Gedächtnisprotokoll Zivilrecht I Mai 2024 NRW
Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur ersten Zivilrechtsklausur des Mai-Durchgangs 2024 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Laura ganz herzlich für die Zusendung. Selbstverständlich kann juraexamen.info keine Gewähr dafür geben, dass die in Gedächtnisprotokollen wiedergegebene Aufgabenstellung auch der tatsächlichen entspricht. Dennoch sollen euch die Protokolle als Anhaltspunkt dienen, was euch im Examen erwartet.
Die 17-jährige J macht (mit Einverständnis der Eltern) ein Praktikum bei der X-GmbH, welche im Bereich der Umwelttechnik tätig ist. Die J und ihre Eltern besuchen gerne Sternerestaurants und sie interessiert sich für Fine-Dining. Als die Geschäftsführerin G der X-GmbH davon erfährt, bittet Sie die J am Wochenende für die G und ihren Partner ein 2 Sterne Restaurant auszusuchen und verbindlich und kostenpflichtig für G und ihren Partner für den 24.11 zu buchen. Für ihre Mühen würde die J 50 Euro Vergütung erhalten.
Am Freitag nimmt die J direkt telefonisch mit dem Koch K Kontakt auf und informiert sich über sein Angebot.
Am Samstagmittag des 28.10 schreibt die J dann eine E-Mail (von ihrem privaten E-Mailkonto) an den K, dass sie zwei Plätze in seinem Restaurant für ein Feinschmeckermenü mit Weinbegleitung in Höhe von 400 Euro im Namen von G buchen möchte. Die E-Mail unterzeichnet sie mit „i.V. J“.
Am Montag, den 30.10 bestätigt der K die Buchung per E-Mail.
Am 31.10 erfährt die J, dass die G am Samstagmorgen, noch bevor sie die E-Mail versendet hat, bei einem Unfall gestorben ist. Die J ist davon so erschüttert, dass sie vergisst dem K Bescheid zu geben.
Die G hat die X-GmbH (Geschäftsführer wird F) mittels wirksamen Testaments als Alleinerbin eingesetzt.
Am 24.11 bleiben die gebuchten Plätze im Restaurant frei. Der K sparte dadurch 100 Euro, die er ansonsten für Lebensmittel und Getränke ausgegeben hatte. Er wendet sich an die X-GmbH und möchte die 800 Euro haben, die er eigentlich von G bekommen hätte. Die X-GmbH meint sie hätte von nichts gewusst und wenn dann müsste er sich an die J wenden.
J meint sie hätte nur das getan was die G ihr aufgetragen hat. Die Eltern der J wenden ein, dass sie der J sowas nicht erlaubt haben und schon gar nicht am Wochenende.
Frage 1: Hat K einen Anspruch gegen die X-GmbH?
Frage 2: Hat K einen Anspruch gegen J?
Fallfortsetzung:
Ein Jahr später reicht die mittlerweile volljährige J Klage beim örtlich zuständigen Amtsgericht ein, da sie der Meinung ist, ihr stehen noch die 50 Euro zu. Zum mündlichen Verhandlungstermin erscheint die J ohne anwaltliche Vertretung, die X-GmbH erscheint trotz ordnungsgemäßen Termin nicht. Die J beantragt daher ein Versäumnisurteil gegen die X-GmbH.
Frage 3: Hat die Klage der J Erfolg?
Ist ein netter Zug der Geschäftsleitung, in so einer Angelegenheit für eine Geschäftsführerin auf die vermeintlich alleinige Haftung einer zunächst noch minderjährigen Praktikantin zu verweisen.
Hat jemand die Lösung für Frage 1?
Komme bei einem Problem nicht weiter und zwar, ob überhaupt ein Vertrag zustande gekommen ist, da G schon vor Abgabe der WE des J verstorben ist.
§ 130 II BGB Auf die Wirksamkeit der Willenserklärung ist es ohne Einfluss, wenn der Erklärende nach der Abgabe stirbt oder geschäftsunfähig wird.
Passt nicht richtig, da G vor Abgabe der WE ihres Vertreters stirbt
§ 153 I BGB Das Zustandekommen des Vertrags wird nicht dadurch gehindert, dass der Antragende vor der Annahme stirbt oder geschäftsunfähig wird, es sei denn, dass ein anderer Wille des Antragenden anzunehmen ist.
Danach müsste grundsätzlich ein Vertrag zustande gekommen sein, außer ein anderer Wille sei von G bekannt.
Wie seht ihr das?
Meiner Meinung nach kommt es auf die von Dir zitierten Normen gar nicht an, da die J nicht Botin, sondern Stellvertreterin ist. Als beschränkt Geschäftsfähige konnte sie die G vertreten, da die Vertretung für die J rechtlich neutral ist (vgl. § 179 Abs. 3 BGB). Die Vollmacht ist nicht automatisch im Todeszeitpunkt erloschen, sodass eine nachträgliche Genehmigung nicht notwendig war. Daher ist ein wirksames Rechtsgeschäft zustande gekommen.
Ohne jetzt im Detail weiter geprüft zu haben, würde ich Frage 1 bejahen und Frage 2 jedenfalls schon wegen § 179 Abs. 3 BGB verneinen. 🙂