Mit dem 1. November 2018 wurde die Musterfeststellungsklage in das Zivilprozessrecht integriert. Dies hat für ein großes mediales Echo gesorgt. Da hierdurch das bisherige System der ZPO wesentlich erweitert wird, lohnt sich ein Blick auf die Grundzüge dieses Rechtsinstruments – nicht zuletzt deshalb, weil die Musterfeststellungsklage in das 6. Buch der ZPO eingefügt wurde und damit jederzeit zum Gegenstand von Prüfungen werden kann.
I. Mangelnde Rechtsdurchsetzung als Stein des Anstoßes
Der Gesetzentwurf der Großen Koalition fasst das hinter der Einführung stehende Ziel ebenso wie die Problematik, die erst dazu geführt hat, dass eine zivilprozessuale Musterfeststellungsklage geschaffen werden musste, prägnant zusammen (BT-Drucks. 19/2507, S. 1). In einem „durch standardisierte Massengeschäfte geprägten Wirtschaftsleben“ führe das Fehlverhalten eines Marktanbieters häufig zu einer Vielzahl von Geschädigten. Besonders in Fällen, in denen der erlittene Nachteil gering ist, würden bestehende Ansprüche nicht geltend gemacht – der Gesetzentwurf spricht von einem „rationalen Desinteresse“ der Betroffenen. Und das leuchtet unmittelbar ein: Beim Kauf von 300 Salzstangen für 0,49 € wird man als Verbraucher kaum klagen, nur weil in der Packung fünf Salzstangen zu wenig enthalten sind – man hält den Aufwand schlichtweg für nicht verhältnismäßig. Angesichts der Übermacht von Großkonzernen zeigt sich dieses Phänomen auch in gewichtigeren Fällen, man denke nur an den VW-Abgasskandal (gegen die VW-AG wurde passenderweise wenige Stunden nach Geltung der neuen Bestimmungen durch den Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) unterstützt durch den ADAC die erste Musterfeststellungsklage beim OLG Braunschweig eingereicht). Scheuen Verbraucher allerdings das Risiko, auf Prozesskosten sitzen zu bleiben sowie den mit einer Klage verbundenen Aufwand an Zeit und Nerven, verbleibt der erlangte Gewinn beim Marktanbieter, der hierdurch im Verhältnis zu rechtstreuen Mitwettbewerbern einen unrechtmäßigen Wettbewerbsvorteil erlangt. Genau das soll durch die neu geschaffene Verbandsklage fortan verhindert werden. Doch im Einzelne:
II. Die Musterfeststellungsklage unter der Lupe
Zunächst muss die Zulässigkeitsprüfung der Musterfeststellungsklage dargestellt werden (1.), bevor näher auf den Verfahrensablauf und die Beendigung des Verfahrens eingegangen werden kann (2.).
1. Schema zur Zulässigkeit
a) Damit eine Musterfeststellungsklage zulässig ist, muss sie zuallererst statthaft sein. Das ist der Fall, wenn mit ihr sog. Feststellungsziele im Sinne des § 606 Abs. 1 S. 1 ZPO verfolgt werden. Die Legaldefinition in § 606 Abs. 1 S. 1 ZPO gibt an, dass mit der Musterfeststellungsklage „qualifizierte Einrichtungen die Feststellung des Vorliegens oder Nichtvorliegens von tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für das Bestehen oder Nichtbestehen von Ansprüchen oder Rechtsverhältnissen […] zwischen Verbrauchern und einem Unternehmer begehren“ können. Hierbei geht es darum, Vorfragen eines Anspruchs oder aber auch nur abstrakte Rechtsfragen für das in Rede stehende Rechtsverhältnis zu klären. Verbraucher werden mithin zwar nicht selbst Partei des Musterfeststellungsverfahrens; dennoch ist vor dem Hintergrund der obigen Erläuterungen eine Prüfung des Verbraucherbegriffs geboten, um festzustellen, dass die geltend gemachten Rechte solche von Verbrauchern sind. Die Definition des Verbraucherbegriffs wird in prozessualer Hinsicht neuerdings in § 29c Abs. 2 ZPO niedergeschrieben, der § 13 BGB vorgeht. Verbraucher ist hiernach „jede natürliche Person, die bei dem Erwerb des Anspruchs oder der Begründung des Rechtsverhältnisses nicht überwiegend im Rahmen ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.“
b) Weiterhin muss die Musterfeststellungsklage bei dem zuständigen Gericht eingereicht werden. Das ist in sachlicher Hinsicht in erster Instanz das OLG, unabhängig vom Streitwert, § 1 GVG i.V.m. § 119 Abs. 3 GVG, örtlich dagegen ausschließlich das OLG des allgemeinen Gerichtsstands des beklagten Unternehmens, § 32c ZPO. Hieraus folgt zugleich, dass für die Parteien Anwaltszwang herrscht, § 78 Abs. 1 S. 1 ZPO.
c) Ferner gilt es zu klären, welche Parteien im Rahmen des Musterfeststellungsverfahrens auftreten. Auf Seiten des Klägers kann dies allein eine qualifizierte Einrichtung gemäß § 606 Abs. 1 S. 2 ZPO sein (typischerweise ein Verband). BT-Drucks. 19/2507, S. 21 fordert, dass bei diesem eine Klagebefugnis gegeben sein muss – ein der ZPO eher fremder Begriff, der ansonsten mit dem Wort Prozessführungsbefugnis beschrieben wird. Auf Seiten des Beklagten muss ein Unternehmer stehen. Anders als beim Verbraucher wurde hier keine von den Regelungen des BGB (hier § 14 BGB) abweichende Vorschrift in die ZPO eingefügt. Deshalb wird man sich auch weiterhin an § 14 BGB orientieren können, auch wenn bei der Auslegung der Norm die Wertung des § 29c Abs. 2 ZPO Beachtung finden dürfte.
d) Zudem müssen zwingende Formalia eingehalten werden, damit die Musterfeststellungsklage zulässig ist. Diese werden vor allem in § 606 Abs. 2 ZPO normiert. So muss die Klageschrift Angaben und Nachweise darüber enthalten, dass der Kläger eine qualifizierte Einrichtung ist, die Feststellungziele mindestens zehn Verbraucher betreffen und der Klageantrag bestimmt ist (§ 253 Abs. 2 ZPO).
e) Weiterhin müssen mindestens 50 Verbraucher innerhalb von zwei Monaten nach öffentlicher Bekanntmachung im Klageregister des Bundesamtes für Justiz angemeldet werden, die sich der Musterfeststellungsklage anschließen, § 606 Abs. 3 Nr. 3, 608 Abs. 2, 4 ZPO.
f) Zuletzt darf keine anderweitige Rechtshängigkeit gegeben sein, § 610 Abs. 1 ZPO. Eine andere qualifizierte Einrichtung soll in Bezug auf denselben Streitgegenstand keine inhaltsgleiche Musterfeststellungsklage einreichen können.
2. Weiterer Ablauf und Beendigung des Verfahrens
Liegt eine zulässige Musterfeststellungsklage vor, kann nachgelagert über das verfolgte Feststellungsziel entschieden werden. Seinen Abschluss findet das Verfahren in einem Musterfeststellungsurteil, allerdings besteht auch die Möglichkeit eines Vergleichs – einen Verzicht kann die qualifizierte Einrichtung zu Lasten der angemeldeten Verbraucher dagegen nicht erklären, § 610 Abs. 5 S. 2 ZPO.
Kommt es zu einem Musterfeststellungsurteil, entfaltet ein solches nach § 613 Abs. 1 S. 1 ZPO Bindungswirkung für ein danach angerufenes Gericht, das abschließend über den Rechtsstreit zwischen dem Unternehmer und dem wirksam angemeldeten Verbraucher zu entscheiden hat. Anders formuliert: Der Verbraucher muss nach erfolgreichem Musterfeststellungsverfahren selbst aktiv werden und nachgelagert seine Rechte gesondert geltend machen – gerade das unterscheidet die Musterfeststellungsklage von einer aus den USA bekannten Sammelklage.
Gleichwohl besteht auch die Möglichkeit eines Vergleichs zwischen dem Unternehmer und der qualifizierten Einrichtung. Ein solcher wirkt gemäß § 611 Abs. 1 ZPO für und gegen die angemeldeten Verbraucher. § 611 Abs. 2-6 ZPO stellen an einen solchen Vergleich strenge Anforderungen, vor allem, da eine Verletzung des Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör) ausgeschlossen werden soll.
III. Ein Schritt in die richtige Richtung – trotz bestehender Hürden für Verbraucher
Auf den Missstand fehlender Rechtsdurchsetzung im Verhältnis von Großunternehmen und Verbrauchern hat der Gesetzgeber nun reagiert. Doch auch wenn es sich bei den Regelungen zur Musterfeststellungsklage um ein Prestigeprojekt der Bundesregierung handelt, das alles andere als ein Allheilmittel ist, Verbrauchern also nicht in allen Fällen hilft (vor allem, weil sie jeweils ihren individuellen Schaden nach erfolgreicher Musterfeststellungsklage noch selbst beweisen müssen), handelt es sich dennoch um einen Schritt in die richtige Richtung.
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Schema: Das Versäumnisurteil, §§ 330 ff. ZPO
A. Erlass eines (ersten) Versäumnisurteils
I. Versäumnisurteil gegen den Beklagten, § 331 ZPO
1. Antrag des Klägers auf Erlass eines Versäumnisurteils, § 331 I 1 ZPO
2. Säumnis des Beklagten, § 331 I 1 ZPO
Säumnis kann durch Nicht-Erscheinen, aber auch durch Nicht-Verhandeln (§ 333 ZPO) entstehen. Auch ist die Partei säumig, wenn sie ohne Rechtsanwalt erscheint, obwohl sie selbst nicht postulationsfähig ist.
3. Kein Versagungsgrund, §§ 335, 337 ZPO
4. Zulässigkeit der Klage
Das Versäumnisurteil ist ein Sachurteil, sodass die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen müssen. Bei Unzulässigkeit der Klage erfolgt Klageabweisung durch Prozessurteil.
5. Schlüssigkeit der Klage, § 331 ZPO
– Die Klage ist schlüssig, wenn der Klägervortrag, als wahr unterstellt, den Klageantrag rechtfertigt. Hier erfolgt eine materiell-rechtliche Prüfung.
– Bei Unschlüssigkeit der Klage sog. „unechtes Versäumnisurteil“, d.h. Klageabweisung durch Sachurteil, § 331 II Hs. 2 ZPO. Gegen dieses Urteil sind die allgemeinen Rechtsmittel, d.h. Berufung bzw. Revision statthaft.
II. Versäumnisurteil gegen den Kläger
1. Antrag des Beklagten auf Erlass eines Versäumnisurteils gegen den Kläger, § 330 ZPO
2. Säumnis des Klägers, § 330 ZPO
3. Kein Versagungsgrund, §§ 335, 337 ZPO
4. Zulässigkeit der Klage
Bei Unzulässigkeit Klageabweisung durch Prozessurteil.
5. Keine Sachprüfung, § 330 ZPO
B. Rechtsbehelf gegen das Versäumnisurteil: Einspruch, § 338 ZPO
- Wird kein Einspruch eingelegt, wird das Versäumnisurteil rechtskräftig, § 514 I ZPO.
- Der Einspruch ist kein Rechtsmittel, sondern nur ein einfacher Rechtsbehelf, da er bei dem Gericht eingelegt wird, das das Versäumnisurteil erlassen hat, § 340 I ZPO.
- Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs erfolgt von Amts wegen. Bei Unzulässigkeit wird der Einspruch gem. § 341 ZPO durch Urteil verworfen.
- Einlegungsfrist: Zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils, § 339 ZPO
- Form: § 340 ZPO.
- Folge bei Zulässigkeit des Einspruchs: Der Prozess wird in die Lage vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt, § 342 ZPO. Es schließt sich die Prüfung der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage an.
C. Säumnis im Einspruchstermin, Erlass eines zweiten Versäumnisurteils, § 345 ZPO
I. Dieselbe Partei, gegen die bereits ein erstes Versäumnisurteil erlassen wurde, ist im anschließenden Verhandlungstermin erneut säumig.
II. Antrag auf Verwerfung des Einspruchs
III. Bestehen eines ersten Versäumnisurteils
Nach hM wird nicht geprüft, ob das erste Versäumnisurteil rechtmäßig ist.
IV. Form- und fristgerechter Einspruch
V. Erneute Säumnis im anschließenden Verhandlungstermin, d.h. dem Einspruchstermin.
Folge: Verwerfung des Einspruchs, § 345. Gegen des zweite Versäumnisurteil ist der Einspruch nicht mehr statthaft. Im Falle einer nicht schuldhaften Säumnis ist die Berufung möglich, § 514 II ZPO.
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.
Vollstreckungsgegenklage, § 767 ZPO
- Die Vollstreckungsgegenklage ist eine Gestaltungsklage, durch die der Schuldner geltend machen kann, dass dem titulieren Anspruch des Zwangsvollstreckungsgläubigers eine materiell-rechtliche Einwendung entgegensteht.
- Ziel der Vollstreckungsgegenklage ist es, die Vollstreckbarkeit des Vollstreckungstitels zu beseitigen.
- Die Entscheidung ergeht durch Urteil.
- Die Erhebung der Vollstreckungsgegenklage hat nicht automatisch aufschiebende Wirkung. Dazu bedarf es eines Antrags nach § 769 ZPO.
A. Zulässigkeit
I. Statthaftigkeit
– Der Kläger muss das Bestehen einer materiell-rechtlichen Einwendung behaupten, die gegen den titulierten Anspruch gerichtet ist mit dem Ziel, die Zwangsvollstreckung aus dem Titel zu verhindern.
– Ob die geltend gemachte Einwendung tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit.
II. Zuständigkeit
1. Bei gerichtlichen Titeln ist ausschließlich das Prozessgericht des ersten Rechtszugs zuständig (§§ 767, 802 ZPO).
2. Bei sonstigen Titeln: Gem. §§ 795ff. ZPO das Prozessgerichts des ersten Rechtszugs, sofern nichts anderes bestimmt ist (so zB bei notariellen Urkunden, hier gilt der allgemeine Gerichtsstand gem. §§ 795, 797 V ZPO).
III. Ordnungsgemäße Klageerhebung
IV. Prozessführungsbefugnis
– Kläger ist der Zwangsvollstreckungsschuldner.
– Beklagter ist das Zwangsvollstreckungsgläubiger, der sich aus dem Titel ergibt.
IV. Rechtsschutzbedürfnis
– (+), sobald der Zwangsvollstreckungstitel vorliegt. Daher kann es innerhalb der einmonatigen Berufungsfrist (§ 516 ZPO) zu Überschneidungen kommen. Nach hM besteht in dieser Zeit ein Wahlrecht zwischen Berufung und Vollstreckungsgegenklage. Wenn allerdings die Berufung bereits eingelegt ist, fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Vollstreckungsgegenklage.
– (-), sobald die Zwangsvollstreckung beendet ist.
– i.Ü. nach allgemeinen Regeln (-), wenn kostengünstigere oder einfachere Wege bestehen, um das Klageziel zu verfolgen.
V. Sonstige Zulässigkeitsvoraussetzungen
Sind nur bei Anlass anzusprechen.
B. Begründetheit
Die Vollstreckungsgegenklage ist begründet, wenn die geltend gemachte materiell-rechtlich Einwendung tatsächlich besteht und der Kläger sich hierauf berufen kann.
I. Bestehen der geltend gemachten materiell-rechtlichen Einwendung.
II. Keine Präklusion gem. § 767 II ZPO
1. Präklusion kommt nur in Betracht bei Urteilen und anderen Titeln, die rechtskräftig werden können (zB Versäumnisurteil, Vollstreckungsbescheid).
– Materiell-rechtliche Einwendungen sind nicht präkludiert, wenn sie erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung entstanden sind und nicht mehr durch Einspruch geltend gemacht werden können.
– Entscheidend ist der Zeitpunkt, in dem die Einwendung objektiv hätte geltend gemacht werden können.
– Ob der Zwangsvollstreckungsschuldner erst später Kenntnis von der Einwendung erlangt hat, ist irrelevant.
– Str. bei Gestaltungsrechten:
– Rechtsprechung stellt auf die objektive Entstehung des Gestaltungsrechts ab.
– hL sieht den Zeitpunkt der Ausübung des Gestaltungsrecht als maßgeblich an.
2. Keine Präklusion bei Vollstreckungstiteln, die nicht rechtskräftig werden können (zB Prozessvergleiche).
III. Keine Präklusion gem. § 767 III ZPO
Dieses Schema ist angelehnt an das Schema zur Vollstreckungsgegenklage bei myjurazone.de.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der zivilrechtlichen Klage
I. Echte Prozessvoraussetzungen
1. Deutsche Gerichtsbarkeit, §§ 18-29 GVG
2. Wirksame Klageeinreichung (= keine schweren Einreichungsmängel), insbesondere müssen die Parteien so genau bezeichnet sein, dass eine Klagezustellung möglich ist.
II. Sachurteilsvoraussetzungen
Prüfung von Amts wegen (§§ 56 I, 139 III ZPO).
1. Ordnungsmäßigkeit der Klageerhebung, § 253 ZPO
Der notwendige Inhalt der Klageschrift ergibt sich aus § 253 II ZPO.
2. Parteifähigkeit der Parteien, § 50 ZPO
– Formeller Parteibegriff: Der in der Klageschrift bezeichnete Kläger/Beklagte ist Partei.
– Parteifähigkeit knüpft an die Rechtsfähigkeit der Parteien an.
3. Prozessfähigkeit der Parteien, §§ 51, 52 ZPO
– Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, einen Prozess selbst oder durch einen selbst bestellten Vertreter wirksam führen zu können.
– Knüpft an die Geschäftsfähigkeit der Parteien an, u.U. ist auch nur eine partielle Geschäftsfähigkeit möglich, vgl. §§ 112, 113 BGB.
4. Prozessführungsbefugnis, § 51 I ZPO
– Befugnis, einen Prozess im eigenen Namen zu führen
oder
– Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen im Wege der Prozessstandschaft.
5. Zuständigkeit
a) Zivilrechtsweg, §§ 13, 17 GVG
Nicht zu prüfen, wenn eine Verweisung an das Zivilgericht gem. § 17a GVG vorliegt.
c) Örtlich, §§ 12ff. ZPO (beachte ggf. weitere Regelungen außerhalb der ZPO, z.B. § 61 III GmbHG).
– Gerichtsstandsvereinbarung im Rahmen des §§ 38, 40 ZPO möglich.
– Rügelose Einlassung möglich, sofern kein ausschließlicher Gerichtsstand begründet ist, §§ 39, 40 II ZPO. (Beachte: Beim Amtsgericht nur nach richterlichem Hinweis, § 504 ZPO).
– Bei sachlicher oder örtlicher Unzuständigkeit Verweisung an das zuständige Gerichte nur auf Antrag des Klägers, § 281 ZPO.
6. Streitgegenstandsbezogene Sachurteilsvoraussetzungen
a) Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
(-), wenn Klageziel einfacher und preiswerter erreichbar.
b) Keine anderweitige Rechtshängigkeit, § 261 III Nr. 1 ZPO
c) Keine rechtskräftige Entscheidung über Streitgegenstand
d) Prozessuale Klagbarkeit des Anspruchs
(-) zB bei § 1297 BGB
e) Ggf. besondere Sachurteilsvoraussetzungen für die jeweilige Klageart
f) Ggf. Sonstige Besonderheiten (zB Klagerücknahme, § 269 ZPO oder Klageänderung, § 263 ZPO)
III. Prozesshindernisse
Berücksichtigung nur bei Rüge durch eine Partei, nicht von Amts wegen.
1. Einrede des Schiedsvertrages, § 1032 ZPO
2. Mangelnde Kostenerstattung bei vorheriger Klagerücknahme, § 269 VI ZPO
3. Kostengefährdung bei Nicht-EU Ausländern, §§ 110-113 ZPO
Folgen der Nichterfüllung einer Zulässigkeitsvoraussetzung
Folgen des Fehlens einer echten Prozessvoraussetzung:
- Keine Klagezustellung, keine Anberaumung eines mündlichen Termins.
- Erneute Klageerhebung unter Vermeidung des Mangels möglich.
(Es ergeht kein Sachurteil, daher besteht keine entgegenstehende Rechtskraft).
Folgen des Fehlen einer Sachurteilsvoraussetzung:
- Zunächst Entstehen eines Prozessrechtsverhältnisses.
- Sofern nur die Rechtswegzuständigkeit fehlt, Verweisung von Amts wegen an das zuständige Gericht, § 17a II GVG.
- i.Ü.: Abweisung der Klage durch Prozessurteil, d.h. keine Sachentscheidung, sofern die fehlende Voraussetzung nicht bis spätestens zur letzten mündlichen Verhandlung erfüllt ist.
- Erneute Klageerhebung unter Vermeidung der prozessualen Mängel möglich.
Folgen des Bestehens eines Prozesshindernisses:
- Abweisung der Klage als unzulässig, soweit keine Abhilfe geschaffen wird (Ausnahme: § 113 ZPO).
- Erneute Klageerhebung möglich.
Das Schema ist in den Grundzügen entnommen von myjurazone.de.
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Einführung in die Thematik
Im 1. Staatsexamen sind in der ZPO meistens weniger Paragraphen bekannt als bekannt sein sollten. Aber manche Paragraphen der ZPO lassen sich so schön und einfach mit dem materiellen Recht verbinden, dass man sie kennen sollte. Dieses Prädikat verdient sich auf jeden Fall der § 167 ZPO, der insbesondere bei der Verzahnung mit der Verjährung eine Rolle spielt. Denn meistens vergehen ein paar Tage oder Wochen zwischen „Anhängigkeit“ und „Rechtshängigkeit“. Weil dem Kläger diese durch das Gericht verursachte Verzögerung nicht zur Last fallen soll, schafft § 167 ZPO Abhilfe.
Entscheidung des Gerichts
Der BGH hat sich in einer für Studierenden beachtenswerten Entscheidung (BGH, NJW2015, 2666 f.) mit Fragen zur Zustellung auseinander gesetzt. Immer drehen sich die Entscheidungen um die Auslegung des Merkmals „demnächst“. Zunächst führte das Gericht aus:
„Das Merkmal „demnächst“ ist nur erfüllt, wenn sich der Partei zuzurechnende Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten.“
Das hilft noch nicht viel weiter. Denn wie der Rahmen genau auszufüllen ist, bleibt zu vage. Daher wird meist auf eine 2-Wochen-Frist abgestellt.
„Im rechtlichen Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht allerdings mit Recht davon aus, dass das Merkmal „demnächst“ nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen.“
Insbesondere bei Kostenvorschüssen ist diese Frist wichtig. Kurz zum Hintergrund: Der Kläger reicht seine Klageschrift bei Gericht ein und wird – im Regelfall – von dem Gericht zur Zahlung eines Kostenvorschusses für die Gerichtsgebühren aufgefordert. Bis dieser eingegangen ist, wird die Klage nicht zugestellt. Ohne Zustellung wirkt aber nicht die Verjährungshemmung. Was passiert aber, wenn etwas bei dem Kostenvorschuss schief läuft? Dazu stellte das Gericht fest:
„Mit Blick auf die Einzahlung des Kostenvorschusses kommt es bei der Berechnung der noch hinnehmbaren Verzögerung von 14 Tagen nicht auf die Zeitspanne zwischen der Aufforderung zur Einzahlung der Gerichtskosten und deren Eingang bei der Gerichtskasse, sondern darauf an, um wie viele Tage sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert hat.“
Wir merken uns: Es kommt immer darauf an, wer etwas falsch gemacht hat. Doch auch wenn das Gericht nicht ordentlich arbeitet, trifft den Kläger bzw. seinen Prozessvertreter die Obliegenheit nachzuforschen.
Im vorliegenden Fall wurde der Kostenvorschuss an der falschen Stelle verlangt. Das verschafft dem Kläger mehr Zeit:
„Wurde der Kostenvorschuss verfahrenswidrig nicht von der klagenden Partei selbst, sondern über deren Anwalt angefordert, ist die damit einhergehende – der Partei nicht zuzurechnende – Verzögerung im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen. […] Auch von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheiten bedachten Partei kann nicht verlangt werden, an Wochenend- und Feiertagen sowie am Heiligabend und Silvester für die Einzahlung des Kostenvorschusses Sorge zu tragen.“
Auswirkungen auf das Examen
Für ein erfolgreiches Examen führt kein Weg an § 167 ZPO vorbei. Er ist teilweise der „Schlüssel“ zum Erfolg einer Klausur. Wer die Grundzüge der aktuellen BGH-Entscheidung nacharbeitet, wird im Examen kein Problem mit der Norm haben. Was kann realistisch abgefragt werden? Im Fokus stehen die 2-Wochenfrist und die Erkenntnis, dass es sich dabei um keine „starre“ Frist handelt. Es zählen die Erwägungen des Einzelfalls, wie das Verfahren rund um den Kostenvorschuss.
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Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Roy Dörnhofer zu veröffentlichen. Der Autor verfasst nach seiner Tätigkeit in der Justiz nunmehr E-Books zum Zivilrecht und Zivilprozessrecht, die auf amazon.de zu finden sind.
Die zivilrechtliche Zwischenfeststellungsklage in der Klausur
Bereits im ersten juristischen Staatsexamen sind Grundkenntnisse des Zivilprozessrechts erforderlich. Zwar stellen Probleme aus diesem Bereich regelmäßig nicht den Schwerpunkt der Prüfungsaufgabe dar. Die Kenntnisse können aber z.B. leicht als Zusatzfrage am Ende einer Klausur oder aber als Einstieg in die Prüfung der Erfolgsaussichten einer Klage abgefragt werden. Im Folgenden soll ein kleiner Teilbereich behandelt werden, der möglicherweise manchem jungen Juristen noch unbekannt ist. Es geht dabei um die Behandlung einer Zwischenfeststellungsklage in der Klausur.
I. Sinn und Zweck der Zwischenfeststellungsklage
Zunächst empfiehlt es sich, das Pferd von hinten aufzuzäumen, um sich diesem prozessualen Problem zu nähern. Für das bessere Verständnis der Materie soll deshalb nicht sogleich die Zulässigkeit untersucht werden, sondern erst ein Blick auf die Rechtskraft eines Zivilurteils geworfen werden. Wenn ein Zivilgericht ein Urteil über eine Leistungsklage fällt, erwächst der Tenor in Rechtskraft, der sogenannte Leistungsbefehl. Die tragenden Gründe, warum das Gericht zu dem konkreten Ergebnis gekommen ist, nehmen an dieser Rechtskraftwirkung nach § 322 I ZPO allerdings nicht teil (BGHZ 42, 340, 350). Demgemäß könnte das zugrunde liegende Rechtsverhältnis in einem späteren Prozess eine völlig andere Beurteilung durch ein anderes Gericht erfahren (oder sogar durch dasselbe Gericht, was insbesondere dann geschehen kann, wenn ein Richterwechsel in der Kammer oder dem Senat erfolgt), welches möglicherweise das genaue Gegenteil für zutreffend hält. Die Zwischenfeststellungsklage nach § 256 II ZPO soll dieser Gefahr der divergierenden Entscheidungen durch die Erweiterung der Rechtskraft entgegenwirken, indem auch sogleich das „vorgreifliche“ Rechtsverhältnis rechtskräftig für die Zukunft geklärt wird. So kann der Kläger etwa ein Interesse daran haben, dass eine Feststellung des seinem Klageantrag zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses erfolgt, sodass er auch in einem Folgeprozess Ansprüche aus diesem Rechtsverhältnis mit Erfolg geltend machen kann und nicht mit einer abweichenden Beurteilung rechnen muss. Gleiches gilt für den Beklagten, der durch eine solche Klage bereits jetzt eine rechtskräftige Entscheidung über das Rechtsverhältnis erwirken will, um der zukünftigen Geltendmachung von Ansprüchen des Klägers aus diesem Verhältnis einen Riegel vorzuschieben. In diesen Fällen bietet es sich somit an, eine entsprechende Klage zur Verhinderung von sich widersprechende Entscheidungen und unnötigen weiteren Kosten für einen späteren Prozess zu erheben. Auch das Argument des Einsparens von Zeit und Arbeitsaufwand ist hier nicht zu vernachlässigen. In der Praxis ist die Zwischenfeststellungsklage im Gegensatz zur Ausbildung von großer Bedeutung.
II. Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage
Allerdings sind diesem prozessualen Mittel auch Grenzen gesetzt. Wer sich schon einmal mit dem Zivilprozessrecht befasst hat, weiß, dass eine Feststellungsklage gem. § 256 I ZPO anders als die Leistungsklage ein besonderes Feststellungsinteresse voraussetzt und hinter letzterer als subsidiär zurücktritt. Für die Erhebung der Zwischenfeststellungsklage wird jedoch ein besonderes Feststellungsinteresse nicht gefordert und es besteht auch keine Subsidiarität gegenüber einer Leistungsklage. Deshalb müssen andere Voraussetzungen vorliegen, um die derartig privilegierte Zwischenfeststellungsklage zuzulassen. Es handelt sich dabei um folgende drei Merkmale, die als besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten:
1. Streitiges Rechtsverhältnis
2. Vorgreiflichkeit
3. Rechtsschutzbedürfnis.
In einer Klausur wäre deshalb bei einer Zwischenfeststellungsklage des Klägers zunächst unter einem ersten Gliederungspunkt die Zulässigkeit der Klage zu prüfen, wie etwa die sachliche und örtliche Zuständigkeit des Gerichts. In diesem Rahmen wäre dann auch die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage mit den vorstehend genannten Voraussetzungen zu erörtern. Erst danach wäre unter einem zweiten Gliederungspunkt die in diesem Fall vorliegende objektive Klagehäufung nach § 260 ZPO anzusprechen, da es sich bei der Hauptklage und der Zwischenfeststellungsklage gegen denselben Beklagten um zwei verschiedene Anträge und damit Streitgegenstände handelt. Wie bekannt sein dürfte, führt das Fehlen der Voraussetzungen einer objektiven Klagehäufung nicht zur Unzulässigkeit der Klage, sondern allenfalls zur Trennung der Verfahren gem. § 145 ZPO, weshalb das Problem unter einem gesonderten Punkt außerhalb der Zulässigkeit der Klage anzusprechen ist. Als letzter Punkt wäre sodann die Begründetheit von Klage und Zwischenfeststellungsklage zu prüfen. Sofern der Beklagte eine Zwischenfeststellungsklage erhoben hat, wären die drei genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen im Rahmen einer Widerklage zusätzlich zu deren Zulässigkeitsvoraussetzungen darzustellen, bevor auf die Begründetheit der Widerklage eingegangen wird. In einem anhängigen Hauptverfahren kann die Zwischenfeststellungsklage also entweder sofort bei der Klageerhebung oder auch später während des Verfahrens nach § 261 II ZPO durch eine Erweiterung des Klageantrags oder vom Beklagten durch eine Widerklage erhoben werden. Letzter Zeitpunkt ist allerdings der Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung, auf welche das Urteil ergeht. Als nächstes sollen die drei Zulässigkeitsvoraussetzungen etwas näher erläutert werden.
1. Streitiges Rechtsverhältnis
Für die Zulässigkeit der Zwischenfeststellungsklage ist zunächst ein anhängiges Hauptverfahren nötig. Dabei ist zu beachten, dass es entgegen dem Wortlaut des § 256 II ZPO nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht maßgeblich ist, ob das Verhältnis schon vor oder erst nach Klageerhebung streitig wurde (BGH NJW-RR 1990, 318, 319).
2. Vorgreiflichkeit
Dieses Merkmal ist dann erfüllt, wenn die Entscheidung von dem Bestehen oder Nichtbestehen dieses Rechtsverhältnisses ganz oder teilweise abhängt. Als Rechtsverhältnis ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder einer Person zu einer Sache gemeint, also etwa die Frage, ob jemand Eigentümer einer Sache ist oder ob ein Kaufvertrag wirksam ist. Zu unterscheiden davon ist eine bloße Tatsache, wie etwa die Echtheit einer Urkunde, da hier kein Rechtsverhältnis vorliegt. Für die Vorgreiflichkeit muss also in den Urteilsgründen eine Entscheidung über dieses Rechtsverhältnis zu treffen sein. An dieser Stelle wäre somit zu prüfen, ob das Gericht eine Entscheidung über die Zwischenfeststellungsklage in jedem Fall als Vorfrage treffen muss (BGH NJW-RR 1990, 318, 320). Kann allerdings die Hauptklage unabhängig von dem festzustellenden Rechtsverhältnis entschieden werden, ist keine Vorgreiflichkeit gegeben.
3. Rechtsschutzbedürfnis
Letztlich muss auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Zwischenfeststellungsklage vorliegen, d.h., es muss zumindest die Möglichkeit bestehen, dass aus dem streitigen Rechtsverhältnis weitere Ansprüche unter den Parteien entstehen können. Die Vorgreiflichkeit allein reicht für die Zulässigkeit der Klage nämlich nicht aus. Somit wäre eine Zwischenfeststellungsklage unzulässig, wenn das Urteil über die Hauptklage die Rechtsbeziehungen der Parteien bereits erschöpfend regeln würde (BGHZ 69, 37, 43).
III. Beispiele
Zur Verdeutlichung der vorstehend gemachten Ausführungen sollen zwei Beispiele dienen, anhand derer sich die Problematik leicht erschließt.
1. Zwischenfeststellungsklage des Klägers
Der Kläger verlangt als Eigentümer im Wege der Leistungsklage die Herausgabe einer Sache sowie die Feststellung seines Eigentums. Es liegen also zwei Klageanträge und damit eine objektive Klagehäufung vor. Hier soll neben dem Herausgabeantrag ein vorgreifliches Rechtsverhältnis festgestellt werden, denn die Frage, ob der Kläger Eigentümer der Sache ist, stellt eine Vorfrage der bereits erhobenen Leistungsklage dar. Mit diesem Vorgehen kann der Kläger erreichen, dass die Feststellung seines Eigentums in materielle Rechtskraft erwächst, sodass er in einem weiteren Prozess etwa Nutzungen nach § 987 BGB vom Beklagten verlangen könnte (BGH NJW 1983, 164 f.). Denn die Rechtskraft des Herausgabeurteils würde sich ansonsten nicht auf die Eigentumslage erstrecken und die Frage des Eigentums könnte in einem weiteren Prozess anders beurteilt werden.
2. Zwischenfeststellungsklage des Beklagten
In einem anderen Fall kann aber auch der Beklagte eine Zwischenfeststellungsklage erheben. Man möge etwa annehmen, dass der Kläger einen vertraglichen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 5.000 € hat und einen Teilbetrag in Höhe von 3.000 € an einen Dritten abtritt, wobei er dem Beklagten die Abtretung auch sogleich anzeigt. Wenn der Kläger nun eine Leistungsklage auf Zahlung von 2.000 € gegen den Beklagten erhebt, kann dieser neben der Klageabweisung zugleich im Wege der Widerklage die Feststellung beantragen, dass eine solche vertragliche Vereinbarung nicht besteht (BGHZ 69, 37 ff.). Dabei handelt es sich nicht um eine Feststellungsklage nach § 256 I ZPO, für die es an einem Feststellungsinteresse fehlen würde, zumal die Entscheidung in der Hauptsache den Anspruch bereits erschöpfend erledigen würde. Vielmehr liegt eine zulässige, verneinende Zwischenfeststellungsklage vor, bei der jedenfalls die Möglichkeit besteht, dass sich der Kläger die abgetretene Forderung wieder vom Dritten zurück abtreten lässt und diese dann gegen den Beklagten geltend macht, sodass insbesondere ein Rechtsschutzbedürfnis besteht (BGHZ 69, 37, 42). Anhand dieses Beispiels wird deutlich, dass die Situation eine andere rechtliche Behandlung erfährt, wenn der Kläger einen Teil seiner Forderung abtritt. Hätte er das nämlich nicht getan und den gesamten Betrag eingeklagt, wäre die Zwischenfeststellungsklage des Beklagten unzulässig. Dann würde das Urteil die gesamte rechtliche Beziehung der Parteien vollständig umfassen, weshalb es an einem Rechtsschutzbedürfnis für die Zwischenfeststellungsklage fehlen würde.
In den vergangenen Wochen hat der BGH wieder eine Reihe examensrelevanter Urteile in Zivilsachen erlassen, die wir Euch nicht vorenthalten möchten. Einige dieser Urteile haben wir schon an anderer Stelle besprochen (z.B. BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 249/12 über die Wirksamkeit der AGB von Reinigungen, dazu dieser Beitrag und BGH, Urt. v. 1.8.2013 – VII ZR 6/13 zu Mangelgewährleistungsrechten bei steuerlicher Schwarzarbeit, dazu dieser Beitrag).
I. Materielles Recht
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 169/12 (zu §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB) – TOP-TIPP:
Mehrkosten eines eigenen Deckungskaufs des Käufers sind nicht als Verzögerungsschaden nach § 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB ersatzfähig. Es handelt sich um einen an die Stelle der Leistung tretenden Schaden, den der Gläubiger nur unter den Voraussetzungen von § 280 Abs. 1, 3, § 281 BGB und somit nicht neben der Vertragserfüllung beanspruchen kann.
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 191/12 (zu § 536a BGB):
Die Kündigung eines Mietverhältnisses, die von einem sachlichen Grund zur fristlosen Kündigung getragen ist, steht, auch wenn sie an einem formellen Mangel leidet, einem auf § 536a Abs. 1 BGB gestützten Ersatz derjenigen Schäden nicht entgegen, die darauf beruhen, dass der Mieter bestehende Mängel der Mietwohnung berechtigterweise zum Anlass nimmt, wegen einer nicht mehr vorhandenen Tauglichkeit der Wohnung zum vertragsgemäßen Gebrauch eine den Umständen nach angemessene neue Wohnung anzumieten.
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – III ZR 342/11 (zu § 839 BGB):
a) Zur Amtshaftung wegen menschenunwürdiger Haftbedingungen.
b) Dem Inhaftierten, der menschenunwürdigen Haftbedingungen ausgesetzt ist, steht kein Entschädigungsanspruch nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zu. Art. 5 EMRK bezieht sich grundsätzlich nur auf die Freiheitsentziehung als solche, nicht auf die Modalitäten des Vollzugs der Haft. Unzumutbare Haftbedingungen werden ausschließlich von Art. 3 EMRK erfasst. Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen Art. 3 EMRK richten sich primär nach nationalem Recht in Deutschland nach §§ 839, 249 ff BGB.
Anm. d. Verf.: Die EMRK gilt in Deutschland nach der Rechtsprechung des BVerfG (z.B. BVerfG, Urt. v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, 315) im Rang eines einfachen Bundesgesetzes.
BGH, Urt. v. 11.6.2013 – VI ZR 209/12 (zu § 823 Abs. 1 BGB):
Zur Zulässigkeit eines satirisch gefärbten Fernsehbeitrags über das Streitgespräch eines Journalisten mit einer Teilnehmerin an einer Mahnwache im Hinblick auf das Recht am eigenen Bild und am eigenen Wort.
BGH, Urt. v. 4.6.2013 – II ZR 207/10 (zu §§ 138, 705 BGB):
a) Die im Gesellschaftsvertrag einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts begründete Verpflichtung einer nicht leistungsfähigen Gesellschafterin zur Rückzahlung erheblicher Beträge, die der andere Gesellschafter einlegt und die vereinbarungsgemäß dem im Interesse der Gesellschaft tätigen Ehemann der Gesellschafterin zufließen, ist nicht sittenwidrig, wenn die Ehefrau aufgrund ihrer Gesellschafterstellung ein adäquates wirtschaftliches Eigeninteresse an der mit den Zahlungen verbundenen Förderung des Gesellschaftszwecks hat.
b) Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit gesellschaftsvertraglicher Regelungen erfordert eine Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller relevanten Umstände, die zur Zeit des Vertragsschlusses gegeben sind.
BGH, Urt. v. 14.5.2013 – X ZR 15/11 (zu §§ 651c Abs. 1, 651a Abs. 1, 651e Abs. 1, 651f Abs. 2 BGB):
a) Inwieweit die Reise mangelhaft war und sich der Reisepreis infolgedessen mindert, kann bei
einer Kreuzfahrt nicht schematisch aufgrund eines für jeden Reisetag anzusetzenden gleichen Bruchteils des Reisepreises beurteilt werden. Vielmehr ist eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der einzelnen Teilen des Reiseprogramms unterschiedliches Gewicht beizumessen sein kann.
b) Ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit verlangen kann, hängt nicht nur davon ab, in welchem Umfang Reiseleistungen nicht oder nicht vertragsgemäß erbracht worden sind. Vielmehr ist aufgrund einer an Zweck und konkreter Ausgestaltung der Reise sowie Art und Dauer der Beeinträchtigung orientierten Gesamtwürdigung zu beurteilen, wie gravierend sich die Mängel für den Reisenden ausgewirkt haben.
c) Eine bestimmte Minderungsquote, etwa von 50%, ist für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise weder notwendig noch ausreichend. Eine hohe Minderungsquote ist jedoch ein Indiz für eine erhebliche Beeinträchtigung.
d) Grundsätzlich dieselben Maßstäbe gelten für die Beurteilung der Frage, ob der Reisende wegen einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise den Vertrag kündigen kann
BGH, Urt. v. 28.5.2013 – VI ZR 125/12 (zu Art. 5 GG, Artt. 8, 10 EMRK, §§ 22, 23 KUG):
Zur Zulässigkeit der Bildberichterstattung über die Teilnahme eines 11-jährigen Kindes an einer Sportveranstaltung.
II. Prozessrecht
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – VII ZR 52/12 (zu §§ 256 Abs. 1, 263 Abs. 3 Nr. 1 ZPO):
Erhebt der Kläger, der in einem Rechtsstreit eine positive Feststellungsklage erhoben hat, nachfolgend in einem weiteren Rechtsstreit eine Leistungsklage, mit der ein aus demselben streitigen Rechtsverhältnis abgeleiteter Anspruch geltend gemacht wird, steht dem die Rechtshängigkeit der Feststellungsklage nicht entgegen, unabhängig davon, ob mit der Leistungsklage alle von der Feststellungsklage erfassten Ansprüche geltend gemacht werden.
BGH, Urt. v. 18.7.2013 – III ZR 208/12 (zu § 314 ZPO) – nur für Referendare wichtig:
Der nach § 314 Satz 1 ZPO erbrachte Beweis kann durch das Sitzungsprotokoll gemäß § 314 Satz 2 ZPO nur entkräftet werden, wenn die dort getroffenen Feststellungen ausdrücklich oder wenigstens unzweideutig denjenigen des Tatbestands widersprechen.
BGH, Urt. v. 4.7.2013 – IX ZR 306/12 (zu § 11 RVG) – nur für Referendare wichtig:
Beantragt der Rechtsanwalt gegen seinen Mandanten, nachdem er diesem höhere Rahmengebühren in Rechnung gestellt hat, die Festsetzung der Mindestgebühren, verzichtet er damit auf die weitere Gebührenforderung.
BGH, Urt. v. 3.7.2013 – VIII ZR 354/12 (zu § 558 Abs. 2 ZPO) – nur für Referendare wichtig:
Zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete durch Sachverständigengutachten.
Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag
“Gerichtsstände der ZPO” von Prof. Dr. Klaus Schreiber
stellt nach den Aufsätzen aus Januar (Wiedereinsetzung) und Februar (Prozessvergleich) nun den dritten (und vorerst letzten) Grundlagenbeitrag aus dem Programm der JURA zu einem zivilprozessrechtlichen Thema dar. Wie schon dessen Vorgänger, führt der heutige Aufsatz in einen Themenkomplex ein, der für Referendare zum unverzichtbaren Standardwissen gehört, aber durchaus auch einmal Gegenstand einer Zusatzfrage oder prozessualen Einkleidung im ersten Examen sein kann. Die Gerichtsstände selbst dürften dabei – jedenfalls in Klausuren zum zweiten Examen – regelmäßig weniger Schwierigkeiten aufwerfen als Fragen zu Gerichtsstandsvereinbarungen und rügelosem Einlassen. Der heutige Beitrag gibt einen ersten komprimierten Überblick.
Ihr findet ihn wie immer hier.
Zum neuen Jahr haben sich einige Vorschriften in der Zivilprozessordnung geändert. Grundlage für diese Änderungen ist das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258). Bemerkenswert ist, dass dieses Gesetz teilweise seit dem 01. August 2009 in der Welt ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollte das Gesetz grundsätzlich aber erst nach einer angemessenen Übergangsfrist in Kraft treten, um den Ländern dessen organisatorisch-technische Umsetzung zu ermöglichen (BT-Drucks. 16/10069, S. 54).
Obwohl in der Literatur von „Institutionellen Änderungen“ (Vollkommer, NJW 2012, 3681) und einem „Sprung vom 19. ins 21. Jahrhundert“ (Würdinger, JZ 2011, 177) die Rede ist, dürfte sich die Bedeutung der Reform für die Juristenausbildung in Grenzen. Gleichwohl dürfte ein Überblick über die Änderungen gerade für Referendare interessant sein.
Nach dem allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung wollte der Gesetzgeber vor allem die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung für den Gläubiger im Vollstreckungsverfahren vorverlagern und verbessern (BT-Drucks. 16/10069, S. 1, 20), denn
Die Möglichkeiten der Informationsgewinnung für den Gläubiger setzen erst nach einem erfolglosen Fahrnispfändungsversuch und damit zu spät ein.
Für die Erteilung eines Vollstreckungsauftrags benötigt er allerdings konkrete Anhaltspunkte über verwertbares Vermögen des Schuldners. Nach geltendem Recht kann der Gläubiger erst nach einem fruchtlosen Fahrnispfändungsversuch die Abnahme der eidesstattlichen Versicherung, in deren Rahmen der Schuldner ein Verzeichnis seines gesamten Vermögens vorzulegen hat, verlangen.
und
Dieses Regelungskonzept folgt der Vorstellung, primäres Vollstreckungsziel sei die Pfändung und Verwertung beweglicher Sachen (Fahrnisvollstreckung). Dieser Ansatz erklärt sich historisch daraus, dass noch im 19. Jahrhundert bei weiten Bevölkerungskreisen werthaltiger Besitz ganz überwiegend aus beweglicher Habe bestand.
Im Übrigen sollen weitere nach Ansicht des Gesetzgebers überfällige Anliegen des allgemeinen Vollstreckungsrechts umgesetzt werden (BT-Drucks. 16/10069, S. 20).
Während die Darstellung (vor allem der verfahrensrechtlichen) Einzelheiten der Reform (inbesondere auch betreffend das neue Schuldnerverzeichnis nach § 882b ff. ZPO) der Fachliteratur vorbehalten bleibt, soll im Folgenden ein Überblick über diejenigen Neuerungen gegeben werden, die zumindest auch den ZPO-Prüfungsstoff betreffen.
I. §§ 754, 755 ZPO: neue Befugnisnorm für Gerichtsvollzieher
Mit Wirkung vom 01.01.2013 wurden die §§ 754, 755 ZPO neugefasst. Der alte § 754 ZPO wurde gestrichen. Der neue § 754 ZPO enthält jetzt zwei Absätze. Abs. 1 ist klarstellender Natur (bezüglich hoheitlicher Befugnisse des Gerichtsvollziehers) und Abs. 2 enthält den früheren § 755 Abs. 2 ZPO. Der neue § 755 ZPO enthält entsprechend dem allgemeinen Anliegen des Reformgesetzgebers (s.o.) eine neue Befugnisnorm, wonach der Gerichtsvollzieher bei entsprechendem Antrag des Gläubigers den Aufenthaltsort des Schuldners ermitteln darf (was bislang Sache des Gläubigers war – die Formulierung „darf“ ist missverständlich, ein Ermessen steht dem Gerichtsvollzieher nicht zu, BT-Drucks. 16/10069, S. 23).
II. § 753 Abs. 3 ZPO: Formularzwang für Vollstreckungsantrag
§ 754 ZPO diente in der bis zum 31.12.2012 geltenden Fassung (nachlesen!) als Beleg für die Formfreiheit des Antrags auf Einleitung der Zwangsvollstreckung (so etwa bei Lackmann, in: Musielak, ZPO, 9. Auflage 2012, § 753 Rn. 6).
Im Hinblick auf die Form des Antrags auf Einleitung der Zwangsvollstreckung ist nunmehr die neue Verordnungsermächtigung des § 753 Abs. 3 ZPO zu beachten. § 753 Abs. 3 ZPO ermächtigt das Bundesministerium der Justiz, durch Rechtsverordnung, die der Zustimmung des Bundesrats bedarf, einen Formularzwang für sämtliche Vollstreckungsanträge in der ZPO-Zwangsvollstreckung einzuführen.
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/10069, S. 23) führt dazu aus:
Derzeit können die Vollstreckungsaufträge formlos – auch mündlich – erteilt werden. Die schriftlichen Anträge sind sehr unterschiedlich gestaltet. Zwar verwenden viele Gläubiger Textbausteine; ihr unterschiedlicher Umfang und Aufbau erschweren aber die Erfassung ihres Inhalts durch den Gerichtsvollzieher. Dies gilt insbesondere für die Aufschlüsselung von Haupt- und Nebenforderungen sowie der Kosten. Die Strukturierung des Auftragsinhalts durch einen Formularzwang bietet daher erhebliche Rationalisierungspotenziale.
Für die Forderungspfändung (PfÜB) und die Wohnungsdurchsuchung sind bereits Verordnungen in Kraft getreten und Formulare entwickelt worden, die seit dem 01.03.2013 verbindlich sind (abrufbar auf der Seite des BMF ). Nach Aussagen in der Literatur arbeitet das BMF derzeit an weiteren (verbindlichen) Formularen für alle Zwangsvollstreckungsanträge (Vollkommer, NJW 2012, 3681, 3683). Diese Entwicklung gilt es also unbedingt im Auge zu behalten. In Zukunft dürfte sich dann etwa die Frage stellen, welche Konsequenzen eine Nichtbeachtung des Formularzwangs für daraufhin getroffene Vollstreckungsmaßnahmen hat (Stichworte: Rechtsschutz nach § 766 ZPO, Erinnerungsbefugnis?).
III. § 829a ZPO: Vereinfachung der Zwangsvollstreckung bei elektronischem Auftrag
Im Übrigen wurde zur Vereinfachung und Beschleunigung der Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid ein neuer § 829a ZPO eingefügt. Danach wird im Falle eines elektronischen Auftrags zur Zwangsvollstreckung aus einem Vollstreckungsbescheid bei Pfändung und Überweisung einer Geldforderung auf die Übermittlung der Ausfertigung des Vollstreckungsbescheides verzichtet.
IV. §§ 802a ff. ZPO: Grundsätze der Zwangsvollstrechung
Der 1. Titel des 2. Abschnitts des 8. Buches wird neu gefasst und normiert fortan verschiedene Grundsätze der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen. Das bisher in §§ 899 ff. ZPO geregelte Verfahren zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung und der Möglichkeiten zu ihrer Erzwingung wird ebenfalls in diesen Abschnitt verschoben, weil – entsprechend der Intention des Reformgesetzgebers – der vorherige Versuch einer Fahrnisvollstreckung nicht mehr erforderlich ist.
- § 802a ZPO: Grundsätze der Vollstreckung/Befugnisse der Gerichtsvollziehers
Von besonderer Bedeutung ist insoweit der neue § 802a ZPO, der einige Grundsätze zur Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen vorab festgelegt, die bislang entweder vereinzelt oder gar nicht ausdrücklich in der ZPO geregelt waren.
- § 802a Abs. 1 ZPO: Grundsatz effizienter Vollstreckung
Besonderer Erwähnung bedarf insoweit § 802a Abs. 1 ZPO, der den insbesondere für die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen bedeutsamen Grundsatz effizienter Vollstreckung, der bislang in der ZPO nicht ausdrücklich niedergelegt war, gesetzlich regelt. Ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 16/10069, S. 24) versteht sich die Regelung als programmatische Leitlinie und zugleich als Maßstab für die Rechtsanwendung des Gerichtsvollziehers im Einzelfall. Konkrete Rechtsfolgen sind aus ihr allein jedoch nicht abzuleiten.
- § 802a Abs. 2 ZPO: Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers
§ 802a Abs. 2 ZPO enthält Regelbefugnisse des Gerichtsvollziehers, die aber – mit Ausnahme der Befugnis zur gütlichen Einigung – vom Gläubiger im Vollstreckungsauftrag ausdrücklich bezeichnet werden müssen.
Der Gläubiger muss dabei insbesondere nicht – wie bisher (§ 807 ZPO aF) – zunächst einen Pfändungsversuch durchführen lassen, bevor er sich Informationen über die aktuelle Vermögenssituation des Schuldners verschaffen darf. Dies ist aus Effizienzgründen nunmehr auch schon im Vorfeld möglich, um anschließend über die Einleitung gezielter Vollstreckungsmaßnahmen entscheiden zu können (Die entsprechenden Vorschriften des § 802a Abs. 2 ZPO sind insofern im Zusammenhang mit dem neuen § 755 ZPO zu sehen).
- § 802a Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 2. Hs. ZPO: der neue § 845 Abs. 1 Satz 3 ZPO
Wichtig für die Ausbildung ist zudem § 802a Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 2. Hs. ZPO. Diese Norm ersetzt für die Vorpfändung nämlich § 845 Abs. 1 Satz 3 ZPO. Die Vorpfändung ist als privatrechtliche Zwangsvollstreckungsmaßnahme vor allem bei der Zwangsvollstreckung in Geldforderung von erheblicher Bedeutung. Sie dient dazu, den bei Zuspätkommen eines gerichtlichen Pfändungsbeschlusses drohenden Schaden durch Rangsicherung (§ 845 Abs. 2 ZPO) zu verhindern. Aus Gründen der Beschleunigung bedarf es abweichend von § 750 ZPO weder der vorherigen Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, noch der Zustellung an den Schuldner. Da dieses Lehrbuchbeispiel einer Ausnahme von § 750 ZPO nun nicht mehr in § 845 Abs. 1 Satz 3 ZPO zu finden ist, sollte man, um zu verhindern, dass man in einer Klausur in erhebliche Schwierigkeiten gerät, § 802a Abs. 2 Nr. 5 2. Hs. ZPO unbedingt kennen.
- § 802c Abs. 1 ZPO: Vermögensauskunft des Schuldners
Die Norm regelt nun die Vermögensauskunft des Schuldners im Vorfeld der Zwangsvollstreckung. Voraussetzungen der Auskunftspflicht sind ein entsprechender Antrag des Gläubigers (vgl. insoweit § 802a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ZPO) und das Vorliegen der allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung (vgl. auch BT-Drucks. 16/10069, S. 25).
V. Weitere zahlreiche Folgeänderungen
Im Übrigen bringt die Reform zahlreiche redaktionelle und systematische Folgeänderungen. In vielen Fällen wurden einzelne Sätze in Vorschriften gestrichen und in die §§ 802a ff. ZPO verschoben. Wenn man also plötzlich mal eine bekannte Vorschrift vermisst, könnte ein Blick in diesen neuen Abschnitt helfen.
VI. Ab 01.01.2014: Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess
Hingewiesen sei zum Abschluss noch auf das Gesetz zur Einführung einer Rechtsbehelfsbelehrung im Zivilprozess vom 05.12.2012 (BGBl. I S. 2418), dass im Wesentlichen zum 01.01.2014 in Kraft treten und u.a. in einem neuen § 232 ZPO eine umfassende Pflicht zur Rechtsbehelfsbelehrung bei anfechtbaren Entscheidungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten in den Zivilprozess einführen wird (siehe zum Hintergrund die Pressemitteilung des BMJ)
Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag
“Grundlagen des Insolvenzrechts und prüfungsrelevante Schwerpunkte” von Dr. Jens Wuttke
stellt in einem knappen und prägnanten Aufsatz die examensrelevanten Grundkenntnisse im Insolvenzrecht dar. Das Insolvenzrecht mag im ersten sowie zweiten Staatsexamen nur eine untergeordnete Rolle spielen. Gleichwohl werden Sachverhalte gestellt, bei denen zumindest Grundkenntnisse in diesem Bereich erforderlich sind. Damit man in einem solchen Fall nicht vollkommen kalt erwischt wird, sollte man den hier zur Verfügung gestellten Beitrag sowie die wichtigsten Normen der InsO zumindest einmal gelesen haben. Das Auftauchen eines Insolvenzverwalters dürfte dann im Examen keine allzu große Hürde mehr darstellen. Ein über das hier Gesagte hinaus gehender Aufwand sollte für das Insolvenzrecht im Übrigen nicht investiert werden.
Den Beitrag findet ihr hier.
Lackmann, Zwangsvollstreckungsrecht mit Grundzügen des Insolvenzrechts – Eine Einführung in Recht und Praxis, 9. Auflage 2010. ISBN 978-3-8006-3702-7
Das Zwangsvollstreckungsrecht gehört zum absoluten Pflichtprogramm im zweiten Staatsexamen. Aus diesem Grund habe ich mir das Werk von Lackmann einmal zu Gemüte geführt. Alles in allem hinterlässt das Werk einen durchaus positiven Eindruck.
1. Erscheinungsbild
Das Layout des Lehrbuchs ist zweckmäßig. Zwischenüberschriften und Untergliederungen sind maßvoll eingesetzt und sorgen für einen guten Lesefluss.
2. Aufbau und Inhalt
Das Buch vermittelt zu Beginn eine Vielzahl allgemeiner Grundsätze zum Thema Zwangsvollstreckung. Im Anschluss werden die jeweiligen Rechtsbehelfe besprochen. Im Gegensatz zu den meisten Skripten werden hier jedoch auch umfassendere Hintergrundinformationen geliefert. Zum Schluss enthält das Werk noch einige Übungsfälle sowie Kurzübersichten zu bestimmten Problemkreisen. Auch ein knapper Crashkurs zum examensrelevanten Insolvenzrecht ist enthalten.
Der Umfang des „rechtlichen“ Teils des Buchs umfasst damit knapp 280 Seiten. Die restlichen 100 Seiten sind somit lediglich „Bonusmaterial“. Im Vergleich zu Skripten zum Zwangsvollstreckungsrecht ist der Umfang des Buchs damit noch in einem sehr überschaubaren Bereich. Sofern ein wenig an Vorwissen vorhanden ist, kann man das Buch damit gut auch mal im Schnelldurchlauf an einem Wochenende durchlesen. In diesem Sinne umgesetzt wurde auch die sprachliche Ausarbeitung, denn die meisten Abschnitte können nicht zuletzt auch aufgrund der sehr einfach gehaltenen Sprache so schnell erfasst werden.
In inhaltlicher Hinsicht überzeugte mich der stellenweise Tiefgang mit rechtlichen Hintergrundinformationen zu bestimmten Konstellationen. Da das Zwangsvollstreckungsrecht im zweiten Examen durchaus vertieft beherrscht werden muss, bevorzuge ich dieses Werk deshalb in Relation zu kürzeren Abhandlungen. Obschon der etwas tiefer gehenden Darstellung ist das Buch dennoch erstaunlich kurz. Es besticht deshalb durch eine sauber abgestimmte Schwerpunktsetzung. Die weniger relevanten Problemkreise werden in gebotener Kürze abgehandelt bzw. oftmals offen gelassen. Andererseits werden besonders relevante Aspekte zu Beginn nur kurz angerissen und im Verlauf nochmals vertieft.
Für meinen Geschmack zu kurz kommen in dem Werk Formulierungsvorschläge und Vorgaben für zwangsvollstreckungsspezifische Formalia. Die Übungsfälle am Ende des Werkes gleichen diesen Mangel in meinen Augen nicht hinreichend aus. Zu diesem Zweck sollte sich der Examenskandidat wohl noch weiterführende Literatur beschaffen. Zu empfehlen ist hierfür etwa Kaiser, Die Zwangsvollstreckungsklausur im Assessorexamen.
3. Fazit
Alles in allem kann man mit dem Kauf dieses Werkes nicht viel falsch machen. Sofern man noch mehr Wert auf Formulierungsbeispiele und die entsprechenden Formalia legt und diese nicht bereits über die AG oder ein Repetitorium bezieht, muss hingegen darüber hinaus noch in zusätzliche Literatur investiert werden.
Fristenberechnung in der juristischen Klausur
Das Berechnen von Fristen bereitet in der juristischen Klausur oftmals Schwierigkeiten und ist deshalb ein wenig beliebter Teil einer Klausur. Grund hierfür könnte sein, dass der Fristberechnung im Studium wenig Beachtung geschenkt wird und diese Problematik eher dem Praktiker zugewiesen wird. Dennoch müssen die Grundzüge der Fristberechnung bereits im Ersten Examen beherrscht werden, werden Klausuren doch sehr häufig mit dieser kleinen Problematik „angefettet“.
Das Beherrschen der Fristenproblematik erfordert – hat man es einmal verstanden – nur sehr wenig Aufwand; dennoch unterscheiden sich gerade auch an solchen Stellen gute von weniger guten Klausuren. Aus diesem Grund möchte der Beitrag kurz die Modalitäten der Fristberechnung aufzeigen und dabei insbesondere auch auf ein spezielles Problem eingehen, dass kürzlich vom BAG erneut entschieden wurden ist (8 AZN 808/11).
Anknüpfungspunkte zur Berechnung der Frist gibt es gesetzlich mehrere: So enthält das BGB in §§ 187 ff BGB als auch die ZPO in §§ 221 und 222 ZPO und das VwVfG in § 31 VwVfG Regelungen zur Fristberechnung. Je nachdem um welche Art von Frist es sich handelt, muss die Grundlage der Frist im jeweiligen Gesetz gesucht werden: Handelt es sich um eine zivilprozessuale Frist, ist zunächst die ZPO einschlägig; bei einer verwaltungsprozessualen muss die Prüfung im VwVfG beginnen. Diese beiden Einstiege sind die in der Klausur am häufigsten. Aber selbst wenn eine anderweitige Frist zu berechnen ist, ist dies mit den nachfolgend dargestellten Grundsätzen unproblematisch möglich.
Ereignistag/ Fristbeginn
Die Frist knüpft grundsätzlich an das Vorliegen eines bestimmten fristauslösenden Ereignisses an. § 221 ZPO stellt hierzu auf die Zustellung des Dokuments, in dem die Frist festgelegt ist, ab. § 31 Abs. 2 VwVfG stellt allgemein auf die Bekanntgabe der Frist ab. Noch allgemeiner formuliert § 187 Abs. 1 BGB, dass die Frist mit einem Ereignis oder einem auf den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt beginnt.
Hier stellt sich schon die erste Schwierigkeit bei der Fristberechnung, nämlich die Frage nach dem genauen Beginn der Frist. § 31 Abs. 2 VwVfG legt hierzu fest, dass die Frist an dem Tag, der auf die Bekanntgabe folgt, beginnt. Die ZPO hingegen enthält hierzu keine konkrete Regelung, verweist aber in § 222 Abs. 1 ZPO auf die Regelungen des BGB. Hier ergibt sich aus § 187 Abs. 1 BGB ebenso wie in der VwVfG, dass für die Frist der Ereignistag nicht mitzurechnen hat. Auch hier beginnt die Frist damit an dem den Ereignistag folgenden Tag. Eine Ausnahme besteht nach § 187 Abs. 2 BGB dann, wenn der Fristbeginn nicht an ein Ereignis anknüpft, sondern konkret auf einen Tag festgelegt ist. Hier zählt dann dieser Tag selbstverständlich mit.
Das heißt: Knüpft die Frist allein an die Zustellung etc. an, dann beginnt sie am darauffolgenden Tag. Ist hingegen ein konkreter genannter Fristbeginn maßgeblich – bspw. ein Schreiben legt diesen fest, dann zählt dieser Tag selbst mit.
Zustellung
Besonderheiten gelten allerdings im Rahmen der Verwaltungsbehörden. Grundsätzlich ist der Begriff der Zustellung bzw. des Zugangs nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Liegt allerdings ein Zustellungsverfahren von Bundes- oder Landesbehörden vor, greifen die Besonderheiten des Bundeszustellungsgesetzes oder der entsprechenden Landeszustellungsgesetze. Am bedeutendsten ist dabei die Zustellung durch die Post mittels Einschreiben. Eine Zustellung wird hier am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 4 Abs. 2 VwZG bzw. Zustellungsgesetz der Länder). Diese Fiktion greift freilich nur dann ein, wenn der tatsächliche Zugang (zu bestimmen nach den allgemeinen Grundsätzen des BGB) nicht nach diesem Zeitpunkt erfolgt ist – die Fiktion soll den Bürger schützen, nicht aber unwiderruflich ein Zustellung festlegen.
Fristende
Klar ist damit der Beginn der Frist, welche sich maßgeblich aus dem jeweiligen Gesetz ergibt. Für die Klausur bedeutsam ist aber die eigentliche Fristberechnung, das heißt die Ermittlung des Endes der Frist, um festzustellen, ob eine Handlung innerhalb oder außerhalb dieser Frist erfolgt ist. Sowohl § 222 Abs. 1 ZPO als auch § 31 Abs. 1 VwVfG verweisen hierfür auf die Vorschriften des BGB. Zentrale Norm hierfür ist § 188 BGB. Am bedeutsamsten ist hierbei bei Vorgabe einer Wochen oder Monatsfrist der § 188 Abs. 2 BGB. Beim ersten Durchlesen wird dieser Norm wohl den meisten recht unverständlich erscheinen. Dies täuscht allerdings, spricht die Norm doch nur ohnehin klares aus. Die Frist endet
„im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt“
Maßgeblich ist auch hier wieder der Ereignistag. Das Fristende fällt auf den Tag mit der selben Benennung (oder einfacher gesagt, mit der selben Zahl) wie der Ereignistag.
Ist also der Ereignistag der 17.2. beginnt eine Monatsfrist am 18.2. zu laufen und endet am 17.3. (das heißt mit dessen Beendigung).
In diesem Zusammenhang zeigt sich auch die Bedeutung von § 188 Abs. 3 BGB, der festlegt, dass eine Monatsfrist dann am letzten Tag des Monats endet, wenn es das durch § 188 Abs. 2 BGB ermittelte Fristende nicht gibt.
- Ist also der Ereignistag der 30.1. beginnt eine Monatsfrist am 31.1. zu laufen und endet damit am 28.2. (und nicht am 30.2. [den es nicht gibt] oder am 2.3. [zählte man die Tage weiter]).
Knüpft der Fristbeginn nicht an ein Ereignis, sondern konkret an einen Tag an (§ 187 Abs. 2 BGB) so endet die Frist gemäß § 188 Abs. 2 Var. 2 BGB)
„mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.“
- Beginnt die Monatsfrist hierbei also am 12.2., endet sie am 11.3. (das heißt mit dessen Ablauf).
Besonderheit: Fristende auf Feiertag
Eine Besonderheit zeigt sich allerdings dann, wenn das Fristende auf einen Sonnabend oder Sonn- oder Feiertag fällt. Gemäß § 193 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO und § 31 Abs. 3 VwVfG endet die Frist dann an dem darauffolgenden Werktag. Ob das jeweilige Fristende auf einen Sonnabend oder Sonn- oder Feiertag fällt, ergibt sich entweder aus der Klausur selbst, oder ist durch die Anwendung des Bundes- oder Landesfeiertagsgesetzes zu ermitteln. Insofern bestehen keine Probleme.
Ein besondere Konstellation wurde allerdings kürzlich vom BAG entschieden (Urteil v. 24.08.2011, 8 AZN 808/11). Die Problematik lag hierbei darin, dass ein Feiertag (Fronleichnam) bestand, der aber nur im Bundesland des Absenders Feiertag war, nicht aber im Bundesland des Adressaten. Die Frage, die sich hier stellte war, ob dennoch auch in einem solchen Falle die Verschiebung auf den nächsten Werktag greift – das heißt an welchem Ort ein Tag Feiertag sein muss.
Das Gericht stellte hierzu im Anschluss an seine ständige Rspr. fest:
„2. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass der 23. Juni 2011 in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag – Fronleichnam – war, § 222 ZPO in Verb. mit § 193 BGB.
a) Das Ende einer Rechtsmittelfrist wird wegen eines allgemeinen Feiertages nur dann hinausgeschoben, wenn der betreffende Tag an dem Ort, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, gesetzlicher Feiertag ist (st. Rspr., vgl. BAG 24. September 1996 – 9 AZR 364/95 – BAGE 84, 140, 144 = AP BUrlG § 7 Nr. 22 = EzA BUrlG § 7 Nr. 102; 16. Januar 1989 – 5 AZR 579/88 – AP ZPO § 222 Nr. 3 = EzA ZPO § 222 Nr. 1; 26. Mai 1976 – 4 AZR 240/75 – AP BAT §§ 22, 23 Nr. 92; 15. Oktober 1959 – 1 AZB 19/59 – AP ZPO § 222 Nr. 1).“
Diese Rechtsprechung überzeugt auch. Die Verschiebung des Fristendes auf einen Werktag beruht darauf, dass an einem Feiertag eine Zustellung und damit eine Einhaltung der Frist gerade problematisch ist. Sie soll aber nicht den Absender besonders schützen, ist es ihm doch auch an einem Feiertag möglich und zuzumuten die Frist einzuhalten.
Zeigen soll diese Konstellation, dass auch bei der Fristberechnung unbekannte Fallgestaltungen möglich sind, durch die eine Klausur inhaltlich erweitert werden kann.
Fazit
Fristberechnung in der Klausur ist weniger schwer, als dies von vielen Studenten vermutet wird. Wichtig ist eine genaue Lektüre der Normen und ein entsprechendes Verständnis hierfür.
Zu differenzieren ist zwischen der Bestimmung eines Ereignistages (§ 187 Abs. 1 BGB), dem eigentlichen Fristbeginn am nächsten Tag und dem entsprechenden Fristende (§ 188 Abs. 2 Var. 1 BGB). Besonderheiten beim Ereignistag treten dann auf, wenn es sich um eine förmliche Zustellung durch Behörden handelt. Weitere Schwierigkeiten können sich dann stellen, wenn das Fristende auf einen Sonnabend oder Sonn- oder Feiertag trifft; diese sind aber mit einem guten Normverständnis auch unproblematisch zu lösen.
Kleider machen Leute – oder zumindest Anwälte. Dies scheint zumindest die neue Rechtsprechung des LG München II vermuten zu lassen. Worum ging es dabei? Das Landgericht hatte einen Anwalt, weil dieser sich verweigerte, die vom Gericht erwartete Kleidung unter der Robe – weißes Hemd und Krawatte – zu tragen, aus der Sitzung verwiesen.
So kurios und kleinlich wie der Fall beim ersten Hören aber wirken mag, so birgt er dennoch interessante juristische Fragen: Zum einen die Problematik der Zulässigkeit eines Sitzungsverweises, zum anderen die spannende Frage, auf welcher Grundlage überhaupt erwartet werden kann, dass sich Anwälte und andere Prozessbeteiligte entsprechend zu kleiden haben. Bedeutsam sind diese Fragen gerade auch deshalb, weil die Frage der entsprechenden Kleiderordnung bereits mehrere Gerichte der Republik beschäftigt hat. Am bekanntesten ist in diesem Zusammenhang sicherlich der sogenannte „Mannheimer Krawattenstreit“ (LG Mannheim, Urteil v. 6.2.2009 – 14 Qs 40/08; 14 Qs 45/08) auf den unten noch eingegangen werden wird, und der als Stichwort in einer mündlichen Prüfung parat sein sollte, gehört dieser Paradefall der vermeintlichen deutschen Bürokratie und Spießigkeit doch zur juristischen Allgemeinbildung.
Frage der Rechtsgrundlage für Sitzungsausschluss
Ein denkbarer Einstieg in die mündliche Prüfung wäre die Frage nach der grundsätzlichen Möglichkeit eines Sitzungsausschlusses von Prozessbeteiligten. Hierzu führt das LG Mannheim in einer Entscheidung vom 27.01.2009 – 4 Qs 52/04; 4 Qs 52/08 aus:
§ 176 GVG gibt in diesem Zusammenhang dem Vorsitzenden als Sitzungspolizei grundsätzlich die Befugnis, einen (aus prinzipiellen Erwägungen) ohne Robe auftretenden Rechtsanwalt in der betreffenden Sitzung zurückzuweisen. Der Vorsitzende Richter übt damit die sitzungspolizeilichen Aufgaben aus und muss zu diesem Zweck diejenigen Personen von der Sitzung ausschließen, die die Würde des Gerichts verletzten. Dies trifft insbesondere bei einem ohne Robe auftretenden Rechtsanwalt zu. Ein Sitzungsausschluss darf damit grundsätzlich durch den vorsitzenden Richter verhängt werden, welcher hierfür explizit eine Ermächtigungsgrundlage hat.
Das Problem stellt sich aber dann, ob auch im konkreten Fall ein Ausschluss verhältnismäßig gewesen wäre, mithin ob auch hier eine schwerwiegende Verletzung der Würde des Gerichts vorgelegen hat. Das LG Mannheim (aaO) führt dazu aus: Eine entsprechende Befugnis kann aus § 176 GVG indes für einen in Robe, aber ohne Krawatte auftretenden Rechtsanwalt im Allgemeinen nicht hergeleitet werden.
Frage der Angemessenheit eines Sitzungsausschlusses
An dieser Stelle ist damit zur Angemessenheitsprüfung überzuleiten – welche sich zweischrittig gestaltet: Ein Ausschluss wäre dann unzulässig, wenn eine Pflicht zum Tragen von (weißem) Hemd und (weißer) Krawatte nicht bestehen würde. Selbst wenn eine solche Pflicht aber vorliegt, darf der Ausschluss nur dann erfolgen, wenn er auch verhältnismäßig wäre. Die Suche nach einer Rechtsgrundlage für das Tragen von Krawatten durch Anwälte gestaltet sich etwas schwierig und kann von einem Kandidaten in der mündlichen Prüfung kaum erwartet werden. Durchaus denkbar ist es hingegen, dass die Normen entsprechen vorgegeben werden und eine eigenständige Subsumtion und Argumentation erwartet wird.
Für Baden-Württemberg bspw. bestimmte eine Rechtsverordnung vom. 1. Juli 1976:
§ 1 Abs. 1: Die Amtstracht besteht aus einer schwarzen Robe mit einem Besatz. […] Zur Amtstracht ist ein weißes Hemd mit weißem Langbinder zu tragen. Frauen tragen eine weiße Bluse […].
§ 2 Abs. 1: Die Amtstracht der Rechtsanwälte entspricht der Amtstracht der Richter und Staatsanwälte.
Eine vergleichbare Regelung existiert allerdings nicht in allen Bundesländern. In Bayern und NRW bspw. liegt eine explizite gesetzliche Regelung nicht vor. Allerdings wird hier dann durch die Rspr. die Verpflichtung eine entsprechende Kleidung zu tragen „aus einem seit der Reichsgesetzgebung vor mehr als 100 Jahren entwickelten bundeseinheitlichen Gewohnheitsrecht“ (so OLG München v. 14.7.2006 – 2 Ws 679/06, 2 Ws 684/06) hergeleitet. Selbst wenn eine explizite gesetzliche Grundlage fehlt, muss dennoch stets eine entsprechende Kleidungspflicht bejaht werden.
Hier könnte sich eine Argumentation anschließen, ob tatsächlich dieses Gewohnheitsrecht noch andauert, oder nicht durch neue Konventionen abgelöst wurde. Dagegen spricht, dass die Bundesländer, welche eine explizite gesetzliche Regelung haben, diese auch nicht modernisiert haben und bspw. auf das Tragen von Krawatten verzichten. Zwar sieht beispielsweise die baden-württembergische Rechtsverordnung in § 2 Abs. 1 letzter HS vor: „zur Amtstracht können auch andere, nach Form und Farbe unauffällige mit der Amtstracht zu vereinbarende Kleidungsstücke getragen werden“. Ein genereller Verzicht auf die Krawatte ist daraus aber nicht abzuleiten. Vielmehr eröffnet es nur die Möglichkeit statt weißem Hemd und Krawatte andere – dezente Farben zu tragen, welche in der Praxis – in allen Bundesländern – eifrig genutzt wird.
Das OLG München führt zudem zur Frage der Änderungen des Gewohnheitsrechts aus: „Maßstab für die Bewertung eines möglichen Wandels ist der Kreis der durch die Regelung betroffenen Personen. Da das Gewohnheitsrecht Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht regelt, kommt es auf die Erwartungen und Vorstellungen aller Verfahrensbeteiligten an, insbesondere auch der Gerichte und nicht nur der Rechtsanwälte. Auf die möglicherweise geänderten Wertvorstellungen anderer gesellschaftlicher Gruppen, wie beispielsweise des so genannten „Business“, kommt es insoweit nicht an“.
Eine andere Ansicht wäre zwar in der mündlichen Prüfung noch akzeptabel – bedürfte aber einer guten Argumentation. Beispielsweise der sog. T-Shirt-Verteidiger ist wohl kaum gesellschaftlich akzeptiert. Eine Pflicht zum Tragen von Hemd und Krawatte in weiß oder ggf. in anderen dezenten Farben ist damit zu bejahen.
Ablösung durch § 20 BORA
Ein anderer Aspekt könnte aber dazu führen, dass dieses Gewohnheitsrecht bzw. auch die entsprechenden gesetzlichen Regelungen keine Geltung mehr haben. § 20 der Berufsordnung für Rechtsanwälte bestimmt :
„Der Rechtsanwalt trägt vor Gericht die Robe“.
Auf das Tragen anderer bestimmter Kleidungsstücke wird damit gerade nicht abgestellt. Fraglich ist damit das Verhältnis dieser Vorschrift zum Gewohnheitsrecht bzw. zu den Vorschriften der Bundesländer. Ausführlich wird dieser Streit im Urteil des LG Mannheim vom 27.01.2009 dargestellt.
„Nach der h.M. in der Literatur hat der Bundesgesetzgeber die Frage der Amtstracht der Rechtsanwälte in abschließender Weise aus dem Regelungskomplex „Gerichtsverfassung und gerichtliches Verfahren“, und damit auch aus der entsprechenden Länder-Zuständigkeit herausgelöst und sie allein den berufsrechtlichen Regelungen der Anwaltschaft überantwortet. [indem er in § 59 Abs. 2 Nr. 6 c BORA bestimmte: Die Berufsordnung kann näher regeln: das Tragen der Berufstracht] Für aus landesrechtlichen Vorschriften oder gar aus dem Gewohnheitsrecht abgeleitete Pflichten der Rechtsanwälte zum Tragen der Amtstracht besteht nach dieser Meinung – aufgrund der sich aus Art. 72 Abs. 1 GG ergebenden Sperrwirkung des Bundesrechts – neben § 20 BORA kein Raum mehr.“
In der Literatur wurde vielfach vertreten, der Bundesgesetzgeber hätte durch das Gesetz die alleinige Zuständigkeit an sich gezogen und damit sowohl das Landesrecht als auch das Gewohnheitsrecht abgelöst. Zutreffender ist m.E. allerdings die Ansicht der OLG München und Braunschweig sowie des VG Berlin, die klarstellen, dass eine Kollision gerade nicht vorliegt – betrifft die BORA doch nur die berufsrechtliche Ebene, die der verfahrensrechtlichen Pflicht zur Aufrechterhaltung einer äußeren Verhandlungsordnung gerade entgegensteht. Beide Regelungen stehen damit unabhängig gegenüber.
Eine dritte, vermittelnde Ansicht wird durch das OVG Berlin-Brandenburg aufgestellt, welches zwar einen generellen Vorrang der Regelungen des Bundes bejaht, dies aber nur dann, sofern diese abschließend verfasst sind. Da dies bei den Regelungen in der BORA gerade nicht gegeben ist, bleiben ergänzende, ausfüllende Regelungen wirksam. Wie man sich hier entscheidet ist Ansichtssache. Wichtig wäre in der mündlichen Prüfung nur, dieses Problem zu erkennen und eigenständig zu argumentieren. In der Entscheidung des LG Mannheim wurde die entsprechende Entscheidung bewusst offen gelassen – ein Vorgehen, welches in der Praxis zwar durchaus zulässig ist, in einer Prüfungssituation ist dieses pragmatische Vorgehen hingegen nicht zu empfehlen.
Aber: Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses?
Zu bedenken bleibt aber, dass der Ausschluss nur dann zulässig sein kann, wenn er verhältnismäßig gewesen ist. Ob und wie weit dieser Punkt im aktuellen Urteil des LG München berücksichtigt wurde, lässt sich aus der Pressemitteilung nicht erkennen.
Jedenfalls bei einmaligen, geringfügigen Verstößen (bspw. Vergessen der Krawatte zu Hause o.Ä.) wird ein Ausschluss wohl generell nicht zulässig sein. Dies erkennt auch das OLG München (aaO), wenn es betont:
„Es handelt sich nicht um einmalige, durch sachliche Erwägungen begründetet Verstöße, sondern um eine generelle und in provokativer Form verweigerte Erfüllung verfahrensrechtlicher Verhaltensnormen.“
Dieser Fall bezog sich aber auch auf einen sog. T-Shirt-Verteidiger. Zumindest das LG Mannheim scheint dann aber noch liberaler zu sein und die generelle Weigerung, Krawatten zu tragen, zu dulden, wenn es betont:
„Ohnehin muss, da er in geschlossener Robe auftrat und die darunter getragenen Kleidungsstücke (Hemd in dezenter Farbe; keine Krawatte) nicht geeignet waren die Würde des Gerichts in Frage zu stellen, in dem konkreten Verstoß eine eher geringe Störung der Verhaltensordnung gesehen werden. Im Mittelpunkt der Verhältnismäßigkeitsprüfung musste der Eingriff in die Berufsfreiheit des Nebenklagevertreters und insbesondere in dem Anspruch des Nebenklägers auf Wahrnehmung seiner Rechte durch den Anwalt seines Vertrauens […] stehen.
Wie man sich hier schlussendlich entscheidet, ist freilich, wie so oft, reine Geschmackssache. Allein auf die richtige Begründung kommt es an.
Fazit
Auch aus einem auf den ersten Blick etwas albern anmutenden Fall kann – insbesondere in der mündlichen Prüfung – eine anspruchsvolle Aufgabenstellung gebastelt werden.
Als Eckpunkte kann hier folgendes festgemacht werden:
- AGL für einen Ausschluss des Anwalts ist §§ 176 GVG
- Problematisch ist die Herleitung der Pflicht zum Tragen von Hemd und Krawatte – diese kann entweder aus landesrechtlichen Normen oder Gewohnheitsrecht herrühren
- Ob eine Ablösung durch § 20 BORA vorliegt, ist umstritten
- Zu beachten ist aber der Verhältnismäßigkeitsmaßstab. Bei dauerhafter Verweigerung des Tragens von Hemd und Krawatte, ist diese gegeben; bei einmaliger – begründeter – Verweigerung m.E. wohl nicht; bei dauerhafter Weigerung nur das Tragens von Krawatten sind beide Ansichten vertretbar – hier stehen sich LG Mannheim und LG München gegenüber.
- Das Nichttragen einer Robe dagegen berechtigt generell zum Ausschluss, sofern keine besonderen individuellen Hinderungsgründe bestehen.
Abschließend ein Tipp: Eine beliebte Zusatzfrage in der mündlichen Prüfung lautet, wer verpflichtet ist Roben zu tragen; insbesondere ob diese Pflicht auch ehrenamtliche Richter trifft. Die Antwort lautet, dass sowohl Richter, Staatsanwälte, Urkundsbeamte der Geschäftsstelle und Rechtsanwälte zum Tragen der Robe berechtigt und verpflichtet sind. Einzige Ausnahme hiervon sind die ehrenamtlichen Richter am Handelsgericht, welche auch eine Robe zu tragen haben. Interessant ist, dass generell für den Robenzwang, welcher ja wohl von den meisten als selbstverständlich angesehen werden wird, außer § 20 BORA keine rechtliche Grundlage besteht.