„Die Unschuld der Muslime“ – Rechtliche Beurteilung eines Verbots der öffentlichen Vorführung in Deutschland
A. Einführung
In den vergangenen Tagen und Wochen hat ein islamkritischer Film über den Propheten Mohammed, von manchen als „Schmähfilm“ bezeichnet, die Gemüter in der arabischen Welt verletzt und zu blutigen Protesten in verschiedenen arabischen Ländern geführt, in deren Zuge es zur Erstürmung von Botschaften westlicher Staaten und zur Tötung von Diplomaten der betroffenen Länder kam.[i] Stein des Anstoßes für viele Gläubige ist nicht allein die bildliche Darstellung des Propheten als solche, deren Verbot z.T. durchaus kontrovers diskutiert wird, sondern vielmehr die Art und Weise der Porträtierung, die – wohl zu Recht – als Verächtlichmachung und Verunglimpfung empfunden wird.
In dieser ohnehin aufgeheizten Situation, in der sich das religiöse Empfinden vieler Muslime und unser westliches Staats- und Gesellschaftsverständnis mit Meinungs- und Kunstfreiheit diametral und unversöhnlich gegenüber zu stehen scheinen, kündigte die Bürgerbewegung „Pro Deutschland“ an, den Film öffentlich vorführen zu wollen.[ii]
Von verschiedener Seite ist daraufhin gefordert worden, eine derartige Veranstaltung zu verbieten.[iii] Die Bundesregierung prüft nach eigenen Angaben momentan die Möglichkeiten, nach geltendem Recht gegen die beabsichtigte Vorführung vorzugehen.[iv]
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Verbot der Aufführung auf Grundlage des geltenden Rechts in Deutschland Aussicht auf Erfolg hätte. Hierbei wird unterstellt, dass sich der Fall in NRW abspielt, die rechtliche Beurteilung basiert daher auf nordrhein-westfälischem Landesrecht. Eine Verwendung des Falles im Rahmen des 1. Staatsexamens in der hier unterstellten oder in abgewandelter Form ist sowohl auf Grund seiner Aktualität als auch wegen seiner vielfältigen Berührungspunkte mit klassischer Materie des 1. Staatsexamens (Versammlungsrecht, allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Verfassungsrecht) gut denkbar. Auf den examensrelevanten Aspekten der rechtlichen Beurteilung liegt daher auch das Hauptaugenmerk des Verfassers.
Die Kernprobleme, die sich bei der Lösung stellen, sind folgende:
- Auf welche Rechtsgrundlage kann ein Verbot gestützt werden?
- Welche polizeilich geschützten Rechtsgüter sind vorliegend einschlägig?
- Liegt eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt auf Grund der geplanten Vorführung vor?
- Besteht eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit der Veranstalter von „Pro Deutschland“ und wenn nein, greift der polizeiliche Notstand?
B. Rechtliche Grundlage
I. Die Generalklausel
Als Ermächtigung für jedwedes behördliche Einschreiten zur Gefahrenabwehr im Einzelfall kommt § 14 I OBG in Betracht. Die Norm ermächtigt die zuständigen Behörden bei Vorliegen einer Gefahr zur Ergreifung der erforderlichen Maßnahmen. Hierbei können die Behörden auch in Grundrechte der Bürger eingreifen.[v] Eine Untersagungsverfügung hinsichtlich der öffentlichen Vorführung eines Films wäre daher prinzipiell nach dieser Norm möglich.
II. Subsidiarität der Generalklausel
Es darf jedoch nicht übersehen werden, dass § 14 OBG als Generalklausel lediglich eine Auffangwirkung zukommt, und ihre Anwendung überall da ausscheidet, wo der Gesetzgeber eine Rechtsmaterie bzw. eine Eingriffsmaßnahme durch speziellere Normen geregelt hat (allgemeiner Grundsatz: lex specialis derogat legi generali). Durch einen Rückgriff auf die allgemeinere und von ihren Voraussetzungen u.U. weniger strenge Generalklausel würden die gesetzlich aufgestellten Hürden für die gesondert typisierten Eingriffsformen unterlaufen und die Wertungen des Gesetzes umgangen.[vi]
Demzufolge schiede ein Verbot, gestützt auf § 14 I OBG, aus, wenn die öffentliche Vorführung des besagten Films eine Versammlung i.S.d. Versammlungsgesetzes wäre, deren Verbot in den §§ 5 und 15 VersG geregelt wurde, die Versammlung wäre insofern „polizeifest“[vii]. Zwar ist die Kompetenz des Bundesgesetzgebers für das Versammlungsrecht mit Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes v. 28.08.2006 („Föderalismusreform“) weggefallen, das VersG gilt aber gemäß Art. 125a I GG solange die Länder ihre Kompetenz nicht wahrnehmen als Bundesrecht fort . In NRW ist das bislang nicht geschehen.
II. Der Versammlungsbegriff
Der Begriff der Versammlung ist im VersG nicht definiert. Er orientiert sich daher grundsätzlich an dem Versammlungsbegriff des Art. 8 GG, ist aber mit diesem nicht deckungsgleich.[viii] Eine Versammlung ist demnach die Zusammenkunft mehrerer Menschen zu einem gemeinsamen Zweck.
1. Teilnehmeranzahl
Umstritten ist bereits die notwendige Anzahl, es soll jedoch unterstellt werden, dass eine entsprechende Anzahl an Menschen an der beabsichtigten öffentlichen Vorführung teilnimmt.
2. Zweck der Zusammenkunft
Unklar ist ferner, wie der gemeinsame Zweck der Zusammenkunft beschaffen sein muss. Teilweise wird jedweder Zweck, sei er auch privater Natur, als ausreichend erachtet.[ix] Der Versammlungsfreiheit komme auch neben ihrer Bedeutung für die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung eine eigenständige Bedeutung zu, erfasst sei „jede Persönlichkeitsentfaltung in Gemeinschaft“[x]. Demgegenüber vertritt das Bundesverfassungsgericht heute einen engen Versammlungsbegriff und beruft sich auf die Kernfunktion von Artikel 8 als „demokratiekonstitutives“ Grundrecht, das dem Bürger erlauben soll, durch Versammlungen an der Bildung der öffentlichen Meinung teilzuhaben und mitzuwirken.[xi]
Überträgt man diese Kontroverse auf die öffentliche Vorführung eines Films, so könnte man geneigt sein, unter Zugrundelegung des engen Versammlungsbegriffs, dieser den Versammlungscharakter abzusprechen. Begründen ließe sich dies mit Hinweis darauf, eine solche Veranstaltung diene schwerpunktmäßig der Unterhaltung.[xii] Diese Einschätzung ist aber vor dem gegebenen Hintergrund nicht haltbar. Die Organisatoren von „Pro Deutschland“ sehen ihre Aktion als politisches Statement und verknüpfen das Event mit Forderungen aus ihrem politischen Programm hinsichtlich des Umgangs der BRD mit hier lebenden Muslimen und dem Islam generell. Man engagiere sich für die „Bewahrung des christlichen Abendlandes“[xiii]. Ungeachtet der Polemik ist die Vorführung daher weniger als Unterhaltungsveranstaltung zu sehen, als vielmehr als eine Informationsveranstaltung und als ein Beitrag zur öffentlichen Debatte. Als solche ist sie vom engen, wie auch vom weiten Versammlungsbegriff erfasst.
Eine Versammlung würde schließlich auch bei „Unfriedlichkeit“ ausscheiden [xiv]. Fraglich ist daher, ob die öffentliche Vorführung des Films, der von vielen Muslimen als Schmähfilm und Verunglimpfung ihres Glaubens betrachtet wird, „friedlich“ ist. Eine Versammlung im verfassungsrechtlichen Sinne ist aber erst dann „unfriedlich“, wenn sie einen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt.[xv] Das VersG geht noch weiter und erlaubt für eine unfriedlich werdende Versammlung die Auflösung, ohne ihr aber den Versammlungscharakter als solchen abzusprechen (§§ 5 Nr.3, 13 I Nr.2 VersG).
Umso deutlicher geht hieraus hervor, dass allein verbale Gewalt nicht ausreichend ist, um an der Einstufung als Versammlung nach dem VersG etwas zu ändern. Vielmehr sind verbale Provokation und Angriffe gegen die Argumente und Ansichten der Gegenseite einer jeden Versammlung immanent und bilden den Kern der Versammlungsfreiheit. Nur so ist effektive Teilhabe an der Meinungsbildung überhaupt möglich. Selbst „Schmähkritik“, die die strafrechtliche Grenze des § 185 StGB überschreitet, führt nicht dazu, dass die Veranstaltung aus dem Schutzbereich von Art. 8 I GG herausfällt. Denn würde jedweder Rechtsverstoß durch Versammlungsteilnehmer diese Folge nach sich ziehen, wäre der Gesetzesvorbehalt in Art. 8 II GG gegenstandslos.[xvi] Selbstverständlich bestünde dann jedoch die rechtliche Möglichkeit, die Versammlung wegen Gefahren für die öffentliche Sicherheit zu verbieten oder aufzulösen.
Eine Versammlung liegt daher vor. Es soll im Folgenden davon ausgegangen werden, dass bei der Vorführung einer unbestimmten Vielzahl von Personen der Zugang offensteht, es sich also um eine „öffentliche“ Versammlung handelt und sie zudem „unter freiem Himmel“ (i.S.v. Art. 8 II GG) stattfindet. § 15 I VersG wäre demnach die einschlägige Rechtsgrundlage für ein Verbot.
(Anmerkung der Redaktion: Bei Maßnahmen gegen Versammlungen in geschlossenen Räumen ist hingegen § 5 VersG einschlägige Ermächtigungsgrundlage).
C. Gefahrenlage
Wie auch die polizeilichen Generalklauseln knüpft § 15 VersG das behördliche Einschreiten an das Bestehen einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Unter einer Gefahr versteht man nach herkömmlicher Definition eine Sachlage oder ein Verhalten, das bei ungehindertem Ablauf mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden an Schutzgütern der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen wird.[xvii]
Gegner der öffentlichen Vorführung argumentieren, radikal-islamische Muslime könnten sich von der Veranstaltung zusätzlich provoziert fühlen und es könne im Ausland wie im Inland zu einer Verschärfung der Unruhen und zu Gewalt gegen deutsche Bürger und Einrichtungen kommen.[xviii] Es soll im Folgenden zunächst geklärt werden, welche der betroffenen Rechtsgüter als polizeilich geschützt anzusehen sind.
I. Geschützte Rechtsgüter
§ 15 I VersG stellt auf eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ab. Unter öffentlicher Sicherheit versteht man „die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Träger der Hoheitsgewalt“ (§ 2 Nr.2 HBPolG; § 3 Nr.1 LSASOG).
Öffentliche Ordnung ist die „Summe ungeschriebener Normen, deren Befolgung als unentbehrliche Voraussetzung eines geordneten menschlichen Zusammenlebens angesehen wird“[xix].
1. Direkt betroffene Rechtsgüter
Möglicherweise liegt bereits in der bloßen Durchführung der öffentlichen Vorführung durch „Pro Deutschland“ und in der Teilnahme daran ein strafrechtlich relevantes Verhalten und somit auch eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, das zum Verbot ermächtigen würde.
a) Strafrechtliche Relevanz
aa) § 185 StGB
Die Vorführung könnte den Straftatbestand der Beleidigung erfüllen.
Beleidigung ist Kundgabe von Missachtung oder Nichtachtung.[xx] Diese muss geeignet sein, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen.[xxi]
Die Annahme einer Beleidigung durch das Zeigen des Films oder die Teilnahme sieht sich verschiedenen Einwänden ausgesetzt.
Zweifelhaft erscheint bereits die Annahme einer Beleidigungshandlung. Zwar ist anerkannt, dass die Äußerung der Beleidigung sowohl sprachlich als auch durch Gesten erfolgen kann, in jedem Fall muss sie aber gegenüber dem Betroffenen geäußert werden. Aus der Vorführung eines Films geht aber nicht zwingend hervor, dass der Teilnehmer seine Missachtung dem Betroffenen kundgeben möchte. Es ist nicht einmal zwingend, dass er sich die Aussage des Films zu eigen machen will oder sich nicht bloß informiert.
Zudem ist fraglich, ob eine beleidigungsfähige Person vorhanden ist. Unstreitig dürfte sein, dass nur lebende Personen Opfer einer Beleidigung nach § 185 StGB sein können. Das ergibt ein Umkehrschluss aus § 189 StGB.[xxii] Der Prophet Mohammed ist somit zweifelsohne kein taugliches Tatsubjekt.
Über die Frage der Beleidigungsfähigkeit eines Kollektivs wie dem Islam als Religionsgemeinschaft herrscht Streit. Diese wird zum Teil gänzlich abgelehnt. Eine „Kollektivehre“ gäbe es nicht, sie hafte allein dem einzelnen Menschen kraft seiner Würde an.[xxiii]
Die Rechtsprechung gewährt Personengemeinschaften Ehrschutz, die eine „rechtlich anerkannte soziale Funktion erfüllen und einen einheitlichen Willen bilden können“[xxiv]. Da der Islam nicht wie die römisch-katholische Amtskirche z.B. einheitlich institutionell organisiert ist, ist von einer solchen Fähigkeit zur Willensbildung nicht auszugehen.
Möglich bleibt gleichwohl die „Beleidigung unter einer Kollektivbezeichnung“. Sie richtet sich nicht gegen das Kollektiv als solches, sondern gegen jedes einzelne Mitglied.[xxv] Eine Strafbarkeit liegt hier nach der Rechtsprechung nur vor, wenn die Personengruppe aus der Allgemeinheit hinreichend hervortritt, sodass eine klare Abgrenzung getroffen werden kann und der Personenkreis zahlenmäßig überschaubar ist.[xxvi] So sind die „als Juden vom Nationalsozialismus verfolgten Menschen“[xxvii] u.U. noch überschaubar. Hieran fehlt es jedoch bei einer Beleidigung gegen „die Muslime“.
bb) § 166 StGB Verunglimpfung eines Bekenntnisses
Nach § 166 StGB macht sich strafbar, wer
„öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.“
Über die genaue Grenze der enthaltenen „Friedensschutzklausel“ herrscht Streit. Man ist sich aber insoweit einig, als dass weder offene oder latente Feindschaft entstehen, noch eine gewaltsame Entladung stattfinden muss.[xxviii] Teilweise wird als ausreichend erachtet, wenn die Beschimpfung geeignet ist, das Vertrauen der Gläubigen in einen respektvollen Umgang mit ihrem Glauben zu erschüttern und bei Dritten die Bereitschaft zu Intoleranz gegenüber der Religion zu fördern.[xxix]
Andere stellen darauf ab, ob bei den Betroffenen der Eindruck entstehe, eine Religionsausübung sei in Deutschland nicht mehr frei von Diskriminierung möglich und man könne sich auf rechtlichem Weg gegen Schmähungen nicht zur Wehr setzen.[xxx] Angesichts der auch in Deutschland herrschenden Proteste kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Veranstaltung von „Pro Deutschland“ geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören.
Fraglich ist aber, ob die Aufführung des Films den Tatbestand einer „Beschimpfung“ erfüllt. „Beschimpfen“ meint die Kundgabe von Missachtung in einer besonders rohen Art und Weise.
Der Film „Die Unschuld der Muslime“, wie auch der 13-minütige Trailer desselben, ist mit einer ganzen Reihe von diffamierenden Aussagen und fragwürdiger Interpretation der geschichtlichen Fakten gefüllt . Mohammed wird in einigen – vermutlich nachvertonten – Sequenzen als Kinderschänder, blutrünstiger Feldherr, Homosexueller und Feigling dargestellt.[i] Allerdings spricht eine Reihe von Argumenten für eine enge Auslegung des Begriffs des „Beschimpfens“.
Der strafrechtliche Schutz religiöser Gefühle ist in Deutschland – zuletzt 1969 – sukzessive abgebaut worden. Bis dahin fand sich noch der Tatbestand der „Gotteslästerung“ im StGB. Die Straftatbestände zum Schutz religiöser Bekenntnisse stellen insofern Exoten dar, als dass es der Gesetzgeber in keiner anderen Materie als notwendig erachtet hat, über die §§ 185 ff. StGB hinaus besonderen Schutz zu gewähren.[ii]
Ferner ist nach st. Rechtsprechung des BVerfG jedwede Norm, welche die Meinungsfreiheit einschränkt, im Lichte von Art. 5 I GG derart auszulegen, dass eine „Vermutung für den Vorrang der freien Rede“[iii] gilt. Auch ein geschmackloser, auf Provokation ausgelegter Film ist daher solange hinzunehmen, wie er nicht jedweden Sachbezug verliert und sich allein in der Äußerung von „Schmähkritik“ erschöpft. Für die Annahme von Schmähkritik bestehen hohe Hürden; das BVerfG sagt hierzu:
Eine herabsetzende Äußerung nimmt vielmehr erst dann den Charakter der Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht. Sie muß jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen.[iv]
Da eine vollständige Version des Films, die angeblich zwei Stunden lang sein soll, noch nicht frei zugänglich ist, kann vorläufig schwer beurteilt werden, ob sich der Inhalt des Films in einer solchen Diffamierung des Propheten Mohammed erschöpft, oder ob er seine provokativen und polemischen Aussagen über die Person Mohammed mit historischer Interpretation verbindet. Nach Betrachtung des bisher veröffentlichten 13-minütigen Trailers spricht viel dafür, dass es dem Autor auf eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Islam und der Person Mohammed nicht ankam, sondern dass vielmehr der alleinige oder weit überwiegende Zweck der Produktion darin besteht, die religiösen Gefühle von Muslimen zu verletzen.
Dieser Befund führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, auch in der öffentlichen Vorführung eine Beschimpfung zu sehen. Denn es erscheint durchaus denkbar, dass es den Initiatoren von „Pro Deutschland“ – anders als dem Regisseur/Produzenten – nicht allein um die Diffamierung eines fremden Bekenntnisses geht, sondern dass die Aktion zuvorderst als Debattenbeitrag zur Diskussion um die Art und Weise des Umgangs mit dem Konflikt zwischen Kunst- und Meinungsfreiheit auf der einen und den religiösen Gefühlen von Muslimen auf der anderen Seite verstanden werden soll.
Der öffentlichen Vorführung des Films fehlt es daher im Gegensatz zu dem Film als solchen nicht an Sachbezug. Vielmehr ist der Aktion – wie man sie auch inhaltlich bewerten mag – ein von sachlichen Argumenten getragenes Anliegen nicht abzusprechen.
Eine bloße Beschimpfung liegt daher nicht vor, § 166 StGB ist nicht verwirklicht.
Nach alledem liegt mit der öffentlichen Vorführung des Films „Die Unschuld der Muslime“ kein strafrechtlich relevantes Verhalten vor.
b) Individualrechtsgüter
Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in seiner Ausprägung als persönliche Ehre hat in den §§ 185 ff. StGB seine einfachrechtliche Ausformung erfahren. Eine hierüber hinausreichende Verletzung durch die Aufführung liegt nicht vor.
Auch Art. 4 I GG ist nicht gefährdet. Die Glaubensfreiheit schützt zwar sowohl die Annahme und Ausübung eines Glaubens („positive Glaubensfreiheit“) als auch die Freiheit, keinen Glauben auszuüben („negative Glaubensfreiheit“), sie schützt aber nicht davor, Kritik anderer an der eigenen Religion und dem eigenen Glauben ausgesetzt zu sein.
c) Verletzung der öffentlichen Ordnung
Schließlich könnte die öffentliche Vorstellung gegen die öffentliche Ordnung verstoßen (vgl. § 15 I VersG). Die öffentliche Ordnung ist jedoch subsidiär zur öffentlichen Sicherheit und greift daher dort nicht ein, wo durch gesetzgeberische Wertungen die Schwellen für polizeirechtliches Einschreiten festgelegt sind. Da eine Verwirklichung von Straftaten nach dem StGB wie gezeigt nicht vorliegt, liegt im Verhalten der Teilnehmer der von „Pro Deutschland“ geplanten Vorführung auch kein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung.
Eine unmittelbare Gefährdung polizeirechtlich geschützter Rechtsgüter liegt somit i.E. nicht vor.
2. Indirekt betroffene Rechtsgüter – Ausschreitungen
Als Folge der öffentlichkeitswirksamen Vorführung des Films könnten zudem Ausschreitungen von Muslimen im In- wie im Ausland zu befürchten sein. Sollte es im Zuge dieser Proteste zu Gewalttätigkeiten kommen, wären sowohl die Rechtsordnung in Form von strafrechtlichen Normen gefährdet (§§ 303, 223, 224, 126, 231 StGB) als auch die dahinter stehenden geschützten Rechtsgüter Einzelner (Art. 2 II GG – Körperliche Unversehrtheit; Art. 14 I GG – Eigentum).
3. Ort des Schadenseintritts
Soweit es die Begehung von Straftaten als Gefahr für die Rechtsordnung betrifft, ist der Begehungsort ohne Belang solange nach den §§ 3 ff. StGB das deutsche StGB anwendbar ist. Das ist insb. dann der Fall, wenn die Straftaten von Deutschen oder an Deutschen begangen werden und auch am Ort der Begehung unter Strafe stehen (§ 7 I, II Nr.1 StGB).
Die Grundrechte, wie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, sind von den deutschen Behörden grenzüberschreitend zu achten. Zulässig ist daher auch die Abwehr solcher Gefahren, die sich im Ausland realisieren.
II. Gefahr
Polizeiliches bzw. generell gefahrenabwehrrechtliches Einschreiten sieht sich immer dann einem besonderen Rechtfertigungsbedürfnisses ausgesetzt, wenn der Eintritt eines Schadens an geschützten Rechtsgütern nicht mit Sicherheit zu erwarten ist, sondern auf der Prognose der handelnden Behörden beruht. Auch im vorliegenden Fall ist nicht zweifelsfrei erwiesen, dass von der geplanten Veranstaltung eine äquivalente Kausalkette zu Gewalt- und Straftaten führen wird. Die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur befürworten jedoch den sog. subjektiven „Gefahrbegriff“. Demnach liegt eine Gefahr bereits dann vor, wenn die handelnden Behörden bei verständiger Würdigung der Faktenlage „ex ante“ berechtigterweise von einem Schadenseintritt ausgehen durften.[v]
In der jüngeren Vergangenheit haben islamkritische Presseveröffentlichungen bereits zu Gewaltausbrüchen in arabischen Ländern geführt.[vi] Es erscheint daher durchaus plausibel, dass eine derart medienwirksame Veranstaltung, wie die von „Pro Deutschland“, welche sich noch dazu demonstrativ gegen die Einschränkung von Freiheitsrechten auf Grund religiöser Gefühle von Muslimen richtet, Gewalttätigkeiten provozieren wird. Eine Annahme einer Gefahrsituation ist daher i.E. nicht zu beanstanden, auch wenn es letztendlich nicht nachweisbar ist, ob es im Zuge der Vorführung zu Rechtsgutsverletzungen kommen würde.
D. Polizeirechtliche Verantwortlichkeit/Pflichtigkeit
Der Themenkomplex Polizeipflichtigkeit bzw. polizeirechtliche Verantwortlichkeit befasst sich mit der Frage, wer als Adressat einer belastenden polizeilichen Maßnahme in Anspruch genommen werden kann. Das Versammlungsgesetz enthält hierzu keine Regelung, es wird insofern auf die allgemeinen Normen des PolG NRW zurückgegriffen (§§ 4 ff. PolG).[vii]
Die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Organisatoren von „Pro Deutschland“ könnte sich aus § 4 I PolG ergeben.
I. „Pro Deutschland“ als Handlungsstörer
Die Veranstalter könnten Handlungsstörer nach § 4 I PolG sein. Das wäre der Fall, wenn sie die Gefahr durch ihr „Verhalten“ verursachen würden.
1. Äquivalent-kausale Verursachung
Das von den Behörden prognostizierte Szenario zu Grunde gelegt würde die angenommene Gefahrenlage kausal auf der Veranstaltung von „Pro Deutschland“ beruhen.
2. Wertungsgemäße Korrektur
Anerkanntermaßen reicht die rein äquivalent-kausale Verursachung einer Gefahr für die Inanspruchnahme als Störer nach § 4 I PolG nicht aus.[viii] Es darf nur derjenige zur Gefahrenabwehr herangezogen werden, dem die Gefahr normativ „zuzurechnen“ ist.[ix]
Zu der Frage, wann dies der Fall ist, werden verschiedenste Ansätze verfolgt (Sozialadäquanzlehre, Rechtswidrigkeitstheorie, Unmittelbarkeitstheorie). Einigkeit herrscht nur insoweit, als dass das klassisch zivilrechtliche Korrektiv über die „Adäquanz“ der Verursachung nicht zielführend ist. Gefahrenabwehr ist vielfach auch die Abwehr unvorhergesehener und damit inadäquater Gefahrsituationen. Eine Korrektur unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit einer Gefahr ist damit zweckwidrig.[x]
a) Unmittelbarkeitstheorie
aa) Kernaussage
Die Rechtsprechung und die überwiegende Meinung im Schrifttum folgen der sog. „Theorie der unmittelbaren Verursachung“[xi]. Entscheidendes Kriterium ist demnach das „Überschreiten der Gefahrenschwelle und damit das Setzen der unmittelbaren Ursache für den Eintritt der Gefahr“[xii]. Dies soll unter „wertender Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls“ ermittelt werden. Die Unmittelbarkeit ist keineswegs zeitlich gemeint. Vielmehr ist unmittelbarer Verursacher derjenige, bei dem der Schwerpunkt der Verantwortlichkeit für die Gefahrenlage liegt.
Im Fall der gewalttätigen Proteste als Folge einer Versammlung besteht kein Zweifel, dass letztlich erst in der Gewaltausübung durch protestierende Muslime – so sie denn auftreten – die Überschreitung der Gefahrenschwelle zu sehen ist. Die Veranstalter von „Pro Deutschland“ würden dann als Handlungsstörer ausscheiden.
Im Gegensatz zu den Literaturstimmen, die eine polizeirechtliche Verantwortlichkeit dann stets ausschließen wollen, wenn Dritte vorsätzlich in die Kausalkette eintreten[xiii], geht die Unmittelbarkeitstheorie so weit zu sagen, dass Handlungsverantwortlicher auch sein kann, wer das spätere vorsätzliche Handeln entweder subjektiv „bezweckt“ (so der eine Teil der Lehre) oder bei objektiver Vorhersehbarkeit (so andere) gleichwohl verursacht hat. Auch dem sog. Zweckveranlasser sei die Gefahr zurechenbar, die Inanspruchnahme daher zulässig.
bb) Kritik
Gegen eine solche Ausweitung der polizeirechtlichen Verantwortlichkeit wird oftmals eingewandt, der Zweckveranlasser sei i.S.d. Unmittelbarkeitstheorie gerade nicht „unmittelbarer“ Verursacher, sondern nur Veranlasser[xiv], die Annahme eines Zweckveranlassers widerspräche insofern der Kernaussage der Unmittelbarkeitstheorie. Zudem unterlaufe die Annahme eines Zweckveranlassers in letzter Konsequenz durch eine ausufernde Polizeipflichtigkeit die Normen über den polizeilichen Notstand.
Befürworter wenden hingegen ein, dass die Lehre vom Zweckveranlasser die Pflichtigkeit keinesfalls über den von § 6 I PolG gesteckten Rahmen hinaus erweitere. Vielmehr gehe § 4 I PolG dem Wortlaut nach allein von der Kausalität des Verhaltens aus. Die Lehre vom Zweckveranlasser sei daher, wie die übrigen Zurechnungstheorien auch, lediglich Korrektiv der ansonsten uferlosen Handlungsverantwortlichkeit. Sie konkretisiert und ergänzt in zulässiger Weise die in einigen Punkten als zu restriktiv empfundene Unmittelbarkeitstheorie, indem sie das Maß der Zurechenbarkeit letztlich anhand wertender Gesichtspunkte entscheidet.[xv] Dass hierbei auch der insb. von der Rechtsprechung betonte Aspekt der „Effektivität der Gefahrenabwehr“[xvi] eine Rolle spielt, ist nicht zu beanstanden.
cc) Stellungnahme
Dieser Streit muss aber für den konkreten Fall letztlich nicht entschieden werden, wenn die Figur des Zweckveranlassers zumindest auf Versammlungen und Meinungskundgaben keine Anwendung finden kann. Würde man die Figur des Zweckveranlassers nämlich auf Versammlungen anwenden, hätten es z.B. gewaltbereite Gegendemonstranten in der Hand, durch die Ankündigung von Gewalt den verfassungsmäßig garantierten Schutzbereich des Art. 8 I GG von anderen zu verkürzen.[i] Störer kann daher in solchen Fällen nur derjenige sein, der gewalttätig auf die Versammlung reagiert. Die Annahme, die Gefahr sei bereits durch die Versammlung provoziert, in ihr sei also die „Überschreitung der Gefahrenschwelle“ zu sehen, überzeugt nicht.
Nach der Unmittelbarkeitstheorie wäre „Pro Deutschland“ nicht Handlungsstörer.
b) Theorie der rechtswidrigen Verursachung
aa) Kernaussage
Aus dem weithin anerkannten Gedanken, nicht allein naturwissenschaftliche Kausalität, sondern auch die „rechtliche Zurechenbarkeit“ entscheide über die Handlungsverantwortlichkeit, hat sich ein anderer Ansatz entwickelt, die sog. „Theorie der rechtswidrigen Verursachung“.
Hauptaussage dieser ist, dass wenn ohnehin nicht Mittelbarkeit oder Unmittelbarkeit entscheidend sind, sondern wertende Kriterien, dann könnten einzig und allein rechtliche Gesichtspunkte über die Risikoverteilung und Verantwortlichkeitssphären im Polizeirecht entscheiden. Die Pflichtigkeit knüpfe an die Verletzung einer rechtlichen oder sozial gebotenen Verhaltensnorm an.
Störer kann demnach nur sein, wer die Gefahr durch „rechtswidriges“ Verhalten verursacht.[ii]
bb) Begrenzung durch Grundrechte
Dieses Rechtswidrigkeitsurteil ist einfach zu fällen, wo das Gesetz ein bestimmtes Verhalten als verboten ausweist.
Problematisch wird es, wenn es an einer solchen gesetzlichen Wertung fehlt.
Die Organisatoren „Pro Deutschland“ verstoßen durch die Veranstaltung nicht nur nicht gegen ein gesetzliches Verbot, sie können sich sogar auf ihre Versammlungsfreiheit aus Art. 8 I GG berufen. Die Initiatoren machen damit von einem ihnen ausdrücklich gewährten, verfassungsrechtlich verbürgten Recht Gebrauch. Innerhalb der Unmittelbarkeitstheorie war seit Langem anerkannt, dass – frei nach dem Grundsatz qui iure suo utitur neminem laedit – regelmäßig der Gebrauch von gewährten Rechten nicht Anknüpfungspunkt für polizeirechtliche Verantwortlichkeit sein kann.[iii] Lediglich in Fällen des Zweckveranlassers wird hiervon z.T. abgerückt[iv] (nicht jedoch bei Art. 8 I GG, s.o.).
Auch die Theorie der rechtswidrigen Verursachung muss sich fragen, ob sie in derartigen Fällen ein Rechtswidrigkeitsurteil fällt und worauf sie es stützen kann. Letztlich wird hier darauf abgestellt, ob das Verhalten „sozial inadäquat“ ist.
Kollidiert – wie vorliegend – die legitime Grundrechtsausübung mit Rechtsgütern Dritter (hier: Leben und körperliche Unversehrtheit), dann kann die Frage der „Rechtswidrigkeit“ und damit letzten Endes die der Polizeipflichtigkeit nur auf Grund einer umfassenden Güterabwägung zwischen der einzuschränkenden und der bedrohten Rechtsposition entschieden werden.[v]Hierbei ist zu berücksichtigen, ob es sich um ein vorbehaltlos gewährtes Grundrecht handelt oder ob das Grundgesetz es unter Vorbehalt stellt. Ist ersteres der Fall, so kann nur bei überwiegender Gefahr für eine Rechtsposition von Verfassungsrang eine Zurechnung stattfinden. Ist wie vorliegend mit Artikel 8 II GG eine Einschränkung vorbehalten, muss der Eingriff immerhin noch der Abwehr eines konkret gefährdeten Rechtsguts dienen.[vi] Das ist unstreitig der Fall.
Gleichwohl kann auch im Rahmen der Frage nach der Sozialadäquanz der Gedanke, der bereits zum Ausschluss der Figur des Zweckveranlassers führte, nicht unberücksichtigt bleiben. Die Durchführung einer Versammlung ist nicht sozial inadäquat, sei ihr Zweck auch noch so provokativ. Sozial inadäquat ist allein das Verhalten von Dritten, die vorsätzlich in die Kausalkette eintreten.
Hier zeigt sich, dass die Theorie der rechtswidrigen Verursachung in den gesetzlich nicht normierten Bereichen letzten Endes doch wieder auf das Kriterium der Unmittelbarkeit angewiesen ist, da sie nur unter seiner Zuhilfenahme eine plausible Beurteilung der Sozialadäquanz finden kann.[vii]
Polizeiliche Maßnahmen haben sich primär an diese unmittelbaren Verursacher zu halten.
„Pro Deutschland“ wäre demnach nicht Handlungsstörer i.S.v. § 4 I PolG.
c) Stellungnahme
Unmittelbarkeitstheorie und die Theorie der rechtswidrigen Verursachung kommen zum selben Ergebnis. Ein Streitentscheid ist nicht von Nöten.
„Pro Deutschland“ ist nicht nach § 4 I PolG als Handlungsstörer polizeipflichtig.
II. „Pro Deutschland“ als Nichtstörer, § 6 PolG
Mangels polizeilicher Verantwortlichkeit kommt ein Einschreiten gegen die öffentliche Vorführung von „Die Unschuld der Muslime“ nur dann in Frage, wenn die Behörden ausnahmsweise gegen unbeteiligte Personen vorgehen dürfen. Ein solches Vorgehen ist nur sehr eingeschränkt möglich, da § 6 PolG hohe Hürden aufstellt. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem „polizeilichen Notstand“. Es gilt zu klären, ob ein solcher Notstand gegeben ist.
1. Gegenwärtige, erhebliche Gefahr
Hierzu müsste eine „gegenwärtige, erhebliche Gefahr“ für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung vorliegen.
Eine gegenwärtige Gefahr besteht (s.o.). Erheblich ist eine Gefahr, wenn der zu befürchtende Schaden besonders wichtigen Rechtsgütern droht. Hierzu zählen unzweifelhaft Leben und körperliche Unversehrtheit.
Die vorliegende Gefahr ist daher erheblich.
2. Erfolgslosigkeit von Maßnahmen gegen Störer
Die Inanspruchnahme von Nichtstörern ist „subsidiär“ in der Hinsicht, als dass sie nur erfolgen darf, wenn Maßnahmen gegen die eigentlich Verantwortlichen nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen.[i]
Vorliegend erschließt sich nicht, warum ein Vorgehen gegen gewalttätige Gegendemonstranten keinen Erfolg versprechen sollte.
Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, die Polizei könne eventuellen gewalttätigen Protesten in nicht ausreichendem Maße durch Einschreiten gegen die unmittelbar Verantwortlichen (vgl. §§ 4, 5 PolG NRW) begegnen. Rechtsprechung und Literatur sind sich grundsätzlich einig, dass die Polizei, ehe sie eine nicht störende Versammlung auflösen kann, alle ihr zur Verfügung stehenden und die ihr zu unterstellenden fremden Kräfte einsetzen muss, um die Durchführung einer Versammlung zu gewährleisten.[ii]
Dies vorausgesetzt, erscheint ein Vorgehen gegen die Handlungsverantwortlichen nach § 4 I PolG durchaus erfolgversprechend.
Ein polizeilicher Notstand liegt daher nicht vor.
E. Fazit
Aufgrund der Verbindung der Filmvorführung mit einer politischen Aussage überwiegt der Zweck der Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung eindeutig einen u.U. daneben bestehenden Unterhaltungszweck. Es ist daher vom Vorliegen einer Versammlung auszugehen. Polizeiliche Maßnahmen gegen diese sind dem speziellen Regime des Versammlungsrechts unterworfen.
Durch die geplante Vorführung werden zwar nicht unmittelbar Strafgesetze oder andere Rechtsnormen verletzt, wohl aber besteht letztlich auf Grund der zu befürchtenden Ausschreitungen eine Gefahrenlage für die öffentliche Sicherheit, hier in Form von Individualrechtsgütern (Art. 2 II, 14 GG) und der abstrakten Rechtsordnung (§§ 223, 303, 126 StGB u.A.).
Eine Inanspruchnahme der Veranstalter von „Pro Deutschland“ als Handlungsstörer nach § 4 I PolG scheidet nach Auffassung des Verfassers aus, da weder die herrschende Unmittelbarkeitstheorie noch die Theorie der rechtswidrigen Verursachung zu dem Ergebnis kommen, dass „Pro Deutschland“ die Gefahr nach den Maßstäben des Polizeirechts „verursacht“.
Schließlich liegen auch die Voraussetzungen eines polizeilichen Notstands nicht vor.
Maßnahmen gegen die Vorführung von „Die Unschuld der Muslime“ wären daher rechtswidrig.
[i] Vgl. § 6 I Nr.2 PolG NRW
[ii] Pieroth/Schlink/Kniesel § 9 Rn.78; vgl. BVerfG
NVwZ 2006, 1049 f.; Denninger, HdbPolR, E Rn. 143 ff.
[ii] Schnur DVBl. 1962, 1; Lisken/Denninger D 82; vgl. den Gedanken OVG Hamburg DÖV 1983, 1016 ff.
[iii] So zitiert in Fleiner S.353, Vgl. Dig. 50, 17, 155
[v] Lisken/Denninger D 84
[i] https://www.spiegel.de/politik/ausland/die-traurige-biografie-des-mohammed-regisseurs-nakoula-a-856011.html Stand 25.09.2012
[v] BVerwGE 45, 51/58; 49, 36/42 ff.;Gusy Rn,122; Schenke Rn.81; Schoch, JuS 1994, 668; Brand/Schmeddinck, Jura 1994, 225, 231; Riegel, S.33; anders z.B. Pieroth/Schlink/Kniesel § 4 Rn. 47 ff.
[vi] https://www.netzeitung.de/ausland/380873.html
[viii] Gusy, Rn. 325 ff.; Schenke Rn. 241
[ix] Lisken/Denninger, D 70
[x] Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 30 3. S.312
[xi] Nachweise bei Drews/Wacke/Vogel/Martens, S.313 Fn.35; sh. i.Ü. OVG Hamburg DÖV 1983, 1016; OVG Münster
NVwZ 1985, 355
[xii] OVG Münster NVwZ 1985, 356
[xiv] Pieroth/Schlink/Kniesel § 9, Rn.29
[xv] Schenke, Rn. 241; i.E. zustimmend Lisken/Denninger D 80;
[i] https://www.sueddeutsche.de/politik/protest-gegen-mohammed-video-demonstranten-stuermen-westliche-botschaften-1.1468779; https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nach-freitagsgebeten-weitere-proteste-in-der-islamischen-welt-11898090.html jeweils Stand 20.09.2012
[ii] https://www.pro-deutschland-online.de/index.php?option=com_content&view=article&id=515:pro-deutschland-zeigt-mohammedfilm-innocence-of-muslims&catid=14&Itemid=2;
https://www.pro-deutschland-online.de/index.php?option=com_content&view=article&id=526:rouhs-bestaetigt-wir-zeigen-den-film&catid=14&Itemid=2 jeweils Stand 20.09.2012
[iii] https://www.tagesschau.de/inland/schmaehfilm112.html; https://www.manager-magazin.de/politik/deutschland/0,2828,856202,00.html; https://www.sueddeutsche.de/politik/islamfeindliches-video-die-unschuld-der-muslime-rechte-splittergruppe-will-mohammed-film-in-berlin-zeigen-1.1468959 jeweils Stand 20.09.2012
[iv] https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/gezielte-provokation-regierung-prueft-auffuehrungsverbot-des-mohammed-videos/7143680.html Stand 20.09.2012
[v] Pieroth, Schlink, Kniesel S.108, Rn.6
[vi] VGH Mannheim,
NVwZ 1998, 761 ff.;Pieroth, Schlink, Kniesel, S.110, Rn.11; Gusy S.158, Rn.313; Schulte, S227, Rn. 358
[vii] Pieroth, Schlink, Kniesel, S.335, Rn.14
[x] Pieroth, Schlink, Kniesel, S.333, Rn.8
[xiii] https://www.pro-deutschland-online.de/index.php?option=com_content&view=article&id=515:pro-deutschland-zeigt-mohammedfilm-innocence-of-muslims&catid=14&Itemid=2 Stand 20.09.2012
[xvi] Hoffmann-Riem
AK 24; Kannengießer SBK 4; Höfling SA 29; Geis FH 44, Kunig MüK 23
[xviii] https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.schmaehfilm-bundesregierung-will-vorfuehrung-des-schmaehvideos-verhindern.8d03c977-a0ff-4bc4-84da-ae9dd3823983.html Stand 20.09.2012
[xix] BVerwGE 69, 315, 252; OVG Münster E 12, 112,115
[xx] Rengier BT II § 29 Rn. 20; Wessels/Hettinger Rn. 508
[xxi] Wessels/Hettinger Rn. 508
[xxiii] Hirsch, Ehre und Beleidigung S.113 ff.
[xxv] Rengier BT 2 § 28 Rn.13
[xxviii] Depenheuer/Dogan/Can, Der Schutz staatlicher Ehre und religiöser Gefühle und die Unabhängigkeit der Justiz