Kläger identifizierenden Angaben in der Meldung waren angesichts der Schwere des Verbrechens, der Bekanntheit des Opfers, des erheblichen Aufsehens, das die Tat in der Öffentlichkeit erregt hatte, und des Umstands, dass sich die Verurteilten noch im Jahr 2004 unter Inanspruchnahme aller denkbaren Rechtsbehelfe um die Aufhebung ihrer Verurteilung bemühten, zum Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung unzweifelhaft zulässig. In der Art und Weise, wie die Meldung zum Abruf bereitgehalten wurde, kam ihr eine nur geringe Breitenwirkung zu. Der Verbreitungsgrad des konkret gewählten Mediums war gering; eine Fallgestaltung, wie sie der Lebach-I- Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 35, 202) zugrunde lag, ist nicht gegeben. Gegenstand dieser Entscheidung war eine Fernsehdokumentation zur besten Sendezeit, die zu einem intensiven Nacherleben der Straftat unter Betonung der emotionalen Komponente führte (vgl. BVerfGE 35, 202, 228 f.). Unter den damaligen Fernsehbedingungen war gerade für eine solche Sendung mit einer besonders hohen Einschaltquote zu rechnen (BVerfG 35, 202, 227 f.). Hingegen setzte eine Kenntnisnahme vom Inhalt der beanstandeten Meldung im Streitfall eine gezielte Suche voraus. Die Meldung wurde nur auf einer als passive Darstellungsplattform geschalteten Website angeboten, die typischerweise nur von solchen Nutzern zur Kenntnis genommen wird, die sich selbst aktiv informieren.

 
Vollständige Immunisierung des Täters steht Art. 5 I GG entgegen
Überdies ist nach Ansicht des BGH auch die Recherche vergangener Ereignisse durchaus von Art. 5 I GG gedeckt, welches vor allem für Kapitalverbrechen gelten müsse, die in der Öffentlichkeit besondere Aufmerksamkeit erregt haben.

Dementsprechend nehmen die Medien ihre Aufgabe, in Ausübung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren und an der demokratischen Willensbildung mitzuwirken, auch dadurch wahr, dass sie nicht mehr aktuelle Veröffentlichungen für interessierte Mediennutzer verfügbar halten. Ein generelles Verbot der Einsehbarkeit und Recherchierbarkeit bzw. ein Gebot der Löschung aller früheren den Straftäter identifizierenden Darstellungen in „Onlinearchiven“ würde dazu führen, dass Geschichte getilgt und der Straftäter vollständig immunisiert würde

 
 
Keine permanente Rechtmäßigkeitskontrolle archivierter Inhalte
Auch könne von der Beklagten nicht verlangt werden, gar kein Online-Archiv anzubieten oder eine permanente Rechtmäßigkeitskontrolle der Inhalte durchzuführen..

Die Beklagte könnte ihren verfassungsrechtlichen Auftrag, in Wahrnehmung der Meinungsfreiheit die Öffentlichkeit zu informieren, nicht vollumfänglich erfüllen, wenn es ihr generell verwehrt wäre, dem interessierten Nutzer den Zugriff auf frühere Veröffentlichungen zu ermöglichen. Würde auch das weitere Bereithalten als solcher erkennbarer und im Zeitpunkt der erstmaligen Veröffentlichung zulässiger Altmeldungen auf für Altmeldungen vorgesehenen Seiten zum Abruf im Internet nach Ablauf einer gewissen Zeit oder nach Veränderung der zugrunde liegenden Umstände ohne weiteres unzulässig und wäre die Beklagte verpflichtet, sämtliche archivierten Beiträge von sich aus immer wieder auf ihre Rechtmäßigkeit zu kontrollieren, würde die Meinungs- und Medienfreiheit in unzulässiger Weise eingeschränkt. Angesichts des mit einer derartigen Kontrolle verbundenen personellen und zeitlichen Aufwands bestünde die erhebliche Gefahr, dass die Beklagte entweder ganz von einer der Öffentlichkeit zugänglichen Archivierung absehen oder bereits bei der erstmaligen Veröffentlichung die Umstände ausklammern würde, die – wie vorliegend der Name des Straftäters – das weitere Vorhalten des Beitrags später rechtswidrig werden lassen könnten, an deren Mitteilung die Öffentlichkeit aber im Zeitpunkt der erstmaligen Berichterstattung ein schützenswertes Interesse hat.

 
Im Ergebnis überwiegt daher das Informationsinteresse der Allgemeinheit gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des K. K hat keinen Anspruch auf Unterlassung der Nennung seines Namens im Bericht der B.
Fazit
Umfangreiches Zivilrechtsurteil mit Ausflügen ins GG und die EMRK – es ist nicht auszuschließen, dass das Thema im Schriftlichen oder Mündlichen in nächster Zeit drankommt, zumal das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Rahmen von § 823 I BGB („sonstiges Recht“) immer wieder beliebter Prüfungsstoff ist. Die Ausführungen des BGH zum Datenschutzrecht, insbesondere zum BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) und zum RstV (Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien) wurden zugunsten der Lesbarkeit bewusst außen vor gelassen (zum Nachlesen: Rz.23ff im Urteil).
Update: Das OLG Hamburg hat jetzt (Urt. v. 15.03.2011 – Az.: 7 U 45/10) in einem parallelen Fall anders entschieden, da der Betroffene noch auf Bewährung war. Für eine Zusammenfassung, siehe hier.

17.03.2011/1 Kommentar/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2011-03-17 07:50:562011-03-17 07:50:56BGH: Internet-Berichterstattung über Straftäter unter namentlicher Nennung stellt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar – Fall „Sedlmayer“
Samuel Ju

Zivilrecht-Klassiker: Herrenreiterfall (BGHZ 26,349)

BGH-Klassiker, Deliktsrecht, Schon gelesen?, Verfassungsrecht, Zivilrecht

Der „Herrenreiter“-Fall ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Februar 1958 (BGHZ 26,349).
Sachverhalt
Der Kläger ist Mitinhaber einer Brauerei in K. Er betätigt sich als Herrenreiter (heute: Dressurreiter) auf Turnieren. Die Beklagte ist Herstellerin eines pharmazeutischen Präparats, das nach der Vorstellung weiter Bevölkerungskreise auch der Hebung der sexuellen Potenz dient. Sie hat zur Werbung für dieses Mittel in der Bundesrepublik, u.a. auch in K., ein Plakat mit der Abbildung eines Turnierreiters verbreitet. Dem Plakat lag ein Originalphoto des Klägers zugrunde, das von dem Presseverlag S. auf einem Reitturnier aufgenommen worden war. Eine Einwilligung zur Verwendung seines Bildes hatte der Kläger nicht erteilt.
Der Kläger nimmt die Beklagte für den Schaden in Anspruch, der ihm durch die Verbreitung des Werbeplakats entstanden ist. Er macht geltend, dass ihm bei der gegebenen Sachlage nur der Weg bleibe, Ersatz dessen zu fordern, was er erlangt haben würde, wenn er der Beklagten die Benutzung seines Bildes gestattet hätte. Da seine geschäftliche und gesellschaftliche Stellung es ihm nicht gestatteten und seine Vermögensverhältnisse ihn auch in keiner Weise dazu nötigten, sein Bild für Werbezwecke, insbesondere für das Präparat der Beklagten, zur Verfügung zu stellen, würde er dies, wenn überhaupt, nur für ein angemessenes Entgelt getan haben. Dieses sei schätzungsweise auf mindestens 15 000 DM zu bemessen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, einen angemessenen, vom Gericht festzusetzenden Betrag als Schadensersatz zu zahlen.
Leitsatz
Nachdem durch Art. 1, 2 GG das Recht zur freien Selbstbestimmung der Persönlichkeit als ein Grundwert der Rechtsordnung anerkannt ist, ist es gerechtfertigt, in analoger Anwendung des § 847 BGB (jetzt § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) auch dem durch die unbefugte Veröffentlichung seines Bildes Verletzten wegen eines hierdurch hervorgerufenen, nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld zu gewähren.
Bedeutung
Bei diesem BGH Klassiker handelt es sich um eine der wichtigsten höchstrichterlichen Entscheidungen zum Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (APR) im Zivilrecht. Im Rahmen des Deliktsrechts ist das APR neben dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb eines der zwei anerkannten Rahmenrechte. Im Herrenreiterfall ließ der BGH erstmalig die Zahlung von Schmerzensgeld für die Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch die unerlaubte Veröffentlichung von Bildern zu.
Das OLG Köln als Berufungsgericht hatte dem Kläger einen Schadensersatz in Höhe von 10.000 DM auf Grund der Fiktion eines abgeschlossenen Lizenzvertrages zugebilligt.
Hierzu sagte der BGH jedoch:

Diese Art der Schadensberechnung kommt nur in Betracht, wenn davon ausgegangen werden kann, daß ein Vermögensschaden irgendwelcher Art zugefügt worden ist und nur der oftmals schwierige Nachweis der Höhe dieses Schadens erleichtert werden soll. Sie versagt, wenn eine Beeinträchtigung vermögensrechtlicher Belange überhaupt nicht in Frage steht. Sie versagt im vorliegenden Falle auch um deswillen, weil sie dem Kläger ein Verhalten unterstellen müsste, das er — und nicht nur er, sondern auch alle andern in der gleichen beruflichen und gesellschaftlichen Stellung befindlichen Personen — als kränkend und als erneute Persönlichkeitsminderung empfinden müssten. Sie müsste unterstellen, dass der Kläger sich für viel Geld doch freiwillig in die unwürdige Lage gebracht hätte, gegen die er sich nun wehrt. Dem Klaganspruch kann deshalb nicht auf Grund der vom Berufungsgericht gewählten Berechnungsmethode mit Hilfe der Fiktion einer entgangenen Lizenzgebühr stattgegeben werden.
In Wahrheit verlangt er nicht Ersatz eines gar nicht vorhandenen Vermögensschadens, sondern begehrt eine fühlbare Genugtuung für einen widerrechtlichen Eingriff in seine durch § 22 KunstUrhG, Art. 1 und 2 Grundgesetz geschützte Persönlichkeitssphäre.
Er begehrt Genugtuung dafür, dass ihn das weitverbreitete Plakat, indem es ihn ohne sein Wissen in der Pose des Herrenreiters für das — auch sexuelle — Kräftigungsmittel der Beklagten werben, man könnte fast sagen: reiten ließ, in eine weithin demütigende und lächerliche Lage gebracht hat.

Es ging hier also nicht um einen Vermögensschaden, sondern um einen immateriellen Schaden, welcher grundsätzlich gem. §§ 249, 250 BGB im Wege der Naturalrestitution zu ersetzen ist. Eine Naturalrestitution war jedoch hier unmöglich. Der BGH bejahte in diesem Fall dennoch den immateriellen Schaden, indem er die Verletzung des Rechtes am eigenem Bild der Verletzung des in § 847 BGB a.F. (heute: 253 Abs. 2 BGB) geschützten Rechtsgutes der Freiheit gleichstellte.

Die unbefugte Veröffentlichung des Bildes eines Menschen stellt, wie in der Rechtslehre seit langem anerkannt ist, einen Eingriff in die Freiheit der Selbstbestimmung und der freien Betätigung der Persönlichkeit. Das Unzulässige der eigenmächtigen Bildnisveröffentlichung durch einen Dritten liegt darin, dass damit dem Abgebildeten die Freiheit entzogen wird, auf Grund eigener Entschließung über dieses Gut seiner Individualsphäre zu verfügen.
Würdigt man unter diesem Blickpunkt die die Persönlichkeit beeinträchtigende Verletzung des Rechts am eigenen Bild, so lässt sich in diesem Bereich für die Frage, wie die Zubilligung des Ersatzes auch immaterieller Schäden im einzelnen begründet werden könne, schon an die Regelung anknüpfen, die § 847 BGB für den Fall der “Freiheitsentziehung” trifft und kraft deren er dem Verletzten auch wegen eines nicht vermögensrechtlichen Schadens eine billige Entschädigung in Geld gewährt. Zwar versteht das Bürgerliche Gesetzbuch hierunter Freiheitsentziehung die Entziehung der körperlichen Bewegungsfreiheit sowie die Nötigung zu einer Handlung durch Gewalt oder Bedrohung (BGB-RGRK § 823 Anm. 7), während es sich bei dem Tatbestand des § 22 KunstUrhG um eine Freiheitsberaubung im Bereich eigenverantwortlicher Willensentschließung handelt.
Bereits vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes ist jedoch schon mehrfach die Ansicht vertreten worden, dass als Freiheitsverletzung im Sinne des § 847 BGB jeder Eingriff in die ungestörte Willensbetätigung anzusehen sei (vgl. u.a. Staudinger, Anm. II A 2 c zu § 823 BGB). Nachdem nunmehr das Grundgesetz einen umfassenden Schutz der Persönlichkeit garantiert und die Würde des Menschen sowie das Recht zur freien Entfaltung der Persönlichkeit als einen Grundwert der Rechtsordnung anerkannt und damit die Auffassung des ursprünglichen Gesetzgebers des Bürgerlichen Gesetzbuches, es gäbe kein bürgerlich-rechtlich zu schätzendes allgemeines Persönlichkeitsrecht, berichtigt hat und da ein Schutz der “inneren Freiheit” ohne das Recht auf Ersatz auch immaterieller Schäden weitgehend unwirksam wäre, würde es eine nicht erträgliche Missachtung dieses Rechts darstellen, wollte man demjenigen, der in der Freiheit der Selbstentschließung über seinen persönlichen Lebensbereich verletzt ist, einen Anspruch auf Ersatz des hierdurch hervorgerufenen immateriellen Schadens versagen. Begründet die schuldhafte Entziehung der körperlichen Freiheit einen Anspruch auf Ersatz des ideellen Schadens, so ist kein sachlicher Grund ersichtlich, der es hindern könnte, die in § 847 BGB getroffene Regelung im Wege der Analogie auch auf solche Eingriffe zu erstrecken, die das Recht der freien Willensbetätigung verletzen, zumal auch bei dieser Freiheitsberaubung “im Geistigen” in gleicher Weise wie bei der körperlichen Freiheitsberaubung in der Regel eine Naturalherstellung ausgeschlossen ist. Bei Beeinträchtigungen der vorliegenden Art, durch die in den natürlichen Herrschafts- und Freiheitsraum des Einzelnen unter schuldhafter Verletzung seines Persönlichkeitsrechtes eingegriffen wird, kann der nach dem Grundgesetz gebotene wirksame Rechtsschutz, solange es an einer gesetzlichen Sonderregelung fehlt, tatsächlich nur durch ihre Einbeziehung in die in § 847 BGB angeführten Verletzungstatbestände erzielt werden, weil ihre Schadensfolgen auf Grund der Natur des angegriffenen Rechtsgutes zwangsläufig in erster Linie auf immateriellem Gebiet liegen.

Seit der Soraya-Entscheidung (BVerfGE 34, 269) stützt der BGH bei schweren Beeinträchtigungen des APR, die nicht mehr anderweitig ausgeglichen werden können, den Schmerzensgeldanspruch nicht mehr auf die analoge Anwendung des § 253 Abs. 2 BGB, sondern leitet ihn unmittelbar aus § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG her.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und seine besonderen Erscheinungsformen dienen in erster Linie dem Schutz ideeller Interessen, insbesondere dem Schutz des Wert- und Achtungsanspruchs der Persönlichkeit. Dieser Schutz wird dadurch verwirklicht, dass bei einer Verletzung dieser Rechte neben Abwehransprüchen auch Schadensersatzansprüche in Betracht kommen, die nicht nur auf den Ersatz materieller, sondern – wenn es sich um einen schwerwiegenden Eingriff handelt und die Beeinträchtigung nicht in anderer Weise befriedigend ausgeglichen werden kann – auch auf den Ausgleich immaterieller Schäden gerichtet sind. Dieser Ausgleich beruht allerdings nicht auf einem Schmerzensgeldanspruch nach § 847 BGB, sondern auf einem Rechtsbehelf, der unmittelbar auf den Schutzauftrag aus Art. 1 und 2 Abs. 1 GG zurückgeht (vgl. BVerfGE 34, 269, 282 u. 292 = GRUR 1974, 44, 46, 48 u. 50 – Soraya). Die Zubilligung einer Geldentschädigung in derartigen Fällen beruht auf dem Gedanken, daß ohne einen solchen Anspruch Verletzungen der Würde und Ehre des Menschen häufig ohne Sanktion blieben mit der Folge, daß der Rechtsschutz der Persönlichkeit verkümmern würde. (Bundesgerichtshof, Az: I ZR 149/97, 01.12.1999)

28.10.2010/0 Kommentare/von Samuel Ju
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Samuel Ju https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Samuel Ju2010-10-28 08:10:362010-10-28 08:10:36Zivilrecht-Klassiker: Herrenreiterfall (BGHZ 26,349)
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