Fristenberechnung in der juristischen Klausur und Besonderheiten bei Feiertagen
Fristenberechnung in der juristischen Klausur
Das Berechnen von Fristen bereitet in der juristischen Klausur oftmals Schwierigkeiten und ist deshalb ein wenig beliebter Teil einer Klausur. Grund hierfür könnte sein, dass der Fristberechnung im Studium wenig Beachtung geschenkt wird und diese Problematik eher dem Praktiker zugewiesen wird. Dennoch müssen die Grundzüge der Fristberechnung bereits im Ersten Examen beherrscht werden, werden Klausuren doch sehr häufig mit dieser kleinen Problematik „angefettet“.
Das Beherrschen der Fristenproblematik erfordert – hat man es einmal verstanden – nur sehr wenig Aufwand; dennoch unterscheiden sich gerade auch an solchen Stellen gute von weniger guten Klausuren. Aus diesem Grund möchte der Beitrag kurz die Modalitäten der Fristberechnung aufzeigen und dabei insbesondere auch auf ein spezielles Problem eingehen, dass kürzlich vom BAG erneut entschieden wurden ist (8 AZN 808/11).
Anknüpfungspunkte zur Berechnung der Frist gibt es gesetzlich mehrere: So enthält das BGB in §§ 187 ff BGB als auch die ZPO in §§ 221 und 222 ZPO und das VwVfG in § 31 VwVfG Regelungen zur Fristberechnung. Je nachdem um welche Art von Frist es sich handelt, muss die Grundlage der Frist im jeweiligen Gesetz gesucht werden: Handelt es sich um eine zivilprozessuale Frist, ist zunächst die ZPO einschlägig; bei einer verwaltungsprozessualen muss die Prüfung im VwVfG beginnen. Diese beiden Einstiege sind die in der Klausur am häufigsten. Aber selbst wenn eine anderweitige Frist zu berechnen ist, ist dies mit den nachfolgend dargestellten Grundsätzen unproblematisch möglich.
Ereignistag/ Fristbeginn
Die Frist knüpft grundsätzlich an das Vorliegen eines bestimmten fristauslösenden Ereignisses an. § 221 ZPO stellt hierzu auf die Zustellung des Dokuments, in dem die Frist festgelegt ist, ab. § 31 Abs. 2 VwVfG stellt allgemein auf die Bekanntgabe der Frist ab. Noch allgemeiner formuliert § 187 Abs. 1 BGB, dass die Frist mit einem Ereignis oder einem auf den Lauf eines Tages fallenden Zeitpunkt beginnt.
Hier stellt sich schon die erste Schwierigkeit bei der Fristberechnung, nämlich die Frage nach dem genauen Beginn der Frist. § 31 Abs. 2 VwVfG legt hierzu fest, dass die Frist an dem Tag, der auf die Bekanntgabe folgt, beginnt. Die ZPO hingegen enthält hierzu keine konkrete Regelung, verweist aber in § 222 Abs. 1 ZPO auf die Regelungen des BGB. Hier ergibt sich aus § 187 Abs. 1 BGB ebenso wie in der VwVfG, dass für die Frist der Ereignistag nicht mitzurechnen hat. Auch hier beginnt die Frist damit an dem den Ereignistag folgenden Tag. Eine Ausnahme besteht nach § 187 Abs. 2 BGB dann, wenn der Fristbeginn nicht an ein Ereignis anknüpft, sondern konkret auf einen Tag festgelegt ist. Hier zählt dann dieser Tag selbstverständlich mit.
Das heißt: Knüpft die Frist allein an die Zustellung etc. an, dann beginnt sie am darauffolgenden Tag. Ist hingegen ein konkreter genannter Fristbeginn maßgeblich – bspw. ein Schreiben legt diesen fest, dann zählt dieser Tag selbst mit.
Zustellung
Besonderheiten gelten allerdings im Rahmen der Verwaltungsbehörden. Grundsätzlich ist der Begriff der Zustellung bzw. des Zugangs nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen zu bestimmen. Liegt allerdings ein Zustellungsverfahren von Bundes- oder Landesbehörden vor, greifen die Besonderheiten des Bundeszustellungsgesetzes oder der entsprechenden Landeszustellungsgesetze. Am bedeutendsten ist dabei die Zustellung durch die Post mittels Einschreiben. Eine Zustellung wird hier am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt (§ 4 Abs. 2 VwZG bzw. Zustellungsgesetz der Länder). Diese Fiktion greift freilich nur dann ein, wenn der tatsächliche Zugang (zu bestimmen nach den allgemeinen Grundsätzen des BGB) nicht nach diesem Zeitpunkt erfolgt ist – die Fiktion soll den Bürger schützen, nicht aber unwiderruflich ein Zustellung festlegen.
Fristende
Klar ist damit der Beginn der Frist, welche sich maßgeblich aus dem jeweiligen Gesetz ergibt. Für die Klausur bedeutsam ist aber die eigentliche Fristberechnung, das heißt die Ermittlung des Endes der Frist, um festzustellen, ob eine Handlung innerhalb oder außerhalb dieser Frist erfolgt ist. Sowohl § 222 Abs. 1 ZPO als auch § 31 Abs. 1 VwVfG verweisen hierfür auf die Vorschriften des BGB. Zentrale Norm hierfür ist § 188 BGB. Am bedeutsamsten ist hierbei bei Vorgabe einer Wochen oder Monatsfrist der § 188 Abs. 2 BGB. Beim ersten Durchlesen wird dieser Norm wohl den meisten recht unverständlich erscheinen. Dies täuscht allerdings, spricht die Norm doch nur ohnehin klares aus. Die Frist endet
„im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt“
Maßgeblich ist auch hier wieder der Ereignistag. Das Fristende fällt auf den Tag mit der selben Benennung (oder einfacher gesagt, mit der selben Zahl) wie der Ereignistag.
Ist also der Ereignistag der 17.2. beginnt eine Monatsfrist am 18.2. zu laufen und endet am 17.3. (das heißt mit dessen Beendigung).
In diesem Zusammenhang zeigt sich auch die Bedeutung von § 188 Abs. 3 BGB, der festlegt, dass eine Monatsfrist dann am letzten Tag des Monats endet, wenn es das durch § 188 Abs. 2 BGB ermittelte Fristende nicht gibt.
- Ist also der Ereignistag der 30.1. beginnt eine Monatsfrist am 31.1. zu laufen und endet damit am 28.2. (und nicht am 30.2. [den es nicht gibt] oder am 2.3. [zählte man die Tage weiter]).
Knüpft der Fristbeginn nicht an ein Ereignis, sondern konkret an einen Tag an (§ 187 Abs. 2 BGB) so endet die Frist gemäß § 188 Abs. 2 Var. 2 BGB)
„mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.“
- Beginnt die Monatsfrist hierbei also am 12.2., endet sie am 11.3. (das heißt mit dessen Ablauf).
Besonderheit: Fristende auf Feiertag
Eine Besonderheit zeigt sich allerdings dann, wenn das Fristende auf einen Sonnabend oder Sonn- oder Feiertag fällt. Gemäß § 193 BGB, § 222 Abs. 2 ZPO und § 31 Abs. 3 VwVfG endet die Frist dann an dem darauffolgenden Werktag. Ob das jeweilige Fristende auf einen Sonnabend oder Sonn- oder Feiertag fällt, ergibt sich entweder aus der Klausur selbst, oder ist durch die Anwendung des Bundes- oder Landesfeiertagsgesetzes zu ermitteln. Insofern bestehen keine Probleme.
Ein besondere Konstellation wurde allerdings kürzlich vom BAG entschieden (Urteil v. 24.08.2011, 8 AZN 808/11). Die Problematik lag hierbei darin, dass ein Feiertag (Fronleichnam) bestand, der aber nur im Bundesland des Absenders Feiertag war, nicht aber im Bundesland des Adressaten. Die Frage, die sich hier stellte war, ob dennoch auch in einem solchen Falle die Verschiebung auf den nächsten Werktag greift – das heißt an welchem Ort ein Tag Feiertag sein muss.
Das Gericht stellte hierzu im Anschluss an seine ständige Rspr. fest:
„2. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass der 23. Juni 2011 in Nordrhein-Westfalen ein gesetzlicher Feiertag – Fronleichnam – war, § 222 ZPO in Verb. mit § 193 BGB.
a) Das Ende einer Rechtsmittelfrist wird wegen eines allgemeinen Feiertages nur dann hinausgeschoben, wenn der betreffende Tag an dem Ort, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, gesetzlicher Feiertag ist (st. Rspr., vgl. BAG 24. September 1996 – 9 AZR 364/95 – BAGE 84, 140, 144 = AP BUrlG § 7 Nr. 22 = EzA BUrlG § 7 Nr. 102; 16. Januar 1989 – 5 AZR 579/88 – AP ZPO § 222 Nr. 3 = EzA ZPO § 222 Nr. 1; 26. Mai 1976 – 4 AZR 240/75 – AP BAT §§ 22, 23 Nr. 92; 15. Oktober 1959 – 1 AZB 19/59 – AP ZPO § 222 Nr. 1).“
Diese Rechtsprechung überzeugt auch. Die Verschiebung des Fristendes auf einen Werktag beruht darauf, dass an einem Feiertag eine Zustellung und damit eine Einhaltung der Frist gerade problematisch ist. Sie soll aber nicht den Absender besonders schützen, ist es ihm doch auch an einem Feiertag möglich und zuzumuten die Frist einzuhalten.
Zeigen soll diese Konstellation, dass auch bei der Fristberechnung unbekannte Fallgestaltungen möglich sind, durch die eine Klausur inhaltlich erweitert werden kann.
Fazit
Fristberechnung in der Klausur ist weniger schwer, als dies von vielen Studenten vermutet wird. Wichtig ist eine genaue Lektüre der Normen und ein entsprechendes Verständnis hierfür.
Zu differenzieren ist zwischen der Bestimmung eines Ereignistages (§ 187 Abs. 1 BGB), dem eigentlichen Fristbeginn am nächsten Tag und dem entsprechenden Fristende (§ 188 Abs. 2 Var. 1 BGB). Besonderheiten beim Ereignistag treten dann auf, wenn es sich um eine förmliche Zustellung durch Behörden handelt. Weitere Schwierigkeiten können sich dann stellen, wenn das Fristende auf einen Sonnabend oder Sonn- oder Feiertag trifft; diese sind aber mit einem guten Normverständnis auch unproblematisch zu lösen.
Gute Zusammenfassung! Allerdings endet die Frist gemäß § 193 BGB auch dann erst am darauffolgenden Werktag, wenn das Fristende auf einen Samstag fällt – das kann man schnell übersehen!
Hallo Michi, Vielen Dank für den Hinweis. Ich habe das in der Lösung entsprechend geändert. In der Tat ist der Sonnabend etwas versteckt und kann leicht übersehen werden!
Hi,
müsste es oben im dritten Absatz nicht „…;bei einer verwaltungsverfahrensrechtlichen (Frist) muss die Suche im VwVfG beginnen“ statt „bei einer verwaltungsprozessualen….“ heißen?
Um diese Differenzierung geht es doch gerade bei der Frage, über welche Vorschriften die Fristen beim Widerruf, §§ 68 ff. VwGO zu berechnen sind.
Grüße!
Denke ich auch, die verwaltungsprozessuale Frist führt dann über § 173 VwGO in die ZPO und von da weiter ins BGB.
Die 3-Tages-Fiktion ist im Übrigen nicht nur bei der Zustellung relevant, sondern bei jedweder Bekanntgabe eines VA auf dem Postweg (vgl. § 41 II VwVfg)!
Interessant wäre in dem Zusammenhang noch, dass diese 3-Tages-Fiktion nach h.M. selber keine Frist ist, sie also auch nicht bei Ende an einem Feiertag via §§ 193 BGB iVm § 222 ZPO & 173 VwGO verlängert wird.
Im Verwaltungsprozess kommt man über § 57 Abs. 2 VwGO zu § 222 ZPO und von dort dann weiter zu den §§ 187 ff. BGB. Hier sollte man noch sehen, dass es auf § 193 BGB nicht ankommt, sondern dass § 222 II ZPO eine entsprechende Regelung enthält.
Es wäre toll, wenn der Artikel auch noch um die Fristenberechnung im Strafprozessrecht erweitert würde.
Wie verhält sich die Fristenermittlung wenn der gelbe Brief an einem Freitag beim Empfänger eingeworfen wurde, der mittags den Briefkasten kontrolliert, der Brief aber erst von ihm sonnabends entnommen wurde, da die Briefzusteller leider wechseln und zu unterschiedlichen Zeiten einwerfen, sonst immer üblich um die Mittagszeit. Wann endet die einzuhaltende 14.tägige Frist, Rechtmittelbehelf.
Da es immer wieder selbst in Vorlesungen falsch dargestellt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung. (vgl. u.a. § 517 Zpo) Bei der Berechnung der Frist wird dieser Tag nicht mitgezählt. (§187 I BGB)
Das die Frist einem Tag nach dem Ereignis beginnt ist daher nicht korrekt, aber eigentlich egal da es nur Auswirkungen auf die Berechnung hat.
Auch ist die verbreitete Annahme falsch, dass es sich bei diesen Formulierungen um ein Mittel handelt um ein Ereigniss, dass in den Lauf eines Tages fällt, unabhängig von der Stunde berechnen zu können. Es handelt sich hierbei nur um ein mathematisch – logisches Problem der Zeitberechnung.