EGMR vs. BVerfG: Ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung zulässig?
Nachträgliche Sicherungsverwahrung menschenrechtswidrig?
Nach einem aktuellen Urteil des EGMR (Urteil vom 17.12.2009, Az.: 19359/04) hat Deutschland mit der Regelung zur Sicherungsverwahrung gegen die EMRK verstoßen. § 67d StGB erlaubt auch nach der Verbüßung einer „lebenslangen“ Strafe die Sicherungsverwahrung eines gefährlichen Täters.
Freiheitsgarantie und Rückwirkungsverbot verletzt?
Die BRD habe nach Ansicht der Strasbourger Richter mit der rückwirkenden Anwendung des § 67d Abs. 3 StGB in seiner Fassung nach Streichung der zeitlichen Begrenzung der Sicherungsverwahrung die EMRK verletzt. Die nachträgliche Verlängerung der Sicherungsverwahrung verstoße gegen das Recht auf Freiheit in Art. 5 EMRK und das Rückwirkungsverbot in Art. 7 EMRK. Der Gerichtshof sprach dem Beschwerdeführer deshalb eine Entschädigung von 50.000 Euro zu.
Interessant an dieser Entscheidung ist vor allem, dass diese Regelung bereits Gegenstand einer Entscheidung des BVerfG war, und die Karlsruher Richter genau zu gegenteiligen Ergebnissen gekommen waren. Nach Ansicht des BVerfG sei das Rückwirkungsverbot (Art. 103 GG) auf die Sicherungsverwahrung nicht anwendbar. Hier sei die grundlegende Unterscheidung zwischen Strafen und Maßregeln der Besserung und Sicherung nach dem StGB zu beachten. Das absolute Rückwirkungsverbot für Strafen nach Art. 103 Abs. 2 GG sei auf Maßregeln der Besserung und Sicherung wie die Sicherungsverwahrung gerade nicht anwendbar.
Ganz anders der EGMR: Art. 5 § 1 EMRK sei verletzt, weil es hinsichtlich der Verlängerung der Sicherungsverwahrung keinen ausreichenden Kausalzusammenhang zwischen der Verurteilung des Beschwerdeführers und seinem fortdauernden Freiheitsentzug gegeben habe.
Strafe oder nur Maßregel?
Weiter kritisierte der EGMR, dass die Verlängerung der Sicherungsverwahrung eine nachträglich auferlegte zusätzliche Strafe darstellt und deshalb gegen das Rückwirkungsverbot verstoße. Der EGMR argumentiert, dass die Sicherungsverwahrung einer Strafe sehr wohl ähnlich sei und daher die formale Trennung zwischen Strafvollzug und Maßregelvollzug nicht maßgebend sei. Die Sicherungsverwahrung bedeute genau wie eine gewöhnliche Haftstrafe einen Freiheitsentzug. In der Praxis seien Häftlinge in der Sicherungsverwahrung in gewöhnlichen Gefängnissen untergebracht. Zwar würden ihnen Verbesserungen bei den Haftbedingungen eingeräumt, was jedoch nichts an der grundlegenden Ähnlichkeit zwischen dem Vollzug einer normalen Haftstrafe und einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ändere. Auch gebe es keine ausreichende psychologische Betreuung speziell für die Bedürfnisse von Häftlingen in der Sicherungsverwahrung.
Fazit und Ausblick
Bin bei einer Recherche zufällig auf diese Seite geraten und darüber entsetzt, dass die EGMR-Entscheidung genauso falsch verstanden bzw. „aufgehängt“ wird wie in den üblichen Medien. In der Entscheidung des EGMR (die inzwischen rechtskräftig ist) ging es nicht um die „nachträgliche Sicherungsverwahrung“, die in § 66b StGB geregelt ist und tatsächlich erst NACH einem Strafvollzug überhaupt verhängt wird. Statt dessen ging es um die DAUER der originären Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB. Bis 1998 war über mehrere Jahrzehnte – tatsächlich in § 67d III StGB – geregelt, dass diese bei einer ersten Anordnung auf 10 Jahre Dauer (nach der zuvor verbüßten Freiheitsstrafe!) befristet ist. Die Änderung in § 67d III führte dazu, dass nach 10 Jahren eine Erledigung der Sicherungsverwahrung (also eine Entlassung) nur erfolgt, wenn – verkürzt gesprochen – keine Gefahr mehr besteht, dass der Betreffende erhebliche Straftaten begeht. Die Entscheidung des EGMR wurde von einem Untergebrachten erstritten, bei dem die Sicherungsverwahrung schon vor der Gesetzesänderung angeordnet worden war und der über 10 Jahre in dieser saß. Bei diesem wurde die Gesetzesänderung also rückwirkend (nicht nachträglich!) bedeutsam. Der EGMR hat nun – wie im obigen Text auch ausgeführt – erklärt, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung um eine Art Strafe handele, bei der deshalb das bekannte Rückwirkungsverbot gelte, während in D immer – auch vom BVerfG – argumentiert wurde, dass es sich bei den §§ 66 ff., also den Maßregeln der Besserung und Sicherung, um keine Strafen handele, bei denen deshalb das Rückwirkungsverbot nicht gelten würde.
Für den Sachverhalt bedeutet dies: Bei denjenigen, die vor 1998 erstmals zu Sicherungsverwahrung verurteilt wurden, gilt die damalige gesetzliche Regelung = max. 10 Jahre, bei allen danach Verurteilten die neue = ohne Frist.
Die Entscheidung wird durch die grundsätzliche Einstufung der Sicherungsverwahrung als Strafe zwar Auswirkungen auch auf die nachträgliche Sicherungsverwahrung haben, hatte diese aber nicht zum Gegenstand.
Und zur Ergänzung: Im Text wird ganz am Anfang darauf hingewiesen, dass Sicherungsverwahrung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe verhängt werden könne. Das ist zwar (auch aufgrund einer Gesetzesänderung) zwar richtig, steht aber nicht in § 67d StGB, sondern ergibt sich daraus, dass in § 66 StGB gestrichen wurde, dass Sicherungsverwahrung nur bei bestimmten ZEITIGEN Freiheitsstrafen angeordnet werden kann. Außerdem hat das mit dem hiesigen Problem nichts zu tun.
ich bin weder Anwalt noch Jura Studentin. Aber ich kann als gar nicht glauben und verstehen was ich lesen muss. EMRG interessiert mich nicht. Ich bin der Meinung wenn ein Straftäter egal wie lange er seine Starftat abgesessen hat weiterhin als gefährlich gilt gehört er weiterhin weggesperrt. Punkt amen aus. Das kann doch nicht sein dass irgenjemand unter dem Deckmäntelchen „Menschenrechte“ solche Urteile sprechen kann und die restliche friedlich und Respektvoll miteinander lebenden Menschen damit gefährdet. Fussfesseln oder polizeiliche rund um die Uhr Überwachung, die sind doch nicht mehr bei Verstand. Weiterhin eingesperrt bleiben ist hier die Lösung. Denn wenn irgenjemand glaubt dass ein Vergewaltiger auf einmal ein den Frauen gegenüber respektvoller Mann wird der muss sein Glaube aber auch noch einmal überdenken.