BGH: Zur Abgrenzung zwischen Namens- und Identitätstäuschung beim Gebrauchtwagenkauf
Der vom BGH kürzlich entschiedene Fall (Urt. v. 1. März 2013 – V ZR 92/12) ist durchaus dazu prädestiniert, um künftig in Examens- und/oder Übungsklausuren abgeprüft zu werden, da die ihm zugrundeliegende Konstellation ein klassisches Problem des Stellvertretungsrechts in klausurtauglicher Weise mit einer sachenrechtlichen Fragestellung verknüpft. Eine Kombination, die sehr häufig Eingang in zivilrechtliche Klausuren erhält. Hinzu kommt der Umstand, dass der BGH vorliegend zu einer seit geraumer Zeit lebhaft umstrittenen Rechtsfrage Stellung bezogen hat, was den Fall sicherlich auch in den Fokus einiger Prüfer und Klausursteller gerückt haben dürfte.
A. Sachverhalt
Der Beklagte (B) vermietete ein in seinem Eigentum stehendes Wohnmobil an einen Dritten (V), von dem er es allerdings nach Ablauf der Mietzeit nicht zurückerhielt.
Der Kläger (K), ein Gebrauchtwagenhändler, kontaktierte, nachdem ihm ein Zeitungsinserat auffiel, in dem das Wohnmobil zum Verkauf angeboten wurde, den V und wies daraufhin seinen Mitarbeiter (M) an zum vereinbarten Ort zu fahren, um dort die Kaufabwicklung zu vollziehen. Nachdem der M entgegen der Vereinbarung niemanden am Treffpunkt antraf, kontaktierte er V telefonisch. Dieser gab an, verhindert zu sein. Der M solle sich aber zu einem Parkplatz im Bereich der Ortschaft E. begeben, auf dem sich das Wohnmobil befinde.
Auf dem Parkplatz angekommen traf M auf zwei von dem V beauftragte Personen. Nach Telefonaten, die der M mit V und K führte, einigte man sich auf einen Kaufpreis. Der M formulierte handschriftlich einen Kaufvertrag und unterschrieb ihn für K. Als Verkäufer wurde der Name des B eingetragen. Für den V unterschrieb einer der beiden von ihm beauftragten Personen mit dem Nachnamen des B. Der M übergab daraufhin seinen Verhandlungspartnern den Kaufpreis in bar. Im Gegenzug erhielt M das Wohnmobil sowie die auf den B ausgestellten Papiere des Fahrzeugs (Kraftfahrzeugschein und Kraftfahrzeugbrief) ausgehändigt. Der Kraftfahrzeugbrief war, wie sich später herausstellte, allerdings gefälscht. Das Wohnmobil überbrachte M dem K, bei welchem es von der Polizei später sichergestellt wurde. Diese gab das Wohnmobil wieder an den B heraus.
K verlangt von B Herausgabe des Wohnmobils nach § 985 BGB.
B. Rechtliche Problematik
K kann die Herausgabe des Wohnmobils von B verlangen, wenn eine Vindikationslage besteht. Dies setzt voraus, dass
- K Eigentümer des Wohnmobils ist,
- das Wohnmobil sich im Besitz des B befindet
- und dem B kein Recht zum Besitz zusteht (§ 986 BGB).
Zunächst wird man also prüfen müssen, ob der ursprüngliche Eigentümer B sein Eigentum am Wohnmobil durch das Geschehen auf dem Parkplatz an K verloren haben könnte. Dabei kommt es entscheidend auf die Frage an, wer im Rahmen der für den Eigentumserwerb erforderlichen dinglichen Einigung nach § 929 S. 1 BGB Vertragspartner des durch seinen Mitarbeiter M vertretenen K geworden ist.
Bei dem hier in Rede stehenden Handeln unter fremden Namen ist danach zu unterscheiden, ob – aus der insoweit maßgeblichen Perspektive des Erklärungsempfängers – ein Geschäft des Namensträgers oder ein Eigengeschäft des Handelnden vorliegt. Ein Eigengeschäft unter Angabe eines falschen Namens – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – liegt in der Regel dann vor, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem gegenüberstehenden Handelnden abschließen will und ihm die Identität mit dem Namensträger gleichgültig ist (Namenstäuschung). Dies hat sodann zur Folge, dass ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten (V) gemäß §§ 929, 932 BGB in Betracht kommt.
Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hindeutet und die andere Vertragspartei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall wird das Handeln „unter“ fremden Namen wie das Handeln in fremden Namen behandelt (Identitätstäuschung), wobei die §§ 164 ff. BGB analoge Anwendung finden. Der Namensträger kann dann das Geschäft genehmigen, so dass er selbst Vertragspartner wird. Verweigert er die Genehmigung, bleiben die Willenserklärungen dessen, der unberechtigt unter seinem Namen gehandelt hat, unwirksam. Dieser schuldet dem Geschäftsgegner (K) dann nach Maßgabe des § 179 Abs. 1 BGB Erfüllung oder Schadensersatz.
C. Die Entscheidung des BGH
Dingliche Einigung
Der entscheidende Senat bestätigte im Ergebnis die vorinstanzliche Entscheidung, wonach die dingliche Einigung über den Eigentumsübergang (§ 929 Satz 1 BGB) zwischen K, der durch M vertreten wurde, und V, der unter dem Namen des B auftrat und dabei durch die vor Ort handelnden Personen vertreten wurde, erfolgt ist. Danach handelte es sich vorliegend also um ein Eigengeschäft des V. Die Übereignung des streitgegenständlichen Wohnmobils an den klagenden B scheitere daher auch nicht daran, dass die vor Ort für den Veräußerer handelnden Personen nicht vom B bevollmächtigt waren und dieser das Rechtsgeschäft auch nicht genehmigt hat.
Der Senat fasst zunächst konzis die im Schrifttum und in der Rechtsprechung vorherrschenden Auffassungen hinsichtlich der Frage, wer beim Erwerb eines gebrauchten Kraftfahrzeuges Geschäftspartner wird, wenn der Veräußerer unter fremden Namen auftritt, zusammen.
Eine Ansicht geht davon aus, dass dies der Namensträger ist. Zwar verbinde der andere Geschäftspartner mit dem Namen, unter dem gehandelt werde, zunächst keinerlei Vorstellungen. Nach Einblick in die ihm vorgelegten Papiere, die den Namenträger als den Halter des angebotenen Fahrzeuges auswiesen, sei seine Bereitschaft, das Geschäft zu tätigen, jedoch daran geknüpft, dass er es mit dem Namensträger und nicht mit einem anderen zu tun habe […]. Demgegenüber stellt eine andere Ansicht die Überlegung in den Vordergrund, dass der Geschäftspartner weder den Handelnden noch den Namensträger gekannt habe. Er gehe daher davon aus, dass sein Gegenüber sein Geschäftspartner sei. Zwar halte er diesen für den Namensträger. Dies ändere aber nichts an der Vorstellung, dass der tatsächlich Handelnde der Geschäftspartner sei. Eine andere Beurteilung sei nur gerechtfertigt, wenn dem Anderen der Name so wichtig gewesen sei, dass er das Geschäft nur mit dem Namensträger habe abschließen wollen. Davon könne jedoch angesichts des Bargeschäftscharakters eines typischen Gebrauchtwagenverkaufs keine Rede sein. Es fehle an der Identitätstäuschung des Veräußerers […].
Im Anschluss daran bezieht der Senat nunmehr selbst Position und stellt insoweit maßgeblich darauf ab, dass es sich um ein Bargeschäft handelte und die Person des Vertragspartners dem Käufer auch sonst unwichtig war.
Der Senat entscheidet diese Streitfrage dahingehend, dass allein das Auftreten des Veräußerers unter dem aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namen noch nicht zur Annahme führt, Kaufvertrag und – hier von Interesse – die dingliche Einigung seien mit dem Namensträger zustande gekommen. Zutreffend ist zwar, dass bei einer Übereinstimmung des Namens des Veräußerers mit den Eintragungen in den Fahrzeugpapieren der Erwerber – vorbehaltlich anderweitiger Anhaltspunkte – auf die Eigentümerstellung des Veräußerers vertrauen kann, während ihn bei einer Abweichung im Rahmen des § 932 Abs. 2 BGB Erkundigungspflichten nach den bestehenden Eigentumsverhältnissen treffen […]. Daraus kann aber noch nicht darauf geschlossen werden, dass der Käufer das Fahrzeug stets nur von dem Träger des aus den Fahrzeugpapieren ersichtlichen Namens, mithin von dem tatsächlichen Eigentümer, erwerben will. Für den Erwerber ist grundsätzlich die Übereinstimmung der Namen des Veräußerers und des aus dem Fahrzeugbrief ersichtlichen Halters von Belang, nicht aber die hinter dem Namen stehende Person. Gibt sich der Veräußerer eines unterschlagenen Kraftfahrzeuges unter Vorlage der Fahrzeugpapiere als dessen Eigentümer aus, so begründet dies allein noch keine Identitätsvorstellung des Erwerbers, hinter der die Person des verhandelnden Veräußerers zurücktritt […]. Von einer Identitätsvorstellung des Erwerbers kann vielmehr nur ausgegangen werden, wenn der Namensträger für den Erwerber eine besondere Bedeutung hatte. Ein solcher Ausnahmefall, der beispielsweise in Betracht käme, wenn kein sofortiger Leistungsaustausch stattfindet oder wenn es sich bei dem Verkäufer um eine bekannte Persönlichkeit handelt, liegt hier jedoch nicht vor.
Gutgläubiger Erwerb
Die mangelnde Berechtigung des V könnte im Wege eines Gutglaubenserwerbs gemäß § 932 Abs. 1 S. 1 BGB überwunden worden sein. Dies setzt voraus, dass es sich vorliegend um ein
- Rechtsgeschäft i.S. eines Verkehrsgeschäfts handelt,
-
der Rechtsschein der Berechtigung auf Seiten des V gem. § 1006 Abs. 1 BGB gegeben war
- und K, der sich eine etwaige Bösgläubigkeit seines Vertreters gem. § 166 BGB zurechnen lassen müsste, guten Glaubens war (§ 932 Abs. 2 BGB).
Der BGH bejaht im Folgenden auch einen gutgläubigen Erwerb seitens des K. Danach könne dem K ein Verstoß gegen die aus § 932 Abs. 2 BGB erwachsenden Sorgfaltsanforderungen nicht zur Last gelegt werden. In den entscheidenden Passagen des Verdikts heißt es dazu:
Danach begründet beim Erwerb eines gebrauchten Fahrzeuges der Besitz desselben allein nicht den für den Gutglaubenserwerb nach § 932 BGB erforderlichen Rechtsschein. Vielmehr gehört es regelmäßig zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen […]. Auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt […]. Eine allgemeine Nachforschungspflicht des Erwerbers besteht hingegen nicht […].
Soweit die Revision […] geltend macht, dass von einem gefälschten Kraftfahrzeugbrief kein Rechtsschein ausgehen und bereits deshalb kein gutgläubiger Erwerb stattgefunden haben könne, greift dies nicht durch. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO aF) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten […]. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen. Diese Prüfung hat der Erwerber jedenfalls vorzunehmen, um sich nicht dem Vorwurf grober Fahrlässigkeit auszusetzen. Kommt der Erwerber dieser Obliegenheit nach und wird ihm ein gefälschter Kraftfahrzeugbrief vorgelegt, treffen ihn, sofern er die Fälschung nicht erkennen musste und für ihn auch keine anderen Verdachtsmomente vorlagen, keine weiteren Nachforschungspflichten. Es ist auch vor dem Hintergrund der Funktion des Kraftfahrzeugbriefs kein Grund dafür ersichtlich, ihm wegen des Vorliegens einer für ihn nicht erkennbaren Fälschung den Gutglaubensschutz zu versagen. Auch in diesen Fällen hat der Schutz des Rechtsverkehrs Vorrang vor den Interessen des bisherigen Eigentümers. […] Ein Straßenverkauf führt aber als solcher noch nicht zu weitergehenden Nachforschungspflichten, wenn er sich für den Erwerber als nicht weiter auffällig darstellt.
Kein Abhandenkommen nach § 935 BGB
Ein Abhandenkommen i.S. des § 935 BGB scheidet vorliegend aus, da der ursprüngliche Eigentümer B das Wohnmobil willentlich in den Rechtsverkehr gegeben hat, sodass ein dem Eigentumserwerb des K am Wohnmobil entgegenstehendes Abhandenkommen vorliegend ausscheidet.
K hat somit wirksam Eigentum am Wohnmobil erworben und kann folglich vom unberechtigten Besitzer B Herausgabe des Wohnmobils nach § 985 verlangen.
D. Fazit
Wie eingangs bereits angemerkt, darf dem Fall eine erhöhte Examensrelevanz beigemessen werden, dies gilt auch und gerade im Hinblick auf anstehende mündliche Prüfungen. Zur Vertiefung sei an dieser Stelle noch auf einige hier veröffentlichten Beträge verwiesen, die im hiesigen Kontext durchaus hilfreich sein könnten.
- Allgemein zum Eigentumserwerb an beweglichen Sachen.
- Zur Bedeutung des KfZ-Briefes in der juristischen Klausur.
- Eine überblicksartige Auflistung zivilrechtlicher Herausgabeansprüche.
- Handeln unter fremden Namen bei unbefugter Nutzung eines ebay-accounts.
- Zu den Hintergründen des Abstraktionsprinzips.
Danke für den Beitrag.Ich hätte das abhanden kommen bejaht.Der B hat das wohnmobil dem v vermietet.Das hat er freiwillig getan,aber als er es nicht zurück bekommen hat, könnte man dann nicht sagen,dass 935 in Betracht kommt?
Nein. Das würde dem Normzweck des § 935 I zuwiderlaufen. Wenn der Eigentümer einmal willentlich seinen (unmittelbaren) Besitz aufgegeben und damit einen Rechtschein veranlasst hat, so weist das Gesetz ihm aus Gründen des Verkehrsschutzes das Risiko zu, sein Eigentum an einen auf die Besitzverschaffungsmacht des Veräußerers vertrauenden Erwerber zu verlieren. Das der Eigentümer eine zunächst freiwillig herausgegebene Sache irgendwann mal wieder haben will, ist insoweit unmaßgeblich.
Ich finde einen Autokauf auf einem Parkplatz schon merkwürdig:-) das mit der Gutgläubigkeit könnte man doch auch anders sehen, oder? Es wird zwar gesagt, dass ein Straßenverkauf als solcher noch zu Nachforschungspflichten führt, aber merkwürdig war die Sache schon.
Naja:) jedenfalls vielen Dank für den Beitrag:-)
Richtig, an der Stelle kann man sicher mit guten Gründen Zweifel entwickeln.
Bin ganz verwirrt.. Dachte immer in 932 wird der gute Glaube an die Eigentümerstellung geschützt anders als in 366 I HGB der an den guten Glauben an die Verfügungsbefugnis anknüpft..
Und als Indiz für die Eigentümerstellung gilt gem. 1006 I der Besitz. Wenn nun der K bzw. M für K meint, er würde mit V einen Vertrag schließen, und auf dem Vertrag nun B steht.. Und im Fahrzeugbrief auch. Dann ist er doch nicht mehr über 932 gutgläubig.. ?!
Tjaaaaa, so sehe ich das auch!!! Und hab es auch so in meiner Examenslösung