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Schlagwortarchiv für: AGB

Gastautor

BAG zur Bereitstellung essentieller Arbeitsmittel – AGB-Kontrolle

AGB-Recht, Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Saskia Wubbernitz veröffentlichen zu können. Sie studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn und ist als Studentische Hilfskraft am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Uni Bonn tätig.

In einer aktuellen Entscheidung (Urteil v. 10.11.2021 – 5 AZR 334/21) befasste sich der fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts mit der Frage betreffend des Anspruchs auf Bereitstellung essentieller Arbeitsmittel. Im Zeitalter der Lieferdienste stellt diese Entscheidung, die die materiell-rechtlichen Anforderungen an die AGB-Kontrolle erfasst, eine führende Entscheidung zu zahlreichen Parallelsachen dar.

I. Sachverhalt

Als Fahrradlieferant ist K bei der B seit Juni 2016 beschäftigt. K liefert Speisen und Getränke mittels Fahrrad an die Kunden aus, welche zuvor die entsprechenden Produkte über das Internet bestellt hatten. Etwaige Daten, wie die  Einsatzpläne oder die Adressen der Restaurants und der jeweiligen Kunden, bekommt K über eine Software-Applikation Scoober („App“) übermittelt. Die „App“ verbracht üblicherweise bis zu zwei GB Datenvolumen pro Monat. Seit Beginn des Arbeitsverhältnisses verwendet K sowohl sein eigenes Smartphone als auch sein eigenes Fahrrad. 

B regelt in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass die Arbeitnehmer sowohl ihr eigenes Smartphone als auch ihr eigenes Fahrrad zu benutzen haben. Im Gegenzug gewährt B ihnen für den Einsatz der Fahrräder eine Reparaturgutschrift von 0,25 € pro gearbeitete Stunde. Diese Gutschrift kann ausschließlich bei einem von B zuvor bestimmten Unternehmen eingelöst werden. Für die Nutzung des Smartphones ist keine entsprechende Gutschrift vorgesehen.

Mit eingereichter Klage vom 03.09.2019 verlangt K von B die Überlassung eines internetfähigen Smartphones sowie ein verkehrstüchtiges Fahrrad zur weiteren Ausübung seiner Tätigkeit als Fahrradlieferant. K betont, dass die entsprechende Allgemeine Geschäftsbedingung mangels Ausgleichsregelung unwirksam sei, §§ 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB.   

B hält die Allgemeine Geschäftsbedingung hingegen für wirksam. Die Arbeitnehmer werden nicht unangemessen benachteiligt.  Denn die Arbeitnehmer verfügen ohnehin über ein Smartphone mit Datenflatrate und ein Fahrrad. Hinsichtlich der Fahrradnutzung sei zudem die Möglichkeit der Reparaturgutschrift gegeben. 

Gerichtlich geklärt werden sollte die Frage, ob K gegen B einen Anspruch auf Bereitstellung der begehrten essentiellen Arbeitsmittel habe. 

II. Entscheidung

Das BAG hat die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts  (v. 12.3.2021 – 14 Sa 306/20) zurückgewiesen. Hierbei wurde festgestellt, dass K einen Anspruch auf die begehrten Arbeitsmittel aus § 611a Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag habe. 

Aus § 611a Abs. 1 BGB in Verbindung mit dem zugrundeliegenden Arbeitsvertrag ergibt sich jedenfalls ein Anspruch auf die Bereitstellung von Arbeitsmittel, ohne die die vertraglich vereinbarte Tätigkeit nicht erbracht werden kann. 

Als Fahrradlieferant ist das Fahrrad ein zwingend notwendiges Arbeitsmittel. Als solches ist ebenso ein internetfähiges Mobiltelefon einzuordnen. Denn die vereinbarte Tätigkeit kann nur unter Verwendung der Scoober App ausgeübt werden, über welche die erforderlichen Daten übermittelt werden. Der Zugriff auf die Scoober App setzt wiederum ein bestehendes Datenvolumen voraus. 

Der Anspruch auf Bereitstellung essentieller Arbeitsmittel wurde auch nicht durch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des B abbedungen.

Die Vereinbarungen halten einer materiell-rechtlichen Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 1 S. 1 BGB nicht stand. Die Vereinbarung ist unangemessen und damit unwirksam. 

Aufgrund der Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer die notwendigen Arbeitsmittel selbst zu stellen hat, ist eine abweichende Regelung im Sinne des § 307 Abs. 3 S. 1 BGB gegeben, welche ihrerseits der uneingeschränkten Inhaltskontrolle unterliegt. 

In § 611a BGB ist normiert, dass der Arbeitnehmer nur verpflichtet ist, seine Arbeitskraft dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen. Essentielle erforderliche Arbeitsmittel hat der Arbeitgeber bereitzustellen. Der Grundgedanke der gesetzlichen Regelung stützt sich auf die beiderseitigen Interessen und zu berücksichtigenden Gerechtigkeitserwägungen (BGH 23. November 2018 – V ZR 33/18 – Rn. 15; BAG 25. April 2007 – 5 AZR627/06 – Rn. 19, BAGE 122, 182). Der Arbeitnehmer unterliegt dem Weisungsrecht des Arbeitgebers aus § 106 GewO und gliedert sich in die arbeitgeberseitig organisierten Arbeitsabläufe ein, sodass ein berechtigtes Interesse an der Bereitstellung der Arbeitsmittel gegeben ist. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung und damit die Unwirksamkeit der Klausel gegeben, wenn  die Klausel auf Grundlage einer umfassenden Interessensabwägung in ihrer Gesamtheit den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. In der erforderlichen Abwägung ist das Interesse des Verwenders an der Aufrechterhaltung der Klausel mit dem Interesse des Vertragspartners am Wegfall der Klausel nebst deren Ersetzung durch die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen abzuwägen. Dadurch, dass der Arbeitnehmer Verbraucher im Sinne des § 13 BGB ist, sind nach § 310 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die den Vertragsschluss begleitenden Umstände zu berücksichtigen. 

Nach Abwägung der gegenseitigen Interessen stellt das BAG eine unangemessene Benachteiligung fest. Denn bereits die Gewährung der Reparaturgutschrift in Höhe von 0,25 € pro geleistete Arbeitsstunde stellt aufgrund der konstanten Verpflichtung zur Verwendung des eigenen Fahrrads keinen angemessenen Ausgleich dar. Trotz der Möglichkeit des Ansparens der Reparaturgutschrift ist, fehlt aus Arbeitnehmersicht die Möglichkeit über das Geld frei zu verfügen und stellt damit keine angemessene Kompensation dar. 

III. Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung des BAG erweist sich als saubere AGB-Kontrolle unter dem Gesetzeswortlaut. 

Die AGB-Prüfung ist regelmäßiger Bestandteil von Abschlussklausuren und Examensklausuren. Kennzeichnend sind hierfür insbesondere der komplexe Aufbau, die vielfältige Möglichkeit der Einbettung im Gutachten sowie die Unterscheidung zwischen Einbeziehungs- und Inhaltskontrolle.  Jedoch kann die AGB-Prüfung gut gelingen, sofern man stringent mit dem Gesetzestext arbeitet. Zu beachten ist hierbei insbesondere die Prüfungsreihenfolge der Inhaltskontrolle anhand §§ 307 – 309 BGB. 

Ungeachtet der Relevanz einer AGB-Kontrolle in Klausuren sind, sind diese aus dem modernen Wirtschafts- und Vertragswesen nicht mehr wegzudenken. Für den Verwender bieten sie oft erhebliche Vorteile, wohingegen sie sich oft für den Vertragspartner als nachteilhaft erweisen. Die jeweiligen Interessen müssen in einen Ausgleich gebracht werden, damit sie einer gesetzlichen AGB-Kontrolle standhalten können.

15.12.2022/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2022-12-15 08:07:102022-12-23 08:49:33BAG zur Bereitstellung essentieller Arbeitsmittel – AGB-Kontrolle
Gastautor

Knöllchen auf dem Supermarktparkplatz: BGH löst das Problem über die Beweislast

AGB-Recht, BGB AT, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, einen Beitrag von Prof. Dr. Gregor Thüsing veröffentlichen zu können. Der Autor ist Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn.
Ein Auto fährt auf einen Supermarktparkplatz, und da gibt es eine Tafel mit AGB „Ohne Parkscheibe 30 Euro Vertragsstrafe“. Die rechtlichen Fragen, die damit verbunden sind, haben hohe Examensrelevanz.
I. Ist ein Vertrag zustande gekommen? Die allgemeine Meinung geht davon, dass es zu einem konkludenten Vertragsschluss durch Inanspruchnahme der Leistung kommt:

  • „Durch das Abstellen eines Fahrzeugs auf einem kostenpflichtigen Parkplatz kommt konkludent zwischen den Parteien ein Vertrag über die Nutzung des Pkw-Stellplatzes zustande.“ (AG Ravensburg, Urteil vom 26. März 2013 – 5 C 1367/12)

  • „Vorliegend handelt es sich um einen konkludent geschlossenen Massenvertrag, bei dem schon mangels jeglichen persönlichen Kontakts ein ausdrücklicher Hinweis ausscheidet. Sein Einverständnis erklärte der Fahrer des Pkws des Beklagten und Benutzer des Parkplatzes somit konkludent, indem er auf den Parkplatz fuhr und dort den Pkw des Beklagten abstellt.“ (AG Brandenburg, Urteil vom 26. September 2016 – 31 C 70/15)

  • „Ein solcher Vertrag könnte allenfalls zwischen der Klägerin und dem Fahrer eines Fahrzeuges zustande kommen, und zwar dadurch, dass dieser ein Fahrzeug auf dem Parkplatz abstellt. Hierin wäre die konkludente Annahme des von der Klägerin unterbreiteten Vertragsangebotes zu den auf den aufgestellten Schildern abgedruckten Bedingungen zu sehen.“ (LG Kaiserslautern, Urteil vom 27. Oktober 2015 – 1 S 53/15)

  • „Mit der Nutzung des Parkplatzes erklärte sich der Beklagte mit der Geltung der Parkbedingungen konkludent einverstanden.“ (AG Stuttgart-Bad Cannstatt, Urteil vom 31. Mai 2010 – 8 C 450/10)

Schwieriger wird die rechtliche Behandlung des sozialtypischen Verhaltens erst dann, wenn vor oder gleichzeitig mit dem an sich eindeutigen Verhalten eine ausdrückliche protestatio facto contraria erfolgt, die eine Auslegung des Verhaltens als rechtsgeschäftlich verbindliche Erklärung ausschließen soll. In diesem Fall folgt nach h.M. bei der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Leistung die Bedeutungslosigkeit des Vorbehalts daraus, dass dieser im Widerspruch zu eben jenem Verhalten steht. Die Diskussion darüber entzündete sich zuerst am Hamburger Parkplatzfall (BGHZ 21, 319 = NJW 1956, 1475) – damals noch als „faktischer Vertrag“.
II. Aber was ist, wenn der Halter der Aufforderung, zu zahlen, einfach antwortet, er sei nicht gefahren? Dann kann er auch keinen Vertrag abgeschlossen haben. Muss er sagen, wer stattdessen gefahren ist? Grds. würde man sagen: Nein, denn die Beweislast für das Zustandekommen des Vertrags liegt bei dem, der sich darauf beruft. Hier nun setzt die aktuelle Entscheidung des BGH an (Urteil vom 18. Dezember 2019 – XII ZR 13/19) :

„Zu Recht hat es das Landgericht zwar abgelehnt, eine Haftung der Klägerin für diese Vertragsstrafe allein aus ihrer Haltereigenschaft abzuleiten. Insbesondere schuldet der Halter keinen Schadensersatz wegen der Weigerung, die Person des Fahrzeugführers zu benennen, weil ihn gegenüber dem Parkplatzbetreiber keine entsprechende Auskunftspflicht trifft.
Anders als das Landgericht meint, hat die Beklagte aber ihre Fahrereigenschaft nicht wirksam bestritten. Ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Halter eines Kfz auch dessen Fahrer war, besteht allerdings nicht, weil Halter- und Fahrereigenschaft in der Lebenswirklichkeit häufig auseinanderfallen. Jedenfalls wenn die Einräumung der Parkmöglichkeit, wie im vorliegenden Fall, unentgeltlich in Form einer Leihe erfolgt, kann sich der Halter jedoch nicht auf ein einfaches Bestreiten seiner Fahrereigenschaft beschränken. Vielmehr muss er im Rahmen seiner sog. sekundären Darlegungslast dazu vortragen, wer als Nutzer des Pkws im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kam.
Die grundsätzlich dem Kläger obliegende Darlegungs- und Beweislast, hier für die Fahrereigenschaft, kann nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen eine Erleichterung erfahren. Danach trifft den Prozessgegner eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungspflichtige Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung hat, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm unschwer möglich und zumutbar ist, hierzu näher vorzutragen. Diese Voraussetzungen hat der XII. Zivilsenat für den vorliegenden Fall bejaht.“

III. Wie geht es dann weiter in der Prüfung? Kann der Fahrer sich darauf berufen, das war alles so klein gedruckt auf dem Schild, dass er das nicht habe sehen können im Vorbeifahren? Fehlt es also an einer wirksamen Einbeziehung der AGB, §§ 305 ff. BGB. Die h.M. denkt anders:

  • „Auch das Schrifttum zum AGB-Gesetz ist, soweit ersichtlich, einhellig der Auffassung, daß AGB kein Vertragsbestandteil werden, wenn sie wegen der Art oder der Größe des Schriftbilds nur mit Mühe zu entziffern sind… Ferner heißt es in den Materialien zum AGB-Gesetz, daß es ‚zur Möglichkeit, in zumutbarer Weise vom Inhalt der AGB Kenntnis zu nehmen, auch gehört, daß diese mühelos lesbar sind.‘“ (BGH, Urteil vom 3.2.1986 – II ZR 201/85)

  • „Sie müssen jedenfalls bei geringwertigen Geschäften des täglichen Lebens ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit aufweisen und dürfen auch einen im Verhältnis zur Bedeutung des Geschäfts vertretbaren Umfang nicht überschreiten.“ (MüKo-Basedow, § 305 BGB Rnr. 71).

  • Dennoch: „Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift ist es gerade nicht erforderlich, dass der Vertragstext in einer Form abgedruckt ist, die es dem Nutzer ermöglicht, diese im Vorbeifahren und „auf einen Blick“ zu erfassen.“ (LG Kaiserslautern, Urteil vom 27.10.2015 – 1 S 53/15)

Und steht der Einbeziehung entgegen, dass die Vertragsstrafe überraschend im Sinne von § 305c BGB sein könnte? Auch hier denkt die h.M. anders:

„Insbesondere ist diese nicht als „überraschende Klausel“ i.S.d. § 305c BGB anzusehen. Denn es liegt für jeden vernünftigen Betrachter auf der Hand, dass ein Supermarkt, der einen Parkplatz vorhält, damit selbstverständlich nur seinen Kunden – und dies auch nur für die Zeit des Einkaufes – einen kostenlosen Parkplatz zur Verfügung stellen will und nicht der Allgemeinheit.“ (LG Kaiserslautern, Urteil vom 27.10.2015 – 1 S 53/15)

Und ist die Vertragsstrafe unangemessen? Zuerst werden die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit (§ 309 BGB) geprüft, dann mit Wertungsmöglichkeit (§ 308 BGB) und dann die Generalklausel (§ 307 BGB):

„Die Ziffer 3. der Vertragsbedingungen verstößt auch nicht gegen § 309 Nr. 5b) BGB, da es sich nicht um eine Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen im Sinne einer vertraglichen Haftungserweiterung handelt, sondern um eine Vertragsstrafe, deren Zweck darin besteht, die Erfüllung der Hauptverbindlichkeit zu sichern .., nämlich die Einhaltung der Höchstparkdauer.“
„Die Ziffer 3. der Vertragsbedingungen verstößt auch nicht gegen § 309 Nr. 6 BGB. Hierunter fallen Bestimmungen, durch die dem Verwender für den Fall der Nichtabnahme oder verspäteten Abnahme der Leistung, des Zahlungsverzugs oder für den Fall, dass der andere Vertragsteil sich vom Vertrag löst, Zahlung einer Vertragsstrafe versprochen wird. Ein solcher Fall ist hier aber gerade nicht gegeben. Vielmehr wird eine Vertragsstrafe erhoben, wenn der Parkplatzbenutzer sein Kraftfahrzeug über die Mindestparkdauer hinaus nicht entfernt.“ (AG Brandenburg, Urteil vom 26. September 2016 – 31 C 70/15)

Und ist sie unangemessen weil zu hoch?

Eine unangemessene Benachteiligung liegt vor, „wenn die Interessen des Vertragspartners gegenüber denen des Verwenders so sehr zurückgedrängt werden, dass kein vollständiger Interessenausgleich stattgefunden hat. Unangemessen ist eine Benachteiligung somit dann, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen.“ (AG Brandenburg, Urteil vom 26.8.2016 – 31 C 70/15)

Kriterien der Angemessenheit: Abschreckungsinteresse? Länge des Parkverstoßes? Höhe üblicher Parkgebühren? Kosten einer Verwarnung nach StVO? Herrschende Meinung: 30 Euro ist zulässig; schon vor 10 Jahren:

„Die von der Klägerin verlangte Vertragsstrafe von 20,00 Euro erscheint auch nicht als derart hoch, dass sie zu einer unangemessenen Benachteiligung führen würde, auch wenn ihr im Einzelfall lediglich ein kurzzeitiger Parkvorgang gegenüberstehen sollte.“ (AG Wiesbaden, Urteil vom 13.9.2007 – 91 C 2193/07)

IV. Im Ergebnis heißt es daher wohl zukünftig: Der Halter muss zahlen. Und Sie kennen die Probleme, die im Examen drankommen könnten.
 

22.01.2020/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2020-01-22 08:30:302020-01-22 08:30:30Knöllchen auf dem Supermarktparkplatz: BGH löst das Problem über die Beweislast
Dr. Yannik Beden, M.A.

Klausurrelevantes Urteil: Amazon Dash Button auch laut OLG München rechtswidrig

AGB-Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Die Frage um die rechtliche Zulässigkeit des sog. Dash Buttons von Amazon geht in die nächste Runde. Mit seinem Urteil vom 10. Januar 2019 – 29 U 1091/18 entschied das Oberlandesgericht München, dass die derzeitige Funktionsweise des WLAN Knopfes gegen verschiedene rechtliche Vorgaben verstößt und gab der Unterlassungsklage der Verbraucherschutzzentrale NRW vollumfänglich statt. Wie bereits aus der erstinstanzlichen Entscheidung des LG München I vom 1. März 2018 – 12 O 730/17 ersichtlich war, ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Vorrichtung auch und insbesondere aus einem Verstoß gegen zivilrechtliche Vorgaben des BGB. Man wird deshalb von einer erhöhten Prüfungs- und Examensrelevanz des Urteils ausgehen müssen. Der nachstehende Beitrag beleuchtet die Rechtsstreitigkeit unter besonderer Berücksichtigung der klausurrelevanten Problemstellungen:
I. Sachverhalt (dem erstinstanzlichen Urteil entnommen)
„Die Parteien streiten im Wege einer Verbandsklage nach dem UKlaG um die Zulässigkeit von Bestellungen mittels des von der Beklagten vertriebenen „A Dash Buttons“ (im Folgenden: Dash Button) […]
Die Beklagte betreibt unter der Adresse www.a de eine Plattform für den Online-Handel mit Waren und bietet zusätzlich weitere Dienstleistungen an […]
Der Dash Button ist ein Gerät, das sich mit dem WLAN eines Nutzers verbinden und über die WLAN-Verbindung Signale an den WLAN-Router versenden kann. Die Versendung eines Signals wird durch das Drücken einer elektromechanischen Schaltfläche ausgelöst. Der Dash Button ist auf der Vorderseite mit dem jeweiligen Herstellerlogo und auf der Rückseite mit Angaben über technische Details beschriftet. Darüber hinaus ist er nicht beschriftet […]
Die Beklagte gibt Dash Buttons mit Beschriftung verschiedener Marken auch an Verbraucher heraus. Verbraucher, die bei der Beklagten eine kostenpflichtige A… Mitgliedschaft unterhalten, können mit diesem Gerät Haushaltsgegenstände des täglichen Bedarfs bestellen, zum Beispiel Waschmittel, Zahnhygieneartikel, Windeln, Kosmetikprodukte oder Hundefutter […]
Der Dash Button muss zunächst vom Nutzer eingerichtet werden. Dabei legt der Nutzer ein Produkt fest, das über den Dash Button bestellt werden soll. Nach der Registrierung ist der Dash Button mit einem konkreten Produkt nach Wahl des Nutzers verknüpft. Der Dash Button selbst ist mit dem WLAN des Nutzers verbunden. Für die Einrichtung des Dash Buttons ist die A Shopping App erforderlich, die der Nutzer auf seinem Smartphone installieren muss […]
Sobald der Nutzer die Schaltfläche des Dash Buttons betätigt, erhält er auf seinem Smartphone eine Push-Nachricht mit Informationen zur Bestellung, zum Preis und zum voraussichtlichen Lieferzeitpunkt. Dies aber nur, wenn er der A Shopping App erlaubt, Push-Nachrichten auf sein Smartphone zu schicken. Beim Anklicken dieser Push-Nachricht wird der Nutzer zur A Shopping App weitergeleitet. Dort werden die Details der Bestellung des Produkts, das zuvor mit dem Dash Button verknüpft wurde, aufgeführt. Der Nutzer muss die Bestellung über die A Shopping App nicht nochmals separat bestätigen. Er kann zudem über die A Shopping App die Bestellung binnen 15 Minuten nach dem Drücken des Dash Buttons kostenfrei stornieren […]“
Anmerkung: Das erstinstanzliche Urteil enthält zudem weitere Ausführungen zu den „A Dash Replenishment Nutzungsbedingungen“, die mit jedem Nutzer als Rahmenvereinbarung geschlossen werden. Die entscheidungserheblichen Passagen werden nachfolgend an den maßgeblichen Stellen genannt.
II. Was entschied das LG München?
Das Urteil der ersten Instanz thematisierte in besonders ausführlicher Weise zwei Verstöße des Dash Buttons gegen Verbraucherschutzvorschriften. Im Fokus stand dabei § 312j BGB: Gemäß § 312j Abs. 3 S. 1 BGB ist der Unternehmer verpflichtet, beim Abschluss von entgeltlichen Verbraucherverträgen im elektronischen Geschäftsverkehr Bestellvorgänge derart auszugestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, erfüllt der Unternehmer seine Pflichten, wenn diese gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern „zahlungspflichtig bestellen“ oder mit einer anderweitigen, entsprechenden und vor allem eindeutigen Formulierung beschriftet ist. Eben hier liegt das Problem des Dash Buttons: Dieser ist auf seiner Vorderseite nur mit dem Logo des jeweiligen Herstellers und auf der Rückseite mit technischen Details versehen. Eine ausdrückliche, eindeutige Erklärung zur zahlungspflichtigen Bestellung – wie sie etwa in einem Zahlungsbutton von Online Shops expressiv verbis vorzufinden ist – fehlt. Auch wenn es sich beim Dash Button nicht um eine virtuelle, sondern physische Schaltfläche handelt, geltend die Vorgaben des § 312j Abs. 3 S. 2 BGB unbeschränkt.
Zusätzlich sah das LG München in der Gestaltung des Dash Buttons einen Verstoß gegen § 312j Abs. 2 BGB, wonach dem Verbraucher die Informationen nach Art. 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 4, 5, 11 und 12 EGBGB unmittelbar vor der Abgabe der Bestellung klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung zu stellen sind. Das LG München misst der Vorschrift eine zeitlich-räumliche Dimension bei, mit der Folge, dass die wesentlichen Eigenschaften der Ware sowie der Gesamtpreis inkl. Steuern und Abgaben bei jedem Bestellvorgang erkennbar mitgeteilt werden müssen. Auch dies vermag der Dash Button nicht zu gewährleisten.       
III. Aufrechterhaltende Entscheidung des OLG München
Die Berufungsinstanz bestätigt nun das Ergebnis des Landgerichts München I. Das Oberlandesgericht machte deutlich, dass der Verbraucher vor Absenden der Bestellung über den Preis und die tatsächliche Bestellte Ware informiert werden muss. Die Rahmenvereinbarung ist mit diesem verbraucherschutzrechtlichen Grundsatz jedoch unvereinbar. Das Bedingungswerk zum Dash Button sieht vor:
„1. Bestellungen, Geräte und Software
Mit einem Service-fähigen Gerät aufgegebene Bestellungen.
[…] Wenn Sie ein Produkt gewählt haben, das Sie über Ihr Service-fähiges Gerät kaufen möchten, können sich manche Angebote und Produktdetails bei späteren Nachbestellungen eventuell ändern (zum Beispiel Preis, Steuern, Verfügbarkeit, Lieferkosten und Anbieter). Jede Bestellung unterliegt den zum jeweiligen Zeitpunkt geltenden Angebotsdetails. […] Sollte Ihr Produkt zum Zeitpunkt ihrer Bestellung nicht verfügbar sein, ermächtigen Sie uns, Ihre Bestellung mit einem geeigneten Ersatzartikel der gleichen Produktart und derselben Marke (z.B. mit leicht abweichender Füllmenge) zu erfüllen.“
Neben den unzulässigen Änderungsvorbehalten, die die Klauseln insgesamt nach Auffassung der Richter intransparent wirken lassen und damit AGB rechtlich unzulässig seien, sei auch das Fehlen des Hinweises zur Zahlungspflicht ausschlaggebend für die Rechtswidrigkeit der derzeitigen Ausgestaltung des Buttons. Das OLG schließt sich demnach in vollem Umfang den Entscheidungsgründen der ersten Instanz an. Für den Dash Button besteht demzufolge dringender Änderungs- und Anpassungsbedarf. Da das Oberlandesgericht auch die Revision zum BGH nicht zugelassen hat, wird Amazon um eine Anpassung der Funktionsweise des Buttons an die Vorgaben des deutschen Zivilrechts nicht herumkommen. Notwendig wäre jedenfalls eine Anpassung des Rahmenvertrags hinsichtlich der Änderungsvorbehalte sowie eine Kennzeichnung des Buttons, die den Vorgaben aus § 312j Abs. 3 BGB entspricht.    
IV. Was man für die Klausur wissen muss  
Die Rechtsprechung zum Amazon Dash Button lässt sich problemlos universitäre Zivilrechtsklausuren als auch Examensklausuren einbauen. Für eine erfolgreiche Bearbeitung ist ein guter Überblick zu den Verbraucherschutzvorschriften der §§ 312 ff. BGB notwendig. Im Detail muss erkannt werden, dass auch der physische Dash Button isoliert als Telemedium i.S.v. § 312i Abs. 1 S. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 S. 1 TMG zu qualifizieren ist. Zudem müssen die Sonderbestimmungen für den elektronischen Geschäftsverkehr nach § 312j Abs. 2, 3 BGB erkannt und geprüft werden. Darüber hinaus wird die Klausur eine klassische AGB Prüfung zum Gegenstand haben. Aufgrund des von Amazon bislang genutzten Änderungsvorbehalts muss in einem ersten Schritt § 308 Nr. 4 BGB problematisiert werden. Auch bedarf es einer Transparenzprüfung nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB. Punkten wird, wer beide Problemfelder erkennt und die Funktionsweise des Dash Buttons sauber subsumiert.
 
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21.01.2019/1 Kommentar/von Dr. Yannik Beden, M.A.
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Yannik Beden, M.A. https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Yannik Beden, M.A.2019-01-21 09:00:552019-01-21 09:00:55Klausurrelevantes Urteil: Amazon Dash Button auch laut OLG München rechtswidrig
Gastautor

BGH: Kündigungsschutzklausel in Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber einer Immobilie begründet eigene Schutzrechte des Mieters

AGB-Recht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Mietrecht, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns sehr, nachfolgend einen Gastbeitrag von Tobias Vogt veröffentlichen zu können. Der Autor war am Institut für Arbeitsrecht und Recht der sozialen Sicherheit der Universität Bonn tätig und ist derzeit Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Flick Gocke Schaumburg.
Der BGH stärkt in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 14.11.2018, Az. VIII ZR 109/18) Mieterrechte und äußert sich dabei seit langem wieder einmal zu einem Vertrag zu Gunsten Dritter (VzD) i.S.d. § 328 BGB. Der Mieter kann sich gegenüber seinem Vermieter auf eine Kündigungsschutzklausel aus dem zwischen dem jetzigen Vermieter und dem vorherigen Eigentümer der Immobilie geschlossenen Kaufvertrag über die Immobilie berufen und sich so gegen eine Kündigung des Mietvertrags wehren, entschied der VIII Zivilsenat. Gerade aufgrund der enormen medialen Aufmerksamkeit in der Tagespresse liegt die Examensrelevanz auf der Hand. Zudem macht die Kombination aus Mietrecht, AGB-Kontrolle und VzD diese Entscheidung aus Prüfersicht attraktiv. Sie sollte daher jedem Examenskandidaten bekannt sein. Auch wenn die Entscheidung noch nicht im Volltext veröffentlicht wurde, ergeben sich die wesentlichen Gründe bereits aus der Pressemitteilung des BGH.
I. Sachverhalt (leicht abgewandelt)
Die Beklagten sind seit 1981 Mieter einer Wohnung in einem aus zwei Wohnungen bestehenden Siedlungshaus. Im Jahr 2012 erwarb die Klägerin das Hausgrundstück von der Stadt Bochum und bewohnt mittlerweile die zweite Wohnung des Hauses. Der Kaufvertrag zwischen der Stadt Bochum und der Klägerin enthält folgenden Klausel, die die Stadt Bochum für eine Vielzahl von Immobilienverträgen verwendete: „Die Mieter haben ein lebenslanges Wohnrecht. Der Käufer übernimmt das bestehende Mietverhältnis. Er darf insbesondere keine Kündigung wegen Eigenbedarfs oder wegen der Behinderung einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung aussprechen. Möglich ist lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der dem Mieter obliegenden vertraglichen Verpflichtungen […] Für den Fall, dass der Käufer ohne Zustimmung des Verkäufers oder ohne Vorliegen eines außerordentlichen Kündigungsgrundes das Mietverhältnis kündigt, ist der Verkäufer berechtigt, das Kaufgrundstück lasten- und schuldenfrei wiederzukaufen.“ Dennoch kündigte die Klägerin das Mietverhältnis unter Berufung auf § 573a Abs. 1 S. 1 BGB, der eine Kündigung von Seiten des Vermieters unter erleichterten Bedingungen vorsieht, wenn dieser im selben Gebäude mit nicht mehr als zwei Wohnungen die zweite Wohnung selbst bewohnt. Mit der anschließenden Räumungsklage scheiterte die Klägerin in den Vorinstanzen und nun auch vor dem BGH.
II. Kündigungsschutzklausel als echter Vertrag zugunsten Dritter, § 328 BGB
Zunächst sollte in einer Prüfung festgestellt werden, dass die Klägerin durch den Erwerb des Hausgrundstücks nach § 566 Abs. 1 BGB in das zuvor zu der Stadt Bochum bestehende Mietverhältnis eingetreten ist und eine ordnungsgemäße Kündigungserklärung vorliegt. Auch sollten die Voraussetzungen des § 537a BGB geprüft werden, die hier vorliegen. Dann ist die Kündigungsschutzklausel aus dem Grundstückskaufvertrag anzusprechen, die einer Kündigung nach § 573a BGB entgegenstehen könnte. Dazu müsste diese aber auch im Verhältnis der Mieter zur Vermieterin gelten. Der Grundstückskaufvertrag ist jedoch zwischen jetzigem und vorherigem Vermieter geschlossen worden. Verträge gelten grundsätzlich nur inter partes. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt das Konstrukt des Vertrags zugunsten Dritter nach § 328 BGB dar. Nach § 328 Abs. 1 BGB kann eine Leistung an einen Dritten derart bedungen werden, dass dieser unmittelbar das Recht erwirbt die Leistung zu fordern. Ob ein solches Recht bestehen soll, ist in Ermangelung einer besonderen Bestimmung gemäß § 328 Abs. 2 BGB aus den Umständen, insbesondere dem Zwecke des Vertrags, zu ermitteln. An dieser Stelle können Prüflinge mit einer umfassenden Auslegung der Klausel punkten, wobei insbesondere auf den Wortlaut und auch den von der Stadt Bochum bezweckten Mieterschutz aufgrund deren Verantwortung als kommunaler Eigentümer und Veräußerer eingegangen werden. So führte der BGH in seiner Pressemitteilung aus: „Schon der Wortlaut der Regelung, in der von einem bestehenden lebenslangen Wohnrecht der Mieter und einer Übernahme dieses Mietverhältnisses durch den Käufer die Rede ist, bringt hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass den Mietern hiermit eine (eigene) gesicherte Rechtsposition auch gegenüber dem Käufer als neuem Vermieter eingeräumt wird. Ihren bisherigen Wohnraum sollen sie lediglich bei selbst zu vertretender (erheblicher) Verletzung ihrer Mieterpflichten verlieren können. Für diese naheliegende Auslegung der vertraglichen Regelungen sprechen zusätzlich auch die hohe Schutzbedürftigkeit der Beklagten als langjährige Mieter und die Verantwortung der Stadt Bochum als kommunaler Eigentümer und Veräußerer. Darüber hinaus unterstreicht das für den Fall einer unberechtigten Vermieterkündigung vereinbarte Wiederkaufsrecht der Stadt, dass diese mit den vertraglichen Regelungen erkennbar einen möglichst umfassenden Schutz der Mieter herbeiführen wollte.“ Daher handelt es sich also um einen echten Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB, sodass die Mieter die Kündigungsschutzklausel dem Vermieter entgegenhalten können.
III. Auslegung der Klausel: Auch Kündigung nach § 573a BGB ausgeschlossen
Fraglich ist zudem, ob die Klausel ihrem Inhalt nach auch eine Kündigung nach § 573a BGB ausschließen soll. Dies ist durch Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont §§ 133,157 BGB zu ermitteln. Zwar sind ausdrücklich nur die Kündigung wegen Eigenbedarf und wegen Behinderung einer angemessenen Verwertung ausgeschlossen. Jedoch lässt sich schon aus der Formulierung „insbesondere“ erschließen, dass dies keine abschließende Aufzählung darstellt. Vielmehr wird im nächsten Satz klargestellt, dass lediglich eine Kündigung wegen der erheblichen Verletzung der vertraglichen Mieterpflichten möglich sein soll. Die Kündigung nach § 573a BGB erfordert jedoch – ebenso wie die in der Klausel ausdrücklich genannten Kündigungsgründe – weder eine Pflichtverletzung noch ein Verschulden des Mieters. Die Klausel umfasst daher auch eine Kündigung nach § 573a BGB.
IV. Keine Unwirksamkeit aufgrund AGB-Kontrolle
Die Kündigungsschutzklausel kann selbstverständlich aber nur dann der Kündigung entgegenstehen, wenn sie wirksam ist. Da die Klausel für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert und von der Stadt Bochum einseitig gestellt wurde, handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, § 305 BGB. Es ist daher zu prüfen, ob die Klausel gegen §§ 307 – 309 BGB verstößt. In Betracht kommt hier ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB. Dazu müsste die Klägerin durch die Klausel unangemessen benachteiligen. Zwar wird das Recht zur Kündigung in weiten Fällen ausgeschlossen. Jedoch ist das Kündigungsrecht nicht völlig ausgeschlossen, sondern es verbleibt dem Erwerber die Möglichkeit zur Kündigung wegen wesentlicher Pflichtverletzung des Mieters. Die Regelung dient dem berechtigten Interesse der langjährigen Mieter, ohne eigene erhebliche Pflichtverletzung nicht einer Kündigung ausgesetzt zu werden. Auch die Stadt Bochum hat als kommunalen Träger ein berechtigtes Interesse, durch eine Kündigungsschutzklausel die bislang in ihrem Eigentum wohnenden Mieter vor einer Kündigung durch den neuen Vermieter zu schützen. Daher benachteiligen die „kaufvertraglichen Bestimmungen, mit denen das Recht der Erwerber zur ordentlichen Kündigung für die Lebensdauer der aktuellen Mieter eingeschränkt wird, […] den Käufer einer entsprechenden Immobilie nicht unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 und 2 BGB, sondern stellen vielmehr eine inhaltlich ausgewogene Regelung für den Verkauf eines im kommunalen Eigentum stehenden, von langjährigen Mietern bewohnten Siedlungshauses dar“, so der BGH in seiner Pressemitteilung.
V. Summa
Eine Klausel in dem Grundstückskaufvertrag zwischen Veräußerer und Erwerber, die das Kündigungsrecht des Erwerbers gegenüber den Mietern einschränkt, ist (jedenfalls bei ähnlicher Formulierung wie im konkreten Fall) als Vertrag zugunsten Dritter i.S.d. § 328 BGB auszulegen, so dass der Mieter sie dem (neuen) Vermieter entgegenhalten kann. Eine solche Vereinbarung stellt eine inhaltlich ausgewogene Regelung dar, die auch einer AGB-Kontrolle standhält.

16.11.2018/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2018-11-16 09:00:082018-11-16 09:00:08BGH: Kündigungsschutzklausel in Vertrag zwischen Veräußerer und Erwerber einer Immobilie begründet eigene Schutzrechte des Mieters
Dr. Maximilian Schmidt

BGH: Schönheitsreparaturen aufs Neue – als Zuschlag zulässig!

Mietrecht, Schon gelesen?, Zivilrecht

Ein hochinteressanter Beschluss des BGH zur Zulässigkeit eines „Zuschlags Schönheitsreparaturen“ ist nunmehr veröffentlicht worden (BGH, Beschluss vom 30.05.2017 – VIII ZR 31/17). Dass Schönheitsreparaturen und deren formularmäßige Abwälzung auf Mieter ein juristischer Dauerbrenner ist, muss nicht nochmals betont werden. Der vorliegende Fall ist gerade zu prädestiniert, das Argumentationsgeschick und die Systemkenntnis von Prüflingen abzuprüfen, da dieser völlig anders zu beurteilen ist als die gängigen Klauseln (starrer/flexibler Fristenplan etc.). Zudem sollte die Klausel im Zweiten Staatsexamen in einer Kautelarklausur bekannt sein, um dem Mandanten den bestmöglichen Rat geben zu können.
I. Der Sachverhalt
Der schriftliche Mietvertrag sieht in § 3 neben einer „Grundmiete“ und einer „Betriebskostenvorauszahlung“ einen monatlichen „Zuschlag Schönheitsreparaturen“ i.H.v. 79,07 EUR vor. In § 7 des Mietvertrages ist geregelt, dass der Vermieter die Ausführung der Schönheitsreparaturen übernimmt und der dafür in der Miete enthaltene Kostenansatz sich auf 0,87 EUR je qm monatlich beläuft.
II. Die rechtliche Bewertung
Der Vermieter könnte einen Anspruch auf Zahlung von monatlich 79,07 EUR aus § 3 des Mietvertrages haben. Dazu müsste die Vereinbarung einer rechtlichen Prüfung standhalten.
Zunächst könnte die Klausel im Wege einer AGB-Kontrolle nach §§ 305 ff. BGB unwirksam sein. Dazu müsste es sich aber überhaupt um eine kontrollfähige Abrede handeln. Nach § 307 Abs. 3 BGB sind der AGB-Kontrolle Hauptpreisabreden nicht unterworfen. Dies sind solche, die unmittelbar das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung regeln. Sinn und Zweck dieser Herausnahme ist, dass es für die Angemessenheit einer Hauptpreisabrede im Lichte des Grundsatzes der Privatautonomie und des freien Marktes keinen Vergleichsmaßstab gibt. Mangels gesetzlicher Regelung für den Inhalt von Hauptleistungspflichten kann also keine Abweichung geprüft werden. Mit anderen Worten: Es gibt insoweit kein dispositives Recht, das Ausgangspunkt richterlicher Prüfung sein könnte. Vorliegend handelt es sich bei dem „Zuschlag Schönheitsreparatur“ der formalen Stellung nach um eine Hauptleistungsabrede, da dieser zusammen mit der Grundmiete geregelt ist. Wesentlicher ist aber, dass dieser Zuschlag inhaltlich ein Entgelt für die Hauptleistungspflicht (Gebrauchsgewährungs- und Gebrauchserhaltungspflicht) des Vermieters darstellt. Nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB ist nämlich dieser für die Gebrauchserhaltung der Mietsache verantwortlich (was freilich aufgrund der in der Praxis regelmäßig vorgenommenen formularvertraglichen Übertragung auf den Mieter übersehen wird) und erhält hierfür nach § 535 Abs. 1 S. 1 BGB die Miete. Daher unterfällt dieser Zuschlag bereits nicht der AGB-Kontrolle!
Allerdings könnte ein Umgehungsgeschäft nach § 306a BGB vorliegen, was wiederum zur Unwirksamkeit der Regelung führte. Nach § 306a BGB finden die Vorschriften der AGB-Kontrolle nämlich auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Dies wäre aber nur dann der Fall, wenn die Vereinbarung des Zuschlags eine Regelung darstellte, die eine anderweitige – dann unwirksame – Klausel ersetzte. Insoweit ist wiederum auf die Rechtsnatur als Hauptpreisabrede abzustellen: Die Parteien können als Gegenleistung für die Gebrauchsgewährung- und Gebrauchserhaltungspflicht des Vermieters frei einen Preis vereinbaren. Somit wird dem Mieter gerade nicht mittelbar eine Pflicht zur Vornahme von Schönheitsreparaturen auferlegt, die ansonsten unzulässig wäre: Die Parteien hätten ja einfach ohne gesonderte Ausweisung als „Zuschlag“ eine höhere Grundmiete vereinbaren können. An diesem Ergebnis ändert auch die Mitteilung des Kostenansatzes nichts, da hiermit der Vermieter nur seine interne Kalkulation bekannt gibt, ohne dass hierdurch irgendwelche Rechte oder Pflichten begründet würden.

Hinweis: Der BGH hat mit diesem Beschluss übrigens die Revision mangels grundsätzlicher Bedeutung nach § § 543 II 1 ZPO bereits nicht zugelassen! Ein anderes Ergebnis wird daher nur mit sehr guter Begründung vertretbar sein. Umso wichtiger die wesentlichen Argumente des BGH in der Prüfung nachzuvollziehen.

III. Examenstipps
Ein Fall, der juristische Argumentationsgeschick und Systemverständnis im Bereich der AGB-Kontrolle erfordert. Wichtig ist eine abgeschichtete Prüfung genau nach dem bekannten AGB-Kontrollschema. Zudem sollte kurz auf § 306a BGB eingegangen werden, um dem Prüfer ganz deutlich die Unterschiede zur formularmäßigen Abwälzung von Schönheitsreparaturen deutlich zu machen. In einem letzten Schritt könnte dann – etwa in einer Anwaltsklausur im Zweiten Staatsexamen – mit dem Hinweis geglänzt werden, dass die Vereinbarung eines Zuschlags für Schönheitsreparaturen der beste Weg ist, diese Kosten vom Mieter abdecken zu lassen. Die feinziselierte Rechtsprechung des BGH zur formularmäßigen Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter kann so elegant beiseite gelassen werden (die dennoch notwendiges Wissen fürs Examen darstellt, s. unsere Beiträge hier und hier). Ein toller Fall fürs Examen!

24.07.2017/2 Kommentare/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2017-07-24 11:11:322017-07-24 11:11:32BGH: Schönheitsreparaturen aufs Neue – als Zuschlag zulässig!
Gastautor

BGH: Kündigung und AGB-Kontrolle bei Online-Dating-Portalen

AGB-Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Online-Dating-Portale bieten eine große Bandbreite von potentiellen persönlichen, aber auch juristischen Problemfeldern. Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH v. 14.07.2016 – III ZR 387/15) beschäftigt sich mit der Frage unter welchen Voraussetzungen ein Vertrag mit einer online agierenden Partnervermittlung gekündigt werden kann. Dabei hatte das Gericht zu beantworten, ob es für den Kunden eine unangemessene Benachteiligung darstellt, wenn ihm für die Kündigungserklärung in den AGB die Schriftform aufgezwungen wird, während dies für das Dating-Portal nicht erforderlich ist und der Vertrag auch im Übrigen digital abgewickelt wird.
Darüber hinaus berühren Probleme im Bereich von Online-Dating-Portalen regelmäßig auch noch andere klassische zivilrechtliche Prüfungsgebiete des ersten juristischen Staatsexamens. Aus diesen Gründen ist es in jedem Fall lohnenswert diesem Thema Aufmerksamkeit zu schenken und sich die typischen Problemkonstellationen einzuprägen. Dieser Beitrag soll deshalb zunächst einen kurzen Überblick über die allgemein relevanten Prüfungspunkte geben und anschließend den Inhalt des aktuellen Urteils in Form einer kommentierten, klausurmäßigen AGB-Prüfung wiedergeben.
I. Allgemeine Examenskonstellationen bei Partnervermittlung
Zunächst stellt sich die Frage, ob die modernen Partnervermittlungsdienstleistungen unter den Ehemaklervertrag des § 656 BGB subsumiert werden können. Das hätte zur Folge, dass es sich nur um eine sog. „Naturalobligation“ handelt, es besteht also eine Forderung, diese ist aber gerichtlich nicht durchsetzbar. Aus der Perspektive des Bereicherungsrechts hat dies zur Folge, dass die Leistung zwar nicht eingefordert werden kann, wurde sie aber einmal geleistet, stellt der Ehemaklervertrag einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der Leistung dar (§ 656 Abs. 1 S. 2). Weiterhin ist regelmäßig zu diskutieren, ob dem meist enttäuschten Verbraucher auch ein entsprechendes Widerrufsrecht aus §§ 312 ff. BGB zusteht oder er den Vertrag nach § 627 BGB kündigen kann. (vgl. zu diesen Problemfeldern bereits unseren Beitrag von 2015).
II. Das aktuelle Urteil
Auf der Internetseite von Elitepartner.de fand sich bis vor kurzem (das Portal hat inzwischen auf das Urteil reagiert) in den AGB folgende Klausel:

„Die Kündigung der VIP- und/oder Premium-Mitgliedschaft bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (eigenhändige Unterschrift) und ist z.B. per Fax oder per Post an E.          GmbH (Adresse siehe Impressum) zu richten; die elektronische Form ist ausgeschlossen.“

Im vorliegenden Fall hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen gegen die Verwendung dieser Klausel geklagt, weil sie die Möglichkeiten zur Wahrung der Schriftform bei der Kündigung durch den Kunden unzulässig einschränke und die Vertragsauflösung ersichtlich erschwere, worin eine unangemessene Benachteiligung des Kunden zu sehen sei. Dies ergab sich insbesondere auch daraus, dass die Beklagte ihrerseits eine fristlose Kündigung per E-Mail aussprechen konnte und sich das Vertragsverhältnis auch im Übrigen digital vollzog.
In einer Examensklausur ist aber die Konstellation wahrscheinlicher, dass die Wirksamkeit einer solchen Klausel im Rahmen einer AGB-Kontrolle zu prüfen ist, bei der Frage, ob der Kunde wirksam gekündigt hat. Hierbei kann der Kandidat punkten, der eine dogmatisch saubere Prüfung vornimmt:
1. Vorliegen von AGB
Zunächst einmal müsste die Klausel eine allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB darstellen, also „für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierte Vertragsbedingung, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt“ sein. Um vorformuliert zu sein, müsste die Vertragsbedingung also bereits vor Vertragsschluss festgestanden haben (vgl. MüKo/Basedow, BGB 7. Aufl. § 305 Rn. 13).Zudem dürfte sie nicht das Ergebnis eines Aushandelns zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB). Weiterhin muss die Absicht des Verwenders, also hier des Dating-Portals, bestehen, die Klausel in einer Vielzahl von Fällen, also mindestens dreimal (vgl. MüKo/Basedow, BGB 7. Aufl. § 305 Rn. 18)zu benutzen. Das Dating-Portal verwendet diese vorgefertigte Klausel beim Vertragsschluss mit seinen Kunden im Internet, sie wird also in einer großen Zahl von Fällen verwendet und der Kunde hat keine Möglichkeit auf den Inhalt der Klausel Einfluss zu nehmen. Handelt es sich bei dem Kunden, wie im vorliegenden Fall um einen Verbraucher i.S.v. § 13 BGB, so gilt die Klausel bereits gem. § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB als „gestellt“. Mithin handelt es sich um eine allgemeine Geschäftsbedingung.
2. Einbeziehungskontrolle
Weiterhin müsste die Klausel aber auch wirksam i.S.v. § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen worden sein. Das Dating-Portal müsste also auf die AGB hingewiesen haben und dem Kunden in zumutbarer Weise die Möglichkeit zur Kenntnisnahme verschafft haben. Dies war im vorliegenden Fall nicht problematisch. Hier ließe sich allerdings ein weiteres Problem einbauen, denn bei Vertragsschluss im Internet ist es notwendig, dass ein Hinweis auf die AGB erfolgen muss, der praktisch nicht übersehen werden kann (BGH v. 14. 6. 2006 – I ZR 75/03). Das ist z.B. dann der Fall, wenn die Bestellung erst ausgeführt werden kann, wenn der Kunde zuvor eine Box angeklickt hat, in der auf die – herunterladbaren – AGB hingewiesen wurde (AG Düsseldorf v. 14.06.2012 – 51 C 9042/11).
Kein Vertragsbestandteil werden allerdings überraschende Klauseln i.S.v. § 305c I BGB. Eine Klausel kann sowohl formell, als auch materiell überraschend sein. Formelle Überraschung liegt vor, wenn die Klausel an der konkreten Stelle im Vertrag ungewöhnlich ist oder trotz Wichtigkeit nicht hervorgehoben wird. Eine materielle Überraschung besteht vor allem bei inhaltlicher Ungewöhnlichkeit in Bezug auf den konkreten Vertragstyp. Regelungen über die Kündigungsmöglichkeit sind aber bei Dauerschuldverhältnissen üblich. Die Festlegung einer bestimmten Form ist auch in Anbetracht von § 127 BGB nicht ungewöhnlich. Mithin ist von einer wirksamen Einbeziehung auszugehen.
3. Inhaltskontrolle
a) Spezielle Klauselverbote
Vorrangig zu prüfen bei der Inhaltskontrolle sind die speziellen Klauselverbote gem. §§ 308, 309 BGB. Hier kam insbesondere ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB in Betracht, wonach solche allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, „durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangserfordernisse gebunden werden“. Die Vorinstanz, das OLG Hamburg, hatte einen solchen Verstoß abgelehnt mit der Begründung, unter Berücksichtigung der Auslegungsregel des § 127 Abs. 2 BGB stelle der Ausschluss der elektronischen Kündigung, mit Ausnahme des Faxes, eine im Rahmen der Vertragsfreiheit zulässige Schriftformgestaltung dar. Die Klausel sei auch im Übrigen nicht unangemessen benachteiligend.
Der BGH lässt die Frage nach einem Verstoß gegen § 309 Nr. 13 BGB offen und kommt zu einem anderen Ergebnis: Zwar könne davon ausgegangen werden, dass eine Klausel, die den Anforderungen des § 309 Nr. 13 BGB entspricht, im Regelfall auch mit § 307 BGB vereinbar sei (vgl. MüKo/Wurmnest, BGB 7. Aufl. § 309 Nr. 13 Rn. 4). Dies gelte jedoch nicht ausnahmslos, sodass eine Prüfung nach § 307 Abs. 1 nicht ausgeschlossen ist.
Hinzuweisen ist an dieser Stelle noch darauf, dass gem. der Neufassung von § 309 Nr. 13 BGB ab Oktober 2016 Kündigungen oder andere Erklärungen von Verbrauchern in AGB an keine strengere Form als die Textform geknüpft werden dürfen. Davon wäre eben auch eine einfache E-Mail erfasst.
b) Unangemessene Benachteiligung, § 307 Abs. 1 S. 1 BGB
So kommt der BGH zu einer Prüfung des Vorliegens einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB.
Unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine Benachteiligung, wenn der Verwender durch einseitige Vertragsgestaltung missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten seines Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein auch dessen Belange hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen. Es bedarf dabei einer umfassenden Würdigung der wechselseitigen Interessen, wobei die Abweichung vom dispositiven Recht Nachteile von einigem Gewicht begründen muss und Gegenstand, Zweck und Eigenart des Vertrags mit zu berücksichtigen sind (BGH v. 19. 12. 2007 – XII ZR 61/05). Dazu führt der BGH aus:

„Die Beklagte bietet eine reine Online-Partnervermittlung an, bei der eine ausschließlich digitale Kommunikation geführt wird und die ohne sonstige Erklärungen in Schriftform, also auch ohne Unterschrift oder eingeschränkte elektronische Übermittlung zur Begründung des Vertragsverhältnisses, auskommt. Auch die Leistungen der Beklagten werden ausschließlich elektronisch abgerufen. Bei einer derart umfassenden und bis auf die Kündigung durch den Kunden ausnahmslos digitalen Ausgestaltung der Vertragsbeziehung ist es allein sachgerecht, für die Beendigungsmöglichkeit dieselben elektronischen Möglichkeiten und Formen zuzulassen wie für die Begründung des Vertrags und seine gesamte Durchführung. Deshalb widerspricht es den schutzwürdigen Interessen des Kunden, der mit der Beklagten ausschließlich eine digitale Kommunikation führt, gerade und nur für seine Kündigung die über die Textform hinausgehende Schriftform (mit eigenhändiger Unterschrift) zu verlangen. Denn der Kunde kann nach der besonderen Ausgestaltung des Vertrags generell davon ausgehen, alle Erklärungen, also auch eine Kündigung, digital, insbesondere auch per E-Mail, abgeben zu können.“

Der BGH war also der Ansicht, dass eine unangemessene Benachteiligung des Kunden vorliegt, wenn diesem bei einem vom Abschluss, über die weitere Kommunikation, bis hin zur Leistungserbringung durch das Dating-Portal ausschließlich digital abgewickelten Vertrag, für eine Kündigung lediglich von seiner Seite, die Wahrung der Schriftform auferlegt wird.
Die Beklagte hatte versucht, die geforderte Schriftform mit einer bestehenden Missbrauchsmöglichkeit und der Sicherheit bezüglich der Identität des Kunden zu rechtfertigen. Dem erteilte der BGH aber eine Absage im Hinblick auf die bereits von den Kunden erhaltenen Daten und die auch im Übrigen digitale Ausgestaltung des Vertrages. Insbesondere bestünde die Gefahr, Verbraucher ungewollt in langfristigen Vertragsbeziehungen mit negativen Kostenfolgen zu halten, weil ihnen die ordnungsgemäße und fristgerechte Kündigung erschwert wird.
III. Fazit
Inhaltlich stellt das Urteil keine Überraschung dar. Die Benachteiligung liegt in den ungleichen Kündigungsmöglichkeiten der Parteien, auch im Hinblick auf die sonstige Ausgestaltung des Vertrages. Aufgrund der Einbettung in die Online-Partnervermittlung lädt der Fall aber geradezu dazu ein ihn zum Anlass einer Prüfung der damit verbundenen Problemfelder in der Examensklausur oder in der mündlichen Prüfung zu nehmen. Es handelt sich bei weitem nicht um die einzige aktuelle Entscheidung in diesem Kontext. Das LG München I ( LG München I v. 12.05.2016 – 12 O 17874/15) hat eine ähnliche Klausel wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB) für unwirksam erklärt, weil das beklagte Portal die Einhaltung der gesetzlich geregelten elektronischen Form verlangte und gleichzeitig auf die Möglichkeit einer E-Mail hinwies. Die Richter in Berlin( LG Berlin v. 30.06.2016 – 52 O 340/15) urteilten zum einen, dass der Hinweis auf die verlinkten AGB nicht genügt, wenn sich die Mitgliedschaft ohne fristgemäße Kündigung automatisch um sechs Monate zu einem deutlich höheren Preis verlängert. Zum anderen wurde mit der Anmeldung ein Verzicht auf das Widerrufsrecht bei sofortiger Nutzung der Inhalte verbunden, ein solcher hätte aber laut LG Berlin ausdrücklich erfolgen müssen.
Autorin des Beitrags ist Sabine Vianden aus Bonn. Sabine hat nach Ihrem erfolgreichen Ersten Staatsexamen im Sommer 2016 den Schwerpunktbereich beendet und bereitet sich aktuell auf Ihre Promotion vor.

17.08.2016/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2016-08-17 09:30:132016-08-17 09:30:13BGH: Kündigung und AGB-Kontrolle bei Online-Dating-Portalen
Florian Wieg

Prüfungsgespräch: Allgemeine Geschäftsbedingungen

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Der folgende Beitrag ergänzt unsere Reihe von (fiktiven) Prüfungsgesprächen.
Sehr geehrte Kandidaten, willkommen zur Prüfung im Zivilrecht.
Gegenstand des heutigen Prüfungsgesprächs soll das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sein. Den zu bearbeitenden Sachverhalt haben Sie ausgedruckt vor sich liegen. Herr A, bitte lesen Sie den Sachverhalt vor:
Die B-GmbH betreibt ein überregional bekanntes Freizeitbad in Köln. Der Eintritt für das Bad ist beim Betreten zu zahlen. Für weitere Leistungen stellt die B-GmbH den Kunden ein Armband mit einem Chip zur Verfügung, der auch zum Öffnen und Verschließen des Garderobenschranks dient. Kunden, die eine Leistung (Getränke, Essen, Sonderleistungen) in Anspruch nehmen, müssen den Chip scannen lassen, was im zentralen Computer der Beklagten erfasst und auf einem entsprechend eingerichteten Kundenkonto verbucht wird. Bis zur Grenze von 150,- Euro für Erwachsene und 35,- Euro für Kinder können die Kunden Leistungen in Anspruch nehmen, die – unter Vorlage des Chips – erst beim Verlassen des Freizeitbades zu bezahlen sind. Die Kunden können diese Kreditlinie erhöhen oder ermäßigen lassen. Die Einzelheiten der vertraglichen Nutzung sind durch von der Beklagten verwendete allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne der §§ 305 ff. BGB bestimmt. § 3 der Nutzungsvereinbarung (NV) lautet:

„Bei Verlust […] des Armbandes mit Chip hat der Besucher den jeweils […] eingeräumten Kredit zu entrichten. Dem Besucher bleibt der Nachweis eines niedrigeren, [der B-GmbH] der Nachweis eines höheren Schadens vorbehalten.“

V, ein in der vom Bundesamt der Justiz gem. § 4 Abs. 1 UKlaG geführten Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragener Verbraucherschutzverein, wird nach entsprechendem Hinweis auf § 3 NV aufmerksam. Kann V von der B-GmbH verlangen, § 3 NV nicht zu verwenden?     

Frau B, bitte beginnen Sie mit der Prüfung des Begehrens von V.
V könnte gegen die B-GmbH einen Anspruch auf die Unterlassung der Verwendung von § 3 NV gem. § 1 UKlaG haben.
Sehr schön. Sie haben mit § 1 UKlaG unmittelbar die Anspruchsgrundlage gefunden, auf die der Verbraucherschutzverein sein Begehren unter Umständen stützen kann. Herr A, kennen Sie den Zweck von § 1 UKlaG?
Der Gesetzgeber hat in § 1 UKlaG die Möglichkeit einer Verbandsklage vorgesehen, um eine effektivere Bekämpfung unangemessener AGB im Rechtsverkehr zu gewährleisten.
Herr A, Sie sprechen von einer „effektiveren“ Bekämpfung unangemessener AGB im Rechtsverkehr durch eine Verbandsklage gem. § 1 UKlaG. Können Sie den Gedanken ausführen?
Die Unwirksamkeit einer AGB im Rahmen einer Verbandsklage geltend zu machen, hat im Wesentlichen den Vorteil, dass sich die Rechtskraft eines stattgebenden Urteils auf alle Vertragspartner des Verwenders erstreckt, vgl. § 11 UKlaG. Die Vertragspartner des Verwenders können sich in späteren Prozessen also jeweils auf die im Verbandsklageverfahren festgestellte Unwirksamkeit der Klausel berufen. Im Individualprozess beschränkt sich die Rechtskraft des Urteils hingegen auf die Prozessparteien. Der Vertragspartner des Verwenders kann die im Individualprozess festgestellte Unwirksamkeit der Klausel hiernach nur geltend machen, wenn er selbst Prozesspartei ist/war.
Frau B, Sie haben in ihrem Vorstellungsgespräch darauf hingewiesen, dass Sie den Beruf der Rechtsanwältin anstreben und im Rahmen der universitären Schwerpunktbereichsprüfung unter anderem die Vorlesung im Wettbewerbsrecht gehört haben. Stellen Sie sich vor, V ist Ihr Mandant und möchte gegen § 3 NV vorgehen. Raten Sie ihm sofort zu einer Verbandsklage nach § 1 UKlaG?
Nein. Ich würde zunächst zu einer vorprozessualen Abmahnung der B-GmbH hinsichtlich § 3 NV raten. Mit dieser könnte man die Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung verbinden, wie sie das Wettbewerbsrecht kennt. Dass dies möglich ist, ergibt sich aus § 5 UKlaG i.V.m. § 12 Abs. 1 UWG.
Sehr gut! Nun aber zurück zum Fall. Herr A, Sie beginnen bitte mit der Prüfung der Voraussetzungen von § 1 UKlaG!
Gem. § 1 UKlaG kann derjenige, der AGB verwendet, die nach den §§ 307 bis 309 BGB unwirksam sind, u.a. von Einrichtungen i.S.v. § 4 Abs. 1 UKlaG – also auch von V – auf Unterlassen der Verwendung der unwirksamen AGB in Anspruch genommen werden. Zu prüfen ist hiernach die Vereinbarkeit von § 3 NV mit den §§ 307 bis 309 BGB. Dass § 3 NV eine AGB i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB ist, gibt der Sachverhalt vor. Hinsichtlich der Einbeziehung von § 3 NV in die zwischen der B-GmbH und den Besuchern des Freizeitbades geschlossenen Verträge bestehen keine Bedenken…
…Frau B, in welche Falle ist Herr A gerade getappt?
Im Rahmen von § 1 UKlaG ist eine Einbeziehungskontrolle nach §§ 305 Abs. 2,3, 305a, 305c Abs. 1 BGB nicht vorzunehmen, weil die unwirksame Einbeziehung von AGB nach § 1 UKlaG (s. Wortlaut: „§§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs“) nicht geltend gemacht werden kann. [Anmerkung: Der BGH ist von diesem Grundsatz in BGH, Urt. v. 12.12.2007 – IV ZR 130/06, NJW 2008, 1160 aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls ausnahmsweise abgerückt.]
Korrekt. Herr A, welche Erwägung spricht – neben dem klaren Wortlaut von § 1 UKlaG – noch dafür, dass eine Einbeziehungskontrolle nach §§ 305 Abs. 2, 3, 305a, 305c Abs. 1 BGB im Rahmen der Prüfung von § 1 UKlaG regelmäßig nicht vorzunehmen ist?
Fragen der Einbeziehung von AGB lassen sich in der Regel nur anhand der Umstände des Einzelfalls klären. Diese werden im Verbandsklageverfahren aufgrund der dort vorzunehmenden abstrakten Klauselkontrolle aber gerade ausgeklammert.
Schön. Herr A, Sie betonen vollkommen zutreffend den nach § 1 UKlaG anzulegenden abstrakten Prüfungsmaßstab. Nun, halten Sie § 3 NV für mit §§ 307 – 309 BGB vereinbar?
3 NV könnte gegen ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit, nämlich § 309 Nr. 5 a) BGB verstoßen. Hiernach ist die Vereinbarung eines pauschalierten Anspruchs des Verwenders auf Schadensersatz oder Ersatz einer Wertminderung in AGB „unwirksam“, wenn die Pauschale den in den geregelten Fällen nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden oder die gewöhnlich eintretende Wertminderung übersteigt.
Gut. Herr A hat den richtigen Anknüpfungspunkt gefunden. Frau B, Sie prüfen bitte weiter!
Fraglich ist zunächst, ob die in § 3 S. 1 NV geregelte Zahlungspflicht als Schadensersatzpflicht i.S.v. § 309 Nr. 5 a) BGB einzuordnen ist. Dies ist durch Auslegung zu ermitteln, wobei im Zweifel das kundenfeindlichste Verständnis zugrunde zu legen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2007 – IV ZR 130/06, NJW 2008, 1160, 1163). Gem. § 3 S. 1 NV hat der Besucher des Freizeitbades bei Verlust des Armbandes mit Chip den jeweils […] eingeräumten Kredit zu „entrichten“. Ausgehend von diesem Wortlaut ergeben sich meines Erachtens drei Deutungsmöglichkeiten: § 3 S. 1 NV könnte erstens eine pauschalierte Schadensersatzpflicht, zweitens eine pauschalierte Entgeltforderung und drittens einen Anspruch auf Rückzahlung eines Kredits statuieren.
Schön. Herr A, was spricht dagegen, dass § 3 S. 1 NV einen Anspruch auf Kreditrückzahlung statuiert?
Durch die Aushändigung des Armbands dürfte die B-GmbH dem Kunden noch keinen Kredit einräumen. Vielmehr bietet sie nur die Möglichkeit einer Kreditierung an. Ob der Kunde von dem Angebot Gebrauch macht, hängt davon ab, ob er mit Hilfe des betreffenden Chips auch Leistungen (oder Waren) von der B-GmbH bezieht. Eine Kreditierung findet somit erst bei Inanspruchnahme von Leistungen statt und besteht darin, dass die B-GmbH den Besuchern des Freizeitbades das für die erbrachten Leistungen geschuldete Entgelt bis zum Verlassen des Bades stundet. Mit anderen Worten: Weil nicht jedem Besucher des Freizeitbades ein Kredit von der B-GmbH eingeräumt wird, sich § 3 S. 1 NV aber auf jeden Besucher bezieht, der den Chip verliert – unabhängig davon, ob er Leistungen der B-GmbH in Anspruch genommen hat oder nicht – ist § 3 S. 1 NV nicht dahingehend auszulegen, dass er einen Anspruch auf Kreditrückzahlung statuiert.
Das ist eine belastbare Begründung! Frau B, bitte schlagen Sie § 675i BGB auf! Nach dieser Vorschrift kann im Falle der Verwendung eines sog. Kleinbetragsinstruments dem Zahlungsdienstnutzer (= Kunde) das Verlustrisiko bis zu dem vom Zahlungsdienstleister eingeräumten Betrag (= bis zu 200 Euro) auferlegt werden. Meinen Sie, dass § 3 S. 1 NV angesichts der Regelung von § 675i BGB als pauschalierte Entgeltforderung einzuordnen ist?
Nein. Meines Erachtens handelt es sich bei dem von der B-GmbH zur Verfügung gestellten Chip nämlich nicht um ein Kleinbetragsinstrument i.S.v. § 675i Abs. 1 BGB. Es fehlt jedenfalls an der erforderlichen Bargeldersatzfunktion (vgl. a. Staudinger/Omlor, § 675i BGB Rn. 1, 8). Durch den Chip wird vielmehr dem Kunden lediglich ermöglicht, auf bequeme Weise die Leistungen der B-GmbH in Anspruch zu nehmen. Der Chip dient sodann als Hilfsmittel zur Feststellung des angefallenen Entgelts. Nicht schon bei Übergabe des mit dem Chip versehenen Armbands, sondern erst mit der Inanspruchnahme von Leistungen (oder Bezug von Waren) erlangt der Kunde eine (entgeltliche) Leistung der Beklagten. Deshalb ist in § 3 S. 1 NV keine pauschalierte Entgeltforderung angelegt.
Gut. Bleibt also noch die pauschalierte Schadensersatzforderung. Frau B, wie grenzt man eigentlich die pauschalierte Schadensersatzforderung von einer Vertragsstrafe (vgl. § 309 Nr. 6 BGB) ab?
Zunächst sollte festgehalten werden, dass – wie die Unterscheidung von § 309 Nr. 5 BGB und § 309 Nr. 6 BGB zeigt – Schadensersatzpauschalen und Vertragsstrafen unterschiedliche Rechtsinstitute sind. Nach Auffassung des BGH ist im Übrigen danach zu differenzieren, ob der Verwender mit der entsprechenden Klausel in erster Linie den Kunden unter Erfüllungszwang setzen (dann Vertragsstrafe) oder die Schadensregulierung erleichtern (dann Schadensersatzpauschale) will (vgl. BGHZ 49, 84, 87 ff.; ausführlich MüKoBGB/Wurmnest, § 309 Nr. 5 BGB Rn. 5,6)…
…schön, das genügt mir. Herr A, wenn Sie sich § 3 NV in seiner Gesamtheit ansehen: Was spricht entscheidend dafür, dass § 3 S. 1 NV eine Schadensersatzpflicht regelt?
Dass es sich bei dem Anspruch nach § 3 S.1 NV um einen Schadensersatzanspruch handelt, wird dadurch deutlich, dass die Klausel in Satz 2 ausdrücklich den Nachweis eines abweichenden Schadens vorsieht. Dies legt den Schluss nahe, dass sich der Schadensersatzanspruch aus einer Verletzung der vertraglichen Nebenpflicht zur Rückgabe des Armbands mit Chip ergibt, mithin auf § 280 Abs. 1 S.1 BGB beruht.
Sehr richtig! Frau B, wir nehmen also an, dass § 3 S. 1 NV eine Schadensersatzpflicht statuiert. Bejahen Sie auch einen Verstoß gegen § 309 Nr. 5 a) BGB?
Ein Verstoß gegen § 309 Nr. 5 a) BGB liegt vor, wenn der von der Klausel vorgesehene Schadensersatz den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigt. Ein der  B-GmbH aus dem Verlust des Chips entstehender Schaden folgt daraus, dass sie die Entgeltforderungen für die von ihr erbrachten Leistungen nicht ermitteln und geltend machen kann. Ohne den Chip ist die B-GmbH nicht ohne weiteres in der Lage, die unter Verwendung des Chips in Anspruch genommenen Leistungen festzustellen. Dabei kann es sich um Leistungen an den Kunden oder einen Dritten handeln, der von dem Chip – befugt oder unbefugt – Gebrauch gemacht hat. Der von der B-GmbH geltend gemachte Betrag in Höhe der jeweiligen Kreditlinie entspricht indes jeweils dem maximal denkbaren Schaden und würde daher voraussetzen, dass im Fall des Verlusts regelmäßig Leistungen im Umfang des gesamten mit dem Chip eingeräumten Höchstbetrags in Anspruch genommen wurden. Das erscheint wenig realitätsnah. Zu sehen ist auch, dass die B-GmbH die Beweislast dafür trägt, dass die gewählte Schadensersatzpauschale dem regelmäßig zu erwartenden Schadensumfang entspricht (vgl. BGHZ 67, 312, 319). Die B-GmbH hat hierzu nach dem Sachverhalt nichts vorgetragen.  Meines Erachtens verstößt die von V angegriffene Klausel gegen § 309 Nr. 5 a) BGB.
Gut. Frau B, damit liegen  Sie insgesamt voll auf der Linie des BGH. Herr A, nun haben Frau B und Sie sich einen Großteil der Prüfung mit § 309 Nr. 5 a) BGB befasst. Kommen Sie unabhängig von § 309 Nr. 5 a) BGB möglicherweise auch auf anderem Wege zur Unwirksamkeit von § 3 NV?  
Die Klausel könnte (auch) gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam sein. Ausgehend von der Überlegung, dass § 3 S. 1 NV eine Schadensersatzpflicht i.S.v. § 280 Abs. 1 S. 1 BGB begründet, ist zu sehen, dass § 3 NV die Schadensersatzpflicht entgegen § 280 Abs. 1 S. 2 BGB nicht von einem Verschulden des Vertragspartners abhängig macht. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist es jedoch ein wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB, dass eine Verpflichtung zum Schadensersatz regelmäßig nur bei schuldhaftem Verhalten besteht. Dieser allgemeine Grundsatz des Haftungsrechts gilt als Ausdruck des Gerechtigkeitsgebots gleichermaßen für vertragliche wie für gesetzliche Ansprüche; mithin auch für den hier berührten Anspruch aus Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. § 3 NV verstößt mithin gegen § 307 Abs. 1 Nr. 2 BGB.
Schön. Wir halten also fest: Die streitgegenständliche Klausel verstößt gegen § 309 Nr. 5 a) BGB und § 307 Abs. 1 Nr. 2 BGB. V kann von der B-GmbH – die nach § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr unterstellt – deshalb Unterlassung der Verwendung von § 3 NV gem. § 1 UKlaG verlangen. Das soll es für heute gewesen sein. Herzlichen Dank für Ihre Teilnahme!
Der Fall ist angelehnt an BGH, Urt. v. 18.2.2015 – XII ZR 199/13 – juris.

14.07.2015/0 Kommentare/von Florian Wieg
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Florian Wieg https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Florian Wieg2015-07-14 09:00:132015-07-14 09:00:13Prüfungsgespräch: Allgemeine Geschäftsbedingungen
Maria Dimartino

Betriebliche Übung – Anspruch auf Weihnachtsgeld?

AGB-Recht, Arbeitsrecht, Examensvorbereitung, Fallbearbeitung und Methodik, Lerntipps, Mündliche Prüfung, Rechtsgebiete, Referendariat, Schon gelesen?, Schwerpunktbereich, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht, Zivilrecht

Beispielsfall:
Arbeitgeber A gewährt Arbeitnehmer B seit 2004 ein Weihnachtsgeld/eine Gratifikation in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes. Im Vertrag des B steht folgende Klausel:
„§ 10
… die Zahlung eines Weihnachtsgeldes ist freiwillig und jederzeit widerruflich.“
A geht es dieses Jahr wirtschaftlich schlechter, daher sendet er an die Belegschaft einen Brief mit folgendem Inhalt: „Aufgrund der wirtschaftlich schlechten Lage wird dieses Jahr kein Weihnachtsgeld gezahlt.“
Hat B Anspruch auf Auszahlung eines Weihnachtsgeldes?
 
A. Betriebliche Übung – Anspruch auf Weihnachtsgeld?
I. Was ist eine betriebliche Übung?
Unter einer betrieblichen Übung wird ein Tatbestand verstanden, aufgrund dessen ein Arbeitgeber auch für die Zukunft zu Leistungen verpflichtet wird, die er wiederholt ohne vertragliche Verpflichtung erbracht hat, ohne sich den freiwilligen Charakter der Leistung oder ihre Widerruflichkeit vorzubehalten.
Beispiele:

  • Weihnachtsgeld
  • Urlaubsgeld
  • Jubiläumsgratifikation
  • Pausenregelungen
  • Kostenfreies Parken
  • Anwendung bestimmter Tarifverträge zugunsten des Arbeitnehmers
  • Essensgeld
  • Zusage von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, § 1b Abs. 1 S. 4 BetrAVG
  • Freizeit (Silvester, Heilig Abend, Aschermittwoch, Wäldchestag, Geburtstag etc.)

 II. Wie entsteht eine betriebliche Übung?
1. Gewohnheitsrecht
Teilweise wird vertreten, dass die betriebliche Übung Gewohnheitsrecht wäre (Gamillscheg, FS Hilger und Stumpf, 1983, S. 227, 243 ff.). Dagegen spricht jedoch bereits das Fehlen einer allgemeinen Verkehrssitte. Eine auf einen Betrieb beschränkte „Verkehrssitte“ kann nicht mit einer allgemeinen Verkehrssitte gleichgestellt werden (vgl. Richardi/Münchner Handbuch zum Arbeitsrecht, § 8 Rn. 2).
2. Vertrauenstheorie
In der Lehre wird die Vertrauenstheorie vertreten, hier entsteht durch die wiederkehrende Gewährung von gleichförmigen Leistungen dem Arbeitnehmer nach Treu Glauben ein Vertrauenstatbestand, welcher Grund für die Fortsetzung der bisherigen Übung ist (vgl. Canaris, Die Vertrauenshaftung im dt. Privatrecht, 1971, S. 387 ff.).
3. Vertragstheorie
Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG v. 16.6.2007 – 5 AZR 849/06) wird ein Anspruch aus betrieblicher Übung nach den Grundsätzen der Vertragstheorie und somit nach den Regeln der allgemeinen Vertragslehre begründet: d.h. durch Angebot und Annahme.
 

  • Das Angebot erfolgt ausdrücklich oder konkludent durch regelmäßige Wiederholung einer bestimmten gleichförmigen Verhaltensweise des Arbeitgebers (unabhängig von einem Verpflichtungswillen). Denn Trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins (Rechtsbindungswille, Geschäftswille) des Arbeitgebers liegt eine Willenserklärung vor, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte.
  • Schlussfolgerung des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber sich binden wollte unter der Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie der Verkehrssitte (§ 242 BGB).

Anmerkung: Ausnahmen gelten für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der haushaltsrechtlichen Vorgaben (vgl. BAG 1.11.2005 – 1 AZR 355/04).

  • Für jährliche Sonderzuwendungen gilt, dass ein Anspruch erworben wird, wenn die Leistungen in drei aufeinander folgenden Jahren vorbehaltslos und in gleich bleibender Höhe gewährt werden (vgl. BAG 24.3.2010 – 10 AZR 43/09).
  • Stillschweigende Annahme gemäß § 151 BGB durch den Arbeitnehmer.

 
Sowohl nach der Vertrauenstheorie als auch nach der Vertragstheorie ist hier eine betriebliche Übung entstanden. Für die Vertragstheorie sprechen vor allem die Aspekte, wie man sich wieder von einer entstandenen betrieblichen Übung löst.
In diesem Fall hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zehn Jahre lang Weihnachtsgeld gleichförmig in Höhe eines Bruttomonatsgehaltes gewährt. Eine betriebliche Übung war zunächst entstanden.
 
III. Vermeidung der Entstehung einer betrieblichen Übung
Der Arbeitgeber könnte das Entstehen einer betrieblichen Übung durch die Vertragsklausel „freiwillig und widerruflich“ verhindert bzw. für die Zukunft ausgeschlossen haben.
Das Entstehen einer betrieblichen Übung kann vermieden werden, wenn der Erklärende (Arbeitgeber) klar und unmissverständlich zu erkennen gibt, dass die Leistung freiwillig erfolgt und kein Rechtsanspruch entsteht.
Oder der Arbeitgeber darf eine Leistung gar nicht erst gleichförmig gewähren; beispielsweise jedes Jahr ein Weihnachtsgeld in anderer Höhe auf unterschiedlicher Berechnungsgrundlage gewähren (dies ist aber nicht wirklich dauerhaft praktikabel).
 
Freiwilligkeitsvorbehalt oder Widerrufsvorbehalt
In der Regel werden solche Vorbehalte im Vertrag geregelt. Ein Arbeitsvertrag ist regelmäßig ein Formulararbeitsvertrag, der für eine Vielzahl von Verträgen vorformuliert ist, mithin allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB.

„Ein Freiwilligkeitsvorbehalt darf nicht mehrdeutig sein. Er darf insbesondere nicht in Widerspruch zu anderen Vereinbarungen der Arbeitsvertragsparteien stehen.“ (BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR 671/09)

Wichtig ist jedoch aus Gründen der Transparenz, dass entweder ein Freiwilligkeitsvorbehalt oder ein Widerrufsvorbehalt vereinbart wird, ansonsten wird eine solche Klausel mangels Transparenz (§ 307 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB) unwirksam sein und das Entstehen einer betrieblichen Übung nicht verhindern können. Ebenso darf ein Freiwilligkeitsvorbehalt nicht pauschal für alle Leistungen erklärt werden (vgl. BAG 14.9.2011 – 10AZR 526/10).
Möglich ist auch ein Widerrufsvorbehalt. Hier ist jedoch darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligt wird (max. 20 bis 25 % der Gesamtvergütung), ansonsten ist diese Klausel gem. § 307 Abs. 2 BGB unwirksam.
Ein solcher Vorbehalt kann durch Aushang, Rundschreiben, Erklärung gegenüber jedem einzelnen Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag erfolgen, als Vermerk auf der Lohnauszahlung etc. (vgl. BAG 15.5.2012 – 3 AZR 610/11).

„Bei einer Verknüpfung von Freiwilligkeitsvorbehalt und Widerrufsvorbehalt in einem Arbeitsvertrag wird für den Arbeitnehmer nicht hinreichend deutlich, dass trotz mehrfacher, ohne weitere Vorbehalte erfolgender Sonderzahlungen, ein Rechtsbindungswille des Arbeitgebers für die Zukunft ausgeschlossen bleiben soll.“ (BAG v. 8.12.2010 – 10 AZR/09)

In diesem Fall hält die Klausel dem Transparenzgebot nicht stand, sie ist durch die Verwendung „freiwillig und jederzeit widerruflich“ widersprüchlich, denn entweder gewährt man etwas freiwillig, dann entsteht erst gar kein Anspruch oder man gewährt einen Anspruch und widerruft diesen für die Zukunft. 
Eine geltungserhaltende Reduktion ist nicht erlaubt. Der sog. Blue-Pencil-Test, wonach Teile einer Klausel (soweit diese teilbar ist) gestrichen werden können (vgl. Senat 6. Mai 2009 – 10 AZR 443/08 – Rn. 11, AP BGB § 307 Nr. 43 = EzA BGB 2002 § 307 Nr. 44) hilft hier auch nicht weiter, da es in diesem Fall willkürlich wäre, ob man nun das Wort „freiwillig“ oder „widerruflich“ streichen würde.
Exkurs:
Ob doppelte Schriftformklauseln das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindern können, ist umstritten.
Beispiel:
„Änderungen, Ergänzungen und die Aufhebung dieses Vertrages bedürfen zu Ihrer Wirksamkeit der Schriftform. Dies gilt auch für die Änderung dieser Schriftformklausel selbst. Ausgeschlossen sind damit insbesondere Vertragsänderungen durch betriebliche Übung. Das vorstehende Schriftformerfordernis findet keine Anwendung bei Abreden, die nach Vertragsschluss unmittelbar zwischen den Parteien mündlich getroffen werden.“ 
Wenn man dann zum Ergebnis gelangt, dass nur konstitutive doppelte Schriftformklauseln (Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung der Erklärung) betriebliche Übung verhindern können, so wird man hier letztlich Schwierigkeiten haben zu beweisen, dass der Arbeitsvertrag und somit auch diese Klausel nicht rein deklaratorischer Art sind und der Arbeitgeber nicht nur seiner Verpflichtung aus § 2 Nachweisgesetz (NachwG) nachkommen wollte bzw. der Vertrag nur zu Beweiszwecken schriftlich festgehalten wurde. Ob dies der Fall ist, wird im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln sein (§ 157 BGB).
 
IV. Kann man eine betriebliche Übung aufheben?
Kann sich der Arbeitgeber einseitig von der entstandenen betrieblichen Übung lösen?
Nachdem eine betriebliche Übung entstanden ist und Vertragsinhalt geworden ist (individualrechtlicher Anspruch) kann diese nicht mehr einfach einseitig beseitigt werden. Ein aus betrieblicher Übung entstandener Anspruch geht nicht dadurch unter, dass der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer die Übung einstellt (vgl. Artikel hier im Blog: keine sog. Gegenbetriebliche Übung BAG v. 18.3.2009 – 10 AZR 281/08)
Möglichkeiten sich von einer entstandenen betrieblichen Übung zu lösen:

  • Änderungskündigung
  • Kündigung (keine Teilkündigung einzelner Vertragsbedingungen!)
  • Aufhebungsvertrag

 B. Fazit
Ist eine betriebliche Übung erst einmal entstanden, kann diese nicht mehr einseitig beseitigt werden, es sei denn der Arbeitgeber kündigt den kompletten Arbeitsvertrag. Will der Arbeitgeber das Entstehen einer solchen betrieblichen Übung vermeiden, muss er sich klar ausdrücken, z.B. durch konkreten, auf die Leistung bezogenen Freiwilligkeitsvorbehalt im Arbeitsvertrag.

30.11.2014/0 Kommentare/von Maria Dimartino
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maria Dimartino https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maria Dimartino2014-11-30 15:44:382014-11-30 15:44:38Betriebliche Übung – Anspruch auf Weihnachtsgeld?
Tom Stiebert

BGH: (Unzulässiger) Abbruch einer Internetauktion führt zu Schadensersatz

AGB-Recht, BGB AT, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht, Zivilrecht

Der Bundesgerichtshof hatte sich in einem Urteil vom 12.11.2014 (Az. VIII ZR 42/14) mit den Folgen eines Abbruchs einer „Auktion“ auf dem Portal e-bay zu befassen. Zu klären war insbesondere, ob der zum Zeitpunkt des Abbruchs Höchstbietende einen vertraglichen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache (Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung) bzw. bei einer entsprechenden Weigerung des Verkäufers auf Schadensersatz hat. Obgleich naturgemäß die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs noch nicht vorliegen, zeigt die Pressemitteilung sehr deutlich, auf welchen Pfaden sich das Gericht bewegt hat.
Letztlich geht es – auch für die Klausur äußerst relevant – um die bekannte Frage, ob und natürlich auch wie im konkreten Fall ein Kaufvertrag zustandegekommen sein kann.
I. Sachverhalt
Dem Urteil lag (verkürzt) folgenden Sachverhalt zu Grunde:
V bietet seinen Gebrauchtwagen bei eBay zum Kauf an und setzte ein Mindestgebot von 1 € fest. K bietet hierauf 1 € für den Pkw und setzt eine Preisobergrenze von 500 €. Wenig später bricht V die eBay-Auktion ab (ein Recht hierzu bestand nach den ebay-AGB nicht) und teilt dem K, der weiterhin mit seinem Anfangsgebot von 1 Euro Höchstbietender war, mit, er habe außerhalb der Auktion einen Käufer gefunden, der bereit sei, 5.000 € zu zahlen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung des nach seiner Ansicht wirksam zu einem Kaufpreis von 1 € geschlossenen Kaufvertrags und macht geltend, der Pkw habe einen Wert von 5.250 €.
Zu Recht?
II. Lösung
Entscheidend ist hier natürlich, ob durch die Abgabe des Gebots von 1 Euro bereits ein Kaufvertrag zwischen V und K zustandegekommen ist und ob dieser ggf. durch die Beendigung der Auktion nachträglich wieder beseitigt wurde.
Vorab sollte an dieser Stelle klargestellt werden, dass auch im Rahmen einer Versteigerung bei ebay ein Kaufvertrag durch die allgemeinen Grundsätze von Angebot und Annahme (§§ 145 ff BGB) und nicht etwa nach dem § 156 BGB  durch Zuschlag zustandekommt. Es handelt sich nicht um eine Versteigerung in diesem Sinne.
1. Vertragsschluss bei ebay
An dieser Stelle ist dann zumindest eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten, wie im konkreten Fall ein Vertrag zustandegekommen ist. Hier scheint es mittlerweile die klare Linie der Rechtssprechung zu sein, dass das Einstellen des Angebots auf die Plattform nicht allein eine invitatio ad offerendum sondern bereits ein Angebot (oder aber eine antizipierte Annahmeerklärung) darstellt und zwar auflösend bedingt bezogen auf jedes konkrete Angebot potentieller Käufer. Mit jedem Gebot kommt somit – sofern es aktuell das Höchstbietende ist – ein Kaufvertrag zustande, der aber auflösend bedingt ist (§ 158 Abs. 2 BGB) bzgl. eines höheren Gebotes.
Die Vorinstanz hat dies – im Examen sollte man dies auf jeden Fall vermeiden – nur kurz festgestellt.
Letztlich sind hier die genauen dogmatischen Begründungen weiterhin unklar; es steht lediglich fest, dass mit jedem Höchstbietenden zunächst ein Vertrag besteht.
Zur Vertiefung seien folgende Urteile empfohlen:

  • BGH v. 8.6.2011 – VIII ZR 305/10
  • OLG Hamm v. 10.01.2012 – I-4 U 145/11, siehe hierzu unsere Artikel: Artikel 1 und Artikel 2
  • OLG Hamm v. 4.11.2013, 2 U 94/13, siehe hierzu unseren Artikel

Man darf gespannt sein, wie sich der BGH nun zu dieser spannenden Frage äußert.
2. Exkurs: Auswirkungen auf Widerrufsrecht
Allerdings hat diese Frage durch die Änderung des Verbraucherschutzrechts der §§ 355 ff BGB an Relevanz verloren. Nach dem bis Juli geltenden Recht musste nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. die Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss erfolgen, da sich sonst die Widerrufsfrist von zwei Wochen auf einem Monat verlängerte (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.). Diese Regelung ist nicht mehr enthalten; die Frist beträgt jetzt stets zwei Wochen. Fristbeginn ist nunmehr nach § 355 Abs. 2 BGB der Zeitpunkt des Vertragsschlusses; dies wird aber von § 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB insofern modifiziert, dass der Erhalt der Ware entscheidend ist, sodass es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ankommt. Selbstverständlich beginnt auch hier die Frist erst mit Zusendung einer entsprechenden Belehrung (nunmehr § 356 Abs. 3 BGB).
3. (Nachträgliche) Unwirksamkeit des Vertrags
Fraglich ist aber, ob der Kaufvertrag nicht (nachträglich) unwirksam geworden ist. Anknüpfungspunkt könnte hier zum einen die Beendigung der Auktion und zum anderen das Missverhältnis zwischen Kaufpreis (1 Euro) und Wert (5.000 Euro) sein.
Mit der Frage, ob der Kaufvertrag durch die Beendigung der Auktion beseitigt wurde, hat sich das Gericht wohl zurecht nicht befasst, da hier offensichtlich – auch nach den ebay-AGB – ein entsprechendes Recht nicht bestanden hat. Auch ein Anfechtungsrecht steht dem Verkäufer hier nicht zu; ein entsprechender zur Anfechtung berechtigender Irrtum ist nicht ersichtlich. Der Verkäufer hat die Auktion hier somit zu Unrecht beendet, sodass hieraus keine Änderungen für den Kaufvertrag erwachsen können.
Anders würde sich die Situation ggf. dann darstellen, wenn dem Verkäufer ein Anfechtungsrecht nach dem BGB zustehen würde. Letztlich bilden die ebay-AGB diese Anfechtungsgründe nach, sodass hierauf nicht zurückgegriffen werden muss. Anders hat dies noch das OLG Hamm gelöst (siehe hierzu unsere Besprechung). Dieser Fall darf nicht mit dem hiesigen verwechselt werden.
Es bleibt damit allein eine mögliche Unwirksamkeit nach dem § 138 Abs. 1 BGB. Ein wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB liegt bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dann vor, wenn eine verwerfliche Gesinnung hinzutritt. Eine solche wird dann vermutet, wenn ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Dies liegt dann vor, wenn der Wert der Leistung den der Gegenleistung um mindestens 100% übersteigt. Letzteres ist hier erfüllt. Im Rahmen von Online-Auktionen ist aber Abweichendes geboten, wie der BGH bereits mit Urteil vom 28.03.2012 (VIII ZR 244/10) festgestellt hat:

Der Schluss von dem besonders groben Äquivalenzmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten leitet sich aus dem Erfahrungssatz her, dass außergewöhnliche Leistungen in der Regel nicht ohne Not oder einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (BGH, Urteile vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 302 f.; vom 5. Oktober 2001 – V ZR 237/00, NJW 2002, 429 unter II 2 d bb (3); jew. mwN). Von einem solchen Beweisanzeichen kann indes bei einer Onlineauktion nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen, die zu den Zugeständnissen der objektiv benachteiligten Seite führten, nur die Vertragspartner gegenüberstanden.

Dies wird im aktuellen Urteil laut der Pressemitteilung nochmals wiederholt:

Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es macht gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, einen für ihn vorteilhaften Preis im Wege des Überbietens zu erzielen. Besondere Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.

Der Vertrag bleibt also wirksam, sodass der Kläger einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des PKW Zug-um-Zug gegen Zahlung von 1 Euro hat. Da sich der Verkäufer ernsthaft und endgültig weigert diesen Anspruch zu erfüllen, steht dem Käufer ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.999 Euro zu.
III. Examensrelevanz
Käufe im Internet insbesondere über Auktionshäuser bleiben – dies bedarf keiner näheren Darlegung – äußerst examensrelevant. Letztlich wiederholt das Urteil nur altbekanntes und ist damit wenig überraschend (auch wenn das Medienecho anderes vermuten lässt). Dennoch sollte das Urteil zwingend genutzt werden, um die hier aufgezeigten Fragen zu wiederholen. Hierzu empfiehlt sich die Lektüre der hier aufgezeigten Urteile und der entsprechenden Besprechungen auf unserer Seite.

13.11.2014/6 Kommentare/von Tom Stiebert
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Tom Stiebert https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Tom Stiebert2014-11-13 09:30:022014-11-13 09:30:02BGH: (Unzulässiger) Abbruch einer Internetauktion führt zu Schadensersatz
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Unwirksamkeit von formularmäßigen Weiterverkaufsverboten bei Software-Downloads nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

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Wir freuen uns auch im November wieder einen Beitrag aus der Feder eines Mitglieds unseres Kooperationspartners Phi Delta Phi – Michael Hoffmann-Becking Inn Frankfurt am Main veröffentlichen zu können. Diesmal stammt der Beitrag von Dominik König. Er ist Doktorand  bei Prof. Dr. Alexander Peukert am Exzellenzcluster „Normative Orders“ in Frankfurt/Main und gleichzeitig Promotionsstipendiat im dortigen IGP-Graduiertenprogramm.
Ein zwar auf den ersten Blick den Nebengebieten des Zivilrechts entstammendes Problem, welches sich aber durchaus in eine schuldrechtliche Klausur der Pflichtfachprüfung integrieren lässt, ist die Frage nach der Zulässigkeit von AGB-Klauseln, welche den Weiterverkauf von im Wege des Download-Vertriebs erworbener Software verbieten.
In diesem Beitrag soll am Beispiel des Online-Vertriebs von „Gebraucht-Software“ im Lichte der UsedSoft-Rechtsprechung (EUGH Rs C-128/11 – Used Soft) aufgezeigt werden, inwiefern eine subtile Unterscheidung hinsichtlich der Vertriebsmodalitäten dazu führen kann, dass ein wirtschaftlich identischer Vorgang in schuldrechtlicher Hinsicht komplett verschieden interpretiert werden kann und damit wesentliche Weichenstellungen in AGB-rechtlichen Prüfungen erfolgen können. Eine erfolgreiche Bewältigung dieses für Studierende überwiegend eher unbekannten Themas kann auch ohne vertiefte urheberrechtliche Kenntnisse durch saubere Subsumtion sowie sachverhaltsnahes Arbeiten gelingen.
I. Sachverhalt
Sucht man in einem beliebigen Online-Marktplatz nach bekannter und verbreiteter Software, so findet man dort zahllose Angebote zum Erwerb von gebrauchten Computerprogrammen auf CD oder DVD.
Erwarb man das identische Programm jedoch im Online-Shop des Herstellers zum komfortablen Download, so fanden sich noch bis in die erste Hälfte des Jahres 2014 hinein vielfach in formularmäßig abgefassten Lizenzbedingungen (sog. End User License Agreements, EULAs) Klauseln, welche es dem Downloader untersagten, das heruntergeladene Programm seinerseits weiter zu veräußern, selbst wenn er damit die eigene Nutzung aufgäbe.
II. Kurze Einführung in das Software-Urheberrecht
Dass dieser auf den ersten Blick widersprüchlichen Konstellation – problemlose Möglichkeit des Weiterverkaufs bei einem Erwerb auf Datenträgern vs. dessen kategorischer Ausschluss beim Download – gerade bei Software besondere Relevanz zukommt, ist der Besonderheit von Computerprogrammen als urheberrechtlich geschütztem Werk geschuldet. Um die schuldrechtlichen Probleme dieser Thematik durchdringen zu können, sollen im Folgenden kurz die urheberrechtlichen Koordinaten dieser Thematik abgesteckt werden
1. Trennung zwischen Datenträger und Werk, gesetzliche Lizenz
Bei Erwerb eines Computerprogramms ist es zu dessen rechtmäßiger Nutzung nicht ausreichend, das Eigentum an dem Datenträger (res commodum) bzw. den Zugriff auf eine Programmkopie zu erlangen. Neben dem res commodum wird vielmehr auch die Erlaubnis des Urheberrechtsinhabers benötigt, das Werk nutzen zu dürfen. Zu diesem Zweck wird zusätzlich gem. §§ 398, 413 BGB ein sogenanntes Nutzungsrecht (§ 31 Abs. 1 UrhG) eingeräumt. Die Notwendigkeit dieser doppelten Rechtseinräumung (Eigentum am Datenträger + Nutzung des Inhalts des Datenträgers) könnte grds. dazu führen, dass nur ein Teil der Rechte übertragen wird und ein Erwerber beispielsweise Eigentum an einer DVD erwirbt, das Programm jedoch urheberrechtlich nicht nutzen darf. Um dies zu verhindern, wird in § 69d Abs. 1 UrhG angeordnet, dass der berechtigte Inhaber einer Programmkopie qua Gesetz berechtigt ist, diese auch zu nutzen – mithin das enthaltene Programm zu installieren und ablaufen zu lassen.
2. Erschöpfung des Verbreitungsrechts
Ein weiteres auch für die vorliegende Thematik wesentliches Grundprinzip des Urheberrechts ist die sogenannte Erschöpfungslehre, angelegt in § 17 Abs. 2 bzw. § 69d Abs. 1 UrhG: Veräußert ein Urheber ein Exemplar seines Werkes, so verliert er das Recht, die weitere Verbreitung des Werkes zu verhindern oder zu beeinflussen. Der Käufer eines Computerprogrammes auf einer DVD soll diese ohne Zustimmung des Urhebers frei weiterveräußern können. Dies gilt allerdings nur in Fällen, in denen der Urheber das Werkexemplar derart in den Verkehr bringt, dass der Urheber endgültig und dauerhaft die Möglichkeit verliert, über dieses verfügen zu können. Der typische Anwendungsfall der Erschöpfungslehre ist die dauerhafte Überlassung eines Exemplars gegen eine Einmalzahlung im Rahmen eines Verkaufs des Werkexemplares gem. der §§ 433ff. BGB.
III. Zulässigkeit des Veräußerungsverbots beim Vertrieb auf Datenträgern
Wendet man diese Grundsätze schließlich auf unseren Beispielsfall des Vertriebs von Software auf Datenträgern an, so wird deutlich, dass mit der Übertragung des Eigentums, etwa an einer DVD (§ 929 S. 1 BGB), der Erwerber der DVD gem. § 69d Abs. 1 UrhG automatisch auch das Recht erhält, das auf dieser DVD gespeicherte Werk nutzen zu dürfen. Ein solcher Vorgang wird von Literatur und Rechtsprechung einhellig als Kaufvertrag im Sinne der §§ 433ff. BGB angesehen, mit der Konsequenz, dass – wie gezeigt – die Wirkungen der Erschöpfung eintreten: Es ist dem Urheber danach untersagt, die weitere Verbreitung der DVD zu beeinflussen.
Nun wird die AGB-rechtliche Dimension des folgenden Sachverhalts deutlich: Verbietet ein Verkäufer von auf Datenträgern gespeicherter Software in den AGB seines Online-Shops dem Käufer die Weiterveräußerung der gekauften Datenträger, so wird dadurch deren weitere Verbreitung beeinflusst. Die entsprechende Klausel muss sich daran messen lassen, ob das darin enthaltene Verbot der Weiterveräußerung „mit dem wesentlichen Grundgedanken der Regelung von der abgewichen wird zu vereinbaren ist“ (vgl. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Als „wesentlicher Grundgedanke“, von dem hier abgewichen werden soll kommen dabei zwei eng verwandte Aspekte in Betracht: Aus kaufrechtlicher Sicht ist unzweifelhaft, dass aus einer Übergabe und Übereignung frei von Rechten Dritter (§ 433 Abs. 1 BGB) die Befugnis folgt, den Kaufgegenstand nach Belieben weiterveräußern zu können. Die Freiheit des Erwerbers, ein gegen Einmalzahlung dauerhaft lizensiertes Werk auch nach Belieben seinerseits wieder weiterveräußern zu können, wird überdies durch die Erschöpfungslehre urheberrechtlich abgesichert (vgl. oben II. 2). Der formularmäßige Ausschluss der Weiterveräußerung durch den Erwerber bei an einen Datenträger gebundenem Softwarevertrieb steht demnach offensichtlich im Gegensatz zum gesetzlichen Leitbild des gewählten Vertragstyps und wird von der herrschenden Lehre wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unwirksam angesehen.
IV. Vergleich der Situation mit dem Software-Vertrieb per Download
Dieses doch recht eindeutige Ergebnis im Sinne einer Unzulässigkeit der untersuchten Klauseln vermag angesichts der abweichenden Behandlung von Downloads zu verwundern. Um zu verstehen, wie eine auf den ersten Blick unscheinbare Unterscheidung eine 5-jährige Prozessgeschichte bis zum EUGH in Gang setzen kann, ist es nötig, die beiden Konstellationen detailliert gegenüber zu stellen.
1. Technisch-formaler Vergleich der Vertriebsmodalitäten
In beiden Fällen des Vertriebs wird mit auf den ersten Blick identischen Mitteln ein identisches Ergebnis herbeigeführt. Es wird ausgehend von der Master-Version des Programms eine Kopie des Datensatzes erstellt und diese dem Erwerber dauerhaft zur Verfügung gestellt. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch darin, dass im Falle des sog. trägergebundenen Vertriebs der Rechtsinhaber die Kopien in seiner Herrschaftssphäre erstellt und dann an Kunden versendet, während bei den Downloads allein die Möglichkeit eröffnet wird, dass der Erwerber des Programms mit Initiierung des Downloadvorgangs in seiner Herrschaftssphäre eine Kopie der Software erstellt.
a) rechtliche Würdigung des Unterschieds
Diese Unterscheidung war es, die nach Ansicht vieler Stimmen und unter anderem dem OLG München (Urteil vom 3.7.2008 – 6 U 2759/07) dazu bewogen hat, die beiden wirtschaftlich identischen Konstellationen rechtlich unterschiedlich zu behandeln.
Anders als beim Versand der Kopie stelle der Veräußerer beim Download dem Erwerber allein die Möglichkeit zur Verfügung, nach Entrichtung des Entgelts selbständig eine Kopie des Programmes auf seinem Rechner anzufertigen. Ein solches Vorgehen stelle, so die Vertreter dieser Ansicht, gerade keine kaufvertragsähnliche Konstellation dar, sondern entspreche in der Beschränkung auf das bloße Zur-Verfügung-Stellen einer Kopiermöglichkeit im Wesentlichen der Erbringung einer Dienstleistung. Aus dieser formalen Einordnung als Dienstleistung ergeben sich wiederum wesentliche Folgen für die Beurteilung von Veräußerungsbeschränkungen unter dem Aspekt des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Zum einen verlässt man den Bereich des Kaufrechtes, womit es keineswegs mehr klar bzw. wesentlicher Grundgedanke der Vertragstypologie ist, dass die gewährten Gegenstände oder Rechte dauerhaft zur freien Verfügung des Erwerbers, bzw. nunmehr Dienstleistungsnehmers stehen.
In urheberechtlicher Hinsicht (Erschöpfungslehre) zieht die Qualifikation des Zur-Verfügung-Stellens (zum Download) als Dienstleistung das In-Verkehr-Bringen des Werkexemplars durch den Urheber in Zweifel. Es liegt ebenso nahe, bezüglich eines solchen In-Verkehr-Bringens allein auf die Download-Handlung des Erwerbers abzustellen und wie folgt zu argumentieren: durch den Upload auf den Download-Server verlässt das betreffende Exemplar gar nicht die Herrschaftssphäre des Anbieters. Vielmehr wird eine in den Verkehr gebrachte Version des Programmes erst und allein auf Veranlassung und unter ausschließlicher Kontrolle des Downloadenden bzw. Erwerbers auf dessen Rechner erstellt.
Schließlich bedeutet die Einordnung des Vorgangs als Dienstleistung, dass gerade kein Verkauf eines Exemplars und damit nicht die wesentliche Voraussetzung für den Eintritt der Erschöpfungswirkung vorliegen würde, so dass auch dieser Einwand gegen die Zulässigkeit der AGB-Klausel wegfallen würde.
b) Fazit zum technischen Vergleich der Vertriebsmodalitäten
Ein technischer Vergleich des körperlichen Offline- mit dem unkörperlichen Online-Vertriebs von Software ergibt also durchaus Unterschiede, welche eine abweichende Beurteilung der vertragstypologischen Einordnung des Software-Erwerbs rechtfertigen können. Wird dieser als Dienstleistungsvorgang (und nicht als Kaufvertrag) angesehen, so ergeben sich unter dem Aspekt des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Hinblick auf wesentliche Grundgedanken, welche eine Unwirksamkeit von formularmäßigen Veräußerungsverboten zur Folge haben müssten, keine Bedenken.
2. Wirtschaftlich-funktionaler Vergleich der Konstellationen
Vergleicht man die Konstellationen allerdings aus wirtschaftlicher Perspektive, so lassen sich keine wesentlichen Unterschiede zwischen einem Download und einem CD/DVD-Versand ausmachen. In beiden Fällen wird dem Erwerber des Programmes gegen eine Einmalzahlung auf Dauer Zugriff auf eine Kopie des Programmes gewährt und damit das Recht eingeräumt, das erworbene Programm zu nutzen. Ob die Kopie beim Veräußerer erstellt und versandt oder beim Erwerber durch den Download gefertigt wird, ist – die zu vernachlässigenden Versandkosten außer Acht gelassen – wirtschaftlich und aus Sicht der Erwerbers ohne Belang. Aus einer wirtschaftlichen Perspektive substituiert der unkörperliche Download somit den körperlichen Vertrieb vollumfänglich – wie die Daten zum Erwerber gelangen ist irrelevant.
3. Zwischenfazit
Der Vergleich der beiden Vertriebsarten zeigt also, dass die Frage nach der Zulässigkeit von ein Veräußerungsverbot statuierenden Klauseln im Rahmen des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB davon abhängt, welcher der beiden Blickwinkel bevorzugt wird. Aus einer formal-technischen Perspektive stellt sich das zugrunde liegende Schuldverhältnis tatsächlich eher als Dienstleistung dar, mit der Folge dass weder die Wertungen des § 433 BGB noch der Erschöpfungsgrundsatz als wesentliche Grundgedanken gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB einem Verbot entgegenstünden. Betrachtet man die beiden Vertriebsarten jedoch unter wirtschaftlich-funktionalen Gesichtspunkten, so substituiert der Download allein die Aushändigung des Datenträgers, ohne dass in rechtlicher Hinsicht relevante Unterschiede bestünden, die ein von der Einordnung des Vorganges als Kauf gem. § 433 BGB (eventuell i.V.m. § 453 Abs.1, Var. 1 BGB) abweichendes Ergebnis begründen könnten.
V. Einordnung des Vorgangs durch den EUGH
Aufgrund der europarechtlichen Prägung des Urheberrechts oblag es schließlich dem EUGH, die Frage zu beantworten (Rs C-128/11 – Used Soft) und den Veräußerungsvorgang schuldrechtlich einzuordnen.
Der EUGH entschied schließlich entgegen dem Antrag des Generalanwalts Yves Bot zugunsten eines Kaufvertrages. Nach Ansicht des Gerichtshofs bilden das Herunterladen der Kopie sowie die Einräumung der Nutzungsrechte gegen eine Einmalzahlung ein untrennbares Ganzes (Rnrn. 44, 47), so dass von einer formalen Betrachtung allein des Online-Stellens sowie der Rechtseinräumung Abstand zu nehmen ist. Bei dieser Gesamtbetrachtung ist schließlich aus Gründen der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit der Sachverhalte davon auszugehen, dass ein solches Vorgehen eine Eigentumsübertragung an der Programmkopie und damit einen Kaufvertrag (im deutschen Recht § 433 BGB) darstellt.
Aus dieser schuldrechtlichen Einordnung als Kaufvertrag ergibt sich ferner, dass das In-Verkehr-Bringen im Wege des Downloads als Gegenstand eines Kaufvertrages auch eine Erschöpfungswirkung auslöst und dem Erwerber damit die Weiterveräußerung der Programmkopie freisteht (Rn. 52).
VI. Auswirkungen und Beurteilung der Einordnung durch den EUGH
Die vertragstypologische Einordnung des Softwareerwerbs im Wege des Downloads als Kaufvertrag hat schließlich zur Folge, dass aufgrund der entgegenstehenden wesentlichen Grundgedanken des § 433 BGB sowie der Erschöpfungslehre ein Veräußerungsverbot statuierende AGB-Klauseln gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB als unwirksam anzusehen sind – der freie Weiterverkauf von per Download erworbener Software ist damit möglich.
Diese Entscheidung des EUGH ist abschließend insbesondere aus Gründen der Rechtssicherheit und –klarheit zu begrüßen. Es dürfte für den juristisch nicht vorgebildeten Verbraucher nur sehr schwer verständlich sein, warum ein aus seiner Sicht identischer Vorgang allein aufgrund der zugrundeliegenden Technologie anders zu bewerten wäre. Neben den verbraucherfreundlichen Aspekten des Weiterverkaufs stellt die Used Soft-Entscheidung des EUGH somit einen wichtigen Beitrag zur technologieneutralen Auslegung des Begriffes des Kaufvertrags dar.
Mit Blick auf die juristische Ausbildung lässt sich festhalten, dass diese Konstellation direkt zwar nicht unbedingt klausurrelevant sein dürfte, das Thema sich allerdings insbesondere im Hinblick auf die Subsumtion von Downloadvorgängen unter verschiedene Vertragstypen und die damit verbundenen AGB-rechtlichen Weichenstellungen durchaus für eine mündliche Prüfung anbietet.

05.11.2014/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2014-11-05 08:00:102014-11-05 08:00:10Unwirksamkeit von formularmäßigen Weiterverkaufsverboten bei Software-Downloads nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB
Dr. Christoph Werkmeister

Aktuell: Tempodrosselung der Telekom bei LTE-Flatrates

AGB-Recht, Tagesgeschehen

Beck-aktuell berichtet, dass die Deutsche Telekom von der Verbraucherzentrale in Sachsen abgemahnt wurde. Grund für die Abmahnung war das LTE-Flatrate-Angebot der Deutschen Telekom. Der entsprechende LTE-Tarif stelle – entgegen der Tarif-Bezeichnung – keine echte Flatrate dar, weil bei dem Tarif ab einem bestimmten Datenvolumen das Internet-Tempo gedrosselt wird. Die Deutsche Telekom reagierte hierauf, indem sie ankündigte, den Tarif künftig nicht mehr als „Flatrate“ zu bezeichnen.
Der Sachverhalt ist deshalb examensrelevant, weil sich das LG Köln erst kürzlich ausgiebig mit der Thematik der Tempodrosselung ab dem Erreichen eines bestimmten Datenvolumens  beschäftigt hatte. Wir berichteten seinerzeit über das Urteil. Verwiesen sei aus diesem Grunde auf den ausführlichen Beitrag, der die AGB-rechtlichen sowie die für das Examen relevanten wettbewerbsrechtlichen Probleme des Sachverhalts beleuchtet (siehe dazu hier). 

07.12.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-12-07 16:09:292013-12-07 16:09:29Aktuell: Tempodrosselung der Telekom bei LTE-Flatrates
Maria Lohse

LG Köln: Tempodrosselung der Datenübermittlungsgeschwindigkeit in AGB ist unwirksam

AGB-Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Mit noch nicht rechtskräftigem Urteil vom 30.10.2013 (Az.: 26 O 211/13) hat das LG Köln entschieden, dass die Vereinbarung einer Tempodrosselung der Internetverbindung durch die Deutsche Telekom AG in ihren AGB unwirksam ist.
Sachverhalt:
Mit der Klage vor dem Landgericht Köln richtete sich die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen gegen die seit April 2013 öffentlich gewordenen Pläne der Deutschen Telekom AG, im Rahmen von Festnetz-Flatrate-Verträgen eine Klausel aufzunehmen, nach welcher die Drosselung der Internetgeschwindigkeit bei Überschreitung eines bestimmten, tarifabhängigen Datenvolumens pro Monat durch den Nutzer vereinbart würde. Vorausgegangen waren der Klage bereits Abmahnungen durch die Verbraucherzentrale mit Verlangen zur Abgabe einer Unterlassungserklärung. Dem war die nunmehr Beklagte nicht nachgekommen. Die konkrete Tempodrosselung sollte zunächst auf 384 Kilobit pro Sekunde erfolgen. Im Rahmen der der Klage vorausgegangenen Diskussionen erwog die Deut scheTelekom AG zuletzt eine Drosselung auf 2 Megabit pro Sekunde. Die Änderung soll erst in Verträgen ab 2016 umgesetzt werden.
Das LG Köln hat der Drosselung insgesamt, gleich auf welche konkrete Geschwindigkeit letztlich gedrosselt werde, eine Absage erteilt und der Klage der Verbraucherzentrale stattgegeben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Deutsche Telekom AG hat die Einlegung von Rechtsmitteln bereits angekündigt.
Entscheidung:
Das LG Köln hielt die zulässige Klage vollumfänglich für begründet.
I. Die Klage war zunächst zulässig. Insbesondere war die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen prozessführungsbefugt als qualifizierte Einrichtung gemäß §§ 3, 4 UKlaG. Daher konnte Sie den Anspruch auf Unterlassung der Verwendung bestimmter Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) gegenüber Verbrauchern hier geltend machen.
II. Die Klage war auch begründet.
Der Anspruch der Verbraucherzentrale auf Unterlassung ließ sich auf § 1 UKlaG stützen. Danach kann ein Unterlassen hinsichtlich der Verwendung unwirksamer AGB in Verbraucherverträgen verlangt werden. Zu prüfen war hier also vom LG Köln, ob es sich bei den angegriffenen Klauseln hinsichtlich der Tempodrosselung bei der Datenübertragung um unwirksame AGB handelte.
Vorliegen von AGB
Es müsste sich zunächst überhaupt um AGB handeln. AGB sind gemäß § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Vorliegend handelte es sich bei den Bedingungen zur Drosselung der Datenübertragungsgeschwindigkeit um standardmäßig verwendete Klauseln, die zukünftig in Festnetz- und Internet-Flatrate-Verträgen von der Beklagten verwendetwerden sollten. Zweifelsfrei handelte es sich damit um AGB im Sinne des § 305 I 1 BGB.
Einbeziehung in Verbraucherverträge
Sie müssten auch wirksam in einen Vertrag einbezogen werden. Das richtet sich im Grundsatz nach § 305 II BGB. Danach bedarf es zur wirksamen Einbeziehung der Klauseln eines ausdrücklichen Hinweises an den Vertragspartner sowie der Verschaffung einer Kenntnisnahmemöglichkeit. Vorliegend werden die AGB aktuell noch nicht in Verträgen verwendet. Sofern jedoch eine Verwendung erfolgen würde, würden durch die Neueinfügung der Klauseln lediglich die bereits von der Beklagten verwendeten AGB ergänzt. Daran, dass diese naturgemäß wirksam in entsprechende Verträge einbezogen werden, besteht grundsätzlich kein Zweifel. Auch an der wirksamen Einbeziehung fehlt es daher nicht.
Überraschende oder mehrdeutige Klausel, § 305 c BGB
Es dürfte sich des Weiteren nicht um überraschende oder mehrdeutige Klauseln nach § 305 c BGB handeln. Diese werden schon aus diesem Grunde nicht Vertragsbestandteil. Das LG Köln hat hier den Charakter als überraschende Klausel im Sinne des § 305 c BGB bejaht. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klauseln Verwendung finden sollten in sogenannten Flatrate-Verträgen. Diese zeichnen sich grundsätzlich dadurch aus, dass der Vertragspartner einen Pauschalpreis zahlt, um den Datenübertragungsdienst unbegrenzt in Anspruch nehmen zu können. Es erfolgt gerade nicht eine Abrechnung anhand der tatsächlichen genutzten Zeit oder Datenmenge. Werde also ein Vertrag als Flatrate-Vertrag geschlossen, so stelle sich der Verbraucher eine uneingeschränkte Nutzungsmöglichkeit der zur Verfügung gestellten Dienste als entscheidenden Vorteil eines Flatrate-Vertrages im Gegensatz zu einem Vertrag, dem die konkrete Abrechnung der genutzten Datenmenge zugrundeliegt, vor. Mit diesem vertraglichen Leitbild und der entsprechenden Bewerbung durch die Beklagte sei es unvereinbar, derartige Drosselungsklauseln zu verwenden. Mit ihnen habe der Verbraucher daher nicht zu rechnen. Sofern keine drucktechnische Hervorhebung der Klauseln erfolgen würde, wären sie überraschend und daher schon nicht wirksamer Vertragsbestandteil.
Kontrollfähigkeit
Zudem müssten die Klauseln auch einer Inhaltskontrolle zugänglich sein. Das ist nach § 307 III 1 nur der Fall, sofern durch sie eine Abweichung oder Ergänzung von gesetzlichen Vorschriften bewirkt wird. Vorliegend enthält das Gesetz keine Legitimation zur Drosselung der Datenübertragungsgeschwindigkeit bei Festnetz- und Internet-Flatrate-Verträgen. Daher handelt es sich um eine Abweichung von gesetzlichen Regelungen.
Anders als die Beklagte meint, sei darin nach Ansicht des LG Köln auch keine Leistungsbeschreibung zu sehen, welche der Inhaltskontrolle entzogen wäre. Die Leistungsbeschreibung finde sich in den betreffenden Verträgen nämlich bereits in der unbegrenzten Zurverfügungstellung des Datenübermittlungsdienstes gegen Entgelt. Werde in einer anderen Vertragsbestimmung dann die Legitimation der Beklagten zur Tempodrosselung nach Überschreiten eines bestimmten Datenvolumens pro Monat vereinbart, so stelle dies eine beschränkende Modifikation der vereinbarten Leistung dar, die keine reine Leistungsumschreibung mehr sei und daher vollumfänglich kontrolliert werden könne.
Inhaltskontrolle
Demnach muss anhand der §§ 307 – 309 BGB eine Inhaltskontrolle vorgenommen werden. Dabei ist bei Verbraucherverträgen – um die es hier ausschließlich schon deshalb geht, weil die Verbraucherzentrale nur Unterlassung hinsichtlich der Verwendung der AGB gegenüber Verbrauchern gemäß § 13 BGB geltend machen kann, ihm im Übrigen die Prozessführungsbefugnis abzusprechen wäre – zunächst ein Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB in den Blick zu nehmen. Der Verstoß gegen ein solches ist hier nicht ersichtlich. Auch ein Verstoß gegen ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 BGB ist hier nicht in Betracht zu ziehen. Folglich verbliebe es bei einer Kontrolle am Maßstab des § 307 BGB.
Nach Ansicht des LG Köln waren die Klauseln hier gemäß § 307 I, II Nr. 2 BGB unwirksam. Es würden hier durch die Vertragsbestimmungen wesentliche vertragliche Rechte eingeschränkt, dadurch werde gleichsam der Vertragszweck gefährdet, was im Ergebnis eine unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers als Vertragspartner darstelle. Zu berücksichtigen sei dabei zunächst, dass auch hier der durchschnittliche Verbraucher zur Bestimmung des Begriffs „Flatrate“ herangezogen werden müsse. Nach seinem Verständnis könne es sich bei Verträgen, die als „Flatrate“-Verträge bezeichnet würden, nur um solche Verträge handeln, deren Gegenstand eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit bei einmaliger pauschaler Gegenleistungserbringung ohne die Gefahr weiterer versteckter Kosten ist. Werde dann aber das Merkmal der unbegrenzten Nutzbarkeit derart eingeschränkt, so gefährde dies den Vertragszweck. Zudem werde durch die geplante Tempodrosselung eine Geschwindigkeit von weniger als 10% der ursprünglich Vertragsgegenstand werdenden Datenübertragungsgeschwindigkeit erreicht, sofern das vorgegebene Datenvolumen überschritten wird. Die stelle eine erhebliche und daher nicht hinnehmbare Benachteiligung des Vertragspartners dar. Dieser werde dadurch unzumutbar und daher unangemessen benachteiligt, da das in die Abwägung einzustellende Interesse der Beklagten an der Amortisation getätigter Investitionen in den Ausbau des Breitbandnetzes das Interesse des beteiligten Verbrauchers am Erhalt einer im Verhältnis zur erbrachten Gegenleistung angemessenen Leistung nicht überwiegen könne. Weiter treffe es auch nicht zu, dass von der geplanten Drosselung nur eine geringe Anzahl sogenannter „Power-User“ betroffen werde, wie die Beklagte meint. Es bestehe heutzutage ein immer größer werdendes Interesse an und ein immer größer werdendes Bedürfnis für die Nutzbarkeit eines schnellen und leistungsfähigen Internets. Auch das Streamen von Audio- oder Videodateien werde immer beliebter, sodass durchaus ein breites Publikum von der Einschränkung betroffen würde.
Zwischenergebnis
Im Ergebnis verstoßen die streitgegenständlichen Klauseln daher aus mehreren Gründen gegen § 307 I, II Nr. 2 BGB.
Auch eine für § 1 UKlaG erforderliche Wiederholungsgefahr als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal lag hier nach Ansicht des Gerichts vor. Diese resultierte bereits daraus, dass die Beklagte noch im Prozess die Wirksamkeit ihrer AGB verteidigte.
Ergebnis
Der Anspruch der Verbraucherzentrale aus § 1 UKlaG bestand daher vorliegend.
Stellungnahme:
Dem Urteil des LG Köln ist zuzustimmen.
Unter der Bezeichnung eines Vertrages welchen Inhalts auch immer als „Flatrate“-Vertrag wird dem Durchschnittsverbraucher suggeriert, es handele sich um eine unbegrenzte Nutzungsmöglichkeit der offerierten Gegenleistung. Wollte man hier eine Parallele zum Wettbewerbsrecht ziehen, so würde eine derartigen Klausel im Vertrag eines Internetanbieters, der sein Produkt als „Flatrate“ bewirbt, zweifelsohne als irreführende Werbung nach § 5 I 1 Nr. 1 UWG zu bezeichnen sein.
Auch steht das Urteil im Einklang mit der jüngst ergangenen Entscheidung des BGH zur Frage eines Schadensersatzanspruchs bei fehlender Nutzungsmöglichkeit des Internets (BGH, Urteil vom 24.01.2013 – III ZR 98/12): In jenem Urteil wurde dem Kläger ein Schadensersatzanspruch mit der Begründung zugestanden, dass die Funktionsfähigkeit des Internetanschlusses ein in der heutigen Zeit überragend wichtiges Wirtschaftsgut darstelle, der erzwungene Verzicht darauf einen in Geld messbaren Wert besitze. Der von der Rechtsprechung entwickelte Kommerzialisierungsgedanke wurde insofern auf den Internetanschluss ausgeweitet. Die Argumentation der Deutschen Telekom AG, dass die Neuerung durch die Tempodrosselungsklauseln lediglich einen kleinen Kreis von „Power-Usern“ betreffen könne, ist schon aus diesem Grunde nicht stichhaltig.
Festzuhalten ist jedoch, dass das Urteil nicht das Instrument einer Tempodrosselung bei der Datenübermittlung an sich als unwirksam deklariert, sondern dies lediglich im Rahmen von derartigen „Flatrate“-Verträgen als eine unangemessene Benachteiligung erachtet. Zu erwarten steht – abhängig vom endgültigen Ausgang dieses Rechtsstreits -, dass die Deutsche Telekom AG nach anderen Möglichkeiten suchen wird, um die Tempodrosselung umzusetzen. Denkbar wäre hier zum Beispiel ein zukünftiger Abschluss von als solchen bezeichneten Datenvolumen-Verträgen oder ähnlichem.
Die vorliegende Entscheidung ist für Examenskandidaten insofern interessant und sollte daher bekannt sein, weil sie nicht nur eine lehrbuchmäßige Prüfung der Kenntnisse im AGB-Recht ermöglicht, sondern auch von einiger politischer Brisanz im Hinblick auf die Postulation der Netzneutralität ist.

06.11.2013/0 Kommentare/von Maria Lohse
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Maria Lohse https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Maria Lohse2013-11-06 12:00:282013-11-06 12:00:28LG Köln: Tempodrosselung der Datenübermittlungsgeschwindigkeit in AGB ist unwirksam
Dr. Christoph Werkmeister

BGH: Haftungsbeschränkungen in AGB von Reinigungen

AGB-Recht, Rechtsprechung, Zivilrecht

Erst vor einigen Tagen berichteten wir sehr ausführlich zu einem examensrelevanten Urteil, das sich mit dem Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen befasste (in der Sache ging es um die Zulässigkeit des Verkaufs von Miles&More-Punkten, siehe dazu hier). Der BGH äußerte sich aktuell erneut zu einer Fallgestaltung aus dem AGB-Recht (Urteil vom 04.07.2013 – VII ZR 249/12). Behandelt wurden dieses Mal bestimmte Haftungsbeschränkungsklauseln, die im Textilreinigungsgewerbe gebräuchlich sind.
Klassische AGB-Kontrolle
Die AGB von vielen Textilreinigern enthielten die folgende Klausel:

Der Textilreiniger haftet für den Verlust des Reinigungsgutes unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes. Für Bearbeitungsschäden haftet der Textilreiniger nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit unbegrenzt in Höhe des Zeitwertes. Ansonsten ist die Haftung auf das 15fache des Bearbeitungspreises begrenzt. Achtung: Unsere Haftung kann auf das 15fache des Bearbeitungspreises begrenzt sein (siehe Nr. 5 AGB). Sie können aber unbegrenzte Haftung in Höhe des Zeitwertes, zum Beispiel durch Abschluss einer Versicherung, vereinbaren.

Insbesondere die ersten beiden Sätze der Klausel wurden vom BGH wegen Verstoßes gegen § 309 Nr. 7 b) BGB für unwirksam erklärt, da eine Beschränkung der Haftung für Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit auf den Zeitwert der beschädigten Sache vorlag. Nach Auffassung des BGH musste indes der Wiederbeschaffungswert der Sache maßgeblich sein.
Im Übrigen stelle die Beschränkung auf das 15fache des Reinigungspreises einen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB dar, da die Klausel den Kunden entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Der Reinigungspreis, der im Vergleich zum Wert der Sache erheblich niedriger sein kann, stellt nach dem BGH keinen tauglichen Maßstab für die Begrenzung der Haftung dar. Es fehle jegliche Relation zur tatsächlichen Schadenshöhe.
Examensrelevanz
Das AGB-Recht muss zwingend für das erste sowie das zweite Staatsexamen beherrscht werden. Die hier genannten Aspekte, die zu einer Nichtigkeit der Klausel führten, stellen nur einen von vielen Aufhängern dar, um die Wirksamkeit der Klauseln zu Fall zu bringen. Für die Klausur ist eine ausschöpfende Argumentation bei der Bewertung der Klauseln und weniger das Ergebnis bedeutsam, um dem Korrektor zu zeigen, dass der Sinngehalt der Klausel und auch der wirtschaftliche Kontext nachvollzogen werden konnten.
Die Systematik und der Prüfungsaufbau einer AGB-Prüfung werden in einem anderen Beitrag erläutert (siehe dazu schematisch hier). Die wichtigsten Judikate aus der letzten Zeit zu diesem Thema findet ihr im Übrigen hier.

08.07.2013/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2013-07-08 07:01:252013-07-08 07:01:25BGH: Haftungsbeschränkungen in AGB von Reinigungen
Dr. Deniz Nikolaus

BAG: Vorsatzhaftung nicht von vertraglicher Verfallklausel erfasst

AGB-Recht, Arbeitsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht


Das Bundesarbeitsgericht hat mit Urteil  vom 20.06.2013 (8 AZR 280/12) – das noch nicht im Volltext vorliegt –  entschieden, dass eine zwischen den Parteien des Arbeitsvertrages vereinbarte Verfallklausel (auch Ausschlussklausel) dahingehend auszulegen ist, dass Ansprüche gegen den Arbeitgeber wegen vorsätzlichen Handlungen nicht darunter fallen. Damit wurde die Vorinstanz – LAG Köln vom 21.01.2012  (5 Sa 156/10) – aufgehoben, wonach zwischen dem eigenen vorsätzlichen Verhalten des Arbeitgebers (Verfallklausel nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig) und der Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen (Verfallklausel wirksam) differenziert wurde.

Diese Entscheidung eignet sich deshalb gut für Examensklausuren, weil sie beliebte Probleme des Arbeitsrechts, des Zivilprozessrechts und zivilrechtliche Grundlagen zur Auslegung von Willenserklärungen vereint. Zur Wirksamkeit von vertraglichen Ausschlussklauseln berichteten wir bereits hier.

1.       Sachverhalt

Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zu Grunde. Zwischen den Parteien bestand seit dem 01. September 2009 ein auf ein Jahr befristetes Arbeitsverhältnis. Im schriftlichen Arbeitsvertrag hatten die Parteien unter § 12 eine zweistufige Verfallfrist mit folgendem Wortlaut vereinbart:

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

Lehnt die Gegenpartei den Anspruch ab oder erklärt sie sich nicht innerhalb von zwei Wochen nach der Geltendmachung des Anspruchs, so verfällt dieser, wenn er nicht innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung oder dem Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.

Die Klägerin war ab dem 16. November 2009 arbeitsunfähig krank. Anfang Februar 2010 verständigten sich die Parteien auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Mai 2010.

Die Klägerin stellte gegen ihren Vorgesetzten Herrn E Strafanzeige wegen des Verdachts der Beleidigung und der sexuellen Belästigung. Er habe sie fast täglich als „doof“, „blöd“ oder „unfähig“ bezeichnet. Auch habe sie nicht vertragsgerechte Arbeiten verrichten müssen und er habe ihr gegen ihren Willen ein Video der Gruppe Rammstein mit dem Namen „Pussy Video“ gezeigt.

Weil die Klägerin der Ansicht ist, dass die Beklagte für das Verhalten von Herrn E eintreten müsse, erhob sie am 30. August 2010 beim Arbeitsgericht Klage und machte die Zahlung von Schmerzensgeld geltend. Sie führte ihre Erkrankung im Zeitraum vom 16. November 2009 bis zum 31. Mai 2010 auf „Mobbing-Handlungen“ von Herrn E zurück. Die Klage ist der Beklagten am 09. September 2010 zugegangen.

Das LAG Köln hat die Klage unter Verweis auf die vertragliche Verfallklausel abgewiesen und die Ansicht vertreten, die Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Verfallklausel, welche die Haftung wegen vorsätzlichen Handelns ausschließt, komme nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nur in Betracht, wenn sie sich auf eigenes Verhalten des Arbeitgebers beziehe. Soweit sie eine Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen ausschließe, sei sie wirksam. Diese Differenzierung wurde nunmehr vom BAG aufgegeben.

2.       Anspruchsgrundlagen

An folgende Anspruchsgrundlagen der Klägerin gegen die Beklagte auf Schmerzensgeld bzw. Entschädigung ist zu denken:

  • §§ 280 Abs. 1, 278, 241 Abs. 2, 253 Abs. 2 BGB
  • §§ 823 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB
  • § 823 Abs. 2 BGB iVm § 223 StGB, § 253 Abs. 2 BGB
  • §§ 826, 253 Abs. 2 BGB
  • §§ 831, 253 Abs. 2 BGB
  • § 831 BGB iVm Art. 1 Abs. 1 und Art 2 GG

3.       Wirksamkeit der Verfallklausel (§ 12 des Arbeitsvertrages)

„Dreh und Angelpunkt“ ist bei dieser Entscheidung, ob die Ansprüche nicht durch die Verfallklausel in § 12 des Arbeitsvertrages verfallen sind.

a. Geltendmachung des Anspruchs innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit

Zunächst ist überhaupt zu prüfen, ob die Klägerin die dreimonatige Frist gem. § 12 des Arbeitsvertrages zur Geltendmachung ihres Anspruchs überschritten hat.

Fraglich ist, wann der geltend gemachte Anspruch fällig geworden ist. Ein Anspruch ist regelmäßig erst dann im Sinne einer Verfallfrist fällig, wenn der Gläubiger ihn annähernd beziffern kann. Bei Schadensersatzansprüchen tritt Fälligkeit daher ein, wenn der Schaden für den Gläubiger feststellbar ist und geltend gemacht werden kann. Für einen Anspruch, der auf „Mobbing“ und eine daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit gestützt worden ist, nimmt das BAG an, dass der Anspruch erst mit Ablauf der Arbeitsunfähigkeit entsteht. Der Arbeitnehmer ist erst ab Beendigung seiner Erkrankung in der Lage, seinen entstandenen Schaden festzustellen (BAG 25. Oktober 2007 – 8 AZR 593/06, Rn 96). Danach ist der Anspruch der Klägerin mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses – am 1. Juni 2010 – fällig gewesen. Dem steht nicht entgegen, dass sie über diesen Zeitraum hinaus arbeitsunfähig erkrankt war. Maßgeblich ist, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit dem 31. Mai 2010 sein Ende gefunden hat. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses stellt eine Zäsur dar. Ab diesem Zeitpunkt war sie in der Lage, sich den erforderlichen Überblick zu verschaffen und ihre Forderung wenigstens annähernd zu beziffern. Wenn die Forderung am 01. Juni 2010 fällig geworden ist, endet die Frist zur Geltendmachung nach § 12 des Arbeitsvertrages am 01. September 2010.

Die Klage ist am 30. August 2010 bei dem Arbeitsgericht eingegangen und am 09. September der Beklagten zugestellt worden. Grundsätzlich ist auf den Zugang bei dem Arbeitgeber abzustellen. Fraglich ist aber, ob nicht § 167 ZPO auf die erste Stufe der Ausschlussfrist anwendbar ist, so dass man auf den Eingang bei Gericht abstellen könnte. Das BAG nimmt aber in ständiger Rechtsprechung an, dass § 167 ZPO auf einstufige und auf die erste Stufe zweistufiger Verfallfristen keine Anwendung findet (BAG 19. Juni 2007 – 1 AZR 541/06; 25. September 1996 – 10 AZR 678/05; 08. März 1976 – 5 AZR 361/75; 18. Januar 1974 – 3 AZR 3/73). Daneben hat die Vorinstanz festgehalten, dass für die erste Stufe einer zweistufigen Verfallfrist regelmäßig davon auszugehen ist, dass nach dem Willen der Parteien § 167 ZPO nicht anzuwenden ist. Es bleibt abzuwarten, ob sich das BAG hierzu in den Entscheidungsgründen geäußert hat.

Somit hat die Klägerin ihren Anspruch gegenüber der Beklagten verspätet geltend gemacht.

b.      Wirksamkeit nach AGB-Recht

Die Ausschlussfrist könnte wegen Verstoßes gegen das AGB-Recht unwirksam sein.

Hier bedarf es in dem arbeitsrechtlichen Gutachten einer schulmäßigen AGB-Kontrolle. Wie sich gleich zeigen wird, ist die Prüfung der Wirksamkeit von § 12 im vorliegenden Fall nicht problematisch, dennoch empfiehlt es sich, die AGB-Kontrolle in einer Klausur systematisch aufzubauen.

Eine AGB-Kontrolle im Hinblick auf arbeitsvertragliche Regelungen ist unter Beachtung der Besonderheiten des Arbeitsrechts gem. § 310 Abs. 4 S. 2 BGB grundsätzlich möglich.

Allgemeine Geschäftsbedingungen sind vorformulierte Regelungsentwürfe für eine Vielzahl von Einzelverträgen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt, vgl. § 305 Abs. 1 S. 1 BGB. Diese müssen grundsätzlich gem. § 305 Abs. 2 BGB in den Vertrag einbezogen werden. Ob dies hier in einer dem § 305 Abs. 2 BGB entsprechenden Weise erfolgt ist, kann allerdings offen bleiben, da diese Voraussetzung für Arbeitsverträge nicht gilt (§ 310 Abs. 4 S. 2 Hs. 2 BGB).

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BAG ist der Arbeitnehmer außerdem als Verbraucher iSv § 13 BGB anzusehen. Ob die Beklagte die Vertragsbedingungen – insbesondere § 12 – für eine Vielzahl von Einzelverträgen nutzt, kann deshalb offen bleiben. Nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB kommen die §§ 307 ff. BGB nämlich bei Verbraucherverträgen selbst für den Fall, dass der Vertrag nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen gewesen sein sollte,  schon bei nur einmaliger Verwendung gegenüber einem Verbraucher zur Anwendung. Dass die AGB vom Arbeitgeber gestellt sind, wird zudem nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB fingiert.

Ist der Anwendungsbereich der §§ 305 ff. BGB eröffnet, kommt es nun zu einer Inhaltskontrolle nach Maßgabe der §§ 307 ff. BGB.

Es könnte ein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB vorliegen. Gem. § 309 Nr. 7 lit. b BGB ist ein Ausschluss oder eine Begrenzung der Haftung für sonstige Schäden, die auf einer grob fahrlässigen Pflichtverletzung des Verwenders oder auf einer vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Pflichtverletzung eines gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen des Verwenders beruhen, in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam. Jedoch enthält die Obliegenheit einer schriftlichen Geltendmachung – so wie hier in § 12 des Arbeitsvertrages – gerade keinen Haftungsausschluss und keine Haftungsbegrenzung. Insoweit liegt kein Verstoß gegen § 309 Nr. 7 lit. b BGB vor.

Da sich bei der Bemessung der angemessenen Dauer einer Ausschlussfrist aus § 61b Abs. 1 ArbGG – Frist von 3 Monaten – ein geeigneter Maßstab ergibt, verstößt § 12 auch nicht gegen  § 307 Abs. 1 S. 1 BGB (anders wäre dies bei einer zweimonatigen Ausschlussfrist. Siehe hierzu hier.

c.       Beschränkung der Klausel nach Auslegung des Parteiwillens

In dem Urteil des BAG geht es entscheidend darum, wie § 12 des Arbeitsvertrages  

Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.

auszulegen ist. Nach dem Wortlaut sollen „alle beiderseitigen“, d. h. wechselseitigen Ansprüche der Arbeitsvertragsparteien der Klausel unterliegen. Aus der Formulierung ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass nur bestimmte Ansprüche gemeint sind und insbesondere solche wegen vorsätzlich begangener, ggf. auch unerlaubter Handlungen ausgenommen sein sollten.

Ob einer Verfallklausel nach dem Willen der Parteien auch die Haftung wegen Vorsatzes unterfallen soll, könnte für Verfallklauseln in einem Formulararbeitsvertrag zweifelhaft sein. Eine Einbeziehung gesetzlich explizit ausgeschlossener Fälle dürfte regelmäßig gerade nicht gewollt sein. Das gilt – so das BAG – beispielsweise für die Vorsatzhaftung. Wie sich der amtlichen Pressemitteilung entnehmen lässt, begründet der Senat seine Entscheidung mit dem Umstand, dass die Parteien eines Arbeitsvertrages – anders als bei tarifvertraglichen Ausschlussfristen – weder die Verjährung bei Haftung wegen Vorsatzes im Voraus durch Rechtsgeschäft erleichtern (§ 202 Abs. 1 BGB) noch die Haftung wegen Vorsatzes dem Schuldner im Voraus erlassen (§ 276 Abs. 3 BGB) können. Diese Regelungen bezwecken einen umfassenden Schutz gegen im Voraus vereinbarte Haftungsbeschränkungen für vorsätzliche Schädigungen. Vor diesem Hintergrund verbietet § 202 Abs. 1 BGB nicht nur beschränkende Vereinbarungen im Hinblick auf die Verjährung, sondern auch bezüglich Verfallfristen. Demgegenüber  kann die Haftung für vorsätzliches Handeln eines Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfen ausgeschlossen werden (§ 278 S. 2 BGB). Diese gesetzliche Ausnahmevorschrift hat die Vorinstanz zum Anlass genommen, die Ausschlussfrist in § 12 des Arbeitsvertrages so auszulegen, dass die Haftung für Vorsatz soweit wie gesetzlich zugelassen unter die Verfallklausel fällt, die Haftung für vorsätzliches Handeln des Arbeitgebers aber nicht umfasst. Diese Auslegung wurde damit begründet, dass die Parteien regelmäßig keine Vereinbarung treffen wollen, die rechtsunwirksam ist. Diese Differenzierung hat das BAG nunmehr aufgegeben und Vorsatzhaftung insgesamt von der Ausschlussregelung ausgenommen. Als weiteres Argument für den Ausschluss der Vorsatzhaftung führt der Senat an, dass der Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen und Berufsunfähigkeit ausschließlich bei Vorsatz, § 104 Abs. 1 SGB VII hafte. Bei dieser Gesetzeslage sei ohne besondere Anzeichen regelmäßig davon auszugehen, dass die Parteien des Arbeitsvertrages mit der Ausschlussklausel nicht auch Fragen der Vorsatzhaftung regeln wollten.

4.       Fazit

Da die Entscheidungsgründe bisher noch nicht veröffentlich sind, bleibt abzuwarten, wie der Senat im Einzelnen die Auslegung des Parteiwillens vorgenommen hat. Interessant wird vor allem sein, wie mit der von der Vorinstanz aufgeworfenen Differenzierung zwischen dem eigenen vorsätzlichen Verhalten des Arbeitgebers (Ausschlussklausel nach §§ 134, 202 Abs. 1 BGB nichtig) und der Haftung des Arbeitgebers für ein vorsätzliches Handeln von Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen umgegangen wird.

 
 

26.06.2013/0 Kommentare/von Dr. Deniz Nikolaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Deniz Nikolaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Deniz Nikolaus2013-06-26 08:02:042013-06-26 08:02:04BAG: Vorsatzhaftung nicht von vertraglicher Verfallklausel erfasst
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Keine Abkürzung der Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel

AGB-Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Der BGH hat sich in einer ganz aktuellen Entscheidung (Urteil vom 29.05.2013 – VIII ZR 174/12) mit der Wirksamkeit einer AGB-Klausel zur Abkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel befasst. Das Kaufrecht und insbesondere die Überprüfung Allgemeiner Geschäftsbedingungen sind Kernthemen in allen Staatsexamina.
 
Sachverhalt (verkürzt)
Die Eheleute E wollen einen Geländewagen beim örtlichen Autohandel kaufen. Im Geschäft des Autohändlers A entscheiden sie sich für einen Gebrauchtwagen. E unterschreiben einen Vertrag, der folgende Klausel enthält:
In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger war Folgendes vorgesehen:
„VI. Sachmangel
Ansprüche des Käufers wegen Sachmängeln verjähren in einem Jahr ab Ablieferung des Kaufgegenstandes an den Kunden.
…
VII. Haftung
Hat der Verkäufer aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nach Maßgabe dieser Bedingungen für einen Schaden aufzukommen, der leicht fahrlässig verursacht wurde, so haftet der Verkäufer beschränkt: Die Haftung besteht nur bei Verletzung vertragswesentlicher Pflichten und ist auf den bei Vertragsabschluss vorhersehbaren typischen Schaden begrenzt. Diese Beschränkung gilt nicht bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit. …“
Vor Übergabe des Fahrzeugs am 12.10.2006 wird dieses noch mit einer speziellen Anlage für den Betrieb mit Flüssiggas ausgerüstet. In der Folgezeit kommt es mehrfach zu Fehlern an dem Gastank. Der Wagen wird daraufhin mehrfach – erfolglos – von A repariert. Letztlich fordern E den A am 16.10.2008 schriftlich und unter Fristsetzung dazu auf, eine Erklärung zur Reparaturbereitschaft abzugeben. Andernfalls müsse man das Fahrzeug in einem anderen Autohaus reparieren lassen.
Die Eheleute verlangen Zahlung der zu erwartenden Mangelbeseitigungskosten in Höhe von 1.313,70 €, Schadensersatz in Höhe von 800 € sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die A beruft sich auf die Verjährung der Gewährleistungsansprüche.
Ansprüche E gegen A?
 
Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) und b) BGB
Bei den im Sachverhalt genannten Klauseln handelt es sich unproblematisch um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 I 1 BGB, da sie einseitig vom Verwender A in das Vertragsverhältnis eingeführt wurden und nicht von E und A gemeinsam ausgehandelt wurden. Soweit zur Charakterisierung als AGB oder zur Frage der wirksamen Einbeziehung nach § 305 II BGB im Sachverhalt keine genaueren Angaben zu finden sind, sollte dies in der Klausur lediglich kurz festgestellt werden. Bei Verträgen zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher (Verbraucherverträgen) ist zudem auf § 310 III BGB zu achten.
Im vorliegenden Fall erkennt der BGH einen Verstoß gegen § 309 Nr. 7 a) und b) BGB darin, dass in Ziff. VII der AGB zwar der Haftungsausschluss für Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit nicht gilt. In Ziff. VI erstreckt sich jedoch die kürzere Verjährung der Gewährleistungsrechte von 1 Jahr (§ 438 BGB: 2 Jahre) auf sämtliche Schäden. Der BGH

[…] hat seine Rechtsprechung bestätigt, wonach eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, mit der die gesetzliche Verjährungsfrist für die Ansprüche des Käufers wegen eines Mangels der verkauften Sache abgekürzt wird, wegen Verstoßes gegen die Klauselverbote des § 309 Nr. 7 Buchst. a und b BGB insgesamt unwirksam ist, wenn die in diesen Klauselverboten bezeichneten Schadensersatzansprüche nicht von der Abkürzung der Verjährungsfrist ausgenommen werden. Ziffer VI. 1. der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten ist daher unwirksam, weil es an einer Ausnahmeregelung für die Verjährung der in § 309 Nr. 7 BGB bezeichneten Schadensersatzansprüche fehlt. Ziffer VII.1. Satz 3 nimmt die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit zwar von der gegenständlichen Haftungsbeschränkung in Ziffer VII., aber nicht von der zeitlichen Haftungsbegrenzung in Ziffer VI. aus.
(Amtliche Pressemitteilung)
 

Anwendbarkeit der gesetzlichen Gewährleistungsfristen
Nach Auffassung des BGH war die Vertragsklausel damit unwirksam. Aufgrund des Verbots einer geltungserhaltenden Reduktion und der offensichtlichen Unteilbarkeit der Bestimmung, bleibt der Vertrag im Übrigen wirksam, § 306 I BGB. Es gelten stattdessen die gesetzlichen Vorschriften, § 306 II BGB. Das Gericht hat sich, wie aus der Pressemitteilung ohne nähere Angaben hervorgeht, in diesem Zusammenhang mit der Frage befasst, ob die gesetzlichen Gewährleistungsfristen des Kaufrechts gemäß § 438 BGB Anwendung finden und dies bejaht.
Voraussetzung hierfür ist, dass es sich bei der von A und E geschlossenen Vereinbarung um einen Kaufvertrag nach § 433 BGB handelt. Dafür müssten beim Sachkauf die gegenseitigen Hauptpflichten der Vertragspartner schwerpunktmäßig in der Verschaffung des Eigentums und Übergabe der Kaufsache gegen Zahlung des Kaufpreises liegen. Dies hat der BGH, anders als die Vorinstanz, bejaht, denn

[…] im Mittelpunkt steht die Übertragung von Eigentum und Besitz an dem – umgerüsteten – Fahrzeug auf die Kläger; der Verpflichtung zum Einbau der Flüssiggasanlage kommt im Vergleich dazu kein solches Gewicht zu, dass sie den Vertrag prägen würde.

Dies lässt sich mit einfachen Argumenten gut begründen: Im Mittelpunkt steht in erster Linie der Erwerb des Fahrzeugs. Die Ausrüstung des Wagens mit einer Flüssiggasanlage spielt hingegen eine untergeordnete Rolle und kann insoweit als „Sonderausstattung“ angesehen werden.
 
Verjährungshemmung nach § 203 BGB und -neubeginn nach § 438 II BGB
Nach dem Sachverhalt bestehen zudem starke Anhaltspunkte dafür, dass die Mängelrechte der E bereits verjährt sind (zu den Grundlagen instruktiv unser Beitrag). Der BGH hat unter diesem Aspekt den Fall an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Hier stellt sich dann auch in der Klausur die Frage, ob bereits eine Verjährungshemmung nach § 203 BGB eingetreten ist. Dann müsste hinsichtlich der (erfolglosen) Reparaturversuche durch A ein „Verhandeln“ im Sinne der vorgenannten Vorschrift anzunehmen sein.
Dies lässt sich wohl im konkreten Fall bejahen: Der Begriff des „Verhandelns“ wird von der Rechtsprechung weit ausgelegt. Voraussetzung ist, dass sich der Unternehmer mit dem geltend gemachten Mangel auseinandersetzt und die Mängelrüge überprüft. Dies ist bei Nachbesserungsarbeiten regelmäßig gegeben (vgl. Palandt/Ellenberger, 70. Aufl. § 203 Rz. 2).
Zugleich lässt sich diskutieren, ob durch die mangelhaften Nachbesserungsversuche die Verjährung gemäß § 438 II BGB jeweils neu begonnen hat. Dies ist bei der Nachbesserung stark umstritten, da sich so in bestimmten Fällen die Verjährungsfrist für den Verkäufer unzumutbar in die Länge ziehen kann. Handelt es sich bei jedem Nachbesserungsversuch um den gleichen Mangel oder um eine Folge der mangelhaften Nachbesserung, ist ein Verjährungsneubeginn zu bejahen (vgl. Palandt/Weidenkaff, 70. Aufl. § 438 Rz. 16a). In der Klausur wären hierzu genaue Angaben im Sachverhalt anzutreffen.
 
Fazit
Ein schöner Fall, nicht nur für das erste Examen, an dem sich die Grundsätze der Wirksamkeit von AGB und der Verjährung im Kaufrecht abprüfen lassen.
In der Klausur wäre insbesondere herauszuarbeiten, an welcher gesetzlichen Vorschrift die Wirksamkeit der benannten Klauseln scheitert. Hier ist zwischen der gegenständlichen (zulässigen) und zeitlichen (unzulässigen) Beschränkung zu differenzieren. Danach ist zu bestimmen, welche gesetzliche Verjährungsfrist gilt. Im Kaufrecht beträgt diese nach § 438 I Nr. 2 BGB 2 Jahre. Vertretbar wäre es wohl auch, in der Vereinbarung einen (gemischten) Werkvertrag zu erkennen – es wird die technische Umrüstung des PKW geschuldet – wobei die gesetzliche Verjährungsfrist hier auch 2 Jahre betragen dürfte, § 634a I Nr. 1 BGB („Veränderung einer Sache“).
Der Fall ist auch aus klausurtaktischen Gründen interessant: Wer vorschnell die Wirksamkeit der Klausel bejaht, schneidet sich die gesamte Problematik zur Verjährung ab. Um zur Problematik des Verjährungsneubeginns bei mangelhafter Nacherfüllung zu kommen, ist die Annahme eines Kaufvertrags ratsam. Eine hilfsgutachterliche Prüfung ist in aller Regel vom Klausurersteller nicht gewollt.

06.06.2013/5 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2013-06-06 15:47:012013-06-06 15:47:01BGH: Keine Abkürzung der Verjährungsfrist im Gebrauchtwagenhandel
Gastautor

OLG Bremen: Angabe der Lieferfrist mit „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ stellt Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB dar

Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Verbraucherschutzrecht, Zivilrecht

Das OLG Bremen hatte am 05.10.2012, Az: 2 U 49/12, einerseits darüber zu entscheiden, ob die Angabe der Lieferfrist im Online-Handel mit „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ wettbewerbswidrig ist. Andererseits ging es um die Frage, wie eine klare und verständliche Widerrufsbelehrung ausgestaltet sein muss.
Leitsätze (des Verfassers):

  1. Die Angabe der Lieferzeit mit „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ verstößt gegen § 308 Nr. 1 BGB und ist daher wettbewerbswidrig.
  2. Eine Widerrufsbelehrung, die vom Verbraucher nur durch Herunterscrollen auf der betreffenden Internetseite erreicht werden kann, während die für die Kaufentscheidung wesentlichen Informationen bereits am Anfang der Seite unmittelbar einsehbar sind, entspricht den Anforderungen des Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB nicht.

 
Sachverhalt:
Die Parteien sind Wettbewerber im Handel mit Bar- und Partyartikeln. Die Klage richtet sich gegen eine von der Beklagten im Internet auf der Handelsplattform Amazon geschaltete Werbung für einen Shaker. Von der Klägerin wird diesbezüglich beanstandet, dass eine klare und verständliche Widerrufsbelehrung fehle und zudem die Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ zu unbestimmt und daher unzulässig sei. Diese Regelung findet sich im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit Angaben über Versandkosten, Garantie u.ä. Die Regelung zum Widerrufsrecht ist mit „Umtausch & Rücknahme“ überschrieben und befindet sich am unteren Ende der Seite, die nur durch Herunterscrollen vom Verbraucher erreichbar ist.
Die Klägerin (im Folgenden K) beantragt, die Beklagte (im Folgenden B) zum Unterlassen eines derartigen Warenangebots zu verurteilen.
Entscheidung:
Das OLG Bremen hat dem Unterlassungsantrag stattgegeben.
I. Anspruch auf Unterlassung aus § 8 I 1 UWG
Der K kann ein Anspruch auf Unterlassung aus § 8 I 1 UWG zustehen. Dazu wäre erforderlich, dass die B eine unzulässige geschäftliche Handlung vorgenommen hätte.
1. Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG
In Betracht kommt vorliegend ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG. Dann müsste die B vorliegend einer Vorschrift zuwider gehandelt haben, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
a)     § 308 Nr. 1 BGB
Als verletzte Norm kommt hier § 308 Nr. 1 BGB in Betracht.
Diese Vorschrift enthält Vorgaben für die Ausgestaltung wirksamer AGB. Grund für diese strikten Vorgaben, die gleichzeitig die Privatautonomie der Parteien beschränken, ist der Verbraucherschutz. Verbraucher ist gemäß § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zuzuordnen ist.
Der Verbraucher ist auch Marktteilnehmer gemäß § 8 I 1 UWG. Hätte die B vorliegend gegen § 308 Nr. 1 BGB verstoßen, so wäre darin auch ein Verstoß gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG zu sehen. Der Unterlassungsanspruch wäre dann gemäß § 8 I 1 UWG begründet, da die K als Wettbewerber der B auch befugt wäre, die Verletzung zu rügen.
Fraglich ist daher, ob ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB vorliegt.
aa) Vorliegen von AGB
Dann müsste es sich zunächst überhaupt um AGB handeln, die in den einzelnen Vertrag der B mit einem Verbraucher einbezogen würden.
AGB sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Vertragsschluss stellt, § 305 I 1 BGB. Vorliegend handelte es sich bei der Bestimmung der Lieferzeit um eine essentielle Angabe des Vertragsinhalts, wie das Gericht feststellte. Diese Regelung könnte nach §§ 133, 157 BGB nur so verstanden werden, dass der Leistungszeitpunkt verbindlich festgelegt werden soll. Keinesfalls handle es sich dabei um einen bloßen Hinweis oder eine Werbeaussage. Das ergebe sich bereits aus dem unmittelbaren Kontext der Regelung, da in diesem auch Angaben zu Garantie, Rücknahme- und Versandkosten enthalten seien.
Es handelt sich daher vorliegend um AGB.
bb) Einbeziehung in den Vertrag
Diese würden aufgrund unmittelbarer Kenntnisnahmemöglichkeit durch den vertragsschließenden Verbraucher auch Vertragsbestandteil gemäß § 305 II BGB.
Die Klausel ist auch nicht überraschend, § 305 c I BGB. Auch lag in diesem Fall keine vorrangige Individualabrede vor, § 305 b BGB.
cc) Inhaltskontrolle
Die Bestimmung der Leistungszeit mit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ weicht auch von der gesetzlichen Regelung ab, wie § 307 III 1 BGB fordert. Gemäß § 271 BGB ist die Leistung im Zweifel sofort fällig,
Damit kann die Bestimmung einer Inhaltskontrolle unterzogen werden.
Zu prüfen ist, ob gegen Klauselverbote verstoßen worden ist.
Das Vorliegen eines Klauselverbotes ohne Wertungsmöglichkeit nach § 309 BGB ist nicht ersichtlich.
In Betracht kommt aber ein Klauselverbot mit Wertungsmöglichkeit nach § 308 Nr. 1 BGB. Dann müsste vom Verwender vorliegend eine Bestimmung getroffen worden sein, durch die er sich unangemessen lange oder nicht hinreichend bestimmte Fristen für Annahme oder Ablehnung eines Angebots oder die Erbringung einer Leistung vorbehält. Vorliegend kommt eine nicht hinreichende Bestimmung der Leistungszeit in Betracht. Dazu führt das Gericht aus, dass durch die Verwendung des Begriffs „voraussichtlich“ eine zu starke Subjektivierung der Leistungszeit eintritt. Dies hätte für den Verbraucher zur Folge, dass es ihm nicht möglich sei, mit hinreichender Sicherheit den Fälligkeitszeitpunkt für die Leistung zu bestimmen. Das wiederum führe dazu, dass er außerstande gesetzt werde, festzustellen, wann er seine Rechte insbesondere aus §§ 281, 323, 280 I, II, 286 geltend machen kann. Mangels Definition von Ausnahmefällen sei die Leistungszeit im Einzelfall völlig undurchsichtig und damit unangemessen.
Das Gericht nimmt auch Bezug auf die Rechtsprechung zur Angabe der Lieferfrist mit „in der Regel“. Mit gleicher Begründung wurde hier eine hinreichende Bestimmbarkeit der Leistungsfrist abgelehnt.
Anders soll es jedoch liegen, werde die Lieferfrist mit „ca. 3 Tage“ angegeben. Durch Bezugnahme auf ein hierzu ergangenes Urteil wird diese Rechtsprechung erneut vom OLG bestätigt. Die Differenzierung wird damit begründet, dass sich bei dieser Formulierung die Lieferzeit nach dem Verständnis des Kunden hinreichend zuverlässig eingrenzen lasse. Der Leistungszeitpunkt sei hierdurch im Wesentlichen festgelegt, auch wenn er im Einzelfall Schwankungen unterliegen könne. Dieses Maß an Relativierung sei aber im Gegensatz zu derjenigen, die mit Gebrauch des Begriffs „voraussichtlich“ einhergehe, noch hinnehmbar.
Nach Ansicht des Gerichts nicht wegen fehlender Bestimmtheit unzulässig ist der Begriff „Versanddauer“. Unter diesem habe der verständige Verbraucher nicht lediglich die Postlaufzeit, sondern den gesamten Vorgang bis zur Auslieferung der Ware zu verstehen. Damit umfasse dieser Begriff Verpackung, Auslieferung und Postversand.
Die Verwendung des Begriffs „voraussichtlich“ ist folglich zu unbestimmt gemäß § 308 Nr. 10 BGB. Die Klausel ist somit unwirksam.
Durch Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB liegt auch eine unlautere geschäftliche Handlung nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG vor.
b) Verstoß gegen Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB wegen fehlender Widerrufsbelehrung
Des Weiteren stellt das Gericht fest, dass keine hinreichende Information des Verbrauchers über ein bestehendes Widerrufsrecht vorläge. Während die Tatsache allein, dass dieses nicht als Widerrufsbelehrung sondern als Umtausch und Rückgabe deklariert wurde, noch nicht zwangsläufig zum Fehlen einer Widerrufsbelehrung führe, wäre ein solches Fehlen wegen Verstoßes gegen Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB aber darin zu sehen, dass der Verbraucher zum unteren Ende der Angebotsseite herunterscrollen müsste, um auf den Hinweis zu stoßen. Der durchschnittliche Kunde werde im Regelfall keine Veranlassung sehen dies zu tun, wenn bereits im oberen Bereich der Angebotsseite alle für die Kaufentscheidung wesentlichen Informationen verfügbar seien.
2. Zwischenergebnis
Durch Verstoß sowohl gegen § 308 Nr. 1 BGB als auch gegen Art. 246 § 1 Nr. 10 EGBGB liegt auch eine unlautere geschäftliche Handlung nach §§ 3, 4 Nr. 11 UWG vor.
II. Endergebnis
Ergebnis ist damit, dass der Unterlassungsanspruch gemäß § 8 I 1 UWG begründet ist. Der Klage war somit stattzugeben.
Stellungnahme:
Der Einschätzung des OLG Bremen zur fehlenden hinreichenden Bestimmbarkeit der Angabe „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ ist meines Erachtens zuzustimmen. Darin liegt eine vollkommen undurchsichtige Lieferzeitbestimmung, da für den Verbraucher nicht ersichtlich wird, nach welchen Kriterien sich eine eventuelle Abweichung richten soll. Die dadurch getroffene Relativierung ist unangemessen im Sinne des § 308 Nr. 1 BGB.
Nicht einleuchtend erscheint zunächst jedoch die Begründung, mit der im Falle der Lieferzeitbestimmung mit „ca. 3 Tage“ eine hinreichende Bestimmbarkeit erneut bestätigt wird. „Ca.“ bedeutet nichts anderes als „ungefähr“. Eine ungefähre Lieferzeit von 3 Tagen liegt aber auch bei einer voraussichtlichen Lieferzeit von 3 Tagen vor. In beiden Fällen werden Ausnahmefälle nicht definiert und sind für den Verbraucher daher intransparent.
Zu bedenken ist jedoch, dass gerade im Online-Handel eine klare Angabe zur Lieferzeit nicht immer realisierbar ist. Es sind diverse Umstände denkbar, die gerade im Rahmen eines solchen Fernabsatzgeschäfts zu unkalkulierbaren Verzögerungen führen können. Die „Stationen“, die die Ware durchlaufen muss, um letztlich beim Verbraucher einzugehen, sind ungleich vielfältiger als bei stationären Kaufgeschäften. Würde man dem Betreiber eines Online-Shops auferlegen, eine exakte Leistungszeit anzugeben, so stellte dies wiederum eine unzumutbare Beeinträchtigung seiner Interessen durch den unmittelbaren Eintritt diverser Rechtsfolgen bei Überschreiten dieser Leistungszeit dar, was – wie gesehen – aufgrund verschiedener Faktoren der Fall sein könnte.
Es erscheint daher durchaus legitim, dem Unternehmer hier einen gewissen Spielraum einräumen zu wollen. Der Ansatz des Gerichts ist daher nachvollziehbar, wenn auch meiner Ansicht nach mangels genauerer Begründung der Differenzierung zwischen den Begrifflichkeiten missglückt. Das Argument eines geringeren Subjektivierungsgrades wegen Differenzierungen im allgemeinen Sprachgebrauch ist jedenfalls – wie aufgezeigt –  nicht tragend.
Gastautorin: Maria Lohse, Jurastudium an der Universität Hamburg und der Karlsuniversität Prag, 1. Staatsexamen 2012,  im Moment als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Hogan Lovells in Hamburg tätig, außerdem AG-Leiterin (Schuldrecht BT II) an der Universität Hamburg, ab Dezember 2012 Referendarin in Hamburg

03.12.2012/2 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2012-12-03 09:00:082012-12-03 09:00:08OLG Bremen: Angabe der Lieferfrist mit „Voraussichtliche Versanddauer: 1-3 Werktage“ stellt Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB dar
Dr. Deniz Nikolaus

Falschmeldung auf Facebook

Startseite, Tagesgeschehen

In den letzten zwei Tagen verbreitete sich eine Falschmeldung über die Pinnwände des sozialen Netzwerks Facebook. Nutzer teilten (englisch: share) auf ihrem Profil einen vermeintlichen Widerspruch gegen neue AGB von Facebook, welche angeblich die kommerzielle Nutzung der eigenen Daten vorsehen. Der Widerspruch lautet (verkürzt) wie folgt:

Aufgrund der neuen AGB in Facebook widerspreche ich hiermit der kommerziellen Nutzung meiner persönlichen Daten (Texte, Fotos, persönliche Bilder, persönliche Daten) gemäß BDSG. Das Copyright meiner Profilbilder liegt ausschließlich bei mir. Die kommerzielle Nutzung bedarf meiner schriftlichen Zustimmung!
Because of the new terms of Use on Facebook I disagree with this, the commercial use of my personal information (text, photos, personal images, personal data) according to BDSG. The copyright of my profile images belongs exclusively to me. The commercial use requires my written permission!

Dieser Widerspruch suggeriert, dass Facebook neue AGB eingeführt habe und nunmehr Nutzerdaten der kommerziellen Verwendung durch Facebook unterlägen. Jedoch besteht kein Grund zur Panik. Weder hat Facebook neue AGB beschlossen, noch werden Nutzerdaten und Eintragungen kommerziell genutzt.
Keine neuen AGB
Facebook hat in letzter Zeit keine Änderung seiner AGB vorgenommen. Die letzte Änderung wurde am 8. Juni 2012 durchgeführt. Hier hatten die Nutzer die Möglichkeit mit abzustimmen. Mit einer Beteiligung von nur 0,04 Prozent war das Ergebnis freilich ernüchternd. Aus diesem Grund hat Facebook jüngst angedeutet, ihre Nutzerrichtlinien hinsichtlich des Datenschutzrechtes insoweit zu ändert, als die Möglichkeit der Mitabstimmung der Nutzer in Zukunft abgeschafft werde (siehe hierzu: http://newsroom.fb.com/News/535/Proposed-Updates-to-our-Governing-Documents).
[Es sei kurz darauf hingewiesen, dass AGB, die bereits wirksam in einen Vertrag einbezogen wurden, grundsätzlich nachträglich geändert werden können. Die Änderungen müssen den Anforderungen des § 305 Abs 2 BGB genügen. Oftmals sind Änderungsvorbehalte in den AGB selbst vorgesehen. Liegt ein Änderungsvorbehalt vor, so kann das notwendige Einverständnis des Kunden mit der Geltung der geänderten AGB durch eine Erklärungsfiktion – welche den Anforderungen des § 308 Nr. 5 BGB entspricht – ersetzt werden.]
Urheberrechte bleiben bei den Nutzern
Das Urheberrecht für selbst erstellte Inhalte bleibt (weiterhin) ausschließlich beim Nutzer der Seite. In den Facebook-Nutzungsbedingungen (http://www.facebook.com/legal/terms) heißt es dazu: „Du bist Eigentümer aller Inhalte und Informationen, die du auf Facebook postest. Zudem kannst du mithilfe deiner Privatsphäre- und Anwendungseinstellungen kontrollieren, wie diese ausgetauscht werden.“ Der Nutzer selbst entscheidet also durch das Posting-Verhalten, wer die Fotos zu Gesicht bekommt. Allerdings sichert sich Facebook die Rechte an den hochgeladenen Bildern und Videos, um diese überall darstellen zu dürfen (z.B. auf dem PC, iPhone oder bei Freunden). Dieses Sicherungsrecht, sog. IP License, endet dann, wenn Fotos oder Videos gelöscht werden oder der Nutzer aus Facebook austritt, solange der Inhalt nicht von anderen Nutzern geteilt wird und diese ihn nicht gelöscht haben.
Ohne exklusive Urheberrechte darf Facebook die persönlichen Daten auch nicht an Werbekunden unentgeltlich oder entgeltlich weitergeben.
Widerspruch auf Pinnwand ohne rechtliche Wirkung
Zu klären bleibt noch die Frage, ob es rechtlich überhaupt möglich wäre, durch einen geposteten Text den AGB der Plattform zu widersprechen. In einem Artikel vom Gründer von allfacebook.de (deutschsprachiger Blog im Bereich Facebook Marketing & Werbung) wird hierzu unter http://allfacebook.de/beyond/scam/hoax-der-kommerziellen-nutzung-der-personlichen-daten-gemas-bdsg-widersprechen-ist-naturlich-quatsch/ ausgeführt:

Es ist irrwitzig zu glauben, dass das Posten einer solchen Meldung auch nur irgendeine Auswirkung darauf hat, was Facebook – oder andere – mit den eigenen Daten tun können. Nutzer können die Nutzungsbedingungen und andere Regeln auf Facebook nicht durch das Posten solcher Texte verändern.[…]
Auf Facebook gilt, was in deren AGB steht. Persönliche Änderungen daran sind nicht möglich: https://www.facebook.com/policies

Diese Aussage entspricht so nicht der vollen juristischen Wahrheit. Es wäre fatal, wenn Internetplattformen einseitig die AGB stellen und verändern könnten und die Nutzer diesen nicht widersprechen könnten. Wie oben ausgeführt, hat der Nutzer in der Regel ein Widerspruchsrecht bei nachträglichen Änderungen von AGB. Insbesondere bei Änderungen, wonach private Daten und Bilder veröffentlicht oder weitergegeben werden können, entspringt das Widerspruchsrecht dem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.
Der Widerspruch muss dem Vertragspartner aber wirksam gem. § 130 BGB zugehen. Der Begriff des Zugangs setzt voraus, dass die Erklärung dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass es nur noch an ihm liegt, von ihr Kenntnis zu nehmen und mit seiner Kenntnisnahme unter normalen Umständen gerechnet werden kann. Genau hieran scheitert es aber bei den in Rede stehenden Widerspruchserklärungen. Unter gewöhnlichen Umständen kann nicht damit gerechnet werden, dass die Mitarbeiter von Facebook Millionen von Pinnwandeinträgen lesen und die Erklärungen registrieren. Die so erstellten Widerspruchserklärungen bleiben folglich ohne rechtliche Konsequenzen.
Damit ein Widerspruch wirksam ist, sollte er auch bei Internetdiensten klassisch per Post erfolgen, eine förmliche E-Mail reicht im Zweifel nicht. Facebook muss den Widerspruch aber nicht akzeptieren. Vielmehr kann der Nutzer einfach durch Löschung des Accounts ausgeschlossen werden.
Was kann man durch den Widerspruch verändern?
Trotz fehlender rechtlicher Konsequenzen sollte man sich vor Augen halten, dass jeder Protest etwas bewirken kann. „HOAX“ (englisch:  Falschmeldung) oder nicht, jede Diskussion ist grundsätzlich dazu geeignet, die Nutzer und Betreiber von Facebook zu sensibilisieren und auf die Gefahren der Plattform  aufmerksam zu machen. Immerhin lässt es sich als politisches Statement für mehr Datenschutz lesen.
Wer sich weiterhin unsicher ist, was mit den eigenen Daten bei Facebook geschieht, sollte streng die Privateinstellung überprüfen oder private Informationen schlichtweg nicht veröffentlichen… Und einmal Hand aufs Herz, schließlich ist eine aufgedrängte Bereicherung ja auch nicht schutzwürdig.

27.11.2012/1 Kommentar/von Dr. Deniz Nikolaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Deniz Nikolaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Deniz Nikolaus2012-11-27 22:04:372012-11-27 22:04:37Falschmeldung auf Facebook
Dr. Christoph Werkmeister

OLG Hamm: Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln im Verbrauchsgüterkauf

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Zivilrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamm entschied vor Kurzem mit Urteil vom 24.05.2012 (Az. I-4 U 48/12) über die Wirksamkeit einer Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). In der Sache ging es um die vertraglich auferlegte Pflicht zur schriftlichen Rüge von offensichtlichen Mängeln innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach der Übergabe des Kaufgegenstandes – und dies obwohl es sich bei den infrage stehenden Kaufverträgen um Verbrauchsgüterkäufe i.S.d. § 475 BGB handelte.
Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit
Das OLG räumte zunächst ein, dass eine derartige Klausel nicht unter § 309 Nr. 8 b) ee) BGB falle. Klauseln sind nach dieser Vorschrift im Grundsatz immer nur dann unwirksam, sofern der Verwender dem Vertragspartner wegen nicht offensichtlicher Mängel eine Ausschlussfrist setze.
Hier ging es allerdings streng genommen gar nicht um eine Ausschlussfrist, denn die Pflicht zur Mitteilung des offensichtlichen Mangels stand im vorliegenden Fall einfach als vertragliche Nebenpflicht im Raume, wobei die Verletzung dieser Pflicht nicht per se zum Ausschluss von Gewährleistungsrechten führte. Auch wenn die Klausel bei Nichteinhalten der Anzeigepflicht den Ausschluss der Gewährleistungsrechte vorsähe, ging es in der Sache auch nicht um eine Anzeigepflicht bei nicht offensichtlichen Mängeln, sondern gerade um das Gegenteil, nämlich eine Anzeigepflicht bei offensichtlichen Mängeln.
Unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 BGB
Angesichts der Tatsache, dass § 309 Nr. 8 b) ee) BGB bereits die Nichtigkeit bei Vorliegen einer Ausschlussfrist bei nicht offensichtlichen Mängeln vorsieht, könnte man im Umkehrschluss bei der nachfolgenden Prüfung von § 307 BGB anbringen, dass eine Klausel, die lediglich eine Prüfpflicht bei offensichtlichen Mängeln vorsieht, gerade keine unangemessene Beteiligung entgegen dem Grundsatz von Treu und Glauben darstellt. Dies sah das OLG Hamm auch so, so dass im Rahmen der allgemeinen Klauselkontrolle zu folgern sei, dass solche Ausschlussfristen bezogen auf offensichtliche Mängel im Allgemeinen nicht zu beanstanden seien.
Aus dem vorgenannten Umkehrschluss lasse sich laut dem OLG Hamm indes nicht schließen, dass auch beim Verbrauchsgüterkauf eine Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln zulässig sei. Angesichts der verbraucherschützenden Vorgaben der Bestimmungen der dem deutschen Kaufrecht zugrunde liegenden Verbrauchsgüterkaufrichtlinie müssten hier andere Maßstäbe gelten. Denn eine Rügepflicht, wie sie von der hier diskutierten Klausel vorgesehen ist, weiche zu Lasten des Verbrauchers vom Leitbild des Verbrauchsgüterkaufs ab und schränke die Mängelrechte damit zumindest faktisch unangemessen zum Nachteil des Verbrauchers ein. Durch die Klausel entstehe beim Verbraucher nämlich der Eindruck, dass er seine Gewährleistungsansprüche verliere, sofern er die Rügefrist versäume. Es wurde insofern die kundenfeindlichste Auslegung der Prüfpflichtklausel zugrunde gelegt.
Im Fall des Verbrauchsgüterkaufes dürfen nämlich weder unmittelbar noch durch Umgehungen im Sinne von § 475 Abs. 1 S.2 BGB von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen getroffen werden, die die Verbraucherrechte zur Gewährleistung oder zur Verjährung in Ansehung des § 437 BGB betreffen. Auch wenn aus einer Versäumung der Rügepflicht für offensichtliche Mängel mangels entsprechender Regelung nicht zwingend folgen möge, dass sich der Verbraucher nicht mehr auf das Bestehen von Gewährleistungsansprüchen wegen offensichtlicher Mängel berufen könnte, werden seine Verbraucherrechte jedenfalls mittelbar betroffen. Der Verwender spekuliere erkennbar darauf, dass der Käufer die Rügeobliegenheit möglicherweise nicht kennt und deshalb verspätet rügt.
Bereits der Fakt, dass die Ausübung der Mängelrechte des Käufers potentiell und ohne sachlichen Grund behindert wird, führt insofern bereits zur Nichtigkeit der Klausel nach § 307 BGB. Im Rahmen einer sehr guten Klausurbearbeitung sollten überdies noch weitere Argumentationsstränge aufgegriffen werden, um das Ergebnis noch weiter abzusichern. Gerade bei der wertenden Abwägung im Rahmen von § 307 BGB wird in Klausuren nämlich stets eine umfassende Auslegung und Diskussion erwartet, da diese Prüfung meist den Schwerpunkt und auch die maßgebliche Weichenstellung in einer Klausur darstellt.
Argumentation mit den Vorgaben zum Handelskauf
Ferner könnte man im Rahmen dieser Diskussion nämlich noch Parallelen zu der Obliegenheit der Mängelrüge nach § 377 HGB anbringen. Bei Handelskäufen muss der Käufer gemäß § 377 Abs. 1 HGB die Ware unverzüglich nach der Ablieferung durch den Verkäufer, soweit dies nach ordnungsmäßigem Geschäftsgang tunlich ist, untersuchen und, wenn sich ein Mangel zeigt, dem Verkäufer unverzüglich eine Anzeige des Mangels tätigen.
Wenn man sich nun vor Augen führt, dass die vorgenannte Klausel zum einen eine schriftliche Mängelanzeige vorsieht, wobei § 377 HGB, der nur für Kaufleute gilt, auch eine mündliche Anzeige erlaubt, wird die unangemessene Benachteiligung des Verbrauchsgüterkäufers noch klarer. Zudem sieht die infrage stehende Klausel eine Prüfpflicht von zwei Wochen vor, während die Formulierung des § 377 HGB offen formuliert ist und in Sonderfällen je nach Fallgestaltung durchaus eine längere Frist als zwei Wochen genügen lässt.
Angesichts der Tatsache, dass die Klausel keinen Ausschluss der Mängelrechte, sondern lediglich eine Prüfpflicht vorsieht, ließe sich zwar argumentieren, dass ausdrücklich keine dem § 377 HGB vergleichbare Sanktion vereinbart wurde. Ein solcher Eindruck könne nach Auffassung des OLG Hamm im Sinne der vorangegangenen Argumentation aber zumindest beim Verbraucher erweckt werden, weil ihm der Sinn einer sanktionslosen Rügefrist nicht einleuchten mag und weil sich der Verwender auf die fehlende Rüge berufen könnte.
Die hier diskutierte Klausel, die im Rahmen eines Verbrauchsgüterkaufs eingesetzt wurde, sieht insofern sogar teilweise strengere Vorgaben als § 377 HGB vor. Es erscheint indes unbillig, dem Verbrauchsgüterkäufer strengere Vorgaben als einem Kaufmann aufzuerlegen, so dass sich auch aus diesem Aspekt ein Verstoß gegen § 307 BGB ergibt.
Zum Aufbau
Anstelle einer Prüfung von § 307 BGB könnte auch direkt ein Verstoß gegen das Umgehungsverbot nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB oder sogar ein Verstoß gegen § 475 Abs. 1 S. 1 BGB geprüft werden. Zu beachten ist, dass das das Verbot nach § 475 Abs. 1 BGB auch dann gilt, wenn keine AGB vorliegen, sprich bei Individualvereinbarungen.
Vorliegend bietet sich allerdings eine Prüfung anhand der Maßgaben des AGB-Rechts eher an, da so zuerst § 309 BGB geprüft und verneint werden und sodann umfassend im Rahmen von § 307 BGB mit allen zur Verfügung stehenden Argumentationssträngen diskutiert werden kann. Ein derartiger Aufbau mag vielleicht übersehen, dass die Vorgaben in § 475 BGB als speziellere Regelungen der allgemeinen Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB vorgehen könnten, dass also eine AGB-Kontrolle bei einem Verstoß gegen § 475 Abs. 1 BGB bereits überflüssig ist (so etwa Lorenz, in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2012, § 475, Rn. 25). Andererseits erscheint es im gutachterlichen Aufbau nicht schädlich, zunächst die Nichtigkeit nach § 307 BGB festzustellen und sodann in einem „Überdies-Satz“ zu postulieren, dass sich entsprechend der zuvor geführten Diskussion im Übrigen ebenfalls die Nichtigkeit aus § 475 Abs. 1 S. 2 BGB ergibt, wobei diese sogar bei Vorliegen einer Individualvereinbarung gelten würde.

22.07.2012/3 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-07-22 10:02:162012-07-22 10:02:16OLG Hamm: Rügepflicht bei offensichtlichen Mängeln im Verbrauchsgüterkauf
Dr. Christoph Werkmeister

Schönheitsreparaturklauseln in Rechtsprechung und Examensklausuren

Mietrecht, Schon gelesen?, Verschiedenes, Zivilrecht

Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.

Der heutige Beitrag

“Schönheitsreparaturklauseln in Rechtsprechung und Examensklausuren” von Prof. Dr. Paul T. Schrader, LL.M.oec.

befasst sich mit dem äußerst examensrelevanten Thema der Schönheitsreparaturen im Mietrecht. Der BGH hat zu diesem This review recommended that the Council began a review of high school diploma organisation in Suffolk with a preferred option of a two- tier system of Primary and Secondary School education. Thema eine Vielzahl an Grundsatzentscheidungen erlassen, wobei für das Staatsexamen nicht nur Grundkenntnisse, sondern vertieftes Wissen erforderlich sind. Aus diesem Grund sei die Lektüre des Beitrags wärmsten empfohlen.

Den Beitrag findet ihr hier.

29.04.2012/2 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-04-29 16:39:362012-04-29 16:39:36Schönheitsreparaturklauseln in Rechtsprechung und Examensklausuren
Dr. Christoph Werkmeister

EuGH zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages bei AGB-Verstoß

AGB-Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der EuGH hat gestern einen examensrelevanten Fall zum AGB-Recht entschieden (Az. C-453/10). Der EuGH konnte zu dieser allgemeinen zivilrechtlichen Frage urteilen, da die Richtlinie 93/13 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. L 95, 29) die europarechtliche Vorgabe für das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen darstellt. Die Richtlinie sieht vor, dass missbräuchliche Klauseln in einem Vertrag, der zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden nach dessen Vorgaben geschlossen wurde, für den Verbraucher unverbindlich sind.
Sachverhalt

Frau P. und Herr P. nahmen bei der SOS financ, die kein Kreditinstitut ist, aber Verbraucherkreditverträge auf der Grundlage von Standardformularverträgen gewährt, einen Kredit in Höhe von 150.000 SKK (4.979 Euro) auf. Nach dem Kreditvertrag ist der Kredit in 32 Monatsraten von je 6.000 SKK (199 Euro) zuzüglich einer 33. Monatsrate in Höhe des bewilligten Kredits zurückzuzahlen. Die Kreditnehmer sind somit verpflichtet, einen Betrag von 342.000 SKK (11.352 Euro) zurückzuzahlen. Der effektive Jahreszins des Kredits, d.h. die Summe der mit ihm verbundenen und vom Verbraucher zu tragenden Kosten, wurde in diesem Vertrag mit 48,63% angesetzt, während er nach Berechnung des slowakischen Gerichts, das den EuGH befragt, in Wirklichkeit 58,76% beträgt.
Frau P. und Herr P. haben beim Okresný súd Prešov (Bezirksgericht Prešov, Slowakei) Klage auf Feststellung erhoben, dass ihr Kreditvertrag mehrere missbräuchliche Klauseln wie die ungenaue Angabe des effektiven Jahreszinses enthält; ferner beantragen sie, die Unwirksamkeit des gesamten Vertrags festzustellen. Das slowakische Gericht möchte vom EuGH wissen, ob die Richtlinie es ihm erlaubt, die Unwirksamkeit eines Verbrauchervertrags, der missbräuchliche Klauseln enthält, festzustellen, wenn eine solche Lösung für den Verbraucher günstiger wäre. Nach seinen Ausführungen müssten die betroffenen Verbraucher im Fall der Feststellung der Unwirksamkeit nämlich nur die Verzugszinsen in Höhe von 9% und nicht die gesamten Kosten des bewilligten Kredits zahlen, die viel höher seien als diese Zinsen.

Entscheidung des EuGH
Der EuGH entschied, dass die nationalen Rechtsvorschriften durchaus über die Richtlinie hinaus gehende Vorgaben vorsehen können, wenn dadurch ein besserer Schutz des Verbrauchers gewährleistet wird. Auch wenn die Richtlinie (insbesondere dessen Art. 6) grundsätzlich nur auf die Beseitigung missbräuchlicher Klauseln abziele, sei es den Mitgliedstaaten gestattet, ein höheres Verbraucherschutzniveau vorzusehen.
Eine solche Entscheidung ist in meinen Augen dogmatisch Folgerichtig. Bei der Klauselrichtlinie handelt es sich um einen europäischen Rechtsakt zum Zwecke einer sog. minimum harmonization. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Regelungen, sowie den Hinweisen in den Erwägungsgründen der Richtlinie. Das bedeutet, dass die Richtlinie nur einen Minimalstandard an Schutz oktroyiert. Die Mitgliedsstaaten sind gehalten, diesen Schutzstandard zu gewährleisten. Sie dürfen aber darüber hinaus auch überschießend umsetzen, also einen höheren Schutzstandard gewähren. Anderes gilt nur bei europäischen Rechtsakten, die zum Zwecke einer sog. exhaustive harmonization erlassen wurden. So soll etwa die Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (RL 2005/29/EG) einen umfassend harmonisierten Standard und gerade kein Minimum normieren.
In seinem Urteil weist der EuGH zunächst deshalb darauf hin, dass das Ziel der Richtlinie darin besteht, missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen zu beseitigen, und dabei – wenn möglich – die Wirksamkeit des Vertrags in seiner Gesamtheit aufrechtzuerhalten, nicht aber darin, sämtliche Verträge, die solche Klauseln enthalten, für nichtig zu erklären. Im deutschen Recht findet sich die hierzu korrelierende Vorschrift in § 306 Abs. 1 BGB. Hiernach wird die Vermutung des Rechtsgedankens des § 139 BGB umgekehrt. Sofern eine Klausel in AGB nichtig ist, ist grundsätzlich von der Wirksamkeit des übrigen Vertrages auszugehen.Wie bei den Slowaken bietet allerdings auch das deutsche Recht Abweichungen von diesem Grundsatz:

  1. Zum einen ist anerkannt, dass die Regel des § 306 Abs. 1 BGB dann nicht gilt, wenn ohne die entsprechenden vorformulierten Klauseln gar kein Vertragsrest mehr übrig bliebe. In solch einem Fall ist bei Nichtigkeit nach AGB-Recht (§§ 305 ff. BGB) somit auch von der Gesamtnichtigkeit des Vertrages auszugehen. Dieses Ergebnis wird im Übrigen durch den Wortlaut von Art. 6 der Klauselrichtlinie gestützt, wo es heißt: „[…] die Mitgliedstaaten sehen vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann. […]“.
  2. Darüber hinaus bietet § 306 Abs. 3 BGB eine zusätzliche Ausnahme vom Grundsatz des Abs. 1. Dieser gilt nämlich für die Fälle, wenn das Festhalten an den Vertrag eine unzumutbare Härte für eine Vertragspartei darstellen würde.

Die Entscheidung bestätigt insofern also auch die Europarechtskonformität unserer nationalrechtlichen Regelungen. Die Examensrelevanz darf deshalb nicht unterschätzt werden. Auch in Klausuren kann die Problematik ohne weiteres eingebaut werden, sofern der einschlägige Richtlinientext den Prüflingen vorgelegt würde.

16.03.2012/0 Kommentare/von Dr. Christoph Werkmeister
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Christoph Werkmeister https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Christoph Werkmeister2012-03-16 09:37:552012-03-16 09:37:55EuGH zur Gesamtnichtigkeit eines Vertrages bei AGB-Verstoß
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