Bezahlkarte gewährleistet Existenzminimum für Asylbewerber
Fragen in Zusammenhang mit Asyl und Migration werden nicht nur in zeitlicher Nähe zur Bundestagswahl diskutiert, sondern beschäftigen immer wieder auch die Gerichte. So entschied das Landessozialgericht Bayern, dass die Bezahlkarte für Asylbewerber verfassungskonform ist. Den Beschluss (LSG Bayern, Beschluss vom 19.02.2025 – L 8 AY 55/24 B ER, BeckRS 2025, 2322) stellt nachfolgend Micha Mackenbrock vor.
I. Was sind Bezahlkarten?
Im Mai 2024 wurde in Deutschland bundesweit die Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt. Asylbewerber erhielten bis dahin in Bargeld ausgezahlte Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Nach kontroversen Debatten einigte sich die Politik darauf, dass diese Leistungen künftig von den zuständigen Behörden auch als Guthaben auf einer Karte bereitgestellt werden können. Damit soll zum Beispiel vermieden werden, dass Asylbewerber Geld zu ihren zurückgebliebenen Familien in die Heimat oder an Schlepper schicken.
Mit der guthabenbasierten Bezahlkarte kann stattdessen elektronisch in Geschäften bezahlt werden, ähnlich wie mit einer normalen Debitkarte, ohne, dass das Guthaben ins Ausland verschickt werden kann. Auch Online-Shopping ist mit der Bezahlkarte nicht möglich. Bargeld können sich Asylbewerber monatlich nur in geringer Höhe von der Bezahlkarte abbuchen. So soll sichergestellt werden, dass das AsylbLG seinen Zweck erfüllt, nämlich den Lebensunterhalt der in Deutschland lebenden Asylbewerber zu sichern.
II. Der Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine 1998 in Afghanistan geborene Frau, ist selbst Asylbewerberin und reiste Ende 2023 nach Deutschland ein. Bis Juli 2024 erhielt sie Leistungen nach dem AsylbLG in bar, darunter etwa 200€ „Taschengeld“. Mittlerweile erhält sie infolge eines Verwaltungsakts eine Bezahlkarte anstelle von Bargeld. Monatlich kann sie sich nur 50€ Guthaben in bar von der Karte abbuchen lassen. Dagegen wehrt sich die Antragstellerin nun per Eilantrag vor dem LSG Bayern: Sie möchte weiterhin Leistungen durch Geldzahlungen statt durch die Bezahlkarte erhalten. Durch den Beschluss zur Einführung der Bezahlkarte sei sie in ihrem Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt.
So könne sie nicht in allen Läden, insbesondere in kleineren Lebensmittelgeschäften für afghanische Lebensmittel oder in Second-Hand-Geschäften, mit der Bezahlkarte elektronisch bezahlen.
Per Eilantrag ging die Antragstellerin gegen die Einführung der Bezahlkarte vor dem Sozialgericht München vor und scheiterte. Nun wendet sie sich, auch per Eilantrag, an das LSG Bayern.
III. Die Entscheidung
1. Keine Ermessensreduzierung auf Null
Das LSG Bayern stellt fest, dass die Anspruchstellerin lediglich einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung gemäß Art. 40 BayVwVfG habe, denn ob eine Bezahlkarte anstelle von Bargeld an Asylbewerber ausgegeben werde oder nicht, liegt nach § 3 Abs. 2 S. 5 AsylbLG im Ermessen der zuständigen Behörde. Nur im Falle einer Ermessensreduzierung auf Null, wenn die Behörde also nur eine einzige rechtmäßige Ermessensentscheidung treffen könnte, könne ein Anspruch auf Geldleistungen bestehen (LSG Bayern, Beschluss vom 19.02.2025 – L 8 AY 55/24 B ER, BeckRS 2025, 2322, Rn. 64 f.).
Eine solche Ermessensreduzierung auf Null läge hier aber nach Auffassung des LSG nicht vor. Es sei nicht einmal „im Ansatz nachvollziehbar, weshalb eine Leistungsgewährung nur in Form von Geldleistungen für die Antragstellerin die einzig richtige Ermessensentscheidung des Antragsgegners sein sollte.“ Insbesondere sei nicht erkennbar, dass der Antragstellerin durch die Bezahlkarte wesentliche Nachteile drohen würden (LSG Bayern, Beschluss vom 19.02.2025 – L 8 AY 55/24 B ER, BeckRS 2025, 2322, Rn. 66).
2. Gewährleistung des Existenzminimums durch Sach- oder Dienstleistungen zulässig
Das LSG verweist auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Gewährleistung des Existenzminimums durch Sach- oder Dienstleistungen verfassungsrechtlich zulässig sei (BVerfG, Urteil vom 18. 7. 2012 − 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, NVwZ 2012, 1024). Das Existenzminimum wird in Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich garantiert. Es umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Es steht allen in Deutschland lebenden Menschen zu, also auch Asylbewerbern. Wie das Sichern des Existenzminimums konkret ausgestaltet wird, sei aber Sache des Gesetzgebers, so das BVerfG. Ob er das Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert, bleibe grundsätzlich ihm überlassen (BVerfG, Urteil vom 18. 7. 2012 − 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, NVwZ 2012, 1024, Rn. 93).
3. Bargeldzahlung bleibt teilweise möglich
Darüber hinaus verweist das LSG Bayern darauf, dass die Antragstellerin nicht völlig bargeldlos gestellt wird, sondern ihr die Möglichkeit verbleibt, sich 50€ monatlich von der Bezahlkarte in bar auszahlen zu lassen. Damit würden ihr ausreichend Wahlmöglichkeiten verbleiben, um ihren Bedarf decken zu können. Hier lägen auch keine Gründe vor die es nötig machen würden, dass ihr mehr als 50€ Bargeld im Monat zur Verfügung steht. Ihr Bedürfnis in ganz bestimmten Geschäften einkaufen zu wollen, reiche nicht aus. Dass der Bargeldeinsatz begrenzt sei, sei vom Gesetzgeber so gewollt: „Die aus der Obergrenze möglicher Bargeldabhebungen resultierende Begrenzung des Bargeldeinsatzes begründet noch keinen wesentlichen Nachteil, sondern ist der gesetzlich geregelten Zulässigkeit einer anderen Erbringung von Leistungen als durch Bargeld immanent.“ Zudem müsse berücksichtigt werden, dass das Asylbewerberleistungsrecht Existenzsicherungsrecht auf niedrigstem Leistungsniveau darstelle: Der existenzielle, geringe Bedarf eines Asylbewerbers könne auch mit einer Bezahlkarte gedeckt werden (LSG Bayern, Beschluss vom 19.02.2025 – L 8 AY 55/24 B ER, BeckRS 2025, 2322, Rn. 66).
4. Ergebnis
Die zuständigen Behörden übten ihr Ermessen fehlerfrei aus, indem sie der sich um Asyl bewerbenden Antragstellerin eine Bezahlkarte anstelle von Bargeld ausstellten. Mangels Ermessensfehler der Behörde wies das LSG Bayern den Eilantrag somit zurück.
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