BGH zu Darlehensklauseln der Mercedes-Benz Bank AG
Jüngst hatte sich der BGH mit den von der Mercedes-Benz Bank AG verwendeten Klauseln in Verbraucherdarlehensverträgen zwecks PKW-Finanzierung zu befassen (Urt. v. 24.3.2023 – VIa ZR 1517/22). Inhaltlich galt es dabei, sich mit den äußerst examensrelevanten Materien der verbundenen Verträge gem. § 358 BGB und der AGB-Kontrolle gem. §§ 305 ff. BGB auseinanderzusetzen. Studierenden sollte die Entscheidung vor diesem Hintergrund bekannt sein.
I. Der Sachverhalt (gekürzt)
Der Kläger K kaufte bei der Daimler AG (Beklagte und im Folgenden als Daimler bezeichnet; Hinweis: aus der Daimler AG wurde zum 1.2.2022 die Mercedes-Benz Group AG) am 7.3.2019 einen Neuwagen zum Preis von 55.335,89 EUR, der – wie sich herausstellen sollte – vom Dieselskandal betroffen war. K leistete eine Anzahlung in Höhe von 9.140,00 EUR. Im Übrigen wurde der Kaufpreis durch die Mercedes-Benz Bank AG (im Folgenden Darlehensgeberin) finanziert. Dazu schloss K mit der Darlehensgerberin einen Verbraucherdarlehensvertrag gem. §§ 488, 491 BGB. Dieser diente ausdrücklich der Finanzierung des in Rede stehenden PKW und bildete darüber hinaus eine wirtschaftliche Einheit mit dem zwischen K und Daimler abgeschlossenen Kaufvertrag gem. § 433 BGB. Die von der Darlehensgeberin verwendeten Vertragsklauseln enthielten dabei unter anderem die nachstehenden Regelungen:
„II. Sicherheiten
Der Darlehensnehmer räumt dem Darlehensgeber zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche des Darlehensgebers aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung, gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehenden Ziffern 1-3 ein. […]
[…]
3. Abtretung von sonstigen Ansprüchen
Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende – gegenwärtige und zukünftige – Ansprüche an den Darlehensgeber ab, […] [der] diese Abtretung annimmt:
- gegen den Schädiger und den Halter des schadenverursachenden Fahrzeuges sowie deren Haftpflichtversicherer auf Ausgleich für Beschädigung oder Zerstörung des Finanzierungsobjektes.
- gegen den Kaskoversicherer auf Ausgleich für Beschädigung, Zerstörung oder Abhandenkommen des Finanzierungsobjektes.
- gegen den Verkäufer für den Fall einer Rückgängigmachung des finanzierten Vertrages oder Herabsetzung der Vergütung.
- gegen die Daimler AG [Beklagte], Mercedes-Benz Leasing GmbH, Mercedes-Benz Mitarbeiter-Fahrzeuge Leasing GmbH oder einen Vertreter der Daimler AG, gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprüche aus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die Daimler AG [Beklagte] oder einen Vertreter der Daimler AG. Der Darlehensnehmer hat dem Darlehensgeber auf Anforderung jederzeit die Namen und Anschriften der Drittschuldner mitzuteilen.
[…]
6. Rückgabe der Sicherheiten
Der Darlehensgeber verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes (alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte (Abschnitt II. Ziff. […] 3) zurückzuübertragen […] Bestehen mehrere Sicherheiten, hat der Darlehensgeber auf Verlangen des Darlehensnehmers schon vorher nach […] [seiner] Wahl einzelne Sicherheiten oder Teile davon freizugeben, falls deren realisierbarer Wert 120% der gesicherten Ansprüche des Darlehensgebers überschreitet.
[…]“
K begehrte von Daimler Schadensersatz aus deliktischer Handlung aufgrund des Inverkehrbringens des Fahrzeugs mit einem als illegale Abschaltvorrichtung zu qualifizierendem Thermofenster.
II. Die Entscheidung (gekürzt)
Das erstinstanzliche zuständige LG hat das Begehren des K ebenso wie das in der Berufung mit der Sache betraute OLG abgelehnt. Als Grund wurde angeführt, dass K sämtliche Ansprüche gegen Daimler an die Darlehensgeberin abgetreten habe (vgl. AGB), womit ihm im Ergebnis die Aktivlegitimation für ein deliktisches Vorgehen gegen Daimler fehle. Etwas anderes könne sich auch nicht aus einer Einziehungsermächtigung (§§ 362 Abs. 2, 185 BGB) ergeben, da eine solche nur bei einer stillen Sicherungsabtretung, nicht jedoch bei der hier in Rede stehenden offengelegten Sicherungsabtretung angenommen werden kann. Eine Aktivlegitimation des K könne sich auch nicht aus einer unwirksamen Bestimmung in den verwendeten AGB und einer damit einhergehenden unwirksamen Sicherungsabtretung ergeben, da die AGB einer Überprüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB insoweit standhalten.
Die Erwägungen des Berufungsgerichts konnten einer revisionsrechtlichen Überprüfung durch den BGH nicht standhalten. Tatsächlich würde K die Aktivlegitimation fehlen, wenn es zu einer wirksamen Sicherungsabtretung aller Ansprüche gegen Daimler (mit Ausnahme der Gewährleistungsansprüche) an die Darlehensgeberin gekommen wäre. Dazu müsste jedoch die Abtretung aller Ansprüche gegen Daimler an die Darlehensgeberin „gleich aus welchem Rechtsgrund“ wirksam gewesen sein. Bei den verwendeten Klauseln handelt es sich – insoweit übereinstimmend mit den Feststellungen des OLG – um allgemeine Geschäftsbedingungen gem. § 305 Abs. 1 BGB, die nach § 305 Abs. 2 BGB auch Bestandteil des Verbraucherdarlehensvertrages geworden sind. Sie müssten jedoch auch einer Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 307 ff. BGB standhalten, wenn nach § 307 Abs. 3 BGB von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen getroffen worden sind, es sich mithin nicht bloß um deklaratorische Regelungen handeln würde. Dazu muss der Inhalt der Klausel ermittelt werden.
Ein verständiger Leser kann die verwendeten AGB (insbesondere unter Beachtung der Regelung II. Ziffer 3 vierter Spiegelstrich) nur so verstehen, dass sämtliche Ansprüche gegen Daimler, gleich aus welchem Rechtsgrund, an die Darlehensgeberin abgetreten werden. Davon ausgenommen sind nur die Gewährleistungsansprüche aus dem Kaufvertrag. Beachtet werden muss jedoch, dass der zwischen K und Daimler und der zwischen K und der Darlehensgeberin geschlossene Verbraucherdarlehensvertrag verbundene Verträge nach § 358 Abs. 3 S. 1, 2 BGB a.F. darstellen, da der Darlehensvertrag – wie von § 358 Abs. 3 S. 1 BGB a.F. verlangt – ausdrücklich der Finanzierung des in Rede stehenden PKW diente und weiterhin eine wirtschaftliche Einheit mit dem ebenso geschlossenen Kaufvertrag darstellte. Liegt ein derartiger Vertrag vor, kommt es im Falle des Widerrufs von einem der Verträge nach § 358 Abs. 4 S. 5 BGB zu einer gesetzlichen Schuldübernahme der Darlehensgeberin. Wenn das Darlehen dem Vertragspartner des verbundenen Vertrages (hier: Daimler) bei Wirksamwerden des Widerrufs also schon zugeflossen ist, so tritt der Darlehensgeber im Verhältnis zum Verbraucher hinsichtlich der Rechtsfolgen des Widerrufs in die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des verbundenen Vertrages (hier: Daimler) ein. Für die Rückabwicklung dürfte K also die gegen Daimler bestehenden Ansprüche aus § 355 Abs. 3 S. 1 BGB gegenüber der Darlehensgeberin geltend machen. Gerade das aber schließt die von der Darlehensgerberin verwendete Klausel aus. Vielmehr bedürfte es einer vorherigen Rückabtretung der Ansprüche gegen Daimler an K, damit zum gesetzlichen Regelmodell aus § 358 Abs. 4 S. 5 BGB zurückgekehrt wird. Dies ist in der Klausel für den Fall des Widerrufs nicht vorgesehen. Im Ergebnis weicht die Klausel somit vom gesetzlichen Regelfall ab und es hat nach § 307 Abs. 3 BGB eine umfassende Inhaltskontrolle zu erfolgen.
Die von der Darlehensgeberin verwendete Klausel wäre gem. § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen würde. Dies ist nach der Zweifelsregelung des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB untern anderem dann anzunehmen, wenn die vorgenommene Abweichung vom gesetzlichen Leitbild mit den wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist. In diesem Kontext ist jedoch zu beachten, dass § 361 Abs. 2 S. 1 BGB explizit regelt, dass von den Vorschriften der §§ 355 ff. BGB nicht zum Nachteil des Verbrauchers abgewichen werden darf, soweit sich nicht aus einer gesetzlichen Regelung etwas anderes ergibt. Es handelt sich damit um einseitig zwingendes Recht. Gleichwohl wird durch die angesprochene Klausel eine Abweichung zu Ungunsten des Verbrauchers dadurch vorgenommen, dass er an der Geltendmachung seiner Anspruchs aus §§ 355 Abs. 3 S. 1, 358 Abs. 4 S. 5 BGB gehindert wird. Und mehr noch: Der zunächst gegen Daimler bestehende Anspruch des K auf Rückgewähr der Anzahlung dient nach der Abtretung infolge der AGB-Klausel nunmehr der Darlehensgeberin dergestalt, dass dieser ihren eigenen Anspruch gegen K auf Wertersatz gem. §§ 358 Abs. 4 S. 5, 357 Abs. 7 BGB a.F. absichert. Denn § 358 Abs. 4 S. 5 BGB wurde nicht in Gänze abbedungen, sondern nur dergestalt, dass K der Darlehensgeberin nicht die Ansprüche gegen Daimler bzw. nach der Schuldübernahme gegen die Darlehensgeberin entgegenhalten kann. Der Verbraucher sähe sich somit einem Wertersatzanspruch ausgesetzt, ohne sich von dieser Leistungspflicht durch Aufrechnung gem. §§ 387, 389 BGB mit einem Gegenanspruch – nämlich den auf Rückgewähr der Anzahlung – befreien zu können. Das könnte den Verbraucher im Ergebnis davon abhalten, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch zu machen. Dies ist mit dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen nicht in Einklang zu bringen.
Die Klausel aus der AGB ist somit wegen einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Sie kann nicht einschränkend so interpretiert werden, dass sie gerade noch im Einklang mit §§ 305 ff. BGB steht. Dies liefe auf eine unzulässige geltungserhaltende Reduktion hinaus. Auch lässt sich die Klausel nicht inhaltlich in einen wirksamen und einen unwirksamen Teil mit der Folge gliedern, dass nur letzterer Teil unwirksam wird. Der blue-pencil-test gelingt mithin ebenso wenig. Die formularmäßige Sicherungsabtretung ist im Ergebnis somit unwirksam. Der Vertrag bleibt im Übrigen nach § 306 Abs. 1 BGB wirksam.
In Ermangelung einer wirksamen Sicherungsabtretung ist K somit im Hinblick auf einen Anspruch gegen Daimler aus deliktischer Handlung anspruchsberechtigt und mithin aktivlegitimiert gewesen. Einer eingehenderen Prüfung des deliktischen Anspruchs des K gegen Daimler ist das Berufungsgericht aufgrund seiner fehlerhaften Annahme bisher schuldig geblieben und eine solche Prüfung kann nach § 563 Abs. 3 ZPO auch nicht durch das Revisionsgericht (den BGH) erfolgen. Die Sache ist somit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
III. Einordnung der Entscheidung
Das Urteil des BGH beschäftigt sich inhaltlich nahezu ausschließlich mit examensrelevanten Vorschriften und erweist sich daher geradezu prädestiniert, um einen Teil einer zukünftigen Examensklausur darzustellen. Und wie so oft zeigt sich, dass bei der AGB-Prüfung nicht auf Lücke gelernt werden sollte. Hier lässt sich zwar mit entsprechender Argumentation vieles vertreten, doch ist es wahrlich hilfreich, grundlegende Entscheidungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu kennen. Ob man in Examensklausuren mit entsprechenden Fallkonstellationen ohne weiteres auf § 361 Abs. 2 BGB und die Regelung des § 358 Abs. 4 S. 5 BGB gestoßen wäre, erscheint zumindest fraglich.
An dieser Stelle soll nochmals ausführlicher auf die nicht ganz einfache Regelung des § 358 Abs. 4 S. 5 BGB eingegangen werden. Der Regelungsgehalt wurde bereits an vorheriger Stelle diskutiert. Es fragt sich jedoch, worin der Sinn und Zweck der mit der Regelung verbundenen Schuldübernahme liegt. Die Antwort liegt auf der Hand: es geht – wie so oft – um Verbraucherschutz. Ohne die Regelung des § 358 Abs. 4 S. 5 BGB müsste der Verbraucher der Darlehensgeberin zunächst den Darlehensbetrag zurückerstatten, um dann vom Vertragspartner des verbundenen Vertrags Rückzahlung des Kaufpreises verlangen zu können. Damit würde aber auch das Insolvenzrisiko jenes Vertragspartners beim Verbraucher liegen. Das gilt es jedoch zu vermeiden, wenn sich die Verträge geradezu als Einheit darstellen. § 358 Abs. 4 S. 5 BGB verlagert daher gerade dieses Insolvenzrisiko auf die Darlehensgeberin und führt zu einer bilateralen Abwicklung. Die Darlehensgeberin muss sich nun an den Vertragspartner des verbundenen Vertrags wenden (im oben diskutierten Fall also an Daimler), um aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB Rückzahlung zu verlangen.
Ferner stellt sich die Frage, wie die bilaterale Abwicklung letztlich ausgestaltet ist. Dabei gilt es folgendes zu beachten:
- Die Darlehensgeberin kann gegen den Verbraucher keinen Anspruch auf Rückzahlung des Darlehensbetrages geltend machen, da sich dieser mit dem Anspruch des gegen die Darlehensgeberin (in seiner Rolle als Daimler) auf Rückzahlung des Kaufpreises saldiert.
- Daraus folgt zudem, dass auch der Verbraucher den gezahlten Kaufpreis nicht zurückverlangen kann.
- Der Verbraucher hat jedoch gegen die Darlehensgeberin einen Anspruch auf Rückerstattung der an seine Vertragspartner (Darlehensgeberin und Daimler) erbrachten Leistungen (etwa eine geleistete Anzahlung).
- Die Darlehensgeberin hat demgegenüber (in seiner Rolle als Daimler) einen Anspruch auf Rückerstattung der finanzierten Leistung (also des PKW) sowie Wertersatz für den Wertverlust nach § 357 a BGB (bzw. § 357 Abs. 7 BGB a.F.).
- Komplizierter wird es, wenn die Rückabwicklung zwischen Darlehensgeberin und Daimler in Rede steht. Infolge der bilateralen Abwicklung hat die Darlehensgeberin den finanzierten Gegenstand erlangt, während sich der Darlehensbetrag in Gestalt des gezahlten Kaufpreises nach wie vor im Vermögen von Daimler befindet. Für die Herstellung des „richtigen“ Zustands wird – wie bereits angesprochen – oft auf Bereicherungsansprüche aus Nichtleistungskondiktion gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB zurückgegriffen. Ganz widerspruchsfrei ist dies freilich nicht, da im Mehrpersonenverhältnis eigentlich vorrangige Leistungsverhältnisse zu beachten wären, die eine Nichtleistungskondiktion ausschließen. Gleichwohl verbietet sich im bereicherungsrechtlichen Mehrpersonenverhältnis nach Ansicht des BGH jede schematische Lösung (BGH, Urt. v. 19.9.2014 – V ZR 269/13, NJW 2015, 229, 231; st. Rspr.). Alternativ könnte jedoch auch angedacht werden, auch in diesem Rückabwicklungsverhältnis § 355 Abs. 4 S. 5 BGB entsprechend anzuwenden, sodass die Darlehensgeberin im Verhältnis zu Daimler in die Rolle des Verbrauchers einrücken würde.
Wenn bereits der Vertragsschluss eine unerlaubte Handlung sein sollte, kann in Betracht kommen, dass schon der Vertrag mit den Abtretungsklauseln wegen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz unwirksame ist?