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Gastautor

„Hausbau auf fremden Grund“ – Verwendungsersatzanspruch aus EBV unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderung des BGH

Aktuelles, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Uncategorized, Zivilrecht, Zivilrecht

Die Frage nach dem Verwendungsersatz beim „Hausbau auf fremdem Grund“ ist ein Klassiker des EBV in der juristischen Ausbildung und bildet gemeinsam mit der diesbezüglichen Rechtsprechungsänderung des BGH (Urt. v. 14.3.2025, V ZR 153/23) den Gegenstand des nachfolgenden Beitrags unseres Gastautors Jakob Brohl. Er studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist studentische Hilfskraft am Institut für Arbeitsrecht und Recht der Sozialen Sicherheit sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kanzlei Meyer-Köring.

I. Einleitung

Die Regelungen des Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 985 ff. BGB) und dabei insbesondere die Problematik der Konkurrenzen zu anderen Regelungsregimen im BGB bereiten Studierenden auf dem Weg zum Examen häufig größere Schwierigkeiten. Eine stark umstrittene Frage war, ob ein Verwendungsersatzanspruch aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 994 ff. BGB) auch dann bestehen kann, wenn ein gutgläubiger Besitzer auf einem fremden Grundstück ein Gebäude errichtet und der wahre Eigentümer später die Herausgabe des Grundstücks verlangt. Der Bundesgerichtshof hat nach knapp 60 Jahren seine Rechtsprechung zu dieser Rechtsfrage aufgegeben und sich der Literatur angeschlossen. Die Grundkonstellation der Problematik, der bisherige Meinungsstand und auch die neue Entscheidung des Bundesgerichtshofes sollen in dem folgenden Beitrag beleuchtet werden.

II. Das Problem des „Hausbaus auf einem fremden Grundstück“

1. Die Grundkonstellation

Hinter dem Problem des „Hausbaus auf fremden Boden“ und der Frage, ob Verwendungsersatzansprüche bestehen, steht die folgende Grundkonstellation:

„V verkauft sein Grundstück an K und erklärt die Auflassung, woraufhin K als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen wird. Nach dem Erwerb errichtet K auf dem Grundstück ein Wohnhaus. Als das Wohnhaus gerade fertig gestellt ist, stellt sich heraus, dass der V zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und der Auflassung aufgrund der Einnahme von Betäubungsmitteln vorübergehend gestört und geschäftsunfähig (§ 104 Nr. 2 BGB) war. V verlangt von K die Herausgabe des Grundstücks.

K befürchtet, keinen Ersatz für die zum Bau des Wohnhauses aufgewendeten Mittel zu erlangen und will daher das Grundstück nur Zug-um-Zug gegen Ersatz der entsprechenden Kosten für die Errichtung des Wohnhauses herausgeben.“

2. Die aufgeworfenen Rechtsfragen & der bisherige Meinungsstand
a) Stellt der Bau eines Hauses auf einem fremden Grundstück eine „Verwendung“ i.S.d. §§ 994 ff. BGB dar?

In einer Klausur stellt sich im Rahmen der Prüfung des Verwendungsersatzanspruchs aus § 994 oder § 996 BGB, nach der Prüfung des Vorliegens der Vindikationslage, die Frage, ob eine „Verwendung“ i.S.d. §§ 994 ff. BGB vorliegt. Als Verwendungen i.S.v. § 994 BGB werden gemeinhin willentliche Vermögensaufwendungen verstanden, die der Sache selbst zugutekommen sollen, indem sie ihrer Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung dienen (vgl. nur Vieweg/Lorz, SachenR, 9. Aufl. 2022, § 8 Rn. 33). In der Klausur ist hier Vorsicht geboten: dem Grunde nach lässt sich auch der Bau eines Gebäudes auf einem fremden Grundstück unter diese Definition subsumieren. Dennoch legten BGH und Lehre unterschiedliche Verwendungsbegriffe zugrunde und gelangten so zu unterschiedlichen Ergebnissen.

aa) Der „enge“ Verwendungsbegriff der (bisherigen) Rechtsprechung:

Der BGH hat sich erstmals im Jahre 1964 im sog. Grindelhochhaus-Urteil (BGH, Urt. v. 26. Februar 1964, V ZR 105/61) zu der aufgeworfenen Problematik geäußert. Nach seiner bisherigen Rechtsprechung konnte nur dort von einer Verwendung gesprochen werden, wo die Sache als solche erhalten bleibt, also weiterhin wie bisher verwendet werden kann. Eine (sach)verändernde Maßnahme, wie z.B. die Bebauung eines bisher unbebauten Grundstücks, stellte danach keine Verwendung dar (BGHZ 41, 157ff., 160f.).

Nach (damaliger) Auffassung des BGH würde bei Zugrundlegung des weiten Verwendungsbegriffs sonst der Anwendungsbereich der §§ 994 ff. BGB in einer Weise extendiert, „die ersichtlich nicht mehr dem Zweck der gesetzlichen Regelung entspräche und für die auch kein vernünftiges wirtschaftliches Bedürfnis bestünde“. Der Sinn und Zweck des EBV kann durchaus für ein solches enges Verständnis angeführt werden, soweit man diesen darin erblickt, dass der Eigentümer grundsätzlich für die Erhaltung (vgl. § 994 BGB) und die Aufwertung (vgl. § 996 BGB) seiner Sache Ersatz zahlen soll, nicht aber für Aufwendungen und Veränderungen, die die Substanz und Charakter der Sache völlig verändern. So sah der BGH dies zumindest.

bb) Der „weite“ Verwendungsbegriff der Literatur

Nach der Gegenauffassung, die überwiegend im Schrifttum vertreten wurde (vgl. Medicus/Petersen BürgerlR, 29. Aufl. 2023, Rn. 877), liegt auch im Falle einer (sach)verändernden Maßnahme eine Verwendung i.S.d. §§ 994 ff. BGB vor. Entscheidend ist danach allein, dass die Maßnahme der Sache irgendwie zugutekommt. Diese Definition der „Verwendung“ entspricht dem traditionellem Begriffsverständnis, so wie es auch der Gesetzgeber hatte. Teleologisch ist zudem kennzeichnend, dass sich der enge Verwendungsbegriff der Rechtsprechung über das System der §§ 994 ff. BGB hinwegsetzt und zu unsachgerechten Lösungen führt. Weder das Bereicherungsrecht noch das i.d.R. wertlose Wegnahmerecht gem. § 997 BGB bilden adäquate Alternativen (Neuner, SachenR, 6. Aufl. 2020, Rn. 167). So besteht das Risiko, dass der gutgläubige Besitzer, den das EBV grundsätzlich schützen will, hier unangemessen benachteiligt wird und auf enormen Kosten ersatzlos sitzen bleibt.

b) Schließt das Vorliegen einer Vindikationslage bereicherungsrechtliche Ansprüche aus Verwendungskondiktion (§§ 951 I 1, 812 I 1 Var. 2 BGB) aus oder besteht ein solcher Anspruch neben oder statt eines Verwendungsersatzanspruchs aus dem EBV?

Nachdem in der Klausur Ansprüche aus Eigentümer-Besitzer-Verhältnis geprüft worden sind, kommen bereicherungsrechtliche Ansprüche, namentlich aus der Verwendungskondiktion als besonderer Ausprägung der Eingriffskondiktion gem. § 812 I 1 Var. 2 BGB bzw. gem. §§ 951 I 1, 812 I 1 Var. 2 BGB in Betracht. Hier stellt sich dann die für das EBV typische Frage der Anspruchskonkurrenzen. Somit ist zu prüfen, ob Ansprüche aus Bereicherungsrecht in der vorliegenden Konstellation neben dem EBV anwendbar sind.

aa) Die bisher herrschende Meinung und die bisherige Rechtsprechung des BGH

Nach (bisher) h.M. sollen die §§ 994 ff. BGB dabei ähnlich wie die §§ 987 ff. BGB (vgl. insoweit § 993 I a.E. BGB) als vorrangige abschließende Regelung zu interpretieren sein, in deren Anwendungsbereich alle anderen Anspruchsgrundlagen auf Verwendungsersatz, insb. auch die Verwendungskondiktion nach §§ (951 I 1), 812 I 1 Var. 2 BGB ausgeschlossen sind. Dabei ist jedoch zwischen zwei unterschiedlichen Interpretationen der h.M. zu unterscheiden:

  • Nach Ansicht der Rechtsprechung gilt die absolute Ausschlusswirkung der §§ 994 ff. BGB auch unter Zugrundlegung des sog. engen Verwendungsbegriffs. Von diesem umfassenden Ausschluss sollen sogar auch sachändernde Aufwendungen betroffen sein, die nach der bisherigen Ansicht des BGH von vornherein nicht unter §§ 994 ff. BGB zu klassifizieren sind und damit völlig ersatzlos bleiben (BGHZ 41, 157 – Hochhausfall; s.oben).
  • Teile der Literatur gehen gleichfalls vom abschließenden Charakter der §§ 994 ff. BGB aus, legen dabei jedoch den sog. weiten Verwendungsbegriff zugrunde, wonach §§ 994 ff. BGB auf alle Verwendungen einschließlich sachändernder Aufwendungen Anwendung finden (Neuner Sachenrecht, 6. Aufl. 2020, Rn. 123). Ansprüche aus Bereicherungsrecht scheiden demnach zwar aus, der Besitzer erhält aber dennoch eine Kompensation, soweit die Voraussetzungen der §§ 994 ff. BGB vorliegen.
bb) Die andere Ansicht der Literatur

Nach einer anderen, im Vordringen befindlichen Lehre sind die §§ 994 ff. BGB und § 812 I 1 Var. 2 BGB bzw. §§ 951 I 1, 812 I 1 Var. 2 BGB hingegen nebeneinander anzuwenden Dafür wird insb. im Erst-Recht-Schluss zu §§ 687 II, 684 S. 1 BGB ausgeführt, dass selbst dem vorsätzlich handelnden Geschäftsführer im Falle der angemaßten Eigengeschäftsführung ein Ausgleich für Aufwendungen nach Bereicherungsgrundsätzen zustehe. Für den „nur/lediglich“ grob fahrlässigen, d.h. im Sinne der §§ 994 ff. BGB bösgläubigen, und erst Recht für den gutgläubigen Besitzer könne in diesem Falle nichts anderes gelten. Zudem spreche für eine Anwendbarkeit des Bereicherungsrechts, dass der Eigentümer bei unerwünschten Verwendungen hinreichenden Schutz durch die Regeln der aufgedrängten Bereicherung genieße, während er bei ausgleichloser Belassung der nach §§ 994 ff. BGB nicht ersatzfähigen Verwendungen zu Lasten des Besitzers in unangemessener Weise begünstigt würde (Medicus/Petersen BürgerlR, 29. Aufl. 2023, Rn. 896f.).

3. Die Entscheidung des BGH vom 14. März 2025

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 14. März 2025 (Az.: V ZR 153 /23) seine Rechtsprechung zum Verwendungsersatz beim Hausbau auf fremden Grund verworfen und sich dem weiten Verwendungsbegriff der Literatur angeschlossen.

In dem zugrundliegenden Fall hatten die Beklagten vermeintlich durch Zuschlag im Rahmen einer Zwangsversteigerung das Eigentum an einem Grundstück im brandenburgischen Rangsdorf erworben. Später stellte sich heraus, dass es seitens der Behörden zu Fehlern gekommen war und sich das Eigentum an dem Grundstück nie geändert hatte. Der bisherige Eigentümer verklagte die Beklagten, zwei Eheleute, zur Räumung des Grundstücks, auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung und zum Abriss des Gebäudes auf eigene Kosten.

Der BGH stellte fest, dass ein Anspruch auf Räumung aus § 985 BGB sowie ein Anspruch auf Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB bestehen, verneinte aber den Anspruch auf Abriss des Hauses aus § 1004 I 1 BGB. Gleichzeitig meinte das Gericht aber, anders noch als das vorinstanzliche Oberlandesgericht, dass den Beklagten ein Kostenersatzanspruch für den Hausbau aus § 996 BGB zustehen könnte und verwies die Sache zur Prüfung der den Kostenanspruch begründenden Tatsachen zurück an die Vorinstanz.

Die Rechtsprechungsänderung begründete der erneut entscheidende V. Zivilsenat des BGH damit, dass nur so ein gerechter Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Eigentümer und gutgläubigem Besitzer geschaffen werden könne. Außerdem würde die bisherige Rechtsprechung und die damit verbundenen Abgrenzungsprobleme zwischen einer nur erhaltenden oder verbessernden Aufwendung, die ersatzfähig sein soll, und einer sachverändernden Maßnahme, die nicht ersatzfähig sein soll, zu einem Zustand der Rechtsunsicherheit führen und den gutgläubigen Besitzer übermäßig beeinträchtigen. Für die für § 996 BGB erforderliche Nützlichkeit kommt es somit nur noch darauf an, dass der objektive Verkehrswert des Grundstücks sich durch die Verwendung erhöht hat.

Der XII. Zivilsenat des BGH, der die die Rechtsprechung des V. Zivilsenates zum Verwendungsbegriff mitgetragen hatte, meldete gegen die Aufgabe der gemeinsamen Rechtsauffassung offensichtlich keine Einwände an. Wäre dies der Fall gewesen, so hätte nach § 132 II Var. 1 GVG der Große Senat entscheiden müssen.

III. Die Bedeutung für das Examen

Die vorliegende Entscheidung des BGH dürfte für das Examen große Wichtigkeit haben. Das dürfte viel weniger daran liegen, dass das Gericht hier einen „examensheißen“ besonderen Fall entschieden hat, der als ausgefallene Klausur abgewandelt von einem der Justizprüfungsämter abgefragt wird, sondern seine Rechtsprechung bei einem „Klassiker“ im Examen geändert hat. Klausuren, die Probleme im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zum Inhalt haben und nach Verwendungsersatzansprüchen einer Partei fragen, gehören zum Standardrepertoire der Justizprüfungsämter, da sie es ermöglichen, gleichzeitig verschiedene Rechtsgebiete, Systemverständnis und den Gesamtüberblick über das Vermögensrecht des BGB abzufragen. Es lohnt sich daher, auch diese Konstellation in der Vorbereitung auf die Klausuren des Ersten wie auch des Zweiten Staatsexamens gründlich und vertieft zu bearbeiten und die dahinterstehenden Fragen und Wertungen zu durchdringen. Darüber hinaus hat der Fall bereits eine große Medienpräsenz entfaltet und eignet sich dadurch hervorragend, in den nächsten Wochen im Rahmen der mündlichen Prüfung thematisiert zu werden.

18.03.2025/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2025-03-18 09:00:002025-03-19 11:19:39„Hausbau auf fremden Grund“ – Verwendungsersatzanspruch aus EBV unter Berücksichtigung der Rechtsprechungsänderung des BGH
Redaktion

Gedächtnisprotokoll Zivilrecht II Mai 2024 NRW

Aktuelles, BGB AT, Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Rechtsgebiete, Sachenrecht, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur zweiten Zivilrechtsklausur des Mai-Durchgangs 2024 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Laura erneut ganz herzlich für die Zusendung. Selbstverständlich kann juraexamen.info keine Gewähr dafür geben, dass die in Gedächtnisprotokollen wiedergegebene Aufgabenstellung auch der tatsächlichen entspricht. Dennoch sollen euch die Protokolle als Anhaltspunkt dienen, was euch im Examen erwartet.

Sachverhalt Teil I:

Die B betreibt ein Brautmodengeschäft, in welchem sie neue und gebrauchte Brautkleider verkauft. Die B hat eine Angestellte V, welche befugt ist gebrauchte Kleider anzukaufen.

Die Eigentümerin E hat ein ausgefallenes und besonderes Brautkleid, welches sie an B verkaufen möchte. Da ihr der Laden der B zu weit entfernt ist, sucht sie die ihr bekannte V auf um ihr das Kleid zu verkaufen. Die V und die E einigen sich auf einen Kaufpreis von 1000 Euro, den die V aus den Tageseinnahmen der B nimmt, welche sie mitgenommen hatte, um sie bei der Bank einzuzahlen.

Die V, welche bald selbst heiratet, findet Gefallen an dem Kleid und schickt der B Bilder vom Kleid und fragt sie ob sie das Kleid für einen Preis von 1200 Euro verkaufen würde. V und B einigen sich darüber, das Kleid soll sofort der V gehören, allerdings einigen sie sich darüber dass die B das Kleid für die nächsten 2 Wochen in ihrem Schaufenster ausstellen darf.

Wenig später: Die V streitet sich fürchterlich mit ihrer Verlobten und die Hochzeit ist abgesagt. Am gleichen Tag kommt die K in den Laden der B und bekundet Interesse am ausgestellten Kleid. Die V erklärt ihr, dass sie das Kleid haben kann, da es ihr gehören würde und B es lediglich in ihrem Schaufenster ausstellen durfte. Die beiden einigen sich auf einen Kaufpreis von 1.500 Euro, welche in drei monatlichen Raten gezahlt werden sollen. Sie einigen sich darauf, dass die V der K das Kleid noch am gleichen Abend vorbeibringt und sobald die erste Zahlung iHv 500 Euro erhält.

Die B erfährt am nächsten Tag davon und ist gar nicht damit einverstanden. Sie möchte das Kleid noch für die vereinbarte Zeit in ihrem Schaufenster ausstellen.

Frage: Hat B einen Anspruch gegen K?

Sachverhalt Teil II:

Die E veräußert ihr Grundstück wirksam an den H. Die E informiert Nachbarin N darüber, dass sie zu einer dreimonatigen Reise aufbricht, erzählt ihr aber nichts von dem Eigentümerwechsel. Nach der Grundbucheintragung kommt der H in ein Krankenhaus und anschließend in die Reha, so dass die N den Eigentümerwechsel nicht mitbekommt.

Bei einem starken Sturm fällt auf dem Grundstück des H ein großer Apfelbaum um. Da die N weiß, dass die E großen Wert auf Ordnung legt, beauftragt sie den U mit der Beseitigung des Baumes. Er häckselt den Baum klein und verteilt die Späne danach im Rosenbeet des Grundstückes. Die Rechnung in Höhe von 500 Euro begleicht die N sofort, da sie davon ausgeht, dass sie das Geld von der E zurückerhalten wird.

Als die E wiederkommt, informiert sie die N, dass sie nicht mehr Eigentümerin ist und nicht dafür aufkommen wird. Der H möchte auch nicht dafür zahlen, da es sein Plan ist – wie er der E auch bei Übertragung erzählte – das Grundstück verwildern zu lassen um einen natürlichen Lebensraum für Insekten und Vögel zu schaffen. Er hätte den Baum also auf keinen Fall beseitigt sondern liegen lassen.

Frage: Hat die N einen Anspruch gegen E und/oder H?

23.05.2024/2 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2024-05-23 15:34:162024-05-23 15:35:35Gedächtnisprotokoll Zivilrecht II Mai 2024 NRW
Marie-Lou Merhi

Nachbarstreit vor dem BGH: Zahlungsansprüche bei Schäden durch herübergewachsene Baumwurzeln?

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Sachenrecht, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgend einen Gastbeitrag von Marie-Lou Merhi veröffentlichen zu können. Die Autorin studiert Rechtswissenschaften im sechsten Semester an der Universität Bonn

Mit der examensrelevanten Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn wegen Überwuchses Zahlungsansprüche geltend machen kann, musste sich jüngst der BGH (Az. V ZR 67/22, BeckRS 2023, 9519) beschäftigen. Besonders interessant ist dabei die Frage, inwieweit § 281 BGB auf den dinglichen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB Anwendung findet.

I. Sachverhalt

Der Kläger und der Beklagte sind Nachbarn. Unweit der gemeinsamen Grundstücksgrenze stand auf dem Grundstück des Beklagten eine Pappel, deren Wurzeln in das Grundstück des Klägers hineinwuchsen und dort Wurzelbrut bildeten. Dadurch wurden die Pflastersteine in der Garageneinfahrt des Klägers angehoben. Trotz einer Aufforderung und Fristsetzung durch den Kläger weigerte sich der Beklagte, die Pappel zu fällen oder die eingedrungenen Wurzeln zu beseitigen. Der Beklagte lehnte es zudem ab, eine Vorsorge gegen künftige Beeinträchtigungen zu treffen, beispielsweise durch Einbau einer Wurzelsperre. Erst während des Prozesses erklärte sich der Beklagte unter Vorbehalt einer behördlichen Genehmigung bereit, eine Wurzelsperre einzubauen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BGH war weder eine Wurzelsperre eingebaut, noch hatte der Beklagte die eingedrungenen Wurzeln entfernt. Mit seiner Klage verlangt der Kläger unter anderem die Zahlung von 2.040 Euro netto nebst Zinsen für die Reparatur seines Pflasters und das Einbringen einer Wurzelsperre.

II. Die Entscheidung

Im Ausgangspunkt handelt es sich bei dem Nachbarstreit um einen Fall des Beseitigungs- und Unterlassungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 BGB. Das Berufungsgericht hatte zutreffend festgestellt, dass der beeinträchtigte Grundstückseigentümer von seinem Nachbarn nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB die Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Wurzeln der Pappel verlangen kann (LG Cottbus, Urt. v. 6.4.2022 – 5 S 20/21). Nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB steht ihm zudem ein Anspruch auf Unterlassung künftiger Beeinträchtigung durch die Wurzeln zu. Die Revision war sodann auf die Frage beschränkt, ob dem Kläger Zahlungsansprüche wegen der Beeinträchtigungen durch die Wurzeln zustehen, sodass ein Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB nicht zu prüfen war. Auch eine Klausur könnte entsprechend beschränkt sein, ein Blick in die Aufgabenstellung ist daher dringend angeraten.

 1) Anspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag

Zunächst kommen als Anspruchsgrundlage die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag in Betracht. Der beeinträchtige Eigentümer könnte gegen seinen Nachbarn einen Anspruch auf Kostenerstattung nach §§ 683 S. 1, 670 bzw. 684 S. 1, 818 BGB haben. Erforderlich ist, dass eine Geschäftsbesorgung durch den beeinträchtigen Eigentümer im Sinne des § 677 BGB vorliegt. Unter einer Geschäftsbesorgung ist jede Tätigkeit rechtsgeschäftlicher oder tatsächlicher Art zu verstehen (MüKoBGB/Schäfer, 9. Aufl. 2023, § 677 Rn. 39). Der Grundstückseigentümer hat die Beeinträchtigung durch die Wurzeln aber noch gar nicht selber beseitigt. Somit mangelt es an einer Geschäftsbesorgung. Dementsprechend hat der Eigentümer keinen Kostenersatzanspruch gegen seinen Nachbarn nach §§ 683 S. 1, 670 bzw. 684 S. 1, 818 BGB.

2) Anspruch aus dem Bereicherungsrecht

Dem beeinträchtigten Eigentümer könnte gegen seinen Nachbarn ein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB zustehen. Dafür müsste der Nachbar allerdings etwas erlangt haben. Das erlangte Etwas kann jede Verbesserung der Vermögenslage des Bereicherungsschuldners sein (HK-BGB/Wiese, 11. Aufl. 2021, BGB § 812 Rn. 3). Der Grundstückseigentümer hat die Beseitigung der Beeinträchtigung durch die Wurzeln nicht selber vorgenommen und den Nachbarn somit nicht von seiner Beseitigungspflicht aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB befreit. Dem Eigentümer steht somit kein Anspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB gegen seinen Nachbarn zu.

3) Anspruch aus dem Deliktsrecht

Weiterhin könnte ein Schadensersatzanspruch des beeinträchtigen Eigentümers gegen seinen Nachbarn nach § 823 Abs. 1 BGB gegeben sein. Dafür müsste der Nachbar jedenfalls schuldhaft, das heißt vorsätzlich oder fahrlässig (§ 276 Abs. 1 S. 1 BGB) bezüglich der Eigentumsverletzung gehandelt haben. Es ist kein Vorsatz und keine Fahrlässigkeit des Nachbarn in Bezug auf den Wurzelüberwuchs ersichtlich. Ein Anspruch des Eigentümers auf Schadensersatz nach § 823 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.

4) Nachbarrechtlicher Ausgleichanspruch

Der beeinträchtigte Eigentümer könnte gegen seinen Nachbarn den nachbarrechtlichen Ausgleichanspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog geltend machen. Das setzt nach ständiger Rechtsprechung des BGH voraus, dass der betroffene Eigentümer aus besonderen Gründen gehindert war, die Einwirkungen nach § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden (BGH, Urt. v. 11.6.1999 – V ZR 377/98, BGHZ 142, 66; BGH, Urt. v. 21.5.2010  V ZR 10/10, BGHZ 185, 371). Dem Kläger steht ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB gegen seinen Nachbarn zu, an dessen Durchsetzung er nicht gehindert ist. Somit kann der beeinträchtigte Eigentümer keinen Zahlungsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog gegenüber seinem Nachbarn geltend machen.

5) Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung

Es kommt somit entscheidend darauf an, ob der Kläger von seinem Nachbarn Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen kann. Dafür müsste § 281 BGB auf den dinglichen Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB anwendbar sein. Entgegen einer verbreiteten Meinung in Rechtsprechung und Literatur (OLG Karlsruhe, Urt. v. 17.1.2012 – 12 U 143/11, NJW 2012, 1520; MüKo/Schwab, 8. Aufl. 2020, § 812 Rn. 376), kommt der BGH zu dem Ergebnis, dass eine Anwendung des § 281 BGB auf den Beseitigungsanspruch des Eigentümers nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB nach der dinglichen Natur dieses Anspruchs und seiner sachenrechtlichen Zielrichtung nicht in Betracht kommt. Dies stützt das Gericht auf folgende Erwägungen:

a) Anwendung des § 281 BGB auf  § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB ist mit dem Zweck des Beseitigungsanspruchs unvereinbar

Das Ziel des dinglichen Beseitigungsanspruchs nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Wiederherstellung des dem Eigentumsrecht entsprechenden Zustandes (sog. Rechtsverwirklichungsfunktion). Das BGB hat sich mit diesem Beseitigungsanspruch bewusst gegen das Prinzip „dulde und liquidiere“ entschieden. Dementsprechend ist es mit dem Zweck des Beseitigungsanspruchs nicht vereinbar, dem beeinträchtigten Eigentümer unabhängig von der Beseitigung der Beeinträchtigung einen Schadensersatzanspruch zuzusprechen. Bei Anwendung des § 281 BGB könnte der Eigentümer die Beeinträchtigung hinnehmen und nach der grundsätzlich erforderlichen Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung verlangen. Gemäß § 281 Abs. 4 BGB würde der Schadensersatzanspruch an die Stelle des Beseitigungsanspruchs treten. Demnach wäre nicht gewährleistet, dass der dem Eigentumsrecht entsprechende Zustand widerhergestellt wird. Die divergierende Zielrichtung zeigt sich zudem dadurch, dass § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB einen bereits vorhandenen Vermögensgegenstand schützt (sog. Integritätsinteresse), während der schuldrechtliche Anspruch darauf abzielt, das Vermögen des Gläubigers zu Lasten des Vermögens des Schuldners zu mehren (sog. Leistungsinteresse).

b) Gegen eine Anwendbarkeit des § 281 BGB spricht der Schuldnerschutz.

Nach § 281 Abs. 4 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, sobald der Gläubiger Schadensersatz statt der Leistung verlangt. Dementsprechend würde der Anspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB trotz einer womöglich fortbestehenden Beeinträchtigung des Eigentümers erlöschen. Während man im Verhältnis vom beeinträchtigten Eigentümer zum Nachbarn von einer Duldungspflicht bezüglich der Beeinträchtigung ab dem Zeitpunkt des Schadensersatzverlangens ausgehen könnte, ist eine solche jedenfalls aufgrund ihrer schuldrechtlichen Natur im Fall einer Rechtsnachfolge auszuschließen. Bei einer Einzelrechtsnachfolge würde der Beseitigungsanspruch in der Person des Rechtsnachfolgers neu entstehen, sodass der Schuldner von diesem nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB auf Beseitigung in Anspruch genommen werden könnte, obwohl er bereits Schadensersatz an den Voreigentümer gezahlt hat. Vor dieser doppelten Inanspruchnahme, ist der Schuldner zu schützen.

c) Es besteht kein dringendes Bedürfnis für die Anwendung des § 281 BGB.

Das Kosteninteresse des Eigentümers ist bereits durch andere Rechtsvorschriften geschützt. Der Grundstückseigentümer kann seinen Nachbarn gerichtlich auf Beseitigung nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB verklagen und nach § 887 Abs. 2 ZPO beantragen, den Nachbarn auf Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen. Verzögerungsschäden kann der beeinträchtigte Eigentümer nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB geltend machen (BGH, Urt. 26.3.2021 – V ZR 77/20, NJW-RR 2021, 671).

d) Die Anwendung des § 281 BGB beeinträchtigt das Recht des Schuldners, zwischen verschiedenen Beseitigungsmöglichkeiten zu wählen.

Der beeinträchtigte Eigentümer ist verpflichtet, die Auswahl zwischen verschiedenen, zur Herbeiführung des Erfolgs geeigneten Mitteln dem Schuldner zu überlassen (BGH, Urt. v. 22.1.2021 – V ZR 12/19, NJW-RR 2021, 401, 402 Rn.10). Diese Wahlmöglichkeit des Schuldners würde bei Anwendung des § 281 BGB bereits nach erfolglos abgelaufener Frist und Erklärung des Schadensersatzverlangens und nicht erst im Rahmen der Zwangsvollstreckung entfallen.

6) Ergebnis

Nach Ansicht des BGH sind die Erwägungen zur Unanwendbarkeit des § 281 BGB auf den Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB, auf den Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB zu übertragen. Der beeinträchtige Eigentümer hat somit im Ergebnis keinen Zahlungsanspruch gegen seinen Nachbarn.

III. Relevanz der Entscheidung

Die Entscheidung des BGH ist von Relevanz für die gerichtliche Vorgehensweise des beeinträchtigten Eigentümers. Bemerkenswert ist, dass der BGH die Anwendbarkeit des § 281 BGB über den konkreten Fall hinaus auch für die Fälle der sogenannten Selbstvornahme ausgeschlossen hat: § 281 BGB ist auch dann nicht auf den Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB anzuwenden, wenn der Grundstückseigentümer die Beeinträchtigung vorher selbst beseitigt hat. Der Kläger kann in den Fällen der Selbstvornahme eine Klage auf Erstattung der angefallenen Kosten erheben (Anspruch aus §§ 683 S. 1, 670 bzw. §§ 684 S. 1, 818 BGB oder § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB). Möchte der Kläger die Beeinträchtigung nicht auf eigene Kosten selbst beseitigen, kann er seinen Nachbarn auf Beseitigung verklagen (Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) und das Urteil im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken. Dabei kann er nach § 887 Abs. 2 BGB beantragen, den Schuldner zur Vorauszahlung der Kosten zu verurteilen.

IV. Ein abschließender Blick über den Tellerrand hinaus

Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrechts auf dingliche Ansprüche bei jedem dinglichen Anspruch gesondert zu prüfen ist. Hat der BGH noch in seiner Entscheidung vom 18.3.2016 entschieden, dass § 281 BGB auf den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB anwendbar ist, solange der Besitzer verklagt oder bösgläubig ist (BGH, Urt. v. 18.3.2016 – V ZR 89/15, NJW 2016, 3235), verneint er im vorliegenden Fall generell die Anwendbarkeit des § 281 BGB auf den Anspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB. Der BGH betont dabei, dass trotz Wesensgleichheit der Ansprüche aus § 985 BGB und § 1004 Abs. 1 BGB kein Gleichlauf bei der Anwendbarkeit des § 281 BGB hergestellt werden könne. Einen allgemeinen Rechtsgrundsatz der statuiere, dass der dingliche Gläubiger bei seiner Rechtsverfolgung nicht schlechter zu stellen sei als der schuldrechtliche, gebe es nicht. Es bleibt somit zu erwarten, wie der BGH in seinen zukünftigen Entscheidungen die Anwendbarkeit einzelner Vorschriften des allgemeinen Leistungsstörungsrecht auf die einzelnen dinglichen Ansprüche regeln wird.

29.05.2023/von Marie-Lou Merhi
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Marie-Lou Merhi https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Marie-Lou Merhi2023-05-29 10:00:002024-06-06 12:44:38Nachbarstreit vor dem BGH: Zahlungsansprüche bei Schäden durch herübergewachsene Baumwurzeln?
Simon Mantsch

OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz

Aktuelles, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Jüngst hatte sich das OLG Oldenburg (Urt. v. 27.03.2023 – 9 U 52/22) mit dem gutgläubigen Eigentumserwerbs an einem Lamborghini zu befassen. Die Sachverhaltsumstände wirken dabei geradezu grotesk. Nicht nur deshalb eignet sich der Fall ideal für Prüfungsarbeiten.

I. Der Sachverhalt

Der Sportwagenbegeisterte und Beklagte B wurde über die Internetplattform mobile.de auf einen zum Kauf angebotenen Lamborghini aufmerksam. Dieser wurde erst kurz zuvor nach Deutschland eingeführt und war hierzulande nur mit einer 30-Tage-Zulassung zugelassen. Angeboten wurde dieser von den Brüdern S, die angaben, stellvertretend im Namen des Eigentümers und Verkäufers V zu handeln. Die Brüder S waren für die Familie des B keine Unbekannten. An sie hatte der Bruder des B bereits ein Kfz verkauft, ohne dass es zu irgendwelchen Problemen gekommen wäre. Es kam zu einer Besichtigung auf dem Parkplatz einer Spielothek. Der Beklagte wollte den Lamborghini an Ort und Stelle kaufen, wurde von S jedoch vertröstet, da der Wagen noch für die Hochzeit eines Freundes benötigt werden würde. Man verabredete sich zwei Tage später „auf halbem Weg“ zwischen den Wohnorten von B und S an einer Tankstelle zum Abschluss des Kaufvertrages und zur Übereignung des Kfz. Mit mehrstündiger Verspätung trafen die Brüder S gegen 23 Uhr am Treffpunkt ein und begründeten die Verspätung zunächst mit einem Stau auf der Autobahn, später jedoch mit einer zeitraubenden Polizeikontrolle. Es erfolgte eine Probefahrt. Um 1 Uhr nachts setzte man sich sodann in einem neben der Tankstelle befindlichen Schnellrestaurant zusammen und besprach die Kaufmodalitäten. Man kam überein, dass B zum Erwerb des Lamborghinis seinen alten Lamborghini für 60.000 EUR in Zahlung geben und zusätzlich 70.000 EUR in bar zahlen würde. Die Kaufabwicklung folgte noch in jener Nacht. K ließ sich auch die Zulassungsbescheinigungen Teil I und II vorlegen, die ihm zusammen mit dem Lamborghini und den dazugehörigen Schlüsseln übergeben wurden. Eine Vollmacht des V wurde zu keinem Zeitpunkt verlangt und auch nicht vorgelegt. Nur eine Kopie der Vorderseite des Personalausweises von V hat B zu Gesicht bekommen. Die Angaben in den Zulassungsbescheinigungen erwiesen sich jedoch als nicht stimmig. In der Zulassungsbescheinigung Teil II wurde zwar V als Halter ausgewiesen, in Zulassungsbescheinigung Teil I jedoch nur mit dem Zusatz „Empfangsbevollmächtigter“. Auch gab es offensichtliche Unstimmigkeiten beim Namen. So wurde der Name des V in den Zulassungsbescheinigungen und dem Kaufvertrag anders wiedergegeben, als auf der Kopie des Personalausweises. B fuhr mit dem Lamborghini nach Hause. Der Versuch der Anmeldung des Fahrzeugs auf den eigenen Namen scheiterte jedoch, da sich der Lamborghini auf einer Fahndungsliste befand. Es sollte sich herausstellen, dass V gar nicht der Eigentümer war. Der Lamborghini stand nämlich ursprünglich im Eigentum des in Spanien lebenden Klägers K, der das Kfz nur an eine Agentur vermietet hatte. Diese hatte es wiederum an den V weitergegeben, der es nach Ende der Mietzeit nicht zurückgab. K verlangt von B nunmehr Herausgabe des Lamborghinis.

II. Die Entscheidung

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht hat einen gutgläubigen Erwerb des B nach §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB bejaht, dem K einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB folglich nicht zugesprochen. Gestützt wird dies auf die Erwägung, dass sich B die originalen Zulassungsbescheinigungen hat vorzeigen lassen, die jedenfalls keinen schwerwiegenden Fehler enthielten. Auch die sonstigen Umstände sollen nicht derart auffällig gewesen sein, dass man das Handeln des B als grob fahrlässig iSd § 932 Abs. 2 BGB qualifizieren könnte. Ferner ist dem klagenden K der Lamborghini durch die freiwillige Vermietung und der damit verbundenen Besitzübertragung nicht iSd § 935 BGB abhandengekommen.

Das OLG Oldenburg hat die Umstände in wesentlichen Teilen anders gewertet. Nach Feststellung der internationalen Zuständigkeit (hier folgend aus Art. 4 Abs. 1 VO (EU) 1215/2012 [EuGVVO]) und der Anwendbarkeit deutschen Rechts gem. Art. 43 Abs. 1 EGBGB, hatte sich das Gericht umfassend mit dem Vorliegen eines Anspruchs aus § 985 BGB zu beschäftigen. Dazu müsste eine Vindikationslage bestehen, K also Eigentümer und B Besitzer ohne Besitzrecht sein.

K war jedenfalls der ursprüngliche Eigentümer. Er hat sein Eigentum nicht durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB an die Agentur verloren, da insoweit nur eine Mietvereinbarung, gleichwohl aber keine dingliche Einigung zum Eigentumsübergang getroffen wurde.

Er könnte sein Eigentum jedoch durch gutgläubigen Eigentumserwerb des B von V gem. §§ 929 S. 1, 932 Abs. 1 S. 1 BGB verloren haben. B einigte sich mit V nicht dinglich über den Eigentumsübergang, wohl aber mit den Brüdern S. Diese gaben eine eigene Willenserklärung ab, handelten dabei jedoch offenkundig im Namen und mit Einverständnis des V, womit die Voraussetzungen einer Stellvertretung nach § 164 Abs. 1 vorliegen. Das Fehlen einer schriftlichen Vollmachtsurkunde ändert daran nichts, da das Vorliegen einer solchen im Gesetz nicht zwingend vorgeschrieben ist. Auch kam es zu der Übergabe des Lamborghinis an B.

Da jedoch zu keiner Zeit mit dem Berechtigten K verhandelt wurde, kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten V in Betracht. Das dafür erforderliche Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts sowie ein objektiver Rechtsscheintatbestand liegen – vermittelt durch die Übergabe des Kfz und der damit zum Ausdruck gebrachten Besitzverschaffungsmacht – vor. § 932 Abs. 1 BGB schließt den Erwerb jedoch aus, wenn – vom Kläger zu beweisen – B beim Erwerb in Bezug auf die Eigentumsstellung des V nicht in gutem Glauben gewesen wäre. Der Erwerber ist nach § 932 Abs. 2 BGB nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört. Jedenfalls positiv bekannt war B die fehlende Eigentumsstellung des V nicht.

Nach Ansicht des OLG Oldenburg handelte B jedoch grob fahrlässig. Für die Frage nach dem Vorliegen grob fahrlässigen Verhaltens muss aus Verkehrsschutzgesichtspunkten auf objektive Maßstäbe abgestellt werden. Ob jemand gute Erfahrungen mit dem Erwerb von Kfz unter Umständen wie den oben geschilderten gemacht hat (Straßenkauf), ist ebenso wenig berücksichtigungsfähig, wie die guten Erfahrungen eines Familienmitglieds mit den täuschenden Brüdern S. Auch wenn es höchstrichterlich anerkannt ist, dass den Erwerber zumindest grundsätzlich keine Nachforschungspflichten treffen, so ist jedenfalls für den gutgläubigen Erwerb von gebrauchten Kfz geklärt, dass sich der Erwerber der Veräußerungsbefugnis des Verkäufers durch Einsichtnahme in die Kfz-Zulassungsbescheinigung Teil II (Fahrzeugbrief) verschaffen muss (BGH, Urt. v. 13.5.1996 – II ZR 222/95). Darüberhinausgehende Nachforschungspflichten bestehen regelmäßig nicht (BGH, Urt. v. 01.03.2013 – V ZR 92/12). Das OLG Oldenburg vertritt – im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung – jedoch die Ansicht, dass jedenfalls dann, wenn besondere Umstände hinzutreten, die einen Verdacht erregen können oder sogar müssen, die fehlende Gutgläubigkeit auch bei Einsicht in die Zulassungsbescheinigung Teil II vorliegen kann. Die Einsicht in die originalen Zulassungsbescheinigungen Teil I und II kann den Käufer daher nicht pauschal entlasten. Vielmehr erblickt das OLG Oldenburg mehrere Umstände, die ein grob fahrlässiges Handeln des B begründen sollen.

Nach Ansicht des OLG waren die Auffälligkeiten dabei so groß, dass auch nicht mehr ins Gewicht fällt, ob der Kaufpreis von der Höhe her angemessen war oder ob sich auch aus einer besonders niedrigen Festsetzung konkrete Zweifel bei B hätten ergeben müssen. B ergriff durch Einsicht in die Zulassungsbescheinigungen und in die Personalausweiskopie zu wenige Maßnahmen, damit trotz der ungewöhnlichen Begleitumstände keine grobe Fahrlässigkeit hätte angenommen werden können. B konnte infolgedessen kein Eigentum erwerben. Das Eigentum verblieb insoweit bei E.

B hat jedoch den unmittelbaren Besitz nach § 854 Abs. 1 BGB erlangt. Ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB, das einer Vindikationslage entgegenstünde, ist nicht feststellbar. Insbesondere kann das Kausalverhältnis zwischen B und den Brüdern S nicht als solches angeführt werden, da insoweit die Relativität der Schuldverhältnisse gilt.

III. Einordnung der Entscheidung

Es handelt sich um eine Entscheidung, die sich ausschließlich mit Prüfungsstoff für das erste Staatsexamen auseinandersetzt. Angesichts der Vorliebe von „PKW-Fällen“ bei den Justizprüfungsämtern ist zu erwarten, dass diese Entscheidung früher oder später so oder ähnlich gelagerte Einzug in eine Prüfungsarbeit erhält.

Spannend ist dabei (auch für eine Prüfungsaufgaben) der Einstieg in die Fallbearbeitung. Denn bei Sachverhalten mit grenzüberschreitendem Bezug muss zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Rechts sowie die Zuständigkeit der deutschen Gerichte begründet werden. Hierfür bedarf es keiner tiefgreifenden IPR-Kenntnisse. Was die internationale Zuständigkeit betrifft, so ist ein Blick in die Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) zu werfen. Diese gilt gem. Art. 1 Abs. 1 EuGVVO für alle Zivil- uns Handelssachen, soweit kein Ausschluss nach Art. 1 Abs. 2 EuGVVO greift. Für den zeitlichen Anwendungsbereich ist Art. 66 EuGVVO zu beachten, wonach es sich um einen nach dem 10.01.2015 eingeleiteten Rechtsstreit handeln muss. Über Art. 4 Abs. 1 EuGVVO gelangt man sodann zur deutschen Zuständigkeit, weil der Beklagte B hier seinen Wohnsitz hat. Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten sodann die bekannten Vorschriften aus ZPO und GVG. Mit der Feststellung der internationalen Zuständigkeit ist jedoch noch keine Aussage dahingehend getroffen, welches Recht Anwendung findet. Dafür ist zunächst ein Blick in Art. 3 EGBGB zu werfen. Danach ist zunächst auf die Anwendbarkeit europäischer Verordnungen zu achten, die sodann das anwendbare Recht bestimmen. Ist eine solche – wie hier – nicht einschlägig, so ist auf zweiter Ebene die Anwendbarkeit völkerrechtlicher Bestimmungen zu prüfen, die entsprechende Rückschlüsse auf das anwendbare Recht erlauben. Mangelt es – wie hier – auch an solchen, so bestimmt sich das einschlägige Recht nach den Art. 3 ff. EGBGB. Nach Art. 43 Abs. 1 EGBGB unterliegt das Recht an einer Sache dem Recht des Staates, in dem sich die Sache befindet. Angesichts des Belegenheitsortes des Lamborghini in Deutschland, ist demzufolge das nationale (Sachen)Recht anzuwenden.

Inhaltlich sind die Wertungen des OLG durchaus nachvollziehbar. Freilich ist die Einsichtnahme in die Zulassungsbescheinigung Teil II immer ein wichtiges Indiz, das dem Grunde nach gegen ein bösgläubiges Verhalten des Käufers spricht. Drängen sich aber zwielichtige Umstände geradezu auf, muss diese Wertung korrigiert werden. Dies entspricht dem Schutzzweck des § 932 BGB. Geschützt werden soll derjenige, der nicht erahnen konnte, dass die Sache nicht demjenigen gehört, der sie veräußert. Bei beweglichen Sachen vermittelt allein die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers regelmäßig die Befugnis zur Veräußerung. Hier gibt es kein verbrieftes Recht! Doch können besondere Umstände zum Ausschluss der Gutgläubigkeit führen. Für den Erwerb von PKW gilt insoweit nichts anderes. Hier kommt der Zulassungsbescheinigung Teil II nur deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil sie – anders als bei anderen beweglichen Sachen – die Haltereigenschaft verbrieft. Sie ist aber kein Garant dass sonstige Umstände unbeachtlich sind und allein die Einsichtnahme zum gutgläubigen Erwerb führt. Derartige Privilegierungen beim Erwerb von Kfz ggü. dem Erwerb sonstiger beweglicher Gegenstände sind nicht intendiert, geschweige denn notwendig.

Nichts desto trotz ist eine ganz klare Linie in der Rechtsprechung bisher nicht erkennbar. So ging in diesem Fall auch die Vorinstanz von einem gutgläubigen Erwerb auch. Auch der BGH hat in seinem „Probefahrt-Urteil“ (Urt. V. 18.9.2020 – V ZR 8/19) die Gutgläubigkeit eines Erwerbers angenommen, der an einem Bahnhof ein Kfz zum Preis von 46.500 EUR in Bar kaufte, auf Wunsch des Verkäufers gleichwohl nur 43.500 EUR in das Vertragsformular aufgenommen wurden und seitens des Käufers ohne weiteres Anzweifeln nur Einsicht in die (gefälschte) Zulassungsbescheinigung Teil II genommen wurde. Auch hier ergeben sich durch die Wahl des Bahnhofs als Verkaufsort und die Höhe des Bargeldgeschäfts durchaus Zweifel. Besondere Umstände, die zu besonderen Nachforschungspflichten führen, liegen nach den Ausführungen des BGH nicht vor. Unangreifbar ist dies gewiss nicht. Es gibt also durchaus noch offene Fragen beim gutgläubigen Erwerb unterschlagener PKW. Dies kommt Ihnen jedoch nur zugute, denn für Prüfungsarbeiten gilt wie so oft: Solange Sie gut argumentieren, können Sie vieles vertreten!

26.04.2023/2 Kommentare/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-04-26 06:00:002023-04-26 07:17:55OLG Oldenburg zu gutgläubigem Erwerb eines Kfz auf Imbiss-Parkplatz
Tobias Vogt

BGH zum gutgläubigen Erwerb eines vom Veräußerer durch eine Probefahrt erlangten KFZ

Examensvorbereitung, Rechtsprechung, Sachenrecht, Startseite, Zivilrecht

Die brandaktuelle Entscheidung des BGH (Urteil vom 18. September 2020 – V ZR 8/19) ist wie gemacht für eine Examensprüfung. So können Grundlagen des Sachenrechts mit der bei den JPA äußerst beliebten Konstellation des gutgläubigen Erwerbs eines Gebrauchtwagens abgeprüft werden, graniert mit der sich anschließenden Frage der Eigentumsverhältnisse an den Fahrzeugpapieren. Diese Entscheidung sollte daher jeder Examenskandidat kennen und die darin enthaltenen Problematiken beherrschen!
I. Sachverhalt (verkürzt)
A betreibt ein Autohaus. Bei diesem erscheint der B und bekundet Interesse an dem Kauf eines Kraftfahrzeugs des A im Wert von 52.900 €. Nachdem B hochprofessionelle Fälschungen eines italienischen Personalausweises, einer Meldebestätigung einer deutschen Stadt und eines italienischen Führerscheins vorgelegt hatte, wurden ihm für eine unbegleiteten und auch nicht mittels GPS durch das Autohaus verfolgten Probefahrt von einer Stunde auf der Grundlage eines „Fahrzeug-Benutzungsvertrages“ ein Fahrzeugschlüssel, das Fahrzeug, das Fahrtenbuch und Fahrzeugscheinheft sowie eine Kopie der Zulassungsbescheinigung Teil I ausgehändigt. Der vermeintliche Kaufinteressent kehrte mit dem Fahrzeug nicht mehr zu dem Autohaus zurück. Anschließend bot B das KFZ als privater zum Verkauf an. Er einigte sich mit dem C auf die Übereignung des KFZ an diesen und händigte ihm hierzu das KFZ, den Originalschlüssel sowie einen weiteren –jedoch nicht zu dem KFZ gehörenden – Schlüssel, sowie professionell gefälschte Fahrzeugpapiere (Zulassungsbescheinigung Teil I sowie Zulassungsbescheinigung Teil II) aus.
A verlangt nun Herausgabe des KFZ sowie des Fahrzeugschlüssels. C hingegen fordert von A Herausgabe der Original-Zulassungsbescheinigung Teil II.
II. Anspruch des A gegen den C auf Herausgabe des KFZ sowie des Schlüssels nach § 985 BGB?
Der Herausgabeanspruch nach § 985 BGB setzt zunächst voraus, dass der A noch Eigentümer des KFZ samt Schlüssel ist.
Wie gewohnt ist hier eine chronologische Prüfung angezeigt. Ursprünglich war A Eigentümer. Er könnte sein Eigentum jedoch verloren haben.
1) Zunächst kommt ein Eigentumsverlust durch Übereignung von A an den B nach § 929 S. 1 BGB in Betracht, als A dem B das KFZ aushändigte.
Es fehlt hier jedoch an einer dinglichen Einigung. A und B einigten sich explizit nur auf eine Probefahrt. Nach dem Ablauf von einer Stunde sollte B das KFZ zurückbringen. Das Eigentum sollte also bei A verbleiben.
2) C könnte jedoch durch Übereignung nach § 929 S. 1 BGB von B das Eigentum erworben haben.
B und C einigten sich darüber, dass das Eigentum an KFZ und Schlüssel auf C übergehen solle, §§ 133, 157, 929 BGB. Auch eine Übergabe fand statt. B müsste aber auch zur Eigentumsübertragung berechtigt sein. Da B wie oben geprüft nicht Eigentümer war und auch sonst nicht berechtigt war, scheidet eine Übereignung nach § 929 S. 1 BGB aus.
3) Es kommt jedoch ein gutgläubiger Eigentumserwerb des C nach §§ 929 S. 1, 932 BGB in Betracht.
a) Neben der dinglichen Einigung, der Übergabe und eines hier unproblematisch vorliegenden Rechtsgeschäfts im Sinne eines Verkehrsgeschäfts bedarf es der Gutgläubigkeit des C, § 932 Abs. 1 S. 1, HS. 2.
Nach der Legaldefinition des § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört oder ihm dies infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist. Hierbei kommt es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Bei einem Gebrauchtwagenverkauf begründet der Besitz des KFZ allein nicht den für den gutgläubigen Erwerb des Eigentums erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr ist der Erwerber, um sich nicht dem Vorwurf der groben Fahrlässigkeit auszusetzen, gehalten, sich mindestens die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen zu lassen und anhand der dortigen Eintragungen zu prüfen, ob der Besitzer des Fahrzeugs auch zur Übereignung desselben berechtigt ist (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 92/12).
Im hiesigen Fall war der B nicht nur im Besitz des KFZ, sondern legte dem C zudem professionell gefälschte Zulassungsbescheinigungen, die ihn als berechtigten auswiesen, vor. Grobe Fahrlässigkeit ist bei der Vorlage einer gefälschten Zulassungsbescheinigung Teil 2 jedoch nur anzunehmen, wenn auf den ersten Blick Auffälligkeiten zu erkennen sind, die auf eine Fälschung hindeuten. Von dem Erwerber kann hingegen nicht erwartet werden, dass er das ihm vorgelegte Dokument umfassend und detailliert untersucht, nachdem er sich die hierzu erforderliche Sachkunde angeeignet hat. Deshalb kann dem Erwerber keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, wenn er eine professionell gefälschte Zulassungsbescheinigung Teil 2 vorgelegt bekommt, die dem ersten Anschein nach echt wirkt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 02.01.2019 – 9 U 32/18).
C war demnach gutgläubig.
b) Das KFZ und der Schlüssel dürfen zudem nicht nach § 935 Abs. 1 S. 1 BGB abhanden gekommen Hier liegt der Hauptschwerpunkt der aktuellen Entscheidung des BGH, der im Gegensatz zu der Berufungsinstanz (OLG Frankfurt am Main – Urteil vom 17. Dezember 2018 – 15 U 84/18) ein Abhandenkommen verneinte. Aber der Reihe nach:
Abhandenkommen ist der unfreiwillige Verlust des unmittelbaren Besitzes. Bei dieser Definition ist auf Genauigkeit zu achten – es kommt nicht auf den unfreiwilligen Verlust des (sämtlichen) Besitzes, sondern gerade auf den Verlust des unmittelbaren Besitzes an. Denn gerade indem der Eigentümer den unmittelbaren Besitz freiwillig aus der Hand gibt, trägt er selbst zu dem Rechtsschein des unmittelbaren Besitzes des unberechtigten Veräußerers bei und ist daher nicht schützenswerter als der gutgläubige Erwerber. Der Schutz des bisherigen Eigentümers genießt durch die Ausnahmevorschrift des § 935 BGB – wie sich aus dessen S. 2 sowie aus dem Vergleich mit den speziellen in S. 1 genannten Varianten „gestohlen worden, verloren gegangen“ ergibt – nur dann Vorrang, wenn der unmittelbare Besitz unfreiwillig verloren geht.
a) Fraglich ist also zunächst, ob A während der Probefahrt des B noch unmittelbaren Besitz an dem KFZ samt Schlüsseln hatte. Dies wäre zu bejahen, wenn der unmittelbare Besitz hier nur gelockert war, jedoch noch bei A verblieb. Besitz ist die vom Verkehr anerkannte tatsächliche Sachherrschaft. Ob während einer Probefahrt der Besitz nur gelockert ist und somit noch beim Eigentümer verbleibt oder bereits auf den vermeintlichen Kaufinteressenten übergegangen ist, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. So stellt der BGH in seiner aktuellen Entscheidung darauf ab, ob während der Probefahrt eine Begleitung etwa durch einen Angestellten des Autohauses als Beifahrer oder jedenfalls eine sonstige Überwachung der Probefahrt etwa in Form einer Verfolgung per GPS-Ortung erfolgt. Ist dies der Fall, könnte nach der Verkehrsanschauung die tatsächliche Sachherrschaft noch dem Autohaus zugeordnet werden, so dass dieses noch unmittelbaren Besitz hat. Da in dem zu entscheidenden Fall jedoch keinerlei Überwachung der Probefahrt stattgefunden hat, fehle es an einer beim Autohaus verbleibenden tatsächlichen Sachherrschaft, sodass der unmittelbare Besitz mit Beginn der Probefahrt auf den B übergegangen ist.
Unmittelbarer Besitz könne aber dennoch bei dem Autohaus verbleiben, wenn der vermeintliche Kaufinteressent B Besitzdiener gemäß § 855 BGB des A ist. Voraussetzung ist jedoch ein soziales oder vergleichbares Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Verkäufer und dem Kaufinteressenten. Dass Letzterer in Bezug auf das Fahrzeug Weisungen bzw. Vorgaben des Verkäufers unterworfen ist, ändert hieran nichts. Denn sie entspringen dem Vertragsanbahnungsverhältnis und damit einem auf die Sache bezogenen Rechtsverhältnis im Sinne des § 868 BGB. Demgegenüber folgt die Weisungsunterworfenheit eines Besitzdieners aus einem über den rechtlichen Bezug zur Sache hinausgehenden Verhältnis zum Besitzherrn. Ein solches Verhältnis bestehe zwischen dem Verkäufer eines Fahrzeugs und einem Kaufinteressenten nicht, so der BGH in seiner Pressemitteilung. Folglich ist der unmittelbare Besitz mit Beginn der nicht überwachten Probefahrt auf den B übergegangen.
Das mögliche Vorliegen eines mittelbaren Besitzes nach § 868 BGB ist für die Frage des Abhandenkommens irrelevant, da es wie oben erläutert im Rahmen des § 935 BGB gerade auf den unmittelbaren Besitz ankommt.
b) In diesem Moment des Verlustes des unmittelbaren Besitzes muss dieser Besitzverlust des A unfreiwillig erfolgt sein. Hierbei kommt es nur darauf an, ob der Besitzverlust auf einem tatsächlichen Willentsentschluss ohne Zwang beruht. Wie der BGH in seiner Pressemitteilung ausführt, wird die Besitzübertragung ist nicht schon deshalb unfreiwillig, weil sie auf einer Täuschung – etwa über das in Wahrheit nicht bestehende Kaufinteresse und die Absicht, das KFZ nach einer Stunde zurückzubringen – beruht.
Der Verlust des unmittelbaren Besitzes erfolgte somit freiwillig, so dass kein Abhandenkommen im Sinne des § 935 BGB vorliegt. C hat somit gutgläubig nach §§ 929 S. 1, 932 BGB das Eigentum an dem KFZ und dem Schlüssel erworben. A ist nicht mehr Eigentümer.
A hat daher keinen Anspruch gegen C auf Herausgabe des KFZ samt Schlüssel aus § 985 BGB.
III Anspruch des C gegen A auf Herausgabe der Original-Zulassungsbescheinigung aus § 985 BGB
C könnte Eigentümer der Zulassungsbescheinigung sein. Ursprünglich war A Eigentümer.
Rechtsgeschäftlich hat C kein Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II erlangt. Schon die dingliche Einigung bezog sich nur auf das gefälschte Dokument, auch fand keine Übergabe statt.
Das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil II ist jedoch mit dem Eigentumserwerb an dem KFZ nach § 952 BGB analog auf den C übergegangen. Nach Rspr. und HM. ist diese nach dem Wortlaut nur auf Schuldurkunden anwendbare Vorschrift analog auf die Zulassungsbescheinigung Teil II anzuwenden. Es besteht eine planwidrige Regelungslücke und zudem auch eine vergleichbare Interessenlage. Diese ergibt sich aus dem auch bei KFZ bestehenden engen Zusammenhang zwischen dem KFZ als solchem und der Zulassungsbescheinigung Teil II. Diese gilt nach § 12 Abs. 6 FZV gegenüber der Zulassungsbehörde als Legitimation. Es besteht daher das Bedürfnis, formelle und materielle Legitimation in Einklang zu bringen. Das Eigentum an der Zulassungsbescheinigung Teil 2 folgt daher in analoger Anwendung des § 952 BGB stets dem Eigentum am KFZ.
Da A im Besitz der Zulassungsbescheinigung Teil 2 ist, jedoch nicht zum Besitz berechtigt ist, § 986 BGB, hat C einen Anspruch gegen A aus § 985 BGB auf Herausgabe der Zulassungsbescheinigung Teil 2.
IV. Fazit
– Gutgläubigkeit bei einem Gebrauchtwagenkauf von einem Privaten setzt grds. voraus, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II vorlegen lässt und anhand der dortigen Eintragungen prüft, ob der Veräußerer berechtigt ist
– Wird dem Erwerber eine professionelle und als solche nicht auf Anhieb erkennbare Fälschung der Zulassungsbescheinigung Teil II vorgelegt, so begründet das Nichterkennen der Fälschung keine Bösgläubigkeit.
– Während einer nicht durch einen mitfahrenden Angestellten oder etwa durch eine GPS-Ortung überwachten Probefahrt, verliert der Autohändler seinen unmittelbaren Besitz an den vermeintlichen Kaufinteressenten; dieser ist auch kein Besitzdiener.
– Da auch bei Täuschung über die wahren Absichten die Besitzüberlassung zur Probefahrt freiwillig erfolgt, kann ein Dritter mangels abhandenkommen Im Sinne des § 935 BGB gutgläubig das Eigentum am KFZ erwerben.
– Mit dem Eigentum am KFZ geht auch das Eigentum an der Original-Zulassungsbescheinigung Teil 2 gemäß § 952 BGB analog auf den gutgläubigen Erwerber über.

24.09.2020/5 Kommentare/von Tobias Vogt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tobias Vogt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tobias Vogt2020-09-24 09:00:472020-09-24 09:00:47BGH zum gutgläubigen Erwerb eines vom Veräußerer durch eine Probefahrt erlangten KFZ
Redaktion

Zivilrecht I – Juli 2020 – Berlin/Brandenburg – 1. Staatsexamen

Berlin, Brandenburg, Examensreport

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zu einer Examensklausur im Zivilrecht, die im Juli 2020 in Berlin und Brandenburg gestellt wurde. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
Der 17-Jährige M hat von seinen Eltern ein Handy geschenkt bekommen, welches er ausschließlich nutzen soll. Eines Tages verkauft er es im Geschäft des Händlers H für 250€ (Verkehrswert 300€). Die Eltern des M sind natürlich nicht einverstanden. Der M geht zurück in das Geschäft des H, der meint, dass ja jeder behaupten könne, er sei minderjährig, um ein schlechtes Geschäft rückgängig zu machen. H schmeißt M aus seinem Geschäft. M hatte dabei nur auf die Herausgabe des Verkehrswertes in Geld gepocht, nicht aber auch auf die Herausgabe des Telefons. Jedoch hatte er dem H ggü. offengelegt, dass seine Eltern alles andere als einverstanden sind.
Es kommt wie es kommen muss: In der Nacht wird bei H eingebrochen und das Telefon von gänzlich unbekannten Tätern entwendet. Die Diebe sind nicht auffindbar. Irgendwann taucht das Telefon jedoch wieder auf, und zwar bei G, der das Handy gutgläubig von einem unbekannten Kleinanzeigenhändler erworben hatte. G selbst kennt einen Jurastudenten, der schon mal davon gehört hat, dass das Handy trotzdem als abhanden i.S.d. § 935 BGB geltend könnte. Diese Beurteilung sei jedoch sehr kompliziert und bedürfe längerer Ausführungen.
Frage 1: Hat M gegen G einen Anspruch auf Herausgabe des Telefons?
Frage 2: Welche Ansprüche hätte M gegen H, wenn das Handy nicht bei G auftauchen würde?

26.08.2020/3 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2020-08-26 08:40:092020-08-26 08:40:09Zivilrecht I – Juli 2020 – Berlin/Brandenburg – 1. Staatsexamen
Redaktion

Zivilrecht II – April 2019 – NRW – 1. Staatsexamen

Examensreport, Examensvorbereitung, Lerntipps, Nordrhein-Westfalen, Sachenrecht, Startseite, Zivilrecht

Nachfolgend erhaltet ihr ein Gedächtnisprotokoll zur Examensklausur Zivilrecht II, 1. Staatsexamen, NRW, April 2019. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen. Wir danken sehr herzlich für die Zusendung.
 
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt.
 
Sachverhalt:
Der 7-jährige E wohnt bei seiner Mutter M, die das alleinige Sorgerecht hat. Zu seinem Vater V hat er nur noch gelegentlich Kontakt. Sein wohlhabender Opa O verstirbt Mitte 2018 und hinterlässt ein wirksames Testament, indem er bestimmt, dass der V „alles“ haben solle. Der E hingegen soll eine 200 EUR-Münze erhalten. Eine limitierte Auflage der Münze wurde 2002 auf den Markt gebracht. Zwar entspricht ihr Wert genau 200 EUR, sie wird jedoch aufgrund ihres hohen Sammlerwertes, nicht als Zahlungsmittel verwendet. Unter Sammlern hat sie einen Marktwert von 2800 EUR.
Der E, der den Wert der Münze nicht einschätzen kann, nimmt die Münze zum Spielen mit zum Spielplatz. Hier wird er von dem volljährigen A beobachtet. Der A fragt den E, ob er sich die Münze mal ausleihen könne. Sein Vater sei – wie er unrichtigerweise erklärt – Experte für solche Münzen. Er würde sich freuen, die Münze mal zu betrachten. Der E kennt den A nicht, glaubt ihm aber und händigt dem A deswegen die Münze aus. Er glaubt, er werde die Münze, wie vom A angekündigt, am nächsten Tag zurückerhalten. Dies ist jedoch nicht die Absicht des A.
Am gleichen Tag sucht A dann den Münzhändler B e.K. auf. A und B vereinbaren, dass der B den Wert der Münze innerhalb der nächsten drei Tagen schätzen soll, bevor A sich bereit erklärt, die Münze an den B zu verkaufen. Die Münze bleibt entsprechend bei dem B.
Am nächsten Tag betritt der Münzhändler C e.K. das Geschäft des B. Er sieht die Münze und erklärt daraufhin, dass er die Münze gerne kaufen wolle. Der objektive Wert der Münze ist, wie von dem B richtig geschätzt, 2800 EUR. Der B erklärt, dass er nicht Eigentümer der Münze sei, jedoch ermächtigt ist, die Münze zu verkaufen. Solche Geschäfte haben zwischen C und B in der Vergangenheit bereits häufiger stattgefunden. Zwar hat der B den A nicht gefragt, ob er die Münze endgültig verkaufen wolle, er geht jedoch davon aus, dass ein Verkauf der Münze in seinem Interesse sei. Entsprechend verkauft der die Münze für 3000 EUR in eigenem Namen auf fremde Rechnung an den C. Die Münze wird übergeben.
 
Die M verlangt die Münze nun von dem C heraus. Zu Recht?
 
Abwandlung:
Der A erhält die Münze wie im Ausgangsfall. Diesmal verkauft er die Münze jedoch für 3000 EUR auf dem Schwarzmarkt an einen ihm nicht bekannten Hehler, der die Münze wiederum an einen Unbekannten veräußert. Der E verlangt, vertreten durch die M, 3000 EUR Verkaufserlös, jedenfalls aber den objektiven Wert in Höhe von 2800 EUR. Zu Recht?
 

03.06.2019/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2019-06-03 09:20:552019-06-03 09:20:55Zivilrecht II – April 2019 – NRW – 1. Staatsexamen
Dr. Sebastian Rombey

Der Fremdbesitzerexzess – Ein Grundlagenbeitrag

Examensvorbereitung, Lerntipps, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis gehört zu den meistgeprüften Themengebieten des ersten Staatsexamens (vgl. dazu die Statistik in Preis/Prütting/Sachs/Weigend, Die Examensklausur, 6. Aufl. 2017, S. 7). Ein solides Grundlagenwissen ist hier unumgänglich (s. unseren Grundlagenbeitrag zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis). Zu diesem Grundlagenwissen zählt vor allem die Abschlussfunktion des EBV. Der gutgläubige und unverklagte, mit anderen Worten redliche Besitzer soll privilegiert werden, indem das Regelungssystem des EBV abschließende Geltung jedenfalls für Nutzungs- und Schadensersatzansprüche des Eigentümers bildet (streitig ist dies hinsichtlich etwaiger Verwendungsersatzansprüche). So gibt es § 993 Abs. 1 a.E. BGB vor. Gleichwohl sind auch Konstellationen denkbar, in denen diese Sperrwirkung zu unbilligen Ergebnissen führt. Dies deshalb, weil der unrechtmäßige Fremdbesitzer in einer derartigen Konstellation besser stünde als im Falle des bestehenden Besitzrechts, in dem keine Vindikationslage vorläge und die §§ 823 ff. BGB unstreitig Anwendung fänden. Die Problematik lässt sich in zwei Fallkonstellationen unterteilen und wie folgt ordnen:
I. Drei-Personen-Verhältnis
Im Drei-Personen-Verhältnis ist die Problematik durch § 991 Abs. 2 BGB geregelt: „War der Besitzer bei dem Erwerb des Besitzes in gutem Glauben, so hat er gleichwohl von dem Erwerb an den im § 989 bezeichneten Schaden dem Eigentümer gegenüber insoweit zu vertreten, als er dem mittelbaren Besitzer verantwortlich ist.“ Es handelt sich um eine eigene Anspruchsgrundlage; § 991 Abs. 2 BGB sollte also nicht im Rahmen der §§ 989, 990 BGB geprüft werden. Die Norm regelt den Fremdbesitzerexzess jedenfalls für Fälle, in denen der redliche Fremdbesitzer (der Besitzmittler) dem Oberbesitzer (also dem mittelbaren Besitzer) gegenüber wegen der Beschädigung der Sache verantwortlich ist. Es geht also um Fälle, in denen der Fremdbesitzer sein vermeintliches Besitzrecht gutgläubig nicht vom Eigentümer, sondern von einem Dritten ableitet. Dahinter steht letztlich der Rechtsgedanke der richterechtlich begründeten Drittschadensliquidation (a.A. BeckOK-BGB/Fritzsche, 46. Ed. 2018, § 991 BGB Rn. 12), denn der Vertragspartner hat keinen Schaden, da er nicht zugleich Eigentümer ist, aber einen Anspruch; der Eigentümer hingegen hat wegen der Sperrwirkung des EBV zwar einen Schaden, aber eigentlich keinen Anspruch; die zufällige Schadensverlagerung liegt in der unerwarteten Eigentumslage. Diese Konstellation lässt sich mit einem Blick in das Gesetz mithin relativ gut lösen – soweit man sie erkennt.
Beispiel 1: Albert (A) mietet von Berthold (B) einen schicken Porsche. Beide Parteien sind hinsichtlich der Eigentumslage gutgläubig; tatsächlich ist der Porsche allerdings der Clara (C) gestohlen worden. Durch eine Fahrlässigkeit des Mieters A, der den Porsche mit zu hoher Geschwindigkeit über den Nürburgring lenkte, wurde das Fahrzeug beschädigt. Es fragt sich nun, wie A gegenüber C haftet.
A ist im Verhältnis zu B unmittelbarer Fremdbesitzer; B dagegen ist mittelbarer Besitzer. Ansprüche der wahren Eigentümerin C gegen A lassen sich nicht auf die §§ 989, 990 BGB stützen, da zwar eine Vindikationslage gegeben ist – der Mietvertrag wirkt nur inter partes –, A aber im Zeitpunkt des Besitzerwerbs gutgläubig war, so dass nach § 993 Abs. 1 a.E. BGB auch deliktsrechtliche Ansprüche ausscheiden. Unter Heranziehung des § 991 Abs. 2 BGB kann C den Schaden aber dennoch von A ersetzt verlangen, da A dem B gegenüber verantwortlich wäre. Hier gilt es allerdings zu beachten, dass sich der Haftungsumfang nach diesem Innenverhältnis richtet, sodass auch vereinbarte Haftungsprivilegierungen greifen. Prütting fasst die dahinterstehende Wertung prägnant zusammen: § 991 Abs. 2 BGB beruht auf der Erwägung, „dass der Fremdbesitzer nur in dem Maße eine Haftungsfreistellung verdient, als er sich bei seinem Verhalten in den Grenzen des Rechts hält, das er zu haben glaubt.“ (Prütting, Sachenrecht, 36. Aufl. 2017, Rn. 539). Anders formuliert: „Der Fremdbesitzer wird nur insoweit von der Haftung freigestellt, als er im Rahmen des Schuldverhältnisses mit dem Dritten darauf vertrauen durfte, die schädigende Handlung entschädigungslos vornehmen zu können.“ (Vieweg/Werner, Sachenrecht, 8. Aufl. 2018, § 8 Rn. 16).
II. Zwei-Personen-Verhältnis
Schwieriger gestaltet sich dagegen das Zwei-Personen-Verhältnis, in dem der Fremdbesitzer sein vermeintliches Besitzrecht vom wahren Eigentümer herleitet. Dies lässt sich anhand eines kurzen Beispiels exemplifizieren:
Beispiel 2: Mieter M lebt in der Wohnung des Eigentümers und Vermieters V. Der geschlossene Mietvertrag ist jedoch unwirksam, was den Vertragsparteien unbekannt ist. Eines Abends entzündet sich in der besagten Wohnung ein Brand, der auf eine starke Unachtsamkeit des M im Umgang mit dem geschmückten Tannenbaum zurückzuführen ist und zu einer starken Beschädigung der Räumlichkeiten führt. Es fragt sich nun, inwieweit M dem V gegenüber haftet.
Ausgangspunkt der Überlegung ist wie bereits angedeutet, dass der unrechtmäßige Fremdbesitzer M allein auf Grund der Tatsache, dass der Vertrag zum Eigentümer und Vermieter V unwirksam ist, nicht besser stehen darf, als wenn der Vertrag wirksam wäre. Daraus folgt die Erkenntnis, dass der unrechtmäßige Fremdbesitzer dem Eigentümer genauso haften muss, wie er bei tatsächlich bestehendem Besitzrecht (dann als sog. Nicht-so-berechtigter Besitzer) gehaftet hätte. Einen Haftungsunterschied zwischen rechtmäßigem und unrechtmäßigem Fremdbesitzer zu Gunsten des letzteren darf es nicht geben. Es handelt sich also auch hier um einen Fremdbesitzerexzess, denn der Fremdbesitzer überschreitet sein vermeintlich bestehendes Besitzrecht und ist insoweit nicht schutzwürdig, denn er weiß, dass er im Besitz einer fremden Sache ist, mit der nicht nach Belieben umgehen kann. Nach den §§ 989 ff. BGB kann der Fremdbesitzer dem Eigentümer und Vermieter V jedoch auf Grund der gegebenen Gutgläubigkeit nach § 932 Abs. 2 BGB analog nicht haften. Da eine Vindikationslage im Sinne des § 985 BGB im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses aber dennoch gegeben war (V war Eigentümer, M war Besitzer, hatte aber wegen des unwirksamen Mietvertrages kein Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB), sind deliktsrechtliche Ansprüche gesperrt, § 993 Abs. 1 a.E. BGB. Deshalb wird für derartige Fälle eine Ausnahme von der Sperrwirkung des EBV konstruiert. Schon das Reichsgericht hatte hier eine direkte Anwendung der §§ 823 ff. BGB bejaht (RGZ 157, 132, 135), der BGH war dem später gefolgt (BGHZ 31, 129, 132). Die heute ganz h.M. im Schrifttum konstruiert dies dogmatisch über eine teleologische Reduktion des Ausschließlichkeitsgrundsatzes, § 993 Abs. 1 a.E. BGB (näher BeckOK-BGB/Fritzsche, 46. Ed. 2018, § 993 BGB Rn. 10 m.w.N.). Gleichwohl kommt auch eine Herleitung über eine Analogie zu den §§ 989 ff. BGB in Betracht, die in der Lehre teilweise auf §§ 989, 990 Abs. 2 BGB gestützt wird (Baur/Stürner, SachenR, 18. Aufl. 2009, § 11 Rn. 32, wobei unklar bleibt, warum eine planwidrige Regelungslücke vorliegen soll, wenn der Gesetzgeber das Drei-Personen-Verhältnis mit § 991 Abs. 2 BGB doch eindeutig geregelt hat), teilweise aber auch über den Rechtsgedanken des § 991 Abs. 2 BGB begründet wird (MüKo-BGB/Raff, 7. Aufl. 2017, § 991 BGB Rn. 19; Wieling, MDR 1972, 650). Das heißt zusammengefasst: Bei bestehendem Besitzrecht müsste der Besitzer für die Überschreitung des Besitzrechts vertraglich und deliktisch haften, Nutzungen vertraglich bezahlen oder aber hilfsweise über die Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag oder ungerechtfertigten Bereicherung herausgeben. Da eine Privilegierung des unrechtmäßigen Fremdbesitzers hier aber nicht angezeigt und eine Schutzwürdigkeit ebenso wenig erkennbar ist, ist eine Haftung aus Bereicherungs- und Deliktsrecht gegeben. Damit haftet M dem V etwa aus § 823 Abs. 1 BGB.
III. Summa
Der Fremdbesitzerexzess lässt sich also in Abhängigkeit von der zu Grunde liegenden Fallkonstellation entweder mit einem Blick in das Gesetz (im Drei-Personen-Verhältnis) oder aber durch eine Vergleichsbetrachtung mit der Haftung des rechtmäßigen Besitzers (im Zwei-Personen-Verhältnis) in den Begriff bekommen.
Zum Schluss sei allerdings noch auf zwei Feinheiten hingewiesen, die erst in der jüngeren Literatur herausgebildet wurden. Erstens: Besteht Erbenbesitz im Sinne des § 857 BGB an einer Sache, bleibt die Sperrwirkung des § 993 Abs. 1 a.E. BGB erhalten (str.; instruktiv Magnus, NJW 2017, 1201, 1206). Zweitens: Ist der zu Grunde liegende Vertrag zwischen Fremdbesitzer und vermeintlichem Eigentümer unwirksam, kann auch eine Haftung aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB diskutiert werden. Wiederum ist der tragende Gedanke dahinter, dass der unrechtmäßige Fremdbesitzer im Falle der Unwirksamkeit des Vertrages nicht schlechter stehen soll als der rechtmäßige Fremdbesitzer, bei dem eine Haftung aus culpa in contrahendo ebenfalls denkbar ist (s. Neuner, Sachenrecht, 5. Aufl. 2017, Rn. 106).

10.09.2018/4 Kommentare/von Dr. Sebastian Rombey
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Sebastian Rombey https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Sebastian Rombey2018-09-10 09:01:512018-09-10 09:01:51Der Fremdbesitzerexzess – Ein Grundlagenbeitrag
Redaktion

Schema: Rechtsgeschäftliche Übereignung von Mobilien

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Schema: Rechtsgeschäftliche Übereignung von Mobilien

A. § 929 S. 1 BGB
§ 929 S. 1 betrifft den Fall, dass der Veräußerer im (unmittelbaren oder mittelbaren) Besitz der Sache ist und diese dem Erwerber übergibt.

I. Rechtsgeschäftliche Einigung, §§ 929 S. 1, 145, 147 BGB
Die Einigung muss auf die Übertragung des Eigentums vom Veräußerer auf den Erwerber gerichtet sein.

II. Übergabe 

1. Vollständige Besitzaufgabe des Veräußerers
Die Übergabe kann auch unter Einschaltung eines Besitzdieners, eines Besitzmittlers oder einer Geheißperson erfolgen.

2. Besitzerwerb auf Erwerberseite
Auch der Erwerber kann Hilfspersonen (Besitzmittler, Besitzdiener oder Geheißperson) einschalten.

3. Auf Veranlassung des Veräußerers, d.h. mit Willen des Veräußerers

4. Dauerhaftigkeit der Besitzaufgabe

III. Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe

IV. Berechtigung des Veräußerers
– Die Berechtigung kann sich aus der Eigentümerstellung des Veräußerers ergeben, aus dem Gesetz oder aus einer Verfügungsbefugnis iSv § 185 BGB.
– Bei fehlender Berechtigung kommt gutgläubiger Erwerb gem. § 932 BGB in Betracht.

B. § 929 S.2 BGB
§ 929 S. 2 BGB betrifft den Fall, dass der Erwerber schon im Besitz der Sache ist.

I. Rechtsgeschäftliche Einigung, §§ 929, 145, 147 BGB

II. Bereits (unmittelbarer oder mittelbarer) Besitz des Erwerbers

III. Berechtigung des Veräußerers
Bei fehlender Berechtigung kommt gutgläubiger Erwerb gem. § 932 BGB in Betracht.

C. §§ 929 S. 1, 930 BGB
§ 930 BGB betrifft den Fall, dass der Veräußerer im unmittelbaren Besitz der Sache bleiben soll und der Erwerber daher nur mittelbaren Besitz durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses erlangt.

I. Rechtsgeschäftliche Einigung, §§ 929, 145, 147 BGB

II. Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses i.S.d. § 868 BGB

1. Rechtsverhältnis i.S.d. § 868 BGB
Erforderlich ist ein hinreichend konkretes Rechtsverhältnis, das die Rechte und Pflichten der Parteien in Bezug auf die Sache regelt.

2. Besitzmittlungswille
Der Veräußerer als künftig unmittelbarer Besitzer muss den Erwerber als Oberbesitzer anerkennen.

3. Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegen den unmittelbaren Besitzer
Der Herausgabeanspruch muss sich nicht auf dem Besitzmittlungsverhältnis ergeben, es genügt, dass irgendein Herausgabeanspruch besteht.

III. Einigsein im Zeitpunkt der Vereinbarung

IV. Berechtigung
Bei fehlender Berechtigung kommt ein gutgläubiger Erwerb nach § 933 in Betracht.

D. §§ 929 S. 1, 931 BGB
§ 931 BGB betrifft den Fall, dass ein Dritter im unmittelbaren Besitz der Sache ist und der Veräußerer dem Erwerber seinen Herausgabeanspruch gegen den Dritten abtritt.

I. Rechtsgeschäftliche Einigung, §§ 929, 145, 147 BGB

II. Abtretung des Herausgabeanspruchs, §§ 870, 398, 931 BGB

III. Verlust jeglichen Besitzes an der Sache auf Seiten des Veräußerers

IV. Einigsein im Zeitpunkt der Abtretung

V. Berechtigung des Veräußerers
Bei fehlender Berechtigung kommt ein gutgläubiger Erwerb gem. § 934 in Betracht.

 

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

22.06.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-06-22 10:00:262017-06-22 10:00:26Schema: Rechtsgeschäftliche Übereignung von Mobilien
Redaktion

Schema: Besitzformen

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Schema: Besitzformen 

A. Unmittelbarer Besitz, § 854 BGB


I. Besitzerwerb nach § 854 I BGB

1. Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft über einen Gegenstand nach der Verkehrsanschauung

2. Besitzerwerbswille (hM)

– Es genügt ein natürlicher, genereller Besitzwille.
– Es reicht aus, dass er sich auf alle im Herrschaftsbereich einer Person befindlichen Gegenstände erstreckt.
– Geschäftsunfähigkeit oder beschränkte Geschäftsfähigkeit schließt das Vorliegen eines solchen Willens nicht aus.

3. Kein Fall der Besitzdienerschaft, § 855 BGB
Der Besitzdiener ist gerade nicht Besitzer. 

II. Besitzerwerb nach § 854 II BGB

1. Bisheriger Besitz des Veräußerers

Es bedarf ausnahmsweise keiner Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Erwerber.

2. Einigung über die Erlangung der Sachherrschaft durch den Erwerber.

3. Möglichkeit des Erwerbers, sich die Sache ohne weitere Gestattung des Veräußerers zu verschaffen.

 
B. Mittelbarer Besitz, § 868 BGB

I. Bestehen eines Besitzmittlungsverhältnisses, § 868 BGB
– Besitzmittlungsverhältnis kann jedes hinreichend bestimmte Verhältnis sein, welches des Verhalten des Besitzmittlers ausreichend bestimmt und aus dem er sein Besitzrecht ableitet.
– Es genügen nur solche schuldrechtlichen Verhältnisse, die eine Regelung über die Besitzverhältnisse treffen und die sich aus dem Besitz ergebenden Befugnisse dem mittelbaren Besitzer zuschreiben (zB Leihe, § 598 BGB).
– Es genügt zum Schutze des mittelbaren Besitzers jedoch auch ein unwirksames Besitzmittlungsverhältnis (hM).

II. Fremdbesitzwille des unmittelbaren Besitzers
– Der Besitzmittler muss den unmittelbaren Besitz im Sinne von § 854 BGB inne haben.
– Der Besitzmittler muss für den mittelbaren Besitzer besitzen und diesen als Oberbesitzer anerkennen.

III. Bestehender Herausgabeanspruch des mittelbaren Besitzers gegen den unmittelbaren Besitzer.
– Es genügt, dass irgendein Herausgabeanspruch besteht.
– Der Herausgabeanspruch muss sich nicht unmittelbar aus dem Besitzmittlungsverhältnis ergeben.

C. Besitzdienerschaft, §855 BGB
Der Besitzdiener ist kein Besitzer.

I. Tatsächliche Sachherrschaft des Besitzdieners

II. Soziales Abhängigkeitsverhältnis des Besitzdieners zum unmittelbaren Besitzer
– Bloße wirtschaftliche Abhängigkeit genügt nicht.
– Aus dem Verhältnis muss insbesondere ein Weisungsrecht des unmittelbaren Besitzers folgen.
– Kann sich aus Vertrag oder Gesetz ergeben.
– Rechtliche Unwirksamkeit des Verhältnisses schadet nicht, solange der Besitzdiener sich tatsächlich dem unmittelbaren Besitzer unterordnet.

III. Äußerliche Erkennbarkeit des Abhängigkeitsverhältnisses bzw. der Unterordnung

IV. Ausübung der tatsächlichen Sachherrschaft im Rahmen des Weisungsverhältnisses

V. Besitzdienerwille (str.)

 
D. Sonstige Besitzformen

  • Eigenbesitz, § 872 BGB
  • Fremdbesitz
  • Alleinbesitz
  • Mitbesitz, § 866 BGB
  • Teilbesitz, § 865 BGB
  • Nebenbesitz
  • Erbenbesitz, § 857 BGB

Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.

09.03.2017/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-03-09 10:00:172017-03-09 10:00:17Schema: Besitzformen
Redaktion

Unabsichtlich überlassene Gewinne

Gesellschaftsrecht, Rechtsgebiete, Sachenrecht, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr heute einen Gastbeitrag von Dr. Hermann Dück und Dr. Christopher Weidt veröffentlichen zu können. Dr. Hermann Dück ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht von Prof. Dr. Peter Krebs an der Universität Siegen. Dr. Christopher Weidt ist Rechtsreferendar am LG Dortmund und Lehrbeauftragter an der Universität Siegen.
Der Beitrag 

„Unabsichtlich überlassene Gewinne“

befasst sich mit einem mitten aus dem Leben stammenden, äußerst aktuellen und zudem examensrelevanten Thema, den allseits bekannten Kronkorken-Gewinnspielen. Diese werden  immer wieder von Getränke-Herstellern, insbesondere Brauereien, veranstaltet. Solche Gewinnspiele können weitreichende rechtliche Probleme nach sich ziehen, deren Examensrelevanz nicht verkannt werden darf, insbesondere da sich aktuell auch das LG Arnsberg (Az.: I-1 O 151/16) mit den Problematiken solcher Gewinnspiele zu befassen hat. Der Beitrag unserer Gastautoren beleuchtet nun insbesondere schuld- und sachenrechtliche Aspekte solcher Kronkorken-Gewinnspiele.
Den Beitrag findet ihr hier.

07.02.2017/1 Kommentar/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2017-02-07 09:00:032017-02-07 09:00:03Unabsichtlich überlassene Gewinne
Dr. Maximilian Schmidt

Mündliche Prüfung im Zivilrecht – Dackelalarm!

Deliktsrecht, Sachenrecht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Ein Fall wie gemalt für eine mündliche Prüfung kursiert momentan durch die deutsche Presselandschaft: Der Fall der Dackeldame Bonny von Beelitz (Link). Anlass für uns eine kurze mündliche Prüfung zu simulieren.
Sehr geehrte Damen und Herren, stellen Sie sich folgenden Fall vor.

Ein Rauhaardackel namens Bonny von Beelitz entläuft als Jungtier einem Jäger, nennen wir ihn Herrchen A, aus Ferch in Brandenburg. Dieser ist schockiert und sucht Bonny in den einsamen Wäldern Brandenburgs – ohne Erfolg. Urlauber U findet hingegen den gepflegten Hund ohne Marke und Halsband einen Tag später nahe einer Autobahnauffahrt und nimmt ihn mit. Er spricht Polizisten an, die ihm sagen, dass er den Hund mitnehmen dürfe. Anderweitige Maßnahmen zur Aufklärung der Herkunft von Bonny unternimmt er nicht. Vielmehr freut er sich über das süße Lebewesen, hegt und pflegt es die nächsten Jahre und tauft es auf den Namen Lulu. Der Dackel wird Teil der Familie. Erst Jahre später erfährt U per Zufall von Lulus adliger Herkunft als Bonny von Beelitz. Auch das Herrchen A bekommt nun Wind von der Sache und möchte seine Bonny zurück.

Sie werden nun von A als Rechtsanwalt beauftragt, um Bonny zurückzuholen. Was würden Sie zunächst überlegen?
Nachdem man den Weg einer gütlichen Einigung versucht zu gehen – der freilich bei Herzensangelegenheiten wie Dackeln wenig Aussicht auf Erfolg hat –  muss man sich Gedanken machen, ob ein fälliger, durchsetzbarer Anspruch auf Herausgabe des Hundes besteht und wo dieser gegebenenfalls einzuklagen ist.
Das klingt nach einem sinnvollen Vorgehen. Woraus könnte sich denn ein entsprechender Anspruch ergeben?
Mangels vertraglicher Beziehung könnte zunächst ein Anspruch aus § 861 BGB in Betracht kommen. Allerdings hatte das Herrchen die tatsächliche Sachherrschaft verloren als Bonny davongelaufen ist. Daher liegt kein Besitzentzug nach § 861 BGB vor.
Schön. Doch was setzt ein solcher Anspruch erst einmal voraus?
Es muss sich um eine Sache handeln. Zwar sind Hunde als Tiere nach § 90a S. 1 BGB keine Sachen, werden aber nach § 90 S. 3 BGB wie diese behandelt – auch süße Rauhaardackel.
Eine gesetzgeberische Wertung, die wir akzeptieren müssen. Welche Idee hinsichtlich eines Herausgabeanspruches haben denn Sie, Frau X?
Es könnte ein Anspruch aus § 985 BGB bestehen. Hierzu müsste eine sog. Vindikationslage vorliegen. Dazu müsste das Herrchen Eigentümer des Dackels sein. Ursprünglich war er dies. Allerdings könnten die Urlauber nach § 958 BGB Eigentum erworben haben, wenn sie Bonny als herrenlose Sache in Eigenbesitz genommen haben. Herrenlos sind Sachen jedoch nur, wenn sie in niemandes Eigentum stehen. Der Begriff ist abzugrenzen von der verlorenen Sache im Sinne des § 965 Abs. 1; an letzterer besteht weiterhin Eigentum, an der herrenlosen hingegen nicht. Die Tatsache, dass Bonny entlaufen ist, führt nicht bereits zur Herrenlosigkeit. Herrchen A war erschüttert über die Flucht von Bonny und wollte weiter das Eigentum an Bonny behalten, weswegen keine Eigentumsaufgabe nach § 959 BGB vorliegt.
Gut, worin liegt denn der wesentliche Unterschied zwischen § 958 BGB und etwa § 929 S. 1 BGB?
§ 958 BGB ist ein Fall des gesetzlichen Eigentumserwerbs an beweglichen Sachen und § 929 S. 1 BGB ein rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb.
Hat denn noch jemand eine Idee, weswegen Bonny herrenlos gewesen sein könnte?
Ja, § 960 BGB regelt die Herrenlosigkeit wilder Tiere. Nach § 960 Abs. 2 BGB wird ein gefangenes wildes Tier herrenlos, wenn es die Freiheit wiedererlangt und wenn nicht der Eigentümer das Tier unverzüglich verfolgt oder wenn er die Verfolgung aufgibt.
Klasse! Und liegt ein solcher Fall vor?
Nein. Bonny ist ein Rauhaardackel, der gerade kein wildes Tier i.S.d. § 960 BGB, sondern ein Haustier ist. Gelegentliches Kläffen ändert hieran nichts. Zudem wird ein gezähmtes Tier nach § 960 Abs. 3 BGB herrenlos, wenn es die Gewohnheit ablegt, an den ihm bestimmten Ort zurückzukehren. Hierunter dürften aber nur ohnehin freilaufende Tiere fallen, etwa Katzen, nicht aber Haushunde.
Welcher Erwerbstatbestand könnte denn noch in Betracht kommen?
Ebenso könnte der Urlauber als Finder einer Sache i.S.d. §§ 965 ff. BGB Eigentum erworben haben. Hierzu hätte es allerdings gemäß der Anzeige des Fundes bei der zuständigen Behörde bedurft. Diese ist vorliegend nicht erfolgt, so dass der Urlauber gegen seine Anzeigepflicht aus § 965 BGB verstoßen hat. Diese ist aber Voraussetzung für den Eigentumserwerb nach § 973 BGB.
Nun gut. Also war Herrchen A weiterhin Eigentümer. Machen Sie den Sack zu, Herr Y?
Die Urlauberin ist auch unmittelbare Besitzerin des Dackels. Sie dürfte darüber hinaus kein Recht zum Besitz haben, § 986 BGB. Ob etwaige Gegenansprüche wegen Ersatz der Kosten für Futter und Tierarztkosten in Recht zum Besitz geben oder lediglich die Durchsetzbarkeit des Anspruchs hemmen, ist umstritten. Jedenfalls führen diese zu einer Verurteilung Zug-um-Zug, auch nach der ersten Ansicht. Als Rechtsanwalt ist daher allein maßgeblich, ob entsprechende Ansprüche bestehen, um die eigenen Mandanten darauf einzustellen.
Gut gesehen! Haben die Urlauber denn entsprechende Ansprüche?
Dies richtet sich aufgrund des Vorliegens eines EBV nach § 994 BGB. Fraglich ist jedoch, ob die Urlauber gutgläubig oder bösgläubig hinsichtlich ihres Besitzrechts waren. Der Besitzer hat Kenntnis, wenn er über den Mangel seines Rechts in einer Weise aufgeklärt worden ist. Für die grobfahrlässige Unkenntnis gelten die zu § 932 Abs. 2 entwickelten Grundsätze. Hier genügt es, wenn die Unkenntnis hinsichtlich des Fehlens eines Besitzrechts auf einem Verhalten beruht, das unter Berücksichtigung der Gesamtumstände die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich großem Maße verletzt und außer Acht lässt, was jedem hätte einleuchten müssen. Vorliegend kann in beide Richtungen argumentiert werden: Einerseits konnten die Urlauber nicht davon ausgehen, dass ein gepflegter Hund herrenlos war und sie Eigentum erwerben konnten. Sie hätten entsprechende Nachforschungen anstellen können. Gerade gepflegte Rauhaardackel werden in aller Regel nicht derart ausgesetzt, dass das Eigentum seitens der Herrchen aufgegeben wird. Andererseits haben sie die Polizisten gefragt, die ihnen eine positive Auskunft gegeben haben. Dennoch spricht einiges für eine Bösgläubigkeit der Urlauber. Diese waren froh einen Hund gefunden zu haben und wollten diesen auf keinen Fall zurückgeben. Daher kommt man über den Verweis des § 994 Abs. 2 BGB in die Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag. Es handelt sich im Wesentlichen um eine Rechtsgrundverweisung.
Vielen Dank für Ihre Ausführungen. Noch zwei Fragen. Zunächst Sie, Herr Y, was ist nun die Anspruchsgrundlage auf Ersatz der Futterkosten?
Über § 994 Abs. 2 BGB sind dies §§ 683, 684 S. 2, 670, wonach diejenigen Verwendungen zu ersetzen sind, die dem Willen des Eigentümers entsprochen haben, durch § 679 gedeckt sind oder vom Eigentümer genehmigt werden. Die Fütterung ist für den Hund lebensnotwendig, so dass eine die Sache aufrechterhaltene Aufwendung vorliegt. Diese entspricht dem Willen der Eigentümer. Daher sind diese Kosten zu ersetzen.
Nun streiten sich die Parteien noch darum, wo der Hund Zug-um-Zug gegen Ersatz der Futterkosten zu übergeben ist. Wer kann hier eine Lösung anbieten?
Die Bestimmung des Leistungsorts der Herausgabe ist bei § 985 BGB umstritten. Einige nehmen an, dass dies grundsätzlich der Belegenheitsort der Sache ist. Dies entspricht aber nicht immer den Wertungen des EBV, so etwa beim deliktischen Besitzer. Der Umweg über einen Ersatzanspruch hinsichtlich der Transportkosten nach §§ 990, 989 BGB erscheint nicht praxistauglich.
Daher ist grundsätzlich § 269 BGB als allgemeine schuldrechtliche Norm anzuwenden. Aus der Natur des Anspruchs aus § 985 BGB ergibt sich eine Differenzierung hinsichtlich des Leistungsortes: Da der gutgläubig-unverklagte Besitzer privilegiert ist, liegt eine Holschuld vor. Dieser Besitzer soll nach den Wertungen des EBV grundsätzlich keine Nachteile erfahren, also auch nicht den tatsächlichen Aufwand sowie die Kosten des Verbringens der Sache zum Eigentümer. Der deliktische Besitzer (§ 992) muss hingegen am Ort der Besitzerlangung herausgeben, der bösgläubige Besitzer dort, wo sich die Sache bei Eintritt der Bösgläubigkeit befand. Da wir vorliegend von der Bösgläubigkeit der Urlauber ausgehen, ist der Rückgabeort der kleinen Bonny daher die Autobahnausfahrt in Ostdeutschland.
Vielen Dank, das war die Prüfung im Zivilrecht. 

16.08.2016/7 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-08-16 09:00:522016-08-16 09:00:52Mündliche Prüfung im Zivilrecht – Dackelalarm!
Dr. Maximilian Schmidt

Mobiliarsachenrecht – Die wichtigsten 15 Definitionen

Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Für ein erfolgreiches juristisches Staatsexamen muss man wirklich nicht viel auswendig lernen. Ein paar wenige Definitionen sollte man sich jedoch einprägen – das spart Zeit und gibt Sicherheit. Allerdings sollten Definitionen, die sich bereits im Gesetz finden, aus Effizienzgründen nicht auswendig gelernt werden (s. bspw. Nutzungen i.S.d. § 100 BGB oder unmittelbarer/mittelbarer Besitz i.S.d. §§ 854, 868 BGB). Diese werden daher im Folgenden auch nicht aufgeführt. Vielmehr werden in diesem Beitrag lediglich 15 Standarddefinitionen alphabetisch sortiert aufgelistet, die man für Prüfungen mit sachenrechtlichem Bezug einfach drauf haben sollte (was die Kenntnis weiterer Definitionen selbstverständlich nicht ausschließt!).
Abhandenkommen (§ 935 BGB) ist der unfreiwillige Besitzverlust des unmittelbaren Besitzers. Ist der Eigentümer nur mittelbarer Besitzer gewesen, kommt es auf den Besitzverlust des Besitzmittlers an. (Merke: Es kommt immer auf den Besitzverlust des unmittelbaren Besitzers an!)
Ein Anwartschaftsrecht entsteht, wenn bei einem mehrstufigen Erwerbstatbestand bereits so viele Schritte vollzogen sind, dass der Erwerber eine gesicherte Rechtsposition innehat und der Veräußerer den Rechtserwerb nicht mehr durch einseitige Erklärung oder Unterlassen verhindern kann. Das Anwartschaftsrecht ist ein dem Vollrecht wesensgleiches Minus.
Aufwendungen sind alle freiwilligen Vermögensopfer.
Ein Bestandteil liegt vor, wenn eine Sache Teil einer anderen Sache ohne wirtschaftliche Selbständigkeit ist.

  • Ein wesentlicher Bestandteil liegt bei beweglichen Sachen nach § 93 BGB immer dann vor, wenn nach der Trennung die Sache nicht mehr in der bisherigen Weise wirtschaftlich nutzbar ist.

Die Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB ist ein formloses dingliches Rechtsgeschäft, welches zwei auf die konkrete Eigentumsübertragung gerichtete Willenserklärungen erfordert. Es gelten die allgemeinen Regeln des Zivilrechts.
Geheißperson ist ein Dritter, der den Besitz auf Geheiß des Geschäftsherrn überträgt/entgegennimmt. Daher wird der unmittelbare/mittelbare Besitzverlust oder Besitzerwerb der Geheißperson dem Geschäftsherrn zugerechnet (Prüfungspunkt: „Übergabe„).
Gutgläubig i.S.d. § 932 BGB ist, wer daran glaubt, dass der Veräußerer Eigentümer ist, und dem insoweit auch keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.
Ob eine neue Sache i.S.d. § 950 vorliegt, bestimmt sich nach der Verkehrsauffassung. Ein wesentliches Kriterium ist die Erzielung einer neuen Verarbeitungsstufe, was sich üblicherweise durch einen neuen Namen und/oder eine Formveränderung zeigt.
Übergabe i.S.d. § 929 S. 1 BGB erfordert den vollständigen Besitzverlust des Veräußerers (1), die Erlangung irgendeiner Form des Besitzes auf Erwerberseite (2) und zwar auf Veranlassung des Veräußerers (3).
Die Verfügung ist ein dingliches Rechtsgeschäft, das auf ein Recht unmittelbar einwirkt durch dessen Übertragung, Belastung, Inhaltsänderung oder Aufhebung.
Ein Verkehrsgeschäft liegt vor, wenn auf Erwerberseite mindestens eine Person beteiligt ist, die (bei wirtschaftlicher Betrachtung) nicht auch der Veräußererseite angehört.
Verwendungen sind Aufwendungen, die einer Sache zugute kommen sollen, diese also verbessern, in ihrem Bestand erhalten oder wiederherstellen (weiter Verwendungsbegriff), jedoch ohne diese grundlegend zu verändern (enger Verwendungsbegriff).

  • Notwendige Verwendungen (§ 994 BGB) liegen vor, wenn sie objektiv zur Erhaltung, ordnungsgemäßen Bewirtschaftung oder Wiederherstellung der Sache erforderlich sind.
  • Nützliche Verwendungen (§ 996 BGB) liegen vor, wenn sie den Wert der Sache bis zur Rückgabe an den Eigentümer erhöhen.

 

04.08.2015/4 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-08-04 13:00:492015-08-04 13:00:49Mobiliarsachenrecht – Die wichtigsten 15 Definitionen
Gastautor

LG Detmold: Eigentumserwerb durch Bepflanzung eines Grundstücks

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Sachenrecht, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, heute einen Gastbeitrag von Jan Willem Kothe veröffentlichen zu können.
Jan Willem Kothe, Jahrgang 1994, ist Student der Rechtswissenschaften an der Bucerius Law School, Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Internationales Privat- und Handelsrecht und Rechtsvergleichung.
 
LG Detmold: Eigentumserwerb durch Bepflanzung eines Grundstücks
Das LG Detmold hatte kürzlich über einen examensrelevanten Sachverhalt mit Bezug zum Sachenrecht zu entscheiden (Urteil vom 26.3.2014 – 10 S 218/12). In der Sache ging es um die Frage, ob die Bepflanzung eines Grundstücks durch einen Mieter zum Eigentumserwerb der Pflanzen auf Seiten des Vermieters führt.
Der Sachverhalt kann hervorragend im Rahmen von Sachenrechtsklausuren und sicherlich auch im 1. und 2. Staatsexamen abgeprüft werden. Der BGH hatte sich nämlich bereits mit ähnlichen Fallgestaltungen, etwa dem Eigentumserwerb beim Einbau einer Einbauküche (BGH, Urteil vom 20.11.2008 – IX ZR 180/07) oder beim Einbau einer Bowlingbahn (BGH, Urteil vom 26. 09.2006 – XI ZR 156/05), beschäftigt. Der hiesige Sachverhalt kann aber sicherlich auch ohne Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertretbar gelöst werden, denn die Entscheidung des LG Detmold lässt viel Raum für Argumentation im Einzelfall.
Sachverhalt
Das Landgericht Detmold entschied, dass ein Mieter keinen Schadensersatz von seinem ehemaligen Vermieter verlangen kann, wenn dieser nach Ablauf des Mietverhältnisses eine Hecke beschädigt, die der Mieter während des laufenden Mietverhältnisses auf dem gemieteten Grundstück gepflanzt hatte. Umstritten war zwischen den Parteien, in wessen Eigentum sich die Hecke zum Zeitpunkt der Beschädigung befand.
Entscheidung
Folgende Ansprüche auf Schadensersatz kommen in Betracht:
I.
Nach Auffassung des LG Detmold wurde die Hecke mit dem Einpflanzen durch den Mieter wesentlicher Bestandteil des Grundstücks nach §§ 93, 94 Abs. 2 BGB. Damit ging die Hecke gemäß § 946 BGB in das Eigentum des Grundstückseigentümers über. In Betracht kam hier der Ausschluss der Übertragung des Eigentums nach § 946 BGB, wenn ein Fall des § 95 Abs. 1 BGB vorgelegen hätte, wonach Sachen, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit Grund und Boden verbunden werden, keine wesentlichen Bestandteile des Grundstücks sind. Bei der Entscheidung, ob eine Sache nur zu einem vorübergehenden Zweck mit einem Grundstück verbunden wurde, kommt es maßgeblich auf den objektiv zum Ausdruck gebrachten Willen des Eigentümers einer Pflanze zum Zeitpunkt des Einpflanzens an. Hierbei besteht nach ständiger Rechtsprechung (BGH NJW 96, 917) grundsätzlich eine Vermutung zu Gunsten des Mieters, so dass für Gegenstände, die während des laufenden Mietverhältnisses eingebracht werden, grundsätzlich nur vorübergehend mit dem Eigentum des Vermieters verbunden sein sollen.
Diese Vermutung kann bei größeren Pflanzen jedoch nur eingeschränkt Anwendung finden. Insbesondere bei großen Sträuchern und Bäumen ist es nach einiger Zeit nur schwer möglich, diese an eine andere Stelle umzupflanzen. Im Urteil des LG Detmold wurden im Übrigen weitere Umstände für die sachenrechtliche Bewertung herangezogen. Dass LG Detmold stellte etwa darauf ab, dass der Mieter die Hecke gleichzeitig mit dem Rasen eingepflanzt hatte. Dies ließ nach Auffassung des Gerichts darauf schließen, dass die Hecke – genauso wie der Rasen – dauerhaft beim Grundstück verbleiben sollte. Des Weiteren gab der Vermieter im gegenständlichen Verfahren an, er habe die Hecke habe nur aus Gründen des Sichtschutzes gepflanzt, wodurch ein besonderer „auf das konkrete Grundstück bezogener Zweck“ vorlag. Aus den Umständen war deshalb zu schließen, dass die Hecke auf dem fraglichen Grundstück verbleiben sollte und daher auch wesentlicher Bestandteil des Grundstücks im Sinne von § 94 Abs. 1 BGB werden sollte. Der Mieter hatte die Hecke also nicht nur zu einem vorübergehenden Zweck eingepflanzt. Mit dem Einpflanzen ging die Hecke daher in das Eigentum des Vermieters über. Als der Vermieter die Hecke dann nach Ablauf des Mietverhältnisses beschädigte, war nicht das Eigentum des ehemaligen Mieters betroffen, so dass ein Schadensersatzanspruch wegen Verletzung des Eigentums (etwa gemäß § 823 Abs. 1 BGB bzw. gemäß §§ 989, 990 BGB) nicht in Betracht kam.
Denkbar wäre in diesem Fall zudem ein Anspruch aus § 539 Abs. 2 BGB, der dem Mieter das Recht einräumt, Sachen wegzunehmen, mit denen er die Mietsache versehen hat. Der Kläger begehrte im vorliegenden Fall jedoch Schadensersatz aufgrund der Beschädigung der Hecke, so dass das Wegnahmerecht nicht zielführend wäre.
In Betracht kommt auch ein Anspruch aus §§ 812 Abs. 1 S.1 Alt. 1 i.V.m. 946, 951 BGB. Nach § 951 BGB erwirbt der Mieter durch den Verlust seines Eigentums in Folge einer Verbindung einen Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung. Hierzu hätte es im gegenständlichen Verfahren jedoch entsprechenden Sachvortrag durch den Mieter bedurft. Sofern der Vermieter sich glaubhaft einlassen würde, dass er durch das Bepflanzen mit der Hecke nicht bereichert wurde, käme der bereicherungsrechtliche Anspruch nicht in Betracht.
Denkbar war ebenfalls eine Verletzung des Besitzes des Mieters durch die Beschädigung der Hecke, was ebenfalls Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB hätte begründen können. Im vorliegenden Fall war der Mieter jedoch bereits ausgezogen, als die Beschädigung eintrat. Er hatte daher den Besitz zum Zeitpunkt der Beschädigung bereits verloren. Ebenso schied eine Verletzung (nach)vertraglicher Nebenpflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB aus, was Schadensersatzansprüche nach § 280 Abs. 1 BGB hätte begründen können, denn der Vermieter darf mit seinem Eigentum, in diesem Fall also der Hecke als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks, nach Beendigung des Mietverhältnis nach Belieben verfahren, vgl. § 903 BGB.

02.09.2014/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-09-02 09:00:202014-09-02 09:00:20LG Detmold: Eigentumserwerb durch Bepflanzung eines Grundstücks
Zaid Mansour

BGH: Zur Abgrenzung zwischen Namens- und Identitätstäuschung beim Gebrauchtwagenkauf

BGB AT, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Sachenrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht


Der vom BGH kürzlich entschiedene Fall (Urt. v.  1. März 2013 – V ZR 92/12) ist durchaus dazu prädestiniert, um künftig in Examens- und/oder Übungsklausuren abgeprüft zu werden, da die ihm zugrundeliegende Konstellation ein klassisches Problem des Stellvertretungsrechts in klausurtauglicher Weise mit einer sachenrechtlichen Fragestellung verknüpft. Eine Kombination, die sehr häufig Eingang in zivilrechtliche Klausuren erhält. Hinzu kommt der Umstand, dass der BGH vorliegend zu einer seit geraumer Zeit lebhaft umstrittenen Rechtsfrage Stellung bezogen hat, was den Fall sicherlich auch in den Fokus einiger Prüfer und Klausursteller gerückt haben dürfte.

A. Sachverhalt

Der Beklagte (B) vermietete ein in seinem Eigentum stehendes Wohnmobil an einen Dritten (V), von dem er es allerdings nach Ablauf der Mietzeit nicht zurückerhielt.

Der Kläger (K), ein Gebrauchtwagenhändler,  kontaktierte, nachdem ihm ein Zeitungsinserat auffiel, in dem das Wohnmobil zum Verkauf angeboten wurde, den V und wies daraufhin seinen Mitarbeiter (M) an zum vereinbarten Ort zu fahren, um dort die Kaufabwicklung zu vollziehen. Nachdem der M entgegen der Vereinbarung niemanden am Treffpunkt antraf, kontaktierte er V telefonisch. Dieser gab an, verhindert zu sein. Der M solle sich aber zu einem Parkplatz im Bereich der Ortschaft  E. begeben, auf dem sich das Wohnmobil befinde.

Auf dem Parkplatz angekommen traf M auf zwei von dem V beauftragte Personen. Nach Telefonaten, die der M mit V und K führte, einigte man sich auf einen Kaufpreis. Der M formulierte handschriftlich einen Kaufvertrag und unterschrieb ihn für K. Als Verkäufer wurde der Name des B eingetragen. Für den V unterschrieb einer der beiden von ihm beauftragten Personen mit dem Nachnamen des B. Der M übergab daraufhin seinen Verhandlungspartnern den Kaufpreis in bar. Im Gegenzug erhielt M das Wohnmobil sowie die auf den B ausgestellten Papiere des Fahrzeugs (Kraftfahrzeugschein und Kraftfahrzeugbrief) ausgehändigt. Der Kraftfahrzeugbrief war, wie sich später herausstellte, allerdings gefälscht. Das Wohnmobil überbrachte  M dem K, bei welchem es von der Polizei später sichergestellt wurde. Diese gab das Wohnmobil wieder an den B heraus.

K verlangt von B Herausgabe des Wohnmobils nach § 985 BGB.

B. Rechtliche Problematik

K kann die Herausgabe des Wohnmobils von B verlangen, wenn eine Vindikationslage besteht. Dies setzt voraus, dass

  • K Eigentümer des Wohnmobils ist,
  • das Wohnmobil sich im Besitz des B befindet
  • und dem B kein Recht zum Besitz zusteht (§ 986 BGB).

Zunächst wird man also prüfen müssen, ob der ursprüngliche Eigentümer B sein Eigentum am Wohnmobil durch das Geschehen auf dem Parkplatz an K verloren haben könnte. Dabei kommt es entscheidend auf die Frage an, wer im Rahmen der für den Eigentumserwerb erforderlichen dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB Vertragspartner des durch seinen Mitarbeiter M vertretenen K geworden ist.

Bei dem hier in Rede stehenden Handeln unter fremden Namen ist danach zu unterscheiden, ob – aus der insoweit maßgeblichen Perspektive des Erklärungsempfängers – ein Geschäft des Namensträgers oder ein Eigengeschäft des Handelnden vorliegt. Ein Eigengeschäft unter Angabe eines falschen Namens – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – liegt in der Regel dann vor, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem gegenüberstehenden Handelnden abschließen will und ihm die Identität mit dem Namensträger gleichgültig ist (Namenstäuschung). Dies hat sodann zur Folge, dass ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten (V) gemäß §§ 929, 932 BGB in Betracht kommt.

Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hindeutet und die andere Vertragspartei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall wird das Handeln „unter“ fremden Namen wie das Handeln in fremden Namen behandelt (Identitätstäuschung), wobei die §§ 164 ff. BGB analoge Anwendung finden. Der Namensträger kann dann das Geschäft genehmigen, so dass er selbst Vertragspartner wird. Verweigert er die Genehmigung, bleiben die Willenserklärungen dessen, der unberechtigt unter seinem Namen gehandelt hat, unwirksam. Dieser schuldet dem Geschäftsgegner (K) dann nach Maßgabe des § 179 Abs. 1 BGB Erfüllung oder Schadensersatz.

C. Die Entscheidung des BGH

Dingliche Einigung

Der entscheidende Senat bestätigte im Ergebnis die vorinstanzliche Entscheidung, wonach die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 Satz 1 BGB) zwischen K, der durch M vertreten wurde, und V, der unter dem Namen des B auftrat und dabei durch die vor Ort handelnden Personen vertreten wurde, erfolgt ist. Danach handelte es sich vorliegend also um ein Eigengeschäft des V. Die Übereignung des streitgegenständlichen Wohnmobils an den klagenden B scheitere daher auch nicht daran, dass die vor Ort für den Veräußerer handelnden Personen nicht vom B bevollmächtigt waren und dieser das Rechtsgeschäft auch nicht genehmigt hat.

Der Senat fasst zunächst konzis die im Schrifttum und in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassungen hinsichtlich der Frage, wer beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeuges Geschäftspartner wird, wenn der Veräußerer unter fremden Namen auftritt, zusammen.

Eine Ansicht geht davon aus, dass dies der Namensträger ist. Zwar verbinde der andere Geschäftspartner mit dem Namen, unter dem gehandelt werde, zunächst keinerlei Vorstellungen. Nach Einblick in die ihm vorgelegten Papiere, die den Namenträger als den Halter des angebotenen Fahrzeuges auswiesen, sei seine Bereitschaft, das Geschäft zu tätigen, jedoch daran geknüpft, dass er es mit dem Namensträger und nicht mit einem anderen zu tun habe […]. Demgegenüber stellt eine andere Ansicht die Überlegung in den Vordergrund, dass der Geschäftspartner weder den Handelnden noch den Namensträger gekannt habe. Er gehe daher davon aus, dass sein Gegenüber sein Geschäftspartner sei. Zwar halte er diesen für den Namensträger. Dies ändere aber nichts an der Vorstellung, dass der tatsächlich Handelnde der Geschäftspartner sei. Eine andere Beurteilung sei nur gerechtfertigt, wenn dem Anderen der Name so wichtig gewesen sei, dass er das Geschäft nur mit dem Namensträger habe abschließen wollen. Davon könne jedoch angesichts des Bargeschäftscharakters eines typischen Gebrauchtwagenverkaufs keine Rede sein. Es fehle an der Identitätstäuschung des Veräußerers […].

Im Anschluss daran bezieht der Senat nunmehr selbst Position und stellt insoweit maßgeblich darauf ab, dass es sich um ein Bargeschäft handelte und die Person des Vertragspartners dem Käufer auch sonst unwichtig war.

Der Senat entscheidet diese Streitfrage dahingehend, dass allein das Auftreten des Veräußerers unter dem aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namen noch nicht zur Annahme führt, Kaufvertrag und – hier von Interesse – die dingliche Einigung seien mit dem Namensträger zustande gekommen. Zutreffend ist zwar, dass bei einer Übereinstimmung des Namens des Veräußerers mit den Eintragungen in den Fahrzeugpapieren der Erwerber – vorbehaltlich anderweitiger Anhaltspunkte – auf die Eigentümerstellung des Veräußerers vertrauen kann, während ihn bei einer Abweichung im Rahmen des § 932 Abs. 2 BGB Erkundigungspflichten nach den bestehenden Eigentumsverhältnissen treffen […]. Daraus kann aber noch nicht darauf geschlossen werden, dass der Käufer das Fahrzeug stets nur von dem Träger des aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namens, mithin von dem tatsächlichen Eigentümer, erwerben will. Für den Erwerber ist grundsätzlich die Übereinstimmung der Namen des Veräußerers und des aus dem Fahrzeugbrief ersichtlichen Halters von Belang, nicht aber die hinter dem Namen stehende Person. Gibt sich der Veräußerer eines unterschlagenen Kraftfahrzeuges unter Vorlage der Fahrzeugpapiere als dessen Eigentümer aus, so begründet dies allein noch keine Identitätsvorstellung des Erwerbers, hinter der die Person des verhandelnden Veräußerers zurücktritt […]. Von einer Identitätsvorstellung des Erwerbers kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn der Namensträger für den Erwerber eine besondere Bedeutung hatte. Ein solcher Ausnahmefall, der beispielsweise in Betracht käme, wenn kein sofortiger Leistungsaustausch stattfindet oder wenn es sich bei dem Verkäufer um eine bekannte Persönlichkeit handelt, liegt hier jedoch nicht vor.

Gutgläubiger Erwerb

Die mangelnde Berechtigung des V könnte im Wege eines Gutglaubenserwerbs gemäß § 932 Abs. 1 S. 1 BGB überwunden worden sein. Dies setzt voraus, dass es sich vorliegend um ein

  • Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts handelt,
  • der Rechtsschein der Berechtigung auf Seiten des V gem. § 1006 Abs. 1 BGB gegeben war

  • und K, der sich eine etwaige Bösgläubigkeit seines Vertreters gem. § 166 BGB zurechnen lassen müsste, guten Glaubens war (§ 932 Abs. 2 BGB).

Der BGH bejaht im Folgenden auch einen gutgläubigen Erwerb seitens des K. Danach könne dem K ein Verstoß gegen die aus § 932 Abs. 2 BGB erwachsenden Sorgfaltsanforderungen nicht zur Last gelegt werden. In den entscheidenden Passagen des Verdikts heißt es dazu:

Danach begründet beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeuges der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen […]. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt […]. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht […].

Soweit die Revision […]  geltend macht, dass von einem gefälschten Kraftfahrzeugbrief kein Rechtsschein ausgehen und bereits deshalb kein gutgläubiger Erwerb stattgefunden haben könne, greift dies nicht durch. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO aF) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten […]. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen. Diese Prüfung hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und wird ihm ein gefälschter Kraftfahrzeugbrief vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten. Es ist auch vor dem Hintergrund der Funktion des Kraftfahrzeugbriefs kein Grund dafür ersichtlich, ihm wegen des Vorliegens einer für ihn nicht erkennbaren Fälschung den Gutglaubensschutz zu versagen. Auch in diesen Fällen hat der Schutz des Rechtsverkehrs Vorrang vor den Interessen des bisherigen Eigentümers. […] Ein Straßenverkauf führt aber als solcher noch nicht zu weitergehenden Nachforschungspflichten, wenn er sich für den Erwerber als nicht weiter auffällig darstellt.

Kein Abhandenkommen nach § 935 BGB

Ein Abhandenkommen i.S. des § 935 BGB scheidet vorliegend aus, da der ursprüngliche Eigentümer B das Wohnmobil willentlich in den Rechtsverkehr gegeben hat, sodass ein dem Eigentumserwerb des K am Wohnmobil entgegenstehendes Abhandenkommen vorliegend ausscheidet.
K hat somit wirksam Eigentum am Wohnmobil erworben und kann folglich vom unberechtigten Besitzer B Herausgabe des Wohnmobils nach § 985 verlangen.

D. Fazit

Wie eingangs bereits angemerkt, darf dem Fall eine erhöhte Examensrelevanz beigemessen werden, dies gilt auch und gerade im Hinblick auf anstehende mündliche Prüfungen. Zur Vertiefung sei an dieser Stelle noch auf einige hier veröffentlichten Beträge verwiesen, die im hiesigen Kontext durchaus hilfreich sein könnten.

  • Allgemein zum Eigentumserwerb an beweglichen Sachen.
  • Zur Bedeutung des KfZ-Briefes in der juristischen Klausur.
  • Eine überblicksartige Auflistung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche.
  • Handeln unter fremden Namen bei unbefugter Nutzung eines ebay-accounts.
  • Zu den Hintergründen des Abstraktionsprinzips.

13.06.2013/6 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2013-06-13 08:00:512013-06-13 08:00:51BGH: Zur Abgrenzung zwischen Namens- und Identitätstäuschung beim Gebrauchtwagenkauf
Gastautor

BGH: Zum „wesentlichen Bestandteil“ eines Gebäudes nach § 94 BGB

Rechtsprechung, Sachenrecht, Startseite, Zivilrecht
Wir freuen uns, im Folgenden einen Gastbeitrag von Martin Pütz veröffentlichen zu können. Martin ist zur Zeit Rechtsreferendar am Landgericht Bonn und bereitet sich auf seine mündliche Prüfung im 2. Staatsexamen im März 2013 vor.
Im Urteil vom 19.10.2012, Az. V ZR 263/11 beschäftigt sich der BGH mit der Frage, ob ein Heizöltank wesentlicher Bestandteil eines Gebäudes i.S.d. § 94 Abs. 2 BGB sein kann, wenn dieser Heizöltank 1.) nur über das Erdreich und nicht an der Oberfläche mit dem Gebäude verbunden ist und sich 2.) auf einem anderen Grundstück befindet als das Gebäude. Zentrale Frage dieser Entscheidung ist insbesondere das Verhältnis von § 94 Abs. 1 und § 94 Abs. 2 BGB.
 
Leitsätze des Bearbeiters:
1.)   Liegen „wesentliche Bestandteile“ eines Gebäudes vor, sind sie auch diesem Gebäude zuzuordnen, wenn sie sich auf einem anderen Grundstück als das Gebäude befinden und dort in das Erdreich eingelassen sind.
2.)   § 912 BGB findet dann keine Anwendung, wenn sich der „Überbau“ ohne Beeinträchtigung anderer Gebäudeteile beseitigen lässt. Die Vorschrift dient der Wahrung der Gebäudeeinheit, welche aber in diesem Fall gerade nicht betroffen ist.
 
A. Sachverhalt (vereinfacht)
Auf dem Grundstück der M befindet sich ein Wohnhaus und in einiger Entfernung dazu ein im Erdreich vergrabener Heizöltank, der dieses mit Öl versorgt. Das Grundstück ließ M im Jahr 1975 teilen, sodass sich nunmehr auf  Grundstück 1 der Heizöltank und auf dem Grundstück 2 das Wohnhaus befindet.
Sodann übertrug die M das Grundstück 1 an ihren Sohn A und das Grundstück 2 an ihren anderen Sohn B (die im Originalfall etwas komplizierteren Eigentumsübertragungsketten sind für die Lösung des Falles unerheblich und können daher außer Betracht bleiben).
Das Grundstück 1, auf welchem sich der Heizöltank befindet, wurde zudem mit einer Grunddienstbarkeit zur Absicherung der Nutzung der vorhandenen Leitungen für Strom,Wasser und Abwasser zugunsten des B belastet. Eine ausdrückliche Grunddienstbarkeit zur Nutzung des Öltanks selbst sieht der Übertragungsvertrag allerdings nicht vor.
Nach der Grundstücksteilung sah die Eigentumslage an den beiden Grundstück also so aus:
Bildschirmfoto 2013-03-08 um 18.33.23
B benutzt den Tank für die Beheizung des Wohnhauses bis  Mitte Juni 2010. Danach legte er ihn still.  Der im Erdreich vergrabene Öltank hindert den A daran, den Keller seines Wohnhauses zu erweitern. A verlangt nun von B die Beseitigung des Heizöltanks und Unterlassung der weiteren Nutzung.
B. Rechtliche Würdigung
I. Anspruch auf Beseitigung aus § 1004 BGB
Der BGH spricht dem A im Ergebnis einen Anspruch auf Beseitigung des Öltanks aus § 1004 BGB zu. Danach besteht ein Beseitigungsanspruch, wenn

(1.) der Anspruchssteller eine Eigentumsbeeinträchtigung geltend macht, die nicht in der Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes besteht,
(2.) der Anspruchsgegner Störer ist und
(3.) keine Duldungspflicht besteht (§ 1004 Abs. 2 BGB)

Der Anspruch ist verschuldensunabhängig.
 
1. Eigentumsbeeinträchtigung
Durch den im Erdreich vergrabenen Öltank ist A daran gehindert, den Keller seines Wohnhauses zu erweitern. Somit ist er gehindert, seine Befugnisse i.S.d. § 903 BGB uneingeschränkt auszuüben.
 
2. Anspruchsgegner ist Störer
B könnte hier Zustandsstörer sein. Zustandsstörer ist der Eigentümer, von dessen Sache eine Beeinträchtigung ausgeht, wenn diese Beeinträchtigung zumindest mittelbar seinen Willen zurückzuführen ist (BGH NJW 2005, 1366 Rn 20 m.w.N.).
a)     Die Störung geht auf den Willen des B zurück. Dieser hat den Tank nach jahrelanger Nutzung auf dem Grundstück des Klägers zurückgelassen, obwohl er in der Lage ist, diesen zu beseitigen (BGH V ZR 263/11 Rn 12).
b)    Der B war jedenfalls bis zur Stilllegung des Tanks Eigentümer. Ob er nach der Stilllegung sein Eigentum aufgegeben hat, kann dahinstehen, denn der Eigentümer bleibt bis zur Beseitigung der Störung Störer. Er kann sich nicht durch Aufgabe seines Eigentums der Beseitigungspflicht entziehen (BGH V ZR 263/11 Rn 17).
Der Eigentümerstellung des B ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

„Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB alle Bauteile, die zur Errichtung in das Gebäude eingefügt werden und dem Gebäude sein spezifisches Gepräge geben (Senat, Urteil vom 13. März 1970 – V ZR 71/67, BGHZ 53, 324, 325). Zu diesen zählt jedenfalls bei einem Wohnhaus nach der Rechtsprechung des Senats auch die Heizungsanlage (BGH V ZR 263/11 Rn 14).“

Hier mache es keinen Unterschied, ob die Aggregate der Heizung innerhalb oder außerhalb des Gebäudes  aufgestellt worden seien. Ebenso wenig sei von Relevanz, ob es sich um einen oberirdischen Tank handele oder einen solchen, der im Erdreich vergraben sei.
Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der Heizöltank gem. § 94 Abs. 1 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks des A war. Der BGH stellt klar, dass § 94 Abs. 2 BGB eine Sondervorschrift zu § 94 Abs. 1 BGB ist und diesen verdrängt. Da der Tank Bestandteil des Gebäudes geworden sei (§ 94 Abs. 1 BGB), bestimme sich die Frage, Bestandteil welchen Grundstücks der Tank werde, ausschließlich danach, welchem Grundstück das Gebäude (dessen Bestandteil der Tank ist) zugeordnet sei.
 
3. Keine Duldungspflicht
Eine Duldungspflicht könnte hier aus § 912 BGB (a.), dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB (b.) oder den Grundsätzen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses (c.) folgen. Sämtliche in Betracht kommenden Duldungspflichten greifen im Ergebnis jedoch nicht ein.
Eine Duldungspflicht könnte hier aus § 912 BGB (a.), (b.) oder dem Grundsatz von Treu und Glauben gem. § 242 BGB den Grundsätzen des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses(c.) folgen. Sämtliche in Betracht kommenden Duldungspflichten greifen im Ergebnis jedoch nicht ein.
a) § 912 BGB regelt die Duldungspflicht bei einem Überbau. Diese Norm ist jedoch hier nicht anwendbar, denn sie bezieht sich auf den Fall, dass sich eine Beseitigung nicht auf den Überbau beschränken lässt. Sinn und Zweck der Vorschrift sei es, die Zerstörung wirtschaftlicher Werte zu verhindern.
Voraussetzung für eine Anwendung des § 912 BGB wäre also eine Beeinträchtigung der Gebäudeeinheit. Diese ist hier jedoch gerade nicht betroffen, denn der Öltank lässt sich ohne Beeinträchtigung des Wohnhauses entfernen und verlegen (BGH V ZR 263/11 Rn 20).
b)    Zwar besteht gerade keine ausdrückliche Grunddienstbarkeit zugunsten der Nutzung des Öltanks, aus der sich eine solche Duldungspflicht ergeben könnte. Jedoch legt der BGH den Vertrag aufgrund der bereits vereinbarten Grunddienstbarkeiten so aus, dass sich an der Versorgungssituation nichts ändern solle. Daher habe eine „stillschweigende Verpflichtung zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit“ und somit eine Duldungspflicht aus Treu und Glauben für den A bestanden – allerdings lediglich bis zu dem Zeitpunkt, an dem dieser die Nutzung freiwillig aufgegeben hat. Nachdem B die Nutzung des Öltanks aufgegeben hat, ist die Pflicht des A zur Bestellung einer Grunddienstbarkeit entfallen und gleichsam auch die Pflicht zur Duldung des Öltanks aus Treu und Glauben gem. § 242 BGB.
c)     Auch eine Duldungspflicht aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis komme nicht in Betracht. Dies setze stets voraus, dass der Nachbar zwingend auf die Nutzung der Anlage angewiesen sei. Da der B hier jedoch selbst den Tank stillgelegt hat und auf die Nutzung auch nicht mehr angewiesen ist, liegt diese Voraussetzung hier nicht vor.
 
II. Vom BGH nicht angesprochene Aspekte
Einige Aspekte, die der BGH nicht anspricht (da sie offensichtlich nicht Gegenstand der Revision waren) erschließen sich durch die Lektüre des Urteils der Vorinstanz, nämlich OLG München Urteil vom 24. November 2011, Az. 14 U 656/11):

  •  Dass mit der Stilllegung des Tanks auch die Duldungspflicht des A entfiel, ergibt sich schon daraus, dass der Öltank keinerlei wirtschaftlichen Wert für B mehr hatte und dieser offensichtlich auch überhaupt nicht beabsichtigte, den Tank erneut in Betrieb zu nehmen. Den Parteien ging es in dem Rechtsstreit wohl ganz vorrangig darum, wer die Kosten der Beseitigung zu tragen hat.

 

  • Der über die Beseitigung geltend gemachte Unterlassungsanspruch hinsichtlich der weiteren Nutzung wurde vom OLG München als unbegründet angesehen und nicht mehr zum Gegenstand der Revision gemacht. Die Unbegründetheit des Unterlassungsanspruch folgt aus der naheliegenden Erwägung, dass aus der ordnungsgemäßen Nutzung des Tanks schon keine Eigentumsstörung folgt, die in irgendeiner Weise über die bloße Existenz des Öltanks hinaus geht. Letztere greift der Kläger aber schon durch den geltend gemachten Beseitigungsanspruch an (OLG München, Urteil vom 24. November 2011, Az. 14 U 656/11 Rn 65).

 
C. Bewertung
Die beiden Absätze des § 94 BGB knüpfen jeweils an unterschiedliche Ansatzpunkte an.
Bei Abs. 1 kommt es auf eine feste Verbindung mit dem Grundstück an, wohingegen Abs. 2 auf den Zweck der Einfügung in das Gebäude abstellt. Insbesondere durch die Tatsache, dass der BGH an seiner Rechtsprechung festhält, dass es im Anwendungsbereich des Abs. 2 nicht darauf ankomme, ob sich der Bestandteil innerhalb oder außerhalb des Gebäudes befinde, ergeben sich in Fällen wie dem vorliegenden Konkurrenzprobleme.
Gemeinsam ist den beiden Absätzen jedoch der Gesetzeszweck. Sinn und Zweck der §§ 93 – 95 BGB ist es, zu verhindern, dass wirtschaftliche Werte ohne einen rechtfertigenden Grund zerstört werden. Daher ist bei Auslegung dieser Normen eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten (BGHZ 20, 154).
Der BGH löst das Verhältnis von § 94 Abs. 1 und Abs. 2 BGB der obigen Wertung entsprechend überzeugend zugunsten von Abs. 2 auf. Denn eine wirtschaftliche Einheit bildet der Öltank mit dem Wohnhaus, dessen Versorgung er dient – auch wenn sich dieses auf einem Nachbargrundstück befindet. Daher wird § 94 Abs. 2 BGB als vorrangige Sonderregelung zu § 94 Abs. 1 BGB eingeordnet.
Der weitere Schwerpunkt der Entscheidung ist die Auslegung des Übertragungsvertrags und die Frage, ob sich hieraus eine Duldungspflicht ergibt. Hier sind zwar keine rechtlichen Besonderheiten erkennbar, allerdings eine ebenso klausurrelevante Auslegungsfrage, ob sich trotz fehlender Regelung im Vertrag eine Duldungspflicht nach Treu und Glauben ergeben kann und insbesondere wann diese endet.

11.03.2013/4 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2013-03-11 10:00:002013-03-11 10:00:00BGH: Zum „wesentlichen Bestandteil“ eines Gebäudes nach § 94 BGB
Gastautor

Rezension: Vieweg/Werner Sachenrecht, 5. neubearbeitete Auflage 2011

Für die ersten Semester, Lerntipps, Rezensionen, Startseite, Verschiedenes

von Lydia Nießen
Die Autorin studiert selbst im dritten Semester an der Universität Bonn und nutzt das Buch begleitend zur Sachenrechtsvorlesung und zur Großen Übung
 
Vieweg/Werner, Sachenrecht, 5., neu bearbeitete Auflage 2011, 650 S., Verlag Vahlen, ISBN 978-3-8006-3852-9
 
Das Sachenrecht regelt die Beziehungen von Rechtssubjekten und Rechtsobjekten. Während in anderen juristischen Themengebieten durch gute Argumentation meist vieles vertreten werden kann, ist im Sachenrecht ein sehr gutes Systemverständnis zwingend notwendig. Ansonsten ist jede – noch so gute Argumentation – falsch. Aus diesem Grund ist es unbedingt notwendig sich ein Lehrbuch über die Materie des Sachenrechts anzuschaffen, welches nicht nur Fakten liefert, sondern auch das Verständnis des Sachenrechts stärkt.
I. Aufbau
Das Lehrbuch „Sachenrecht“ der Autoren Klaus Vieweg und Almuth Werner ist Teil der zivilrechtlichen Lehrbuchreihe „Academia Iuris“. Die neueste, im September 2011 erschienene Auflage, berücksichtigt den aktuellen Stand der Rechtsprechung und Literatur. Wie die meisten Lehrbücher beinhaltet auch dieses Werk zunächst eine Gliederung über die nachfolgenden Themen. Die examensrelevanten Themen werden anschließend auf 598 Seiten ausführlich dargestellt. Auf weiteren 27 Seiten beinhaltet das Buch ein Glossar zum Sachenrecht, in dem alle relevanten Definitionen nochmals alphabetisch geordnet dargestellt werden. Abschließend wird ein Paragraphenregister aufgezeigt, in dem alle sachenrechtliche Paragraphen der verschiedenen Gesetzesbücher erneut benannt und auf entsprechende Fundstellen im Buch hingewiesen wird.
Die Schriftgröße ist dabei relativ klein. Durch zahlreiche Überschriften und Absätze lässt sich der Text aber trotzdem gut lesen. Weiterhin wird der Text durch zahlreiche Schaubilder aufgewertet.
II. Inhalt
Das sachenrechtliche Spektrum des Themengebietes wird nach Schwierigkeit und Relevanz durch die Buchstaben G, V, E und Z in Grundlagen-, Vertiefung-, Examens- und Zusatzinhalte unterteilt. Dadurch eignet sich das Buch sowohl für Anfänger als auch für Examenskandidaten. Der Leser kann durch diese Einteilung optimale Schwerpunkte setzen.
Während der Anfänger die mit E (Examen) gekennzeichneten Bereiche überspringen kann, kann sich der Examenskandidat auf diese schwierigeren Themengebiete konzentrieren. Jedes Themengebiet ist dabei zusätzlich mit zahlreichen Schaubildern versehen, die dabei helfen, die für Anfänger schwierige Materie des Sachenrechts zu überblicken. Weiterhin kann mit Hilfe der Schaubilder das bereits Erlernte erneut wiederholt werden. Das Auffinden der Schaubilder wird dabei durch ein eigenes Inhaltsverzeichnis erleichtert.
Die wichtigsten Themen sind zudem mit kurzen Beispielsfällen versehen, sodass dem Leser auch die praktische Bedeutung des Gelesenen bewusst werden kann. Leider beinhaltet das Werk selbst keine Falllösungen und verweist lediglich mit Fallname und Randnummer auf das Fallbuch „Fälle zum Sachenrecht“ von Klaus Vieweg und Anne Röthel welches zusätzlich angeschafft werden müsste. Dies ist aber auch schon das einzige kleine Manko des Buches.
Positiv fällt hingegen auf, dass zahlreiche Prüfungsschemata für die Falllösung in der Klausur aufgezeigt und erklärt werden. Gerade für Studenten in den Anfangssemestern sind diese hilfreich, sichern sie doch, dass in der Klausur oder Hausarbeit kein wichtiger Prüfungspunkt vergessen wird. Besonders positiv hervorzuheben ist die Art und Weise der Darstellung und Aufbereitung von bekannten Streitständen. Die vertretenen Ansichten werden mit Pro- und Kontraargumenten sehr gut und ausführlich dargestellt, sodass das Verstehen und Erlernen der einzelnen Argumente und somit der Streitentscheid in der Klausur leichter erscheint.
Durch die Definitionssammlung am Ende des Werkes werden alle Aspekte, die für eine sachenrechtliche Klausur zu lernen sind zusammenfassend dargestellt. Dadurch bleibt der Zeitaufwand für das Zusammensuchen von Materialien sehr gering.
Das Buch enthält damit alles, was ein Lehrbuch umfassen muss: Inhaltliche Darstellung der sachenrechtlichen Probleme, Aufzeigen der Streitstände und Argumente sowie die wichtigsten, in der Klausur zu beherrschenden Definitionen. Dies ist völlig ausreichend, um alle Aspekte einer erfolgreichen Klausurbearbeitung abzudecken.
III. Fazit
Das Lehrbuch „Sachenrecht“ von Klaus Vieweg und Almuth Werner kann durch die benannte Unterteilung sowohl von Anfängern als auch von Examenskandidaten verwendet werde – für jede Zielgruppe bietet es ausreichend Inhalt ohne aber den Studienanfänger bereits zu überfordern. Damit kann es als „Begleiter“ vom Grundstudium über die Großen Übungen bis zum Examen genutzt werden.
Meiner Meinung nach ist das Werk eines der besten zurzeit vorhandenen sachenrechtlichen Lehrbücher. Dem Leser wird durch den verständlichen Text und die zahlreichen Schaubilder das sachenrechtliche Grundwissen vermittelt. Durch Streitentscheide und Prüfungsschemata wird man als Student zudem zusätzlich optimal auf das Schreiben von sachenrechtliche Klausuren vorbereitet. Wer dieses sehr umfangreiche Buch durchgearbeitet hat, sollte ein gutes Verständnis der sachenrechtlichen Materie vorweisen können und braucht damit auch keine „Angst“ mehr vor diesem Rechtsgebiet zu haben.

17.06.2012/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2012-06-17 11:42:252012-06-17 11:42:25Rezension: Vieweg/Werner Sachenrecht, 5. neubearbeitete Auflage 2011
Dr. Gerrit Forst

Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten

Für die ersten Semester, Lerntipps, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Das Sachenrecht gehört zum Prüfungsstoff aller Prüfungsordnungen. Obwohl es eine Reihe hervorragender Lehrbücher zu diesem Rechtsgebiet gibt (ich persönlich kann Vieweg/Werner, Sachenrecht, 5. Aufl. 2011 nur empfehlen), wird das Sachenrecht von vielen Studenten als undurchsichtig und schwierig empfunden.
Der folgende Beitrag befasst sich mit einem häufig im Rahmen von Klausuren zu behandelnden Thema: Der Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten. Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Nichtberechtigten soll in einem späteren Beitrag behandelt werden.
Der Begriff der beweglichen Sache (Mobilie) muss abgegrenzt werden von den unbeweglichen Sachen (Immobilien) einerseits, von den nicht körperlichen Gegenständen (z.B. Forderungen) andererseits. Üblich ist folgende (Negativ-)Definition: Bewegliche Sachen sind alle körperlichen Gegenstände, die nicht Grundstücke, Grundstücken gleichgestellt (z.B. Schiffsbauwerk) oder Grundstücksbestandteile sind (Ellenberger, in: Palandt, BGB, 71. Aufl. 2012, Überbl. vor § 90 Rn. 3).
I. Prüfungsrelevanz
Die Frage, ob eine Übereignung einer beweglichen Sache durch den Berechtigten stattgefunden hat, spielt in Klausuren etwa eine Rolle bei der Erfüllung (§ 362 BGB – so schuldet der Verkäufer nach § 433 BGB nicht nur die Übergabe, sondern auch die Übereignung der Kaufsache), bei Herausgabeansprüchen (insbesondere aus § 985 BGB) oder auch im Deliktsrecht, wenn es darum geht, wer Eigentum i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB für sich in Anspruch nehmen kann.
II. Formen der Übereignung / Systematik
Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten ist im Wesentlichen in den §§ 929 bis 931 BGB geregelt. Die Übereignung nicht eingetragener Seeschiffe (§ 929a BGB) kann man dabei als Spezialmaterie getrost außer Acht lassen. Es bedürfen also nur die §§ 929, 930 und 931 BGB näherer Betrachtung.
§ 929 S. 1 BGB regelt den Grundfall aller Übereignungen. Zur Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache ist danach erforderlich, dass der Eigentümer die Sache dem Erwerber übergibt und beide darüber einig sind, dass das Eigentum übergehen soll. Aus § 929 S. 1 BGB ergeben sich drei Tatbestandsvoraussetzungen:

  • Dingliche Einigung
  • Übergabe
  • Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe

Da die §§ 932 ff. BGB den Erwerb des Eigentums vom Nichtberechtigten regeln, ergibt sich im Umkehrschluss, dass die §§ 929, 930, 931 BGB nur den Fall der Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten regeln. Als viertes Tatbestandsmerkmal der §§ 929, 930, 931 BGB bleibt also die

  • Berechtigung

zu prüfen.
Der Unterschied zwischen § 929 S. 1 BGB und den §§ 929 S. 2, 930 und 931 BGB liegt nun bei der Übergabe. Während diese für § 929 S. 1 BGB zwingend erforderlich ist, kann sie nach den §§ 929 S. 2, 930 und 931 BGB durch andere Tatbestandsmerkmale ersetzt werden. Darauf ist unter IV. zurückzukommen.
III. Einigung
Erste Voraussetzung für den Erwerb des Eigentums vom Berechtigten ist eine dingliche Einigung. Die Einigung ist ein Rechtsgeschäft und kommt nach den allgemeinen Regeln zustande, also durch Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB).
Warum spricht man von einer „dinglichen“ Einigung? Weil diese Einigung nicht identisch ist mit der Einigung, die zu der Verpflichtung führt, die Sache zu übereignen (Trennungsprinzip).

Beispiel: Verkauft A dem B ein Auto, schließen die Parteien einen Kaufvertrag, der A verpflichtet, B das Auto zu übergeben und zu übereignen (Verpflichtungsgeschäft). Die Übereignung selbst setzt aber einen weiteren Vertragsschluss voraus, nämlich die auf die Übertragung des Eigentums gerichtete Einigung i.S.d. § 929 S. 1 BGB (Verfügungsgeschäft).

Beide Geschäfte sind grundsätzlich getrennt voneinander zu beurteilen. Ficht z.B. B den Kaufvertrag an, bleibt die Wirksamkeit der dinglichen Einigung hiervon grundsätzlich unberührt (Abstraktionsprinzip). Ausnahmen von diesem Grundsatz sind ein vereinbarter Bedingungszusammenhang (Bedingungi.S.d. § 158 BGB  für die Wirksamkeit der dinglichen Einigung ist die Wirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts) sowie unter Umständen eine Geschäftseinheit i.S.d. § 139 BGB. Ferner liest man häufig, sogenannte Doppelmängel würden das Abstraktionsprinzip durchbrechen. Ein Doppelmangel liegt vor, wenn derselbe Mangel beide Willenserklärungen betrifft (Beispiel: Geschäftsunfähigkeit). Tatsächlich wird das Abstraktionsprinzip dann aber nicht durchbrochen. Ein Mangel wirkt sich lediglich mehrmals aus.
Die dingliche Einigung kann gleichzeitig mit dem Abschluss des Verpflichtungsgeschäfts erklärt werden oder auch erst im Anschluss daran. Eine Stellvertretung ist nach den allgemeinen Regeln (§§ 164 ff. BGB) zulässig. Auch eine bedingte Einigung ist möglich (vgl. § 449 BGB), allerdings führt die Bedingung häufig nur zum Entstehen eines Anwartschaftsrechts (dazu noch unten VII.).
Eine Besonderheit des Sachenrechts ist, dass die Einigung, um wirksam zu sein, hinreichend bestimmt sein muss. Während Ungenauigkeiten im Rahmen des Verpflichtungsgeschäfts in weitem Umfang unschädlich sind, sofern sie durch Auslegung beseitigt werden können, muss bei der dinglichen Einigung klar sein, welche Sachen von der Einigung erfasst sind. Das hat seinen Grund darin, dass jede Sache rechtlich eindeutig zugeordnet sein muss und dementsprechend auch die Übertragung dinglicher Rechte sich auf bestimmte Sachen beziehen muss (Spezialitätsprinzip). Problematisch ist die Bestimmtheit bei der Übereignung von Sachgesamtheiten (z.B. Warenlager) und bei künftig noch zu erwerbenden Sachen.
IV. Übergabe
§ 929 S. 1 BGB setzt weiter voraus, dass eine Übergabe erfolgt. Übergabe ist die Aufgabe jeglichen Besitzes (vgl. § 854 BGB) durch den Veräußerer und die Erlangung irgendeines Besitzes durch den Erwerber auf Veranlassung des Veräußerers.
Fehlt es an einer solchen Übergabe, kommt eine wirksame Übereignung nach § 929 S. 1 BGB nicht in Betracht. Die Prüfung endet dann aber noch nicht! An die Stelle der Übergabe kann nämlich ein Übereignungstatbestand nach den §§ 929 S. 2, 930, 931 BGB treten (sog. Übergabesurrogate).
Befindet sich der Erwerber bereits im Besitz der Sache, kommt eine Übereignung nach § 929 S. 2 BGB in Betracht. Erforderlich ist dann nur, dass Veräußerer und Erwerber sich über den Übergang des Eigentums einigen.

Beispiel: A verliert seinen Kugelschreiber. B findet den Kuli und nimmt ihn in Besitz. Als A den Kuli in der Hand des B sieht, klärt er jenen auf. Aus Großzügigkeit erklärt A jedoch, B könne den Kuli behalten. B nimmt dankend an.

Als weitere Variante kommt eine Übereignung nach § 930 BGB in Betracht. Ist der Eigentümer im Besitz der Sache, so kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass zwischen ihm und dem Erwerber ein Rechtsverhältnis vereinbart wird, vermöge dessen der Erwerber den mittelbaren Besitz erlangt (sog. Besitzkonstitut). Der mittelbare Besitz ist in § 868 BGB geregelt.

Beispiel: A verkauft (Verpflichtungsgeschäft!) B sein Auto. A will das Auto aber noch für eine Wochenendspritztour behalten. B erklärt sich einverstanden, will aber schon vorher das Eigentum erlangen.  A und B einigen sich über den Eigentumsübergang, gleichzeitig vermietet B dem A das Gefährt. B erlangt mittelbaren Besitz, es liegt ein Besitzkonstitut vor.

Schließlich kann die Übergabe dadurch ersetzt werden, dass der Eigentümer dem Erwerber den Herausgabeanspruch gegen einen Dritten abtritt, § 931 BGB.

Beispiel: A verleiht D sein Fahrrad. Während D das Fahrrad noch in Besitz hat, verkauft und übereignet A das Fahrrad an B ab. Anstelle der Übergabe tritt A dem B seinen Herausgabeanspruch gegen D aus § 604 Abs. 1 BGB nach § 398 BGB ab.

V. Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe
Eine Besonderheit der dinglichen Einigung besteht darin, dass diese nach h.M. bis zur Übergabe frei widerruflich ist (BGHZ 7, 111, 115). Das kommt in § 929 S. 1 BGB in den Worten „einig sind“ zum Ausdruck. Für die Übereignung von Immobilien kommt dies in § 873 Abs. 2 BGB noch deutlicher zum Ausdruck. Damit weicht das Sachenrecht von den allgemeinen Regeln ab, denn nach allgemeinen Regeln ist eine Willenserklärung für den Erklärenden verbindlich, wenn sie den Empfänger erst einmal erreicht hat (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Allerdings wird man wie bei § 130 Abs. 2 BGB davon ausgehen müssen, dass der Tod oder die Geschäftsunfähigkeit des Erklärenden auch die dingliche Einigung unberührt lassen.
VI. Berechtigung
Letzte Voraussetzung der Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten ist die Berechtigung des Veräußerers. Diese festzustellen, ist wichtig und in Klausuren häufig problematisch, weil anderenfalls nur ein gutgläübiger Erwerb nach den §§ 932 ff. BGB in Betracht kommt.
Berechtigter ist zunächst, wer über die Sache als eigene verfügen kann, also der Eigentümer. Eine rechtsgeschäftliche Beschränkung der Verfügungsbefugnis ist nach § 137 S. 1 BGB ohne dingliche Wirkung.
Berechtigter ist darüber hinaus, wer von dem Eigentümer das Verfügungsrecht erhält. Das ist zunächst ein Stellvertreter.

Beachte: § 56 HGB ermächtigt Ladenangestellte scheinbar nur zu Verkäufen, also zum Abschluss von Verpflichtungsgeschäften. Die Norm ist aber älter als das BGB und gilt deshalb nach h.M. auch für Verfügungsgeschäfte, denn bei Inkrafttreten des § 56 HGB galt das Trennungs- und Abstraktionsprinzip noch nicht!

Darüber hinaus kann eine Verfügungsbefugnis kraft Gesetzes bestehen. Die wichtigsten Fälle sind:

  • Insolvenzverwalter, § 80 InsO
  • Nachlassverwalter, § 1984 BGB
  • Testamentsvollstrecker, §§ 2205, 2211 BGB.

Schließlich ist auch eine Verfügung mit Einwilligung (§ 183 BGB) oder Genehmigung (§ 184 BGB) des Berechtigten wie eine Verfügung des Berechtigten zu behandeln, § 185 BGB.
VII. Exkurs: Anwartschaftsrecht
Im Gesetz nicht geregelt, aber heute allgemein anerkannt ist, dass nicht nur das Vollrecht Eigentum übertragen werden kann, sondern auch ein sogenanntes Anwartschaftsrecht. Anwartschaftsrechte entstehen, wenn der Veräußerer dem Erwerber eine Rechtsposition einräumt, die durch den Veräußerer nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Das wichtigste Beispiel ist die Veräußerung einer Sache unter Eigentumsvorbehalt: Dabei handelt es sich um eine aufschiebend bedingte Übereignung (§§ 929, 158 BGB). Die Bedingung besteht in der vollständigen Zahlung des Kaufpreises durch den Erwerber. Bereits die aufschiebend bedingte Übereignung führt zur Entstehung des Anwartschaftsrechts. Dieses unterliegt als „wesensgleiches Minus zum Vollrecht“ grundsätzlich denselben Regeln wie das Eigentum. Das Anwartschaftsrecht wird seinerseits nach den §§ 929 ff. BGB übertragen und genießt als „sonstiges Recht“ deliktischen Schutz nach § 823 Abs. 1 BGB.

15.05.2012/6 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2012-05-15 15:04:032012-05-15 15:04:03Die Übereignung beweglicher Sachen durch den Berechtigten
Dr. Christoph Werkmeister

Schema: Überblick der Herausgabeansprüche

Für die ersten Semester, Sachenrecht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Verschiedenes, Zivilrecht

Im Rahmen einer zivilrechtlichen Klausur, die Ansprüche auf Herausgabe beinhaltet, muss sich der Kandidat darüber im Klaren sein, dass in der gutachterlichen Prüfung mehr als nur eine Anspruchsgrundlage zu prüfen sein wird. Im Eifer des Gefechts neigt man manchmal dazu, nach Bejahen eines vertraglichen oder dinglichen Herausgabeanspruchs die Prüfung vorschnell zu beenden. Aus diesem Grund soll dieses Schema – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – helfen, einen Überblick über die möglichen Herausgabeansprüche zu bekommen. Selbstverständlich muss man nicht alle Anspruchsgrundlagen im Schlaf hintereinander aufsagen können. Gleichwohl hilft es sich der Systematik bewusst zu sein und insbesondere auch spezielle Herausgabe- sowie die Gesamtansprüche im Auge zu behalten.
I. Vertragliche Herausgabeansprüche

  1. Rückgabepflicht nach Vertragsbeendigung
  2. Rückgabepflicht der Rückabwicklung, §§ 346 ff. BGB
  3. Herausgabeanspruch auf das stellvertretende commodum, § 285 Abs. 1 BGB
  4. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB

II. Vertragsähnliche Herausgabeansprüche

  1. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 BGB
  2. Herausgabeansprüche aus echter und unechter GoA

III. Sachenrechtliche Herausgabeansprüche

  1. § 985 BGB
  2. Vindikation anderer dinglicher Berechtigter (etwa §§ 1227, 985 BGB für den Pfandrechtsinhaber)
  3. Ansprüche aus Besitz (§§ 861, 1007 Abs. 1, Abs. 2 BGB)

IV. Herausgabeansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung

  1. § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB
  2. § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB
  3. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB
  4. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB
  5. § 817 S. 1 BGB
  6. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
  7. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
  8. § 816 Abs. 2 BGB
  9. § 822 BGB

V. Herausgabeansprüche aus unerlaubter Handlung

  1. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 BGB
  2. § 823 Abs. 2 i.V.m. StGB, § 858 BGB oder anderen Schutzgesetzen
  3. § 826 i.V.m. § 249 BGB

VI. Spezielle Herausgabeansprüche

  1. Vollmachtsurkunde, § 175 BGB
  2. Schuldschein, § 371 BGB
  3. Erbschein, § 2362 BGB

VII. Gesamtansprüche auf Herausgabe von Sondervermögen

  1. Herausgabeanspruch des Kindes bei Ende der elterlichen Sorge, § 1698 Abs. 1 BGB
  2. Herausgabeanspruch nach Ende der Vormundschaft bzw. Betreuung, § 1890 bzw. § 1908i BGB
  3. Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben, § 2130 Abs. 1 BGB
  4. Erbschaftsanspruch, § 2018 BGB

16.01.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-01-16 20:58:192012-01-16 20:58:19Schema: Überblick der Herausgabeansprüche
Tom Stiebert

Fettecke reloaded – Drei Ansatzpunkte für die Prüfung

Aktuelles, Sachenrecht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Der Spiegel (und viele weitere) Zeitschriften berichten in ihrer aktuellen Ausgabe von der Zerstörung einer Installation des Künstlers Martin Kippenberger im Dortmunder Ostwall-Museum durch wegschrubben.
https://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/0,1518,795709,00.html
Eine Putzfrau beseitigte bei der Installation „Wenns anfängt durch die Decke zu tropfen“ eine weißlich-kalkige Schicht am Boden eines Troges (Patina).  Das Kunstwerk ist damit unwiederbringlich zerstört.
Parallelen zeigen sich hier zur bekannten Fettecke von Joseph Beuys. Für die Prüfung sind hierzu drei Ansatzpunkte denkbar:
1. Schadensersatz
Am wenigsten problematisch dürfte die Schadensersatzprüfung (bspw. § 823 BGB) sein, bei der Schwierigkeiten allenfalls beim Verschulden vorliegen dürften. Der Fall eignet sich daher gut zum Abprüfen der allgemeinen Grundsätze.
2. Kunstbegriff
Der Fall könnte aber auch als Aufhänger einer Grundrechtsprüfung genutzt werden, um die verschiedenen Ansatzpunkte des Kunstbegriffs aus Art. 5 Abs. 3 GG zu prüfen. Bekanntermaßen ist hier der von der h.M. vertretene offene Kunstbegriff von dem formellen und dem materiellen Kunstbegriff zu unterscheiden.
3. Sachenrechtliche Anknüpfung
Möglich ist auch eine sachenrechtliche Anknüpfung des Falles. Bei der Fettecke wurde zwar dem Geschädigten Johannes Stüttgen (einem Schüler Beuys‘) im Vergleich ein Schadensersatzanspruch von 40.000 DM zugestanden, zentrale Frage ist aber, ob er Eigentum an der Fettecke erworben hat. Hier können mehrere sachenrechtliche Normen abgeprüft werden: zum einen § 946 BGB und damit ein Eigentumserwerb des Museums (der wohl abzulehnen ist, da die Fettecke nur Scheinbestandteil und nicht wesentlicher Bestandteil des Grundstücks war) und § 950 BGB (mit der Frage wer als Hersteller anzusehen ist und damit der Frage ob der Stüttgen dadurch, dass Beuys für ihn die Fettecke anbrachte, als Hersteller des § 950 BGB anzusehen ist). Auch dies ist wohl zu verneinen, greift § 950 BGB ja nicht für eigene Stoffe. Abschließend ist dann noch eine Übereignung der Fettecke nach § 929 ff BGB zu prüfen (Beuys sagte „Jetzt mache ich dir deine Fettecke“). Hier stellt sich die Frage nach dem völligen Besitzverlust von Beuys.
 
Insgesamt also ein Fall der es in sich hat – auch wenn er auf den ersten Blick verhältnismäßig einfach wirkt. Für die mündliche Prüfung ist er aber absolut geeignet.
 

03.11.2011/0 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2011-11-03 18:09:572011-11-03 18:09:57Fettecke reloaded – Drei Ansatzpunkte für die Prüfung
Seite 1 von 212

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