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Schlagwortarchiv für: Entschädigung

Dr. Lena Bleckmann

Der Entschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Vererblichkeit

Deliktsrecht, Erbrecht, Examensvorbereitung, Für die ersten Semester, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Im Juni 2017 verstarb Altkanzler Helmut Kohl. In den Jahren zuvor hatte er einen Rechtsstreit gegen einen Autor geführt, der auf Grundlage von ursprünglich für die Memoiren Kohls geführten Interviews das Buch „Vermächtnis – die Kohl-Protokolle“ veröffentlichte. Kohl sah sich hierin falsch zitiert und machte insgesamt 116 Verletzungen seines Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gerichtlich geltend und verlangte hierfür neben Unterlassung insbesondere Geldentschädigung. Eine Entschädigung in Höhe von 1.000.000 Euro sprach das LG Köln dem Altkanzler auch zu (LG Köln. Urt. v. 27.4.2017 – 14 O 323/15, BeckRS 2017, 125934). Vor Rechtskraft des Urteils verstarb Kohl allerdings, der Rechtsstreit wurde durch seine Witwe und Alleinerbin weitergeführt. Nun hat er ein Ende gefunden – der BGH hat die Klage mit Urteil vom 29.11.2021 (Az. VI ZR 258/18) mangels Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs in dieser Hinsicht abgewiesen (siehe PM Nr. 218/2021 v. 29.11.2021).
Diese topaktuelle Entscheidung sollte Anlass geben, sich mit dem Entschädigungsanspruch wegen Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auseinanderzusetzen. Dieser ist bei Prüfern nicht unbeliebt, die Klausur- und Examensrelevanz dürfte durch die neue Entscheidung noch steigen. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Überblick über die Prüfung und beleuchtet insbesondere die Frage der Vererblichkeit des Anspruchs.
I. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als absolutes Recht i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB
Nach § 823 Abs. 1 BGB ist derjenige, der vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, dem anderen zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht wird hier nicht ausdrücklich als Schutzgut genannt. Die Erweiterung des Tatbestands um „sonstige Rechte“ gewährleistet allerdings einen Schutz anderer absoluter Rechte über die Aufzählung hinaus. Einschränkend ist der Begriff des „sonstigen Rechts“ so zu verstehen, dass es sich um ein mit Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit und Eigentum vergleichbar bedeutsames, absolutes Recht handeln muss (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 143). Dass hierzu auch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht zählt, ist heute einhellig anerkannt (BeckOK BGB/Förster, § 823 Rn. 177; Schulze BGB, § 823 Rn. 42).
Neben dem Ersatz materieller Schäden kann auf Grundlage des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG auch eine Geldentschädigung für einen entstandenen Nichtvermögensschaden erlangt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass ein hinreichend schwerer Eingriff vorliegt und die Beeinträchtigung nicht auf andere Weise ausgeglichen werden kann (etwa BGH, Urt. v. 17.12.2013 – VI ZR 211/12, NJW 2014, 2029 (2033). Hierbei handelt es sich nicht im immateriellen Schadensersatz nach § 253 BGB. Vielmehr gründet der Entschädigungsanspruch unmittelbar auf dem Schutzauftrag des verfassungsrechtlich gewährleisteten Persönlichkeitsrechts (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 389). Dem Anspruch kommt dabei in erster Linie eine Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion zu, wobei die Genugtuung im Vordergrund steht (vgl. BGH, Urt. v. 5.11.1994 – VI ZR 56/94, NJW 1995, 861 (865)).
II. Hinweise zur Prüfung des Anspruchs nach § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG
Die Prüfungsreihenfolge der Tatbestandsvoraussetzungen des § 823 Abs. 1 BGB gilt auch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts – festzustellen sind mithin Rechtsgutsverletzung, Verletzungshandlung, haftungsbegründende Kausalität, Rechtswidrigkeit und Verschulden. Zur Feststellung, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen ist, sind Kenntnisse aus dem Verfassungsrecht erforderlich, die von dort bekannten Fallgruppen gelten auch hier. Besondere Aufmerksamkeit bedarf bei der Prüfung des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG die Voraussetzung der Rechtswidrigkeit. Denn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht ist, wie das ebenfalls als „sonstiges Recht“ geschützte Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ein sog. Rahmenrecht. Rahmenrechte dienen als Auffangtatbestände dem Füllen von Schutzlücken (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (912)). Notwendigerweise unterliegt ihr Schutzbereich daher keiner festen Grenzziehung. Die hieraus folgende Weite führt dazu, dass nicht jedes den Schutzbereich betreffende Verhalten als rechtswidrig eingeordnet werden kann – anders als bei der Verletzung anderer von § 823 Abs. 1 BGB geschützter Rechtsgüter wird die Rechtswidrigkeit daher nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert, sondern ist positiv festzustellen (MüKoBGB/Wagner, § 823 Rn. 7). Hierzu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der aufseiten des Schädigers bestehende, schutzwürdige Interessen ebenso zu berücksichtigen sind, wie die Intensität des Grundrechtseingriffs aufseiten des Betroffenen. Diese ist unter Heranziehen der Sphärentheorie des BVerfG zu bestimmen (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (914)). Auch eine Wiederholung des Eingriffs kann eine besondere Schwere begründen (BeckOK BGB/Förster, § 12 Rn. 391).

Hinweis: Soweit hier Lücken bestehen, sollte der Streit zur Prüfung der Rechtswidrigkeit im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB (Stichwort Lehre vom Handlungs-/Erfolgsunrecht) wiederholt werden.

Aus dem Charakter des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht folgt weiterhin seine Subsidiarität – speziellere Persönlichkeitsrechte sind daher vorrangig zu prüfen! (Brockmann/Künnen, JuS 2020, 910 (915))
III. Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs
Besteht der Entschädigungsanspruch nun, ist der Geschädigte aber verstorben, so wie es im Fall von Helmut Kohl geschehen ist, stellt sich die Frage nach dem Anspruchsübergang auf dessen Erben. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person deren Vermögen als Ganzes auf den oder die Erben über.
Für eine Vererblichkeit des Entschädigungsanspruchs wurde diejenige des Schmerzensgeldes angeführt – seit der Abschaffung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. zum 1.7.1990 können Schmerzensgeldansprüche im Todesfalle auf die Erben übergehen. Bei abweichender Beurteilung im Rahmen des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG soll ein Verstoß gegen den Allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen (siehe Nachweise bei BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871).
In der genannten Grundsatzentscheidung aus dem Jahr 2014 schloss sich der BGH indes der Gegenansicht an; ausgehend vom Zweck des Entschädigungsanspruchs wurde die Vererblichkeit verneint.
„Bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung steht regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund. Da einem Verstorbenen Genugtuung für die Verletzung seiner Persönlichkeit nicht mehr verschafft werden kann, scheidet nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats die Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle der Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsschutzes aus. Erfolgt die Verletzung des Persönlichkeitsrechts zwar noch zu Lebzeiten des Verletzten, stirbt dieser aber, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden ist, verliert die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Gründe, vom Fortbestehen des Geldentschädigungsanspruchs über den Tod des Verletzten hinaus auszugehen, bestehen unter diesem Gesichtspunkt im Allgemeinen mithin nicht. Der von der Revision herangezogene Gedanke der Prävention kann vorliegend zu keiner anderen Beurteilung führen. Zwar trifft es zu, dass der Geldentschädigungsanspruch auch der Prävention dient. Der Präventionsgedanke vermag die Gewährung einer Geldentschädigung – auch in dem von der Revision vorliegend für gegeben erachteten Fall der Zwangskommerzialisierung – aber nicht alleine zu tragen. Dies wirkt sich nicht nur – wie im Falle postmortaler Persönlichkeitsrechtsverletzungen – auf die Beurteilung der Frage aus, ob der Geldentschädigungsanspruch auch unabhängig von seiner Genugtuungsfunktion entstehen kann, sondern auch darauf, ob er – wie im vorliegend zu beurteilenden Fall – bei Fortfall dieser Funktion weiterbestehen kann.“ (BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2872 f.), Nachweise im Zitat ausgelassen).
Aus der Streichung des § 847 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. lasse sich auch kein anderweitiger gesetzgeberische Wille ableiten (BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2872); ebenso Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005)). Weiterhin soll sich an der fehlenden Vererblichkeit auch weder durch die Anhängigkeit des Anspruchs (hierzu BGH, Urt. v. 29.4.2014 – VI ZR 246/12, NJW 2014, 2871 (2873)), noch durch dessen Rechtshängigkeit etwas ändern (hierzu BGH, Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005 f.)). Mit Eintritt der Rechtskraft allerdings kann der Anspruch vererbt werden, da sodann eine gesicherte Rechtsposition entstanden ist. Hierzu der BGH:
„Der erkennende Senat hat bereits mehrfach klargestellt, dass bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Fall einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung – anders als beim Schmerzensgeld – regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht, während der Präventionsgedanke die Gewährung einer Geldentschädigung nicht alleine zu tragen vermag. Der Senat hat deshalb für die Frage der Vererblichkeit eines bereits anhängigen Entschädigungsanspruchs ausgeführt, dass die Anhängigkeit einer auf Geldentschädigung gerichteten Klage nichts daran ändert, dass die von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung mit dem Tod des Verletzten an Bedeutung verliert. Aus dem Gedanken der Genugtuung folgt weiter, dass auch ein rechtshängiger Geldentschädigungsanspruch wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nicht vererblich ist. Denn ebenso wenig wie der Erblasser Genugtuung bereits mit der Einreichung der Klage erlangt, erlangt er sie mit deren Zustellung. Sie tritt erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung ein. Denn mit der Rechtskraft und nicht – wie die Revision meint – mit der Zustellung der Klage, mit der allenfalls eine Aussicht auf Genugtuung entsteht, wird eine gesicherte Position erlangt. Der Senat hat in dem Urteil vom 29.4.2014 formuliert, sterbe der Erblasser, bevor sein Entschädigungsanspruch erfüllt worden sei, verliere die mit der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung regelmäßig ebenfalls an Bedeutung. Daraus kann nicht abgeleitet werden, Genugtuung werde erst mit der Erfüllung erlangt. Stirbt der Erblasser nach Rechtskraft der Entscheidung, geht der rechtskräftig zuerkannte Anspruch auf seinen Erben über.“ (BGH, Urt. v. 32.5.2017 – VI ZR 261/16, NJW 2017, 3004 (3005 f.), Nachweise im Zitat ausgelassen, Hervorh. d. Verf.).
IV. Festhalten an der Rechtsprechungslinie auch im Jahr 2021
An dieser Entscheidungspraxis hält der BGH ausweislich der Pressemitteilung zum Abschluss des Verfahrens im Fall Kohl fest: Durchgreifende Gründe, die Rechtsprechung aufzugeben, habe der Senat nicht gesehen (PM Nr. 218/2021 v. 29.11.2021). Da die Entscheidung des LG Köln, die dem Altkanzler einen Entschädigungsanspruch zusprach, zum Zeitpunkt seines Todes noch nicht rechtskräftig war, geht der Anspruch in Millionenhöhe nicht auf seine Witwe und Alleinerbin über.
Viel Neues folgt aus der Entscheidung also nicht – für Studenten wie Examenskandidaten ist sie gleichwohl wichtig, denn dem einen oder anderen Prüfer dürfte sie in Erinnerung rufen, wie gut sich doch eine Prüfung des § 823 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG mit erbrechtlichem Einschlag für Klausuren in Studium und Examen eignet.
 

02.12.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-12-02 09:19:482021-12-02 09:19:48Der Entschädigungsanspruch bei Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seine Vererblichkeit
Dr. Lena Bleckmann

BGH: Der Staat haftet nicht für schlechte Gesetze – Neues zur Amtshaftung für legislatives Unrecht

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Am 28.1.2021 erging eine Entscheidung des BGH (III ZR 25/20), der viele mit Spannung entgegengeblickt haben. Das Verfahren zur Amtshaftung aufgrund einer unwirksamen Mietpreisbremse hat hohe praktische Relevanz, sind die vom BGH angewandten Grundsätze doch auf andere Fälle des legislativen Unrechts übertragbar. Staatshaftungsrecht ist bei Studenten bekanntermaßen nicht sonderlich beliebt – die hochaktuelle Entscheidung dürfte aber umso mehr für Klausurrelevanz sorgen. Die Lektüre lohnt sich also, insbesondere auch zur Wiederholung der Grundsätze der Amtshaftung.
I. Worum es geht
Nach § 556d Abs. 2 S. 1 BGB haben die Länder die Möglichkeit, durch Verordnung Gebiete mit angespannter Wohnsituation festzulegen und so den Mechanismus der Mietpreisbremse nach § 556d Abs. 1 BGB auszulösen. Zu Beginn des Mietverhältnisses darf die Miete die ortsübliche Vergleichsmiete dann um höchstens 10 % übersteigen. Eine solche Verordnung hat das Land Hessen u.a. für einen Stadtteil von Frankfurt am Main erlassen, allerdings die in § 556d Abs. 2 S. 5-7 BGB festgelegte Begründungspflicht verletzt. In der Folge erklärte der BGH die Verordnung für unwirksam (BGH, Urt. v. 17.7.2019 – VIII ZR 130/18). Damit konnte die Mietpreisbremse für den betroffenen Stadtteil nicht gelten, was für ein Ehepaar bedeutete, dass ihre Miete nicht wie erwartet um mehr als 200 € sank. Der Rechtsdienstleister wenigermieter.de, an den das Ehepaar seine Ansprüche abgetreten hatte, forderte nach der Entscheidung des BGH über die Unwirksamkeit der Verordnung Ersatz vom Staat. Dieser habe seine Amtspflicht gegenüber den Mietern verletzt.
II. Rechtliche Grundlagen
Maßgeblich geht es also um eine Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Die grundsätzliche Konstruktion der Amtshaftung ist bekannt – § 839 Abs. 1 S. 1 BGB normiert zunächst die persönliche Einstandspflicht des handelnden Beamten, die Haftung wird aber durch Art. 34 GG auf den Staat übergeleitet. Voraussetzung für einen Amtshaftungsanspruch ist, dass jemand in Ausübung eines hoheitlichen Amtes die einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt, dies kausal zu einem Schaden führt und der Beamte dies zu verschulden hat. Der Begriff des Beamten ist hier weit zu fassen – Beamte im staatshaftungsrechtlichen Sinne sind alle Personen, denen öffentliche Gewalt anvertraut wurde und die ihre Tätigkeit nach den Bestimmungen des öffentlichen Rechts ausüben (s. BeckOK BGB/Reinert, § 839 Rn. 4, 15). Dies ist unter Anwendung der modifizierten Subjektstheorie zu bestimmen. Einschränkungen der Haftung folgen aus § 839 Abs. 1 S. 2 BGB (bei Fahrlässigkeit besteht kein Anspruch, wenn der Betroffene auf andere Weise Ersatz zu erlangen vermag), Abs. 2 (Spruchrichterprivileg) und Abs. 3 (kein Ersatz bei schuldhafter Versäumnis von Rechtsmitteln). Der Anspruch wird vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht, Art. 34 S. 3 GG, § 40 Abs. 2 S. 1 VwGO.
III. Die aktuelle Entscheidung des BGH im Kontext der Amtshaftung
Angewandt auf den zu entscheidenden Fall ist nun zunächst eindeutig, dass jemand – die Landesregierung bzw. deren Mitglieder – bei Erlass der Verordnung in Ausübung eines öffentlichen Amts agierte: Die in § 556d Abs. 2 BGB vorgesehene Verordnungsermächtigung berechtigt ausschließlich die Landesregierung als Trägerin hoheitlicher Gewalt und ist somit dem öffentlichen Recht zuzuordnen. Auf Grundlage dieser Norm agierte die Regierung in Ausübung eines öffentlichen Amtes, ihre Mitglieder sind Beamte im staatshaftungsrechtlichen Sinne.
Entscheidend ist demgegenüber das Merkmal der Verletzung einer drittbezogenen Amtspflicht. Der Begriff der Amtspflicht ist weit zu fassen und umfasst insbesondere auch die Pflicht zu rechtmäßigem Handeln. Indem die Begründungspflicht nach § 556d Abs. 2 S. 5-7 BGB verletzt wurde, wurde auch eine Amtspflicht verletzt, denn es liegt eine rechtswidrige Amtsausübung vor. Das reicht für den Amtshaftungsanspruch jedoch noch nicht – verletzt werden muss gerade eine drittgerichtete Amtspflicht. Das setzt voraus, dass die Amtspflicht gerade auch der Wahrung der Interessen des Dritten dient. Der BGH führt in seiner Pressemitteilung hierzu aus:

„Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten „Dritten“ bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten hingegen durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt.“ (BGH, Pressemitteilung Nr. 018/2021)

Damit greift das Gericht die anerkannten Grundsätze zur Haftung – bzw. fehlenden Haftung – für legislatives Unrecht auf. Die Pflicht zum rechtmäßigen Handeln in ihrer Ausprägung, nur rechtmäßige Gesetze zu erlassen, dient i.d.R. nicht dem Einzelnen, sondern den Interessen der Allgemeinheit. Ein Amtshaftungsanspruch scheidet damit aus. Das muss aber nicht ausnahmslos in allen Fällen legislativen Unrechts gelten, wie auch der BGH anmerkt:

„Nur ausnahmsweise – etwa bei sogenannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen – kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als „Dritte“ im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können.“ (BGH, Pressemitteilung Nr. 018/2021)

Die Verordnung zur Mietpreisbremse sei aber kein derartiges Maßnahme- oder Einzelfallgesetz, denn sie betreffe keine individuellen Mieter, sondern aufgrund der Weite ihres räumlichen Geltungsbereichs einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis.
Dies hätte womöglich schon gereicht, um den Amtshaftungsanspruch abzulehnen. Der BGH ging in seinen Ausführungen aber noch weiter und merkte an, dass auch der Eingriff in eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition nicht zu einem Amtshaftungsanspruch führe:

„Nicht jede Grundrechtsbeeinträchtigung durch staatliche Amtsträger führt zur Staatshaftung. Der Gesetzgeber kann Voraussetzungen und Umfang von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen näher ausgestalten. Eine solche Ausgestaltung ist mit § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB erfolgt, wonach ein Amtshaftungsanspruch nur besteht, wenn ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Damit ist eine Haftung wegen der Verletzung von Amtspflichten, die dem Beamten nicht spezifisch dem Träger des betroffenen Grundrechts gegenüber obliegen, nicht vereinbar.“ (BGH, Pressemitteilung Nr. 018/2021)

Und auch das enttäuschte Vertrauen der Mieter in die Wirksamkeit der hessischen Mietpreisbremsenverordnung könne für sich genommen keinen Ersatzanspruch nach sich ziehen – ein allgemeiner Anspruch diesbezüglich ist nicht anerkannt, die Voraussetzungen der Amtshaftung mangels Drittbezogenheit nicht erfüllt.
IV. Was bleibt?
Der BGH ist seiner lang etablierten Linie treu geblieben und hat eine Haftung des Staates für mangelhafte und damit unwirksame Gesetze abgelehnt. Eine andere Entscheidung hätte weitreichende Folgen haben können – nicht nur zahlreiche Verordnungen zu Mietpreisbremsen sind in der Vergangenheit für unwirksam erklärt worden, die Entscheidung hätte Ausstrahlungswirkung auf sämtliche anderen unwirksamen Normen gehabt und so zu umfangreichen Haftungssummen führen können. Dies hat das Urteil abgewendet. Für Studenten und Examenskandidaten ist das begrüßenswert – es bleibt bei den bislang geltenden Grundsätzen, nach denen eine Haftung für legislatives Unrecht i.d.R. nicht besteht. Mieter und sonst von letztlich unwirksamen Gesetzen Betroffene dürften dem anders gegenüberstehen.

01.02.2021/1 Kommentar/von Dr. Lena Bleckmann
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Lena Bleckmann https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Lena Bleckmann2021-02-01 08:30:102021-02-01 08:30:10BGH: Der Staat haftet nicht für schlechte Gesetze – Neues zur Amtshaftung für legislatives Unrecht
Dr. Maximilian Schmidt

BVerfG zum Atomausstieg – Was ihr jetzt wissen müsst!

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verfassungsrecht

Das BVerfG hat mit Urteil vom 06.12.2016 – 1 BvR 2821/11 u.a. Stellung zum Gesetz zum beschleunigten Atomausstieg vom 31.07.2011 („13. AtG-Novelle“) genommen und dieses größtenteils für verfassungskonform erklärt. Teile des Gesetzes wurden hingegen nicht vom BVerfG gebilligt und bedürfen der Nachbesserung. Nicht nur weil das Urteil in der Tagespresse ausführlich besprochen und debattiert wurde, sondern auch aufgrund der besonderen Relevanz für juristische Prüfungen sollen im Folgenden die wesentlichen Aussagen des Gerichts zusammengefasst werden.
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen, gekürzt)

Die Verfassungsbeschwerden richten sich gegen die im Jahr 2011 beschlossene Beschleunigung des Ausstiegs aus der friedlichen Nutzung der Kernenergie. Die Grundentscheidung für den Ausstieg erfolgte bereits durch die Ausstiegsnovelle im Jahr 2002. Den einzelnen Kernkraftwerken wurden Kontingente an Reststrommengen zugeteilt, die auch auf andere, jüngere Kernkraftwerke übertragen werden durften. Infolge des Tsunamis vom 11. März 2011 und dem dadurch ausgelösten Schmelzen von drei Reaktorkernen im Kernkraftwerk Fukushima in Japan hat der Gesetzgeber mit der 13. AtG-Novelle erstmals feste Endtermine für den Betrieb der Kernkraftwerke gesetzlich verankert und zugleich die durch die 11. AtG-Novelle im Herbst 2010 vorgenommene Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke rückgängig gemacht. Die Beschwerdeführerinnen rügen vornehmlich eine Verletzung der Eigentumsfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG).

II. Die wesentlichen Aussagen des BVerfG
1. Grundrechtsfähigkeit einer ausländischen juristischen Person in Staatshand, Art. 19 Abs. 3 GG
Beschwerdeführerin Vattenfall ist mittelbar zu 100% in der Hand des schwedischen Staats. Problematisch ist daher die Grundrechtsfähigkeit im Rahmen von Art. 19 Abs. 3 GG in zweierlei Hinsicht:
Zunächst im Hinblick auf die Organisationsstruktur, wonach Vattenfall mittelbar in öffentlicher Hand ist. Inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf die materiellen Grundrechte berufen. Maßgeblich ist insoweit das sog. Konfusionsargument: Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsverpflichtung können nicht in einer Person zusammenfallen. Etwas anderes gilt nur für bestimmte Lebensbereiche, wie Universitäten oder öffentliche Rundfunkanstalten. Diese Argumentation greift jedoch nicht bei ausländischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts, da die Grundrechtsverpflichtung fehlt und keine innerstaatlichen Machtbefugnisse bestehen.
Daneben erfasst Art. 19 Abs. 3 GG lediglich inländische juristische Personen. Wegen des Bezugs zur Niederlassungsfreiheit als Grundfreiheit dehnt das BVerfG diesen Begriff auch auf ausländische, innereuropäische juristische Personen aus. Auf diese Weise sollen Brüche zwischen der deutschen und der europäischen Rechtsordnung vermieden werden (sog. Europarechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes).
2. Schutzbereich von Art. 14 GG
Art. 14 GG nimmt das Eigentum als Leitbegriff auf. Geschützt ist demnach jede gesicherte Rechtsposition. Die Eigentumsgarantie schützt den konkreten Bestand in der Hand der einzelnen Eigentümer gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt. An öffentlich-rechtlichen Genehmigungen besteht grundsätzlich kein Eigentum.
Allerdings liegt eine Berührung des Eigentums mittelbar durch Entzug der Genehmigungen vor: Die den Kernkraftwerken 2002 und 2010 durch Gesetz zugewiesenen Elektrizitätsmengen bilden zwar keinen selbständigen Gegenstand des Eigentumsschutzes, haben aber als maßgebliche Nutzungsgrößen teil am Eigentumsschutz der Anlagen.
Zudem sind die in der zwischen 2002 und 2011 getätigten Investitionen geschützt (sog. frustrierte Investitionen). Insoweit ist eine Abgrenzung zum bloßen Vermögensschutz vorzunehmen. Nur ausnahmsweise können Investitionen von Art. 14 GG geschützt sein, etwa wenn ein ausreichender Vertrauenstatbestand durch den Staat gesetzt wurde:

Das Eigentumsgrundrecht schützt damit auch berechtigtes Vertrauen in den Bestand der Rechtslage als Grundlage von Investitionen in das Eigentum und seiner Nutzbarkeit; ob und inwieweit ein solches Vertrauen berechtigt ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Garantie der Erfüllung aller Investitionserwartungen besteht nicht.

3. Eingriffsbegriff
Maßgeblich zur Bestimmung der Rechtmäßigkeit eines Eingriffs ist im Rahmen von Art. 14 GG, ob es sich um eine Enteignung oder eine Inhalts- und Schrankenbestimmung handelt. Eine Enteignung ist hierbei abschließend definiert als vollständige oder teilweise Entziehung konkreter subjektiver Eigentumspositionen zur Erfüllung bestimmter öffentlicher Aufgaben. Das BVerfG nimmt eine Inhalts- und Schrankenbestimmung an und verneint eine Enteignung, da sich der Staat die Reststrommengen nicht gleichsam beschafft, also keine Güterbeschaffung bezweckt ist. Dies ist aber konstitutiv für eine Enteignung.

Beispielhaft mag die Wegnahme von illegal eingeführten Drogen durch den Zoll sein: Der Staat möchte sich in diesen Fällen die Drogen nicht beschaffen, sondern sie lediglich wegnehmen. 

Allerdings kann der dennoch vorliegende Entzug konkreter Rechtspositionen ein Kriterium in der Verhältnismäßigkeitsprüfung sein: 

Führen Einschränkungen der Nutzungs- und Verfügungsbefugnis am Eigentum als Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu einem Entzug konkreter Eigentumspositionen, ohne der Güterbeschaffung zu dienen, sind gesteigerte Anforderungen an deren Verhältnismäßigkeit zu stellen. Sie werfen stets die Frage nach Ausgleichsregelungen auf.

4. Verhältnismäßigkeit der Inhalts- und Schrankenbestimmung
Die Beschränkung der Laufzeit und Reststrommengen wird vom BVerfG grundsätzlich als verhältnismäßig gebilligt. In die Abwägung sind insbesondere die schwerwiegenden Allgemeinwohlbelange einzustellen und der Umstand, dass die Sozialbindung des Eigentums bei Kernkraftwerken besonders ausgeprägt ist. 
Etwas anderes gilt nur für bestimmte zugesagte Reststrommengen, da insoweit ein besonderer Vertrauensschutz auf Seiten der Beschwerdeführer eingreift, sowie für frustrierte Aufwendungen. Insoweit ist in der Klausur eine umfassende Abwägung anhand des wiedergegebenen Sachverhalts vorzunehmen. Vertretbar ist vieles, wichtig ist allein die wesentlichen Komponenten der Abwägung zu berücksichtigen: Allgemeinwohl, Gesundheits- und Umweltschutz, Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers sowie Sozialbindung des Eigentums gegenüber Vertrauens- und Eigentumsschutz.
 

08.12.2016/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2016-12-08 10:00:132016-12-08 10:00:13BVerfG zum Atomausstieg – Was ihr jetzt wissen müsst!
Dr. Maximilian Schmidt

EuGH: Entschädigung bei Flugannullierung auch bei technischen Problemen

Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Verbraucherschutzrecht

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom 17.09.2015 (Az.: C-257/14) entschieden, dass Luftfahrtunternehmen Fluggästen grundsätzlich auch bei Annullierung eines Fluges wegen unerwarteter technischer Probleme einen finanziellen Ausgleich leisten müssen. Ausnahmen bestünden nur, soweit der Defekt auf versteckten Fabrikationsfehlern, Sabotageakten oder aus terroristischen Handlungen resultieren.
Anspruchgrundlage ist Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004. Nach Artikel 5 Abs. 3 ist ein ausführendes Luftfahrtunternehmen nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Bisher wurden hierunter insbesondere Streiks von Fluglotsen oder schlechtes Wetter gefasst.
Fraglich war nun, ob auch ein technisches Problem, das unerwartet auftritt, nicht auf eine fehlerhafte Wartung zurückzuführen und auch nicht während einer regulären Wartung festgestellt worden ist, unter den Begriff „außergewöhnliche Umstände“ fällt. Hierzu bezieht der EuGH nun erstmals Stellung: (der Pressemitteilung entnommen)

Sodann weist der EuGH darauf hin, dass ein Ausfall, der durch das vorzeitige Auftreten von Mängeln an bestimmten Teilen eines Flugzeugs hervorgerufen wurde, zwar ein unerwartetes Vorkommnis darstellt. Dennoch bleibe ein solcher Ausfall untrennbar mit dem sehr komplexen System zum Betrieb des Flugzeugs verbunden, das vom Luftfahrtunternehmen oft unter schwierigen oder gar extremen Bedingungen, insbesondere Wetterbedingungen, betrieben wird, wobei kein Teil eines Flugzeugs eine unbegrenzte Lebensdauer hat. Daher sei dieses unerwartete Vorkommnis im Rahmen der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, und das Luftfahrtunternehmen sehe sich dieser Art von unvorhergesehenen technischen Problemen gewöhnlich gegenüber.

Der EuGH grenzt im Folgenden danach ab, wessen Risikosphäre der Ausfall zuzuordnen ist – eine Überlegung, die aus dem deutschen Recht bekannt ist:

Im Übrigen sei die Vorbeugung eines solchen Ausfalls oder der dadurch hervorgerufenen Reparatur, einschließlich des Austauschs eines vorzeitig defekten Teils, vom betroffenen Luftfahrtunternehmen zu beherrschen. Es sei seine Aufgabe, die Wartung und den reibungslosen Betrieb der Flugzeuge, die es zum Zweck seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten betreibt, sicherzustellen.

Für Passagiere bedeutet dies: Sofern ein technischer Defekt Grund einer Flugverspätung oder Annullierung ist, spricht auf den ersten Blick viel für das Entstehen eines Entschädigungsanspruchs. Nur sofern tatsächlich hinsichtlich der technischen Probleme außergewöhnliche Umstände vorliegen, kann der Anspruch entfallen – eine weitere Stärkung der Fluggastrechte durch den EuGH.
 
 
 
Fluggastrechte, Entschädigung, Annullierung, technische Probleme, außergewöhnliche Umstände

18.09.2015/0 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2015-09-18 09:55:152015-09-18 09:55:15EuGH: Entschädigung bei Flugannullierung auch bei technischen Problemen
Maria Dimartino

BAG: Symptomlose HIV-Infektion – Behinderung im Sinne des § 1 AGG

Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Wir freuen uns nachfolgend einen Gastbeitrag von Maria Dimartino veröffentlichen zu können. Die Autorin ist Rechtsanwältin mit den Interessenschwerpunkten Individual- und Kollektivarbeitsrecht. Sie hat Rechtswissenschaften in Heidelberg und Frankfurt a.M. studiert. Ihr Referendariat hat Sie am Landgericht Wiesbaden absolviert. Sie ist als selbstständige Rechtsanwältin und Lehrbeauftrage/Tutorin tätig. Mehr Informationen über die Autorin finden Sie hier.
Dem Beitrag liegt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG)  zu Grunde. Das BAG hat sich in seinem Urteil vom 19. Dezember 2013, 6 AZR 190/12 mit der Frage beschäftigt, ob eine symptomlose HIV-Infektion den Anwendungsbereich des § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) eröffnet und folglich wegen einer Diskriminierung aufgrund diesen Merkmals eine Schadensersatz bzw. eine Entschädigungszahlung gem. § 15 Abs. 1, 2 AGG begründet.
I. Sachverhalt
Der Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages vom 1. Dezember 2010 als chemisch- technischer Assistent bei der Beklagten angestellt. Die Beklagte produziert Arzneimittel zur Behandlung von Krebserkrankungen, die intravenös verabreicht werden. Das Arbeitsverhältnis war bis zum 5. Dezember 2011 befristet, wobei die ersten sechs Monate als Probezeit vereinbart waren, innerhalb derer das Arbeitsverhältnis mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden konnte. Bei einer Einstellungsuntersuchung am 8. Dezember 2010 teilte der Kläger dem Betriebsarzt mit, dass er HIV-infiziert ist. Der Kläger ist symptomfrei und hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 10. Der Kläger sollte seine Tätigkeit im Reinraum der Beklagten ausführen. Dagegen äußerte der Betriebsarzt Bedenken in dem von ihm auszufüllenden Formular „Standard Operating Procedure“ (SOP). Dieses Formular der Beklagten dient der Umsetzung des sogenannten „Leitfaden der guten Herstellungspraxis“ (Dabei handelt es sich um Leitlinien der EU-Kommission). In Ziffer 2.15 des Leitfaden heißt es:

„Es sollen Vorkehrungen getroffen werden, die, soweit es praktisch möglich ist, sicherstellen, dass in der Arzneimittelherstellung niemand beschäftigt wird, der an einer ansteckenden Krankheit leidet oder offene Verletzungen an unbedeckten Körperstellen aufweist.“

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 04. Januar 2011 zum 24. Januar 2011. Möglichkeiten zur Beschäftigung des Klägers außerhalb des Reinraums bestanden nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichtes nicht. Der Kläger greift diese Kündigung an und macht geltend, dass diese Kündigung diskriminierend sei, weil diese allein wegen seiner symptomlosen HIV-Infektion erfolgt sei. Dies stelle eine Diskriminierung aufgrund einer Behinderung im Sinne des § 1 AGG dar. Aus diesem Grunde stünde ihm auch eine Entschädigung im Sinne des § 15 AGG zu.
II. Ansprüche gem. § 15 Abs. 1, 2 AGG
1. Persönlicher Abwendungsbereich, § 6 Abs. 1 AGG
Der Kläger ist aufgrund eines Arbeitsvertrages beschäftigt und damit Arbeitnehmer im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 AGG.
2. Sachlicher Anwendungsbereich
a) Bereichsausnahme, § 2 Abs. 4 AGG
Gem. § 2 Abs. 4 AGG soll das AGG nicht für Sachverhalte anwendbar sein, die das KSchG betreffen. Bei solchen Kündigungen wird die Wirkung des AGG jedoch im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln geprüft. Ob diese Bereichsausnahme Richtlinienkonform ist kann an dieser Stelle dahinstehen, da in diesem Fall das Kündigungsschutzgesetz gar nicht anzuwenden war, da die Wartezeit von sechs Monaten des § 1 KSchG nicht erfüllt war. In solchen Fällen, bei dem das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet kann es auch nicht zu einer Konkurrenz zwischen AGG und KSchG kommen. Daher sind Kündigungen, für die nicht der Maßstab der sozialen Rechtfertigung des § 1 Abs. 1, 2 KSchG eröffnet ist unmittelbar am Maßstab des AGG zu messen.

„§ 2 Abs. 4 AGG regelt für Kündigung nur das Verhältnis zwischen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem Kündigungsschutzgesetz sowie den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen. Die zivilrechtlichen Generalklauseln werden dagegen von § 2 Abs. 4 AGG nicht erfasst. Der Diskriminierungsschutz des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes geht insoweit diesen Klauseln vor und verdrängt diese. Ordentliche Kündigungen während der Wartezeit und in Kleinbetrieben sind deshalb unmittelbar am Maßstab des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz messen. Dies ergibt sich aus der Gesetzgebungsgeschichte und dem Zweck des § 2 Abs. 4 AGG […].“

b) Benachteiligungsmerkmal i.S.v. § 1 AGG ?
Das AGG untersagt Diskriminierungen aufgrund der in § 1 AGG genannten Merkmale. Benachteiligungsmerkmale gem. § 1 AGG sind Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, ethnischen Herkunft, Geschlechts, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alters oder sexuellen Identität. Das BAG hat sich sehr ausführlich mit dem Begriff der Behinderung i.S.d. AGG beschäftigt und sich für eine weite Definition unter Berücksichtigung der Teilhabe am Berufsleben und an der Gesellschaft ausgesprochen. Darunter können auch chronische Erkrankungen fallen, soweit eine Beeinträchtigung der Teilhabe vorliegt. Auf einen bestimmten Grad der Behinderung (GdB) kommt es nicht an. Das BAG hat festgestellt, dass eine symptomlose HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des § 1 AGG darstellt.

„Eine Behinderung liegt vor, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder will die Gesundheit eines Menschen langfristig eingeschränkt ist und dadurch – in Wechselwirkung mit verschiedenen sozialen Kontextfaktoren (Barrieren) – seine Teilhabe an der Gesellschaft, wozu auch die Teilhabe am Berufsleben gehört, substantiell beeinträchtigt sein kann […].“

Weiter führt das BAG aus:

„Der Kläger ist aufgrund seiner symptomlosen HIV-Infektion chronisch erkrankt. Diese Beeinträchtigungen wirkt sich auf seine Teilhabe sowohl im Leben in der Gemeinschaft als auch in deinem Berufsfeld aus. Er ist deshalb behindert i.S.d. § 1 AGG. Das gilt so lange, wie das gegenwärtig auf eine solche Infektion zurückführende soziale Vermeidungsverhalten und die darauf beruhende Stigmatisierungen andauern […].“

3. Benachteiligungsverbot i.S.d. § 7 Abs. 1 AGG
Die Begriffe der unmittelbare bzw. mittelbare Benachteiligung sind in. § 3 AGG legal definiert. Eine unmittelbare Benachteiligung nach § 3 Abs. 1 S. 1 AGG liegt demnach vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 genannten Grundes eine weniger günstigen Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Die Kündigung benachteilige hier den Kläger unmittelbar i.S.d. § 3 Abs. 1 AGG, weil sie im untrennbaren Zusammenhang mit seiner symptomlosen HIV-Infektion (Behinderung, i.S.d. § 1 AGG) steht.
4. Vorliegen von Rechtfertigungsgründen
Eine Benachteiligung aufgrund eines in § 1 AGG genannten Merkmale kann ggf. gerechtfertigt sein:

  • § 5 AGG (Positive Maßnahmen)
  • § 8 AGG (berufliche Anforderungen)
  • § 9 AGG (Religion oder Weltanschauung)
  • § 10 AGG (Alter)

In dieser Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, da dieses noch aufklären muss, ob der Arbeitgeber ausreichend angemessene Vorkehrungen getroffen hat um sich überhaupt auf § 8 Abs. 1 AGG berufen zu dürfen. Denn bei einer Behinderung sind angemessene Vorkehrungen zur Nachteilsausgleichung zu Treffen (vgl. § 81 Abs. 1, 2 SGB IX). Wenn der Arbeitgeber dies unterlässt und der Arbeitnehmer deshalb nicht eingesetzt werden kann, ist dieser Umstand nicht der Behinderung sondern der Untätigkeit des Arbeitgebers geschuldet. Eine Kündigung ist dann nicht gerechtfertigt.
III. Rechtfolgen bei rechtswidriger Benachteiligung

  • Unwirksamkeit der Vereinbarung, § 7 Abs. 2 AGG
  • Leistungsverweigerungsrecht, § 14 AGG
  • Schadensersatzanspruch, § 15 Abs. 1 AGG
  • Entschädigungsanspruch, § 15 Abs. 2 AGG
  • Unterlassungs-s/Beseitigungsanspruch
  • Kein Anspruch auf Beschäftigung, 15 Abs. 6 AGG

1. Schadensersatz, § 15 Abs. 1 AGG
a) Ein Verschulden wird vermutet.
b) Materieller Schaden Ein Bewerber müsste darlegen und beweisen, dass er als der am besten geeignete Bewerber bei diskriminierungsfreier Auswahl die Stelle erhalten hätte. Hieran ändert auch § 22 AGG nichts. Diese Hürde wird in der Regel nicht zu nehmen sein, da der Bewerber auch keinen Auskunftsanspruch gegenüber dem Arbeitgeber hat. In diesem Fall ist der K jedoch bereits eingestellt worden und explizit wegen seiner HIV-Infektion gekündigt worden. Wenn nach den Feststellungen des Landgerichtes eine Beschäftigung des K möglich gewesen wäre ohne, dass ein höheres Risiko von ihm ausgegangen wäre, ihm ein Schadensersatzanspruch zustünde (unabhängig von der Frage, ob die Kündigung unwirksam ist). Der Schaden ist zu bemessen nach den allgemeinen Grundsätzen des § 249 BGB. Eine Obergrenze ist hier anders als bei § 15 Abs. 2 S. 2 AGG nicht festgelegt. Hier würde sich der Schaden wohl in der Höhe des Arbeitsentgeltes bis zum nächsten (hypothetischen) Kündigungstermins belaufen. Schwieriger wäre eine materielle Schadensermittlung im Falle der Feststellung, dass die Kündigung nun gar nicht mehr wirksam ist.
2. Immaterieller Schadensersatz, § 15 Abs. 2 AGG
a) Verschuldensunabhängig b) Entschädigung für den Schaden der „nicht Vermögensschaden“ ist
Die Höhe der Entschädigung steht im Ermessen des Gerichts (vgl. § 253 BGB). Sie richtet sich nach der Schwere der Benachteiligung, dem Grad eines eventuellen Verschuldens des Arbeitgebers und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Arbeitgebers. Sie sollte zumindest so hoch sein, dass sie geeignet ist, den Arbeitgeber von weiteren Diskriminierungen abzuhalten. Für den Fall einer Einstellungsdiskriminierung bzgl. einer Person, welche auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre, setzt § 15 Abs. 2 S. 2 AGG eine Obergrenze von drei Monatsgehältern fest.
3. Beweislastverteilung, § 22 AGG
Hiernach muss der Anspruchssteller die Anwendbarkeit des AGG, sowie das Vorliegen einer objektiven Benachteiligung beweisen. Es reichen hierbei Indizien aus (z.B. Stellenausschreibung nicht geschlechtsneutral). Sodann muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen das AGG vorliegt. D.h. der Arbeitgeber muss nachweisen, dass die ungleiche Behandlung auf einem zulässigen Auswahlgrund beruht.
4. Form- und Fristgemäße Geltendmachung, § 15 Abs. 4 AGG
Ansprüche aus § 15 Abs. 1, 2 AGG müssen innerhalb von zwei Monaten schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden. Bei Ablehnung der Ansprüche durch den Arbeitgeber muss gem. § 61 b Abs. 1 ArbGG eine klageweise Durchsetzung dieser Ansprüche innerhalb von drei Monaten vor dem zuständigen Arbeitsgericht erfolgen.
5. Weitere Ansprüche
Weitere Schadensersatzansprüche und Schmerzensgeldansprüche können daneben geltend gemacht werden (§§ 280, 253, 823 BGB).
6. Ein Anspruch auf Einstellung besteht nicht, § 15 Abs. 6 AGG
IV.Fazit Ansprüche aus §§ 15 Abs. 1, 2 AGG eignen sich gut, um eine arbeitsrechtliche Klausur mit Grundlagen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes anzureichern und können daher als Zusatzfrage neben der Frage der Wirksamkeit einer Kündigung auftauchen. Der Begriff der Behinderung im Sinne des AGG ist weiter zu verstehen, als der in § 2 SGB IX. Denn zu berücksichtigen ist auch, ob aufgrund eines Merkmals i.S.d. § 1 AGG eine derartige Stigmatisierung erfolgt, dass sich diese benachteiligend auf das Beschäftigungsverhältnis auswirkt. Dem Arbeitgeber obliegt grundsätzlich die Pflicht zu prüfen, ob ein Arbeitnehmer trotz Behinderung bei angemessen Vorkehrungen zu beschäftigen ist.

02.04.2014/3 Kommentare/von Maria Dimartino
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maria Dimartino https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maria Dimartino2014-04-02 08:00:102014-04-02 08:00:10BAG: Symptomlose HIV-Infektion – Behinderung im Sinne des § 1 AGG
Dr. Johannes Traut

EuGH: Entschädigung für verspätete Ankunft am Zielort

Europarecht, Rechtsprechung, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Der EuGH hat sich in der letzten Woche (Urteil v. 26.2.2013 – C 11/11 – Folkerts, abrufbar hier) wieder einmal zur Fluggastrechte-VO (EG/261/2004) geäußert.
Sachverhalt: Das Ehepaar Folkerts hatte bei Air France einen Flug von Bremen über Paris und São Paulo (Brasilien) nach Asunción in Paraguay gebucht. Sie erhielten bereits bei Flugantritt in Bremen Bordkarten für die gesamte Reise. Der Flug in Bremen startete mit 2,5 Verspätung, weshalb sie ihre beiden Anschlussflüge verpasste und mit einer Verspätung von 11h gegenüber der ursprünglich geplanten Ankunftszeit in Asunción ankamen. Air France verweigerte die Zahlung einer Entschädigung nach Art. 7 Abs. 1 der FluggastVO mit der Begründung, nach Art. 6 der VO käme es auf die Verspätung beim Abflug und nicht bei der Ankunft an.
Grundlage: Ausgleichsanspruch auch für große Verspätung (Rs. Sturgeon)
Interessant ist zunächst, wie es überhaupt zu einem Ausgleichsanspruch für Verspätungen kommt. Denn Art. 6, der Ansprüche bei „Verspätung“ regelt, verweist gerade nicht auf Art. 7 VO, nach dem ein Ausgleichsanspruch geschuldet ist. Auch der systematische Vergleich mit Art. 5, wo sich ein solcher Verweis findet, legt nahe, dass es für Verspätungen eben keinen Ausgleichsanspruch geben soll.
In seinem durchaus umstrittenen Urteil vom 19.11.2009 (Rs. C‑402/07 u.a., Slg. 2009, I‑10923 – Sturgeon u. a.) hat der EuGH dennoch Fluggästen auch für große Verspätungen einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der FluggastVO zugestanden:

  • Die Fluggäste, die von einer großen Verspätung betroffen waren, wären im Ergebnis nicht anders gestellt als die von einer Annullierung betroffenen, wenn, wie im Falle des Art. 5 Abs. 1 lit. c) Sublit iii, die Annullierung unmittelbar vor Flugantritt erfolge. Denn in beiden Fällen kämen sie wesentlich später am Zielort an. Sie dürften daher schon aus Gleichheitsgründen nicht anders behandelt werden, denn ihr Schutz solle nach den Erwägungsgründen 1-4, insbesondere 2, gleich intensiv sein.
  • Der 15. Erwägungsgrund gehe auch davon aus, dass für große Verspätungen ebenfalls ein Ausgleichsanspruch bestehe. Denn er sagt, von außergewöhnlichen Umständen sei auch bei einer großen Verspätung unter bestimmten Umständen auszugehen. Von dem Vorliegen außergewöhnlicher Umstände macht die VO aber gerade einen Ausschluss des Ausgleichsanspruchs abhängig (vgl. Art. 5 Abs. 3 VO). Die Ausführungen im Erwägungsgrund haben also nur Sinn, wenn auch für große Verspätungen ein Ausgleichsanspruch besteht. Darüber hinaus zeige der Erwägungsgrund auch, dass Annullierung und große Verspätung gleich zu behandeln sein.
  • Andererseits scheide die (m.E. naheliegende) Lösung, unter den Begriff der Annullierung auch große Verspätungen zu fassen, aus, denn die VO unterscheide die Begriffe.
  • Vielmehr sei der Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des Art. 5 Abs. 1 lit. c) Sublit. iii zu geben, wobei es aber nur auf die insgesamt dreistündige Verspätung ankomme. Er führt aus (Rn. 32):

„Fluggäste, die eine große Verspätung erleiden, d. h. eine Verspätung von drei Stunden oder mehr, ebenso wie Fluggäste, deren ursprünglicher Flug annulliert wurde und denen das Luftfahrtunternehmen keine anderweitige Beförderung unter den in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii der Verordnung Nr. 261/2004 vorgesehenen Voraussetzungen anbieten kann, haben einen Ausgleichsanspruch auf der Grundlage von Art. 7 der Verordnung Nr. 261/2004, da sie in ähnlicher Weise einen irreversiblen Zeitverlust und somit Unannehmlichkeiten erleiden.“

Große Verspätung – zu später Abflug oder zu späte Ankunft?
Teleologisch geht es also um den Ausgleich für den Zeitverlust. Dieser hängt nicht davon ab, ob der Reisende rechtzeitig abfliegt, sondern davon, ob er rechtzeitig am Endziel seiner Reise ankommt. Schon deshalb spricht vieles dafür, dass der Zeitverlust bei Ankunft entscheidend sein muss (Rn. 32f.).
Allerdings könnte dem Art. 6 Abs. 1 entgegenstehen, der für die Rechte bei „Verspätungen“ auf die Verzögerung des Abfluges abstellt. Jedoch gibt es – das stellt der EuGH klar – zwei verschiedene Verspätungsbegriffe, an welche die Verordnung jeweils eigene Rechtsfolgen anknüpft. Art. 6 der Verordnung regele nur die Verspätung wegen verspäteten Abfluges (Rn. 29). Hierfür gibt es keinen Entschädigungsanspruch, sondern nur Unterstützungsleistungen. Das ergibt auch Sinn, weil die dortigen Unterstützungsleistungen dafür da sind, den Aufenthalt am Flughafen erträglich zu gestalten, bis es losgeht (vgl. auch Rn. 37f.).
Für den Ausgleichsanspruch kommt es dagegen auf die Verspätung am Ankunftsort an. Dies folgt wohl schon daraus, dass der Ausgleichsanspruch in Entsprechung zu Art. 5 Abs. 1 Buchst. c Ziff. iii entwickelt wurde, der ebenfalls – jedenfalls im Ergebnis – auf die Verzögerung der Ankunft abstellt. Auch teleologisch ist – wie bereits dargelegt – dieser Schluss zwingend, denn es soll Ersatz für den insgesamt erlittenen Zeitverlust geleistet werden (Rn. 32f.).
Demnach ist hier entscheidend, wann das Paar an seinem Endziel ankam. Dieses ist definiert nach Art. 2 lit. h):
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck (…)

h) ‚Endziel‘ den Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein bzw. bei direkten Anschlussflügen den Zielort des letzten Fluges; verfügbare alternative Anschlussflüge bleiben unberücksichtigt, wenn die planmäßige Ankunftszeit eingehalten wird.“

Mithin kommt es auf die Verzögerung bei der Ankunft in Paraguay an. Da diese mehr als drei Stunden betrug, haben sie Anspruch auf eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 lit. c) VO in Höhe von je 600 €.
Examensrelevanz
Bisher hat nach Kenntnis die FluggastrechteVO im mündlichen oder schriftlichen Examen noch keine Rolle gespielt. Das könnte sich aber demnächst ändern, weil sie inzwischen in der Praxis auch der obersten Gerichte (BGH, EuGH) immer wieder auftaucht. Außerdem ist sie rechtspolitisch interessant, weil sie das erste unmittelbar anwendbare europäische Recht darstellt, das (Kern-) zivilrechtliche Materien regelt und mit dem die Bürger im Alltag in Berührung kommen. Ferner bietet sie eine gute Gelegenheit das selbstständige Verständnis weitgehend unbekannter Normtexte abzuprüfen. Besonders umstritten ist dabei, dass der EuGH den Fluggästen auch im Falle großer Verspätungen einen Anspruch auf eine Ausgleichszahlung zugesteht, obwohl Wortlaut und Systematik der Verordnung gegen einen solchen sprechen. Hieran anknüpfend kann man etwa die Frage nach den Grenzen der Kompetenz des EuGH und ihre Überprüfung durch das BVerfG (dort insbesondere die Grundsätze des Honeywell-Beschlusses v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286; dazu Pötters/Traut, EuR 2011, 580ff.) stellen.

05.03.2013/0 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2013-03-05 16:00:542013-03-05 16:00:54EuGH: Entschädigung für verspätete Ankunft am Zielort
Dr. Simon Kohm

OLG Frankfurt: Berufung in der Causa Gäfgen zurückgewiesen

Deliktsrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Staatshaftung, Zivilrecht, Zivilrecht

Die Causa Gäfgen hat in den letzten 10 Jahren sowohl Öffentlichkeit, als auch die deutsche und europäische Justiz beschäftigt. Die nächste und unter Umständen vorerst letzte Entwicklung war heute vor dem OLG Frankfurt zu beobachten. Gäfgen, der im Jahr 2003 von deutschen Polizeibeamten gefoltert wurde (auch die Androhung körperlicher Gewalt gilt als Folter), um das Versteck seines Entführungsopfers preiszugeben, wurde zuletzt eine Entschädigung durch das LG Frankfurt zugesprochen. Über die dogmatischen Hintergründe haben wir ausführlich berichtet. Mit diesem Urteil folgte das LG im Jahr 2011 den Vorgaben des EMRK. Gegen das Urteil legte das Land Hessen jedoch Berufung ein, mit der es heute vor dem OLG scheiterte.
Wie der Berichterstattung zu entnehmen ist, war in der mündlichen Verhandlung vor allem Gäfgens Privatinsolvenz ein Thema. Auch dieses Problem haben wir seinerzeit zumindest angerissen. Hier nochmal der Hinweis auf die Entscheidung des BGH März 2011 (Az. IX ZR 180/10), die hier möglicherweise fruchtbar gemacht werden kann.  In der Pressemitteilung vom heutigen Tage ist jedenfalls hiervon nichts erwähnt. Zu verweisen ist diesbezüglich noch auf die Entscheidung des BGH vom 27.09.2012, Az. IX ZB 12/12, einen Beschluss, der die Rechtsbeschwerde Gäfgens gegen die Entscheidung der Nachtragsverteilung durch das Insolvenzgericht zurückweist. Im Grunde geht es darum, die schon 2005 eingeklagte, aber erst 2011 zugesprochene Summe noch in die Insolvenzmasse einfließen zu lassen.
Das OLG hat die Revision nicht zugelassen, sodass dies nun das vorerst letzte Kapitel in der Sache Gäfgen gewesen sein dürfte.
Der Vollständigkeit halber noch der Verfahrensgang laut Pressemitteilung:

OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 10.10.2012, Az. 1 U 201/11
Vorinstanz:
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 04.08.2011, Az. 2-04 O 521/05
vorausgehend: EGMR, Große Kammer, Urteil vom 01.06.2010, Az. 22978/05

10.10.2012/0 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2012-10-10 14:57:162012-10-10 14:57:16OLG Frankfurt: Berufung in der Causa Gäfgen zurückgewiesen
Tom Stiebert

LG Karlsruhe: Entschädigung für (zu Unrecht) Sicherungsverwahrte

Deliktsrecht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Staatshaftung, Zivilrecht

Das LG Karlsruhe hat heute (25.04.2012) ein interessantes Urteil (2 O 278/11; 2O 279/11; 2 O 316/11) gefällt, das in den Medien für ein gewaltiges Blätterrauschen gesorgt hat  – schließlich bekamen vier zu Unrecht Sicherungsverwahrte Entschädigungsansprüche zwischen 49.000€ und 73.000€ zugesprochen. Eine – auf den ersten Blick – verhältnismäßig hohe Summe, die zudem deshalb in den Boulevardmedien auf Unverständnis stößt, weil es sich gerade nicht um unschuldig Verurteilte handelt, sondern von ihnen Taten wie Vergewaltigung, sexuelle Nötigung und versuchter Mord begangen wurden.
Diese oftmals polemisch geführte Diskussion soll hier nicht aufgegriffen werden; vielmehr sollen die juristischen Hintergründe des Urteils aufgezeigt werden.
I. Grundlage des Urteils: Unzulässigkeit der Sicherungsverwahrung
Systematisch schließt sich das Urteil konsequenterweise der Rechtsprechung der letzten Jahre zur nachträglichen Sicherungsverwahrung an, die für unzulässig erklärt wurde. In diesem Zusammenhang ist das Urteil letztlich konsequent, wurde doch festgestellt, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung unzulässig sei.
Zur Vertiefung dieser Problematik sei an dieser Stelle auf unsere entsprechenden Artikel hingewiesen:
Der EGMR hatte 2009 explizit festgestellt, dass die deutschen Regelungen unzulässig seien.
Ab 1.1.2011 wurde dann eine neue gesetzliche Regelung geschaffen; in der Zwischenzeit hatte sich in der Rechtsprechung eine Übergangslösung eingeprägt.
Klar ist damit aber auch, dass die Anwendung der nationalen Regelungen zur nachträglichen Sicherungsverwahrung in der Vergangenheit gegen die EMRK verstoßen.
II. Dogmatische Verortung des Anspruchs
Das Urteil knüpft damit an die Verletzung der EMRK in den vergangenen 8 – 12 Jahren durch das jeweils maßgebliche Bundesland an, musste doch die Verhängung der Sicherungsverwahrung bzw. die Verlängerung durch die jeweiligen Richter angeordnet werden.
In den Medienberichten bleibt aber meist unklar, um welchen Anspruch es sich hier im konkreten Fall handelt – ist es ein Schadensersatzanspruch, ein Schmerzensgeld oder eine Entschädigung und wo liegen hierbei die Unterschiede? Parallelen zeigen sich hier zu zwei wichtigen Fällen: Dem Anspruch von Magnus Gäfgen wegen Androhung von Folterungen und dem Anspruch von Strafgefangenen wegen Unterbringung in zu kleinen Zellen (BVerfG v. 22.02.2001 – 1 BvR 409/09). Es handelt sich hierbei stets um einen Entschädigungsanspruch wegen Verletzung von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG. Die exakte dogmatische Verortung lässt sich sehr gut dem Artikel zur causa Gäfgen entnehmen und soll deshalb hier nur ansatzweise dargestellt werden:
„Auch der Ersatz des immateriellen Schadens nach § 253 BGB ist ein Schadensersatz und kein Entschädigungsersatz. Schmerzensgeld stellt sich als eine Form des Schadensersatzes dar und soll gerade den erlittenen Schaden in Form der Schmerzen – also in Form des körperlichen Unbehagens – ersetzen; Zweck ist eine Kompensation. Aus diesem Grund wird dieser Ersatzanspruch nach besonderen festen Regeln berechnet (in der Praxis erfolgt die Berechnung anhand fester Schmerzensgeldtabellen, um ein angemessenes Verhältnis zur Art und Dauer der Verletzung zu erreichen) und orientiert sich an der Höhe der Verletzung, das heißt der Stärke der erlittenen Schmerzen. Ziel ist eine Kompensation des erlittenen Schadens – wie sich gerade aus dem Grundsatz des § 249 BGB ergibt.“
„Auch bei Verletzung der Menschenwürde sind Ersatzansprüche anerkannt (vgl. Caroline-Urteil) – die aber nicht mit Schadensersatzansprüchen zu verwechseln sind und damit auch nicht mit Schmerzensgeldzahlungen vergleichbar sind. Ein solcher Anspruch passt sich damit schwer in die Reihe der Anspruchsgrundlagen des BGB ein, wird aber aus § 823 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG hergeleitet. Für die Rechtsfolgen selbst passen dann freilich §§ 249 ff BGB nicht; vielmehr ist dieser Anspruch aus den Grundrechten selbst herleitbar.“
Unterschied zu Schadensersatz – Dogmatische Herleitung
Es besteht zudem auch in praktischer Hinsicht ein zentraler Unterschied zum Schmerzensgeldanspruch aus § 253 BGB – während hier ein konkreter Schaden (wenn auch in immaterieller Hinsicht) ersetzt wird, liegt dies bei einem Entschädigungsersatz nicht vor. Zentrale Unterschiede bestehen im Sinn und Zweck des Ersatzes: Dient der Schadensersatzanspruch der Kompensation eines Schadens und soll damit die entstandenen Verluste ausgleichen und den status quo ohne die schädigende Handlung wiederherstellen, so steht beim Entschädigungsanspruch die Genugtuung des Geschädigten im Vordergrund – die Verletzung der Menschenwürde soll geahndet werden. Ein Schaden – auch in immaterieller Hinsicht – ist hier gerade nicht ersichtlich, muss aber auch nicht bestehen. Damit ist eine Nähe – wenn auch keine Übereinstimmung – zu den angloamerikanischen punitive damages gegeben. Gestützt ist der Entschädigungsanspruch auf drei Grundlagen: der Genugtuungsfunktion, der Prävention und der Kompensation. Eine Bestrafung, wie bei punitive damages soll aber nicht erreicht werden. Dennoch soll verhindert werden, dass der Entschädigungsanspruch zu weitgehend gewährt wird. Ein Anspruch auf Entschädigung soll damit nur dann vorliegen, wenn eine Erheblichkeitsschwelle überschritten ist – nicht jede Verletzung der Menschenwürde führt damit automatisch zur Gewährung eines Entschädigungsanspruchs. Auch bei der Ermittlung der Höhe der Entschädigungsleistungen sind entsprechende Grundsätze und Ziele des Anspruchs zu beachten.“
Damit zeigt sich, dass auch hier ein Entschädigungsanspruch zu gewähren ist.
III. Höhe der Entschädigung
Wirken die gewährten Entschädigungen auf den ersten Blick verhältnismäßig hoch, so zeigt sich bei näherer Betrachtung, dass pro Monat unzulässiger Sicherungsverwahrung nur 500€ (also ca. 17€ pro Tag) gewährt werden. Maßgeblich zur Berechnung müssen auch hier wieder die Ziele der Entschädigung sein: Genugtuung, Kompensation und Prävention. Unter diesen Gesichtspunkten scheinen die gewährten Beträge keineswegs zu hoch; ob sie zu niedrig sind, muss im Einzelfall näher betrachtet werden. Keine Rolle kann in diesem Zusammenhang spielen, dass es sich um zu Recht verurteilte Straftäter handelt; ihre Menschenwürde wiegt nicht weniger als die Menschenwürde eines Dritten.
IV. Anspruchsgegner und Rechtsgrundlage
Als letztes muss nach diesen dogmatischen Grundlagen noch geklärt werden, wie der Entschädigungsanspruch in der Klausur zu prüfen ist und gegen wen er sich richtet. Es handelt sich hierbei um einen Amtshaftungsanspruch – der Staat wird für sein in der Vergangenheit begangenes Unrecht in Anspruch genommen. Anspruchsgrundlage ist hierbei § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. dabei ist folgende Prüfungsreihenfolge zu beachten:

  • Schädigung eines anderen – dies liegt hier vor, werden die zu Unrecht Sicherungsverwahrten doch in ihrer Menschenwürde verletzt. In der Klausur wäre an dieser Stelle die Argumentation des EGMR aufzunehmen
  • Amtspflichtverletzung eines Beamten – Die Gerichte, die die Sicherungsverwahrung anordneten sind unproblematisch als Beamte im haftungsrechtlichen Sinne anzusehen. Problematisch ist aber, ob sie auch eine Amtspflicht verletzt haben, haben sie doch das nationale Recht zutreffend angewandt. Dazu legt das Gericht folgendes dar:
  • „Das Gericht betont, dass dem Land und seiner Justiz zwar kein Vorwurf gemacht werden könne, da die Vollstreckungsgerichte, die die Fortdauer der Sicherungsverwahrung über die zuvor geltende Zehnjahresfrist hinaus anordneten, das damals geltende Bundesrecht pflichtgemäß angewandt hätten. Das Land sei dennoch zu verurteilen, da die rückwirkende Aufhebung der Zehnjahresfrist gegen die EMRK verstoßen habe und diese bei konventionswidriger Freiheitsentziehung einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch vorsehe.“ Die Anspruchsvoraussetzungen sind also insofern zu modifizieren, als das eine Verletzung der EMRK automatisch die Amtspflichtverletzung intendiert; unabhängig davon, ob nationale Normen verletzt werden. Der amtshaftungsanspruch bekommt damit eine Modifizierung durch die EMRK.
  • In Ausübung des Amtes
  • Kausalität, Rechtswidrigkeit, Schuld
  • Schaden – Hier wäre dann der Entschädigungsanspruch in Abgrenzung zum Schadensersatzanspruch zu prüfen. Ein Schaden als solcher ist zwar abzulehnen, dennoch ist nach dem oben gesagt der Anspruch zu gewähren um der Genugtuungsfunktion und der Erfüllung des Schutzauftrags aus Art. 1 GG und mittelbar der EMRK gerecht zu werden. Auch hier zeigt sich damit der Einfluss der EMRK.

V. Examensrelevanz und Ausblick
Dass der Fall für das Examen und die mündliche Prüfung relevant sein wird, ergibt sich bereits aus der Verknüpfung der verschiedenen Problemkreise. Diese sollten sowohl im Zusammenhang als auch für sich beherrscht werden.
Praktische Folgen hat das Urteil insofern, dass auch sämtliche weitere zu Unrecht nachträglich Sicherheitsverwahrte entsprechende Ansprüche geltend machen werden – nach Medienberichten handelt es sich hierbei um 70-100 Personen.

24.04.2012/2 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2012-04-24 18:45:512012-04-24 18:45:51LG Karlsruhe: Entschädigung für (zu Unrecht) Sicherungsverwahrte
Dr. Johannes Traut

Das Atommoratorium und Art. 20 Abs. 3 GG – Zulässigkeit und Rechtsfolgen

Öffentliches Recht, Verfassungsrecht

Die Bundesregierung verkündete am 14.3.2011: „Bundesregierung setzt Laufzeitverlängerung für drei Monate aus“  (s. auch den Bericht in der FAZ vom 15.3.2011, S. 1; Bericht bei Spiegel-Online v. 14.3.2011). Aus juristischer Sicht stellt sich die Frage, ob die Regierung einfach die „Aussetzung“ eines Parlamentsgesetzes beschließen kann oder ob dies gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung und der Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt. Ferner sind mögliche Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche auszuloten.
Rechtlicher Hintergrund: Laufzeitverlängerung durch das Elfte Änderungesetz zum AtG
Der rechtliche Hintergrund dieser Aussetzung ist folgender: Die durch das Elfte Änderungsgesetz v. 8.12.2010 gerade erst eingeführten Änderungen im Atomgesetz (§ 7 Abs. 1a – 1e und Anlage 3 AtG) erlauben eine Laufzeitverlängerung. Es wurde die „Reststrommenge“ der Atomkraftwerke erheblich erhöht (vgl. § 7 Abs. 1a i.V.m. Anlage 3 AtG), ferner wurde die Übertragung von Reststrommengen erleichtert. Ohne die Erhöhung der Strommenge/der Übertragung von Reststrommengen hätten die sieben Atomkraftwerke, die jetzt wegen der Katastrophe in Japan abgeschaltet werden sollen, vom Netz gehen müssen.
Verstoß gegen die Bindung an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG)?
Ein solche „exekutive Abschaffung“ eines Gesetzes ist hochproblematisch. Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden. Daraus folgt nicht nur die Verpflichtung, nicht „aktiv“ gegen Gesetze zu verstoßen, sondern auch, sie anzuwenden. Das BVerfG führt aus:

Aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3) folgt vielmehr, daß die zuständigen Behörden verpflichtet sind, die nach dem Gesetz entstandenen Leistungsansprüche geltend zu machen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen (BVerfGE 25, 216 [228]). Jede Ausnahme von diesem Grundsatz bedarf einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung.“ (BVerfGE 30, 292, 332; Hervorhebung vom Verfasser)

Die Exekutive kann also nicht einfach ein Gesetz unangewendet lassen, weil es ihr politisch oder aus sonstigen Gründen „nicht mehr in den Kram passt“. Dies folgt auch aus dem Prinzip der Gewaltenteilung, das allerdings insofern neben Art. 20 Abs. 3 GG keine eigene Bedeutung hat.
Rechtfertigung eines Aussetzens?
Andererseits kann natürlich auch keine Pflicht der Exekutive zur blinden Anwendung der Gesetze bestehen. Angesichts der relativ langen parlamentarischen Entscheidungswege können Situationen auftreten, in denen das Gesetz durch die Entwicklung der Sachlage gleichsam überholt wird, etwa wenn – hypothetisch – bei der Nichtabschaltung bestimmter Atomkraftwerke eine Massenpanik in der Bevölkerung drohte. Allerdings ist auch dann nicht das weitere Vorgehen in das Belieben der Exekutive gestellt. Die ausnahmsweise „Aussetzung von Gesetzen“ führt richtigerweise nicht zu einer „Durchbrechung“ des Art. 20 Abs. 3 GG, sondern zu einer „praktischen Konkordanz“ des in konkreten Fall nicht angewandten Gesetzes mit anderen gesetzlichen Regelungen und, nötigenfalls, mit unmittelbar aus der Verfassung abgeleiteten Rechtssätzen (im Beispiel: Allgemeines Ordnungsrecht, notfalls Schutzpflichten aus der Verfassung). Die Regierung bleibt insgesamt an die Rechtsordnung gebunden und darf Gesetze nur unangewendet lassen, wenn andere Rechtsnormen dies fordern. Letztlich bleibt das Gesetz unangewendet, um Widersprüche in der Rechtsordnung aufzulösen. Die Exekutive hat also keinen politischen Spielraum (außer dem, der aus ihrer verfassungsrechtlichen Stellung folgt und wieder rechtlich abgesichert ist), sondern ist rechtlich verpflichtet, das Gesetz unangewendet zu lassen. Damit bleibt die Bindung an Recht und Gesetz nach Art. 20 Abs. 3 GG intakt.
In jedem Fall muss sie, um den Eingriff in die Rechte des Parlaments möglichst gering zu halten, möglichst bald eine Entscheidung des Parlaments einholen und solange nur Maßnahmen treffen, die unmittelbare Gefahren abwehren, im Übrigen aber versuchen die Entscheidungsfreiheit des Parlamentes zu erhalten.
Entsprechend den obigen Ausführungen beruft sich im vorliegenden Kontext auch die Bundesregierung für die zeitweilige Abschaltung der Atommeiler auf § 19 Abs. 3 AtG:

(3) 1Die Aufsichtsbehörde kann anordnen, daß ein Zustand beseitigt wird, der den Vorschriften dieses Gesetzes oder der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, den Bestimmungen des Bescheids über die Genehmigung oder allgemeine Zulassung oder einer nachträglich angeordneten Auflage widerspricht oder aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können. 2Sie kann insbesondere anordnen,

  • 1.dass und welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind,
  • 2.dass radioaktive Stoffe bei einer von ihr bestimmten Stelle aufbewahrt oder verwahrt werden,
  • 3.dass der Umgang mit radioaktiven Stoffen, die Errichtung und der Betrieb von Anlagen der in den §§ 7 und 11 Abs. 1 Nr. 2 bezeichneten Art sowie der Umgang mit Anlagen, Geräten und Vorrichtungen der in § 11 Abs. 1 Nr. 3 bezeichneten Art einstweilen oder, wenn eine erforderliche Genehmigung nicht erteilt oder rechtskräftig widerrufen ist, endgültig eingestellt wird.

Nach § 19 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 kann die Aufsichtsbehörde anordnen, dass der Betrieb von Anlagen zur Spaltung von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität (§ 7 Abs. 1 S. 2 AtG), auch wenn sie genehmigt sind, einstweilen eingstellt wird. Voraussetzung dafür ist aber nach § 3 Abs. 1 S. 1 AtG – hier werden nur die in Frage kommenden Modalitäten genannt – dass ein Zustand besteht, der dem Gesetz, der Genehmigung der Anlage widerspricht oder aus dem sich durch die Wirkung ionisierender Strahlen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter ergeben können.
Die ersten Varianten – Verstoß gegen das Gesetz oder die Genehmigung – liegen sicher nicht vor. Fraglich ist also, ob Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter vorliegen. Auch das wird man wohl verneinen müssen, denn gegenüber der Genehmigung, die das allgemeine Restrisiko „legalisiert“, hat sich M.E. keine Änderung der Gefährdungslage ergeben. Die abstrakte Gefährdung atomarer Anlangen durch Erdbeben ist bekannt und wird in Deutschland bei Genehmigungsverfahren nach meinen Informationen auch untersucht. Das japanische Unglück hat die Folgen möglicher Erdbeben besonders drastisch vor Augen geführt, aber wohl nicht die Bewertung derartiger Vorkommnisse durch Fachleute geändert. Ferner bleibt in jedem Fall fraglich, inwieweit man die japanischen Erkenntnisse auf Deutschland übertragen kann. Allerdings kann man hier sicherlich auch in die andere Richtung argumentieren. Zu der Norm ausführlich der sehr lesenswerte Artikel von Simon.
Rechtsfolgen eines unzulässigen Aussetzens
§ 839 BGB?

  • Amtspflichtverletzung? Z.B. Falsche Auslegung von Gesetzen, Nichtbeachtung höchstrichterlicher Rechsprechung (vgl. BGHZ 84, 285, 287 = NJW 1983, 222, 223; BGHZ 119, 365, 369 f = NJW 1993, 530; BGH NJW 1994, 3158 f; Bamberger/Roth-Reinert § 839 Rn. 3).
  • Drittbezogenheit ist hier kein großes Problem, da die Unternehmen Adressat der Maßnahme sind (vgl. Bamberger/Roth-Reinert § 839 Rn. 56).
  • Verschulden – Fahrlässigkeit? Jedenfalls (+) wenn das Aussetzen rechtlich unvertretbar.
  • Kausaler Schaden – hier aufpassen: Nicht einfach den Ausfall der Einkünfte ansetzen. Sollte die gesetzliche Regelung in der bisherigen Form bestehen bleiben, so ist der wirtschaftliche Wert der Laufzeitverlängerung in der Reststrommenge „verköpert“. Solange das Kraftwerk vom Netz geht, verbraucht es die Reststrommenge nicht. Sie kann später noch verbraucht werden. Das Stromunternehmen verliert also die Einkünft nicht, sie werden nur verschoben. Dies muss als Vorteil angerechnet werden (oder in der Differenzbetrachtung beachtet werden). Mögliche Schäden sind daher insbesondere die Erhaltung des „kalten Kraftwerks“ während des Moratoriums, Verzinsung, weil Gewinn später anfällt, und Schwankungen im Strompreis (sollte dieser allerdings zu einem späteren Zeitpunkt höher sein, müsste auch dies beachtet werden).
  • § 839 Abs. 1 S. 2 BGB
  • § 839 Abs. 3 BGB

Enteignungsgleicher Eingriff?

  • Eingriff in von Art. 14 GG geschützte Rechtsposition? Wohl ja, da Laufzeitverlängerung durch Gesetz bereits in Kraft. Hier kann man kurz diskutieren, weil man argumentieren kann, dass nur eine „zusätzliche Begünstigung“ wieder entzogen wird. Halte ich aber für falsch, weil es zumindest im Gesetz steht, also Art. 14 Abs. 1 GG (+). Dieser Aspekt ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit, die aber beim enteignungsgleichen Eingriff allenfalls kurz unter dem Aspekt des Sonderopfers aufgegriffen werden sollte und hier auch nicht entscheidend ist, da M.E. der Eingriff schon deshalb rechtswidrig ist, weil er ohne gesetzliche Grundlage erfolgt.
  • Hoheitliche Maßnahme? (+) Verfügung
  • Unmittelbarkeit (+)
  • Sonderopfer? Hier durch Rechtswidrigkeit der Maßnahme indiziert. Keine Widerlegung (s.o., a.A. vertretbar).
  • Vorrang des Primärrechtsschutzes

18.03.2011/5 Kommentare/von Dr. Johannes Traut
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Johannes Traut https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Johannes Traut2011-03-18 11:08:542011-03-18 11:08:54Das Atommoratorium und Art. 20 Abs. 3 GG – Zulässigkeit und Rechtsfolgen

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