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Schlagwortarchiv für: Schadensersatz

Nicolas Hohn-Hein

BGH: Kosten der Parkraumüberwachung kein ersetzbarer Schaden nach Abschleppen

Rechtsprechung, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung des BGH (BGH Urteil v. 02.12.2011 – V ZR 30/11) geht es um die Frage, welche Kosten einer durch einen Privaten veranlassten Abschleppmaßnahme (hier: Supermarktparkplatz) vom Halter des abgeschleppten Fahrzeugs ersetzbar sind.
Sachverhalt (verkürzt)
F will ihr Auto parken. Da sie keinen andere Parkplatz findet und obwohl sie nicht in dem Supermarkt des S einkaufen will, parkt sie ihr Fahrzeug auf dessen Kundenparkplatz trotz des deutlich erkennbaren Hinweisschildes, dass unberechtigt parkende Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. S, der das Verhalten der F nicht billigt und seine Parkplätze für „zahlende Kunden“ freihalten will, hat einen Vertrag mit Dienstleister D, der nicht nur die Abschleppmaßnahmen durchführt, sondern auch einen Sonderservice „Rund um die Uhr“ bietet. Diesen Sonderservice berechnet D dem S pauschal anhand einer „Grundgebühr“. Diese Serviceleistungen umfassen zum einen vorbereitende Maßnahmen des Abschleppens, wie zum Beispiel Feststellung des Fahrzeugtyps und Anforderung eines geeigneten Abschleppfahrzeugs. Zum anderen wird die lückenlose Überwachung (z.B durch Kontrollgänge) des Parkraums gewährleistet.
Ein Teil der Vereinbarung ist zudem, dass S alle zukünftigen Ansprüche gegen „Parksünder“ an D abtritt.
D bemerkt das unberechtigt parkende Fahrzeug der F und verbringt es auf öffentlichen Parkgrund. D, der nunmehr Inhaber etwaiger Schadensersatzansprüche des S ist, verlangt von F 300 Euro für die entstandenen Kosten (Versetzen des Pkw: 200 Euro; Feststellung des Fahrzeugs: 50 Euro; Überwachung des Parkplatzes: 50 Euro). F verweigert die Zahlung. D weigert sich im Gegenzug, der F den Standort des Fahrzeugs mitzuteilen, sodass die F ihr Fahrzeug für eine gewisse Zeit nicht nutzen kann.
F verlangt Nutzungsentschädigung von S hinsichtlich ihres Fahrzeugs. Zu Recht?
Anmerkung: In einer Klausur wäre, würde man den Fall dem Urteil nachbilden, die Problematik etwas „versteckt“, nämlich bei der Frage nach einem etwaigen Zurückbehaltungsrecht der D, das den Anspruch der F auf Nutzungsentschädigung mangels Verzugs nicht zur Entstehung gelangen lassen könnte. Eine Nutzungsentschädigung kann nur derjenige verlangen, dem unberechtigt ein Nutzungsrecht vorenthalten worden ist. Im Rahmen des Zurückbehaltungsrechts ist dann der – abgetretene! – Schadensersatzanspruch des D (zediert von S) nach § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 858 Abs.1 BGB zu prüfen und insbesondere auf den ersetzbaren Schaden einzugehen. Zur Rechtmäßigkeit solcher Abschleppmaßnahmen von Supermarktparkplätzen:

Wie der Senat bereits entschieden hat, stellt das unbefugte Abstellen eines Fahrzeugs auf einem privaten Kundenparkplatz eine verbotene Eigenmacht im Sinne des § 858 Abs. 1 BGB dar, der sich der unmittelbare Grundstücksbesitzer erwehren darf, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt (Senat, Urteil vom 5. Juni 2009 – V ZR 144/08, BGHZ 181, 233 ff.). Die Klägerin ist daher verpflichtet, dem Betreiber des Supermarkts den ihm aus der verbotenen Eigenmacht entstandenen Schaden zu ersetzen.

Beseitigung der Folgen verbotener Eigenmacht richtet sich nach § 249 Abs. 1 BGB

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bemisst sich der Umfang des zu ersetzenden Schadens allerdings nicht nach § 249 Abs. 2 BGB, sondern nach § 249 Abs. 1 BGB. Denn es geht hier nicht um die Beschädigung einer Sache, sondern um die Beseitigung der Folgen einer verbotenen Eigenmacht. Ersatzfähig sind solche Schäden, die in adäquatem Zusammenhang mit der von der Klägerin verübten verbotenen Eigenmacht stehen und vom Schutzbereich der verletzten Norm erfasst werden.

Kosten der „reinen“ Abschleppmaßnahme sind ersetzbarer Schaden
Bei der Frage, welche Kosten jeweils zu ersetzen sind, muss nach dem jeweiligen Zweck genau differenziert werden. In der Klausur wären – wie auch hier – die Kosten im Sachverhalt einzeln aufgeschlüsselt. Wer diesen Hinweis des Klausurerstellers vernachlässigt, landet schnell im Abseits. Die Kosten der Abschleppmaßnahme an sich dürften gedanklich aber kein größeres Problem darstellen, da es sich insoweit um den „Standardfall“ ersetzbarer Kosten handelt.

Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht den auf das reine Abschleppen (ohne Grundgebühr) anfallenden Anteil dem Grunde nach als einen erstattungsfähigen Schaden des Supermarktbetreibers angesehen. Dass unbefugt auf dem Grundstück des Supermarktbetreibers abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden, stellt keine überraschende oder fern liegende Reaktion des unmittelbaren Besitzers dar, sondern die Verwirklichung der deutlich sichtbaren Ankündigung auf dem aufgestellten Schild. Diese Schadensfolge liegt auch im Schutzbereich der verletzten Norm. Indem das Gesetz dem unmittelbaren Besitzer als spontane Reaktion auf eine verbotene Eigenmacht das Selbsthilferecht (§ 859 BGB) zubilligt, dessen Ausübung mit Kosten verbunden sein kann, stellt es selbst den notwendigen Zusammenhang zwischen der Verletzung des Schutzgesetzes (§ 858 Abs. 1 BGB) und der Schadensfolge her.

Vorbereitung des Abschleppens ist adäquat kausaler Schaden
Anders dagegen sieht es bei den sonstigen Kosten aus. Hier sollte man nah am konkreten Fall bleiben und die (haftungsausfüllende) Kausalität zwischen Rechtsgutverletzung (Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht) und den entstandenen sonstigen Kosten genau herausarbeiten. Wer sich hier an die gängigen Regeln zur Kausalität hält und auch lebensnah argumentiert, wird den Unterschied zwischen den Vorbereitungshandlungen für das Abschleppen und der Parkraumüberwachung durch D erkennen.

Der Einwand der Revision, die Vorbereitungskosten seien deshalb nicht erstattungsfähig, weil sie den Rahmen der von einem privaten Geschädigten üblicher- und typischerweise für die Durchsetzung des Anspruchs zu erbringende Mühewaltung nicht überschritten, greift nicht durch. Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in der Regel kein Ersatz für den Zeitaufwand verlangt werden, wenn die Zeit zur Schadensermittlung und zur außergerichtlichen Abwicklung des Schadensersatzanspruchs angefallen ist und der im Einzelfall erforderliche Zeitaufwand nicht die von einem privaten Geschädigten typischerweise zu erbringende Mühewaltung überschreitet. Um einen derartigen Aufwand geht es jedoch bei der Vorbereitung des konkreten Abschleppvorgangs nicht. Auch insoweit dient die Tätigkeit nicht der Abwicklung oder Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs des Grundstücksbesitzers, sondern unmittelbar der Beseitigung der durch die verbotene Eigenmacht hervorgerufenen konkreten Störung. Sie ist Teil des ausgeübten Selbsthilferechts gemäß § 859 BGB.

Parkraumüberwachung ohne Bezug zu konkreter Besitzstörung
Wer in seiner Lösung gute Vorarbeit geleistet hat, wird zu der Feststellung kommen, dass,

[d]er hierauf entfallende Kostenanteil der Grundgebühr […] von der Klägerin nicht zu ersetzen [ist]. Denn Kosten, die nicht der Beseitigung der Besitzstörung dienen, sondern im Zusammenhang mit deren Feststellung angefallen sind, wie etwa die Kosten einer Parkraumüberwachung durch regelmäßige Kontrollgänge, zählen nicht zu dem adäquat verursachten und damit erstattungsfähigen Schaden. Solchen allgemeinen Überwachungsmaßnahmen fehlt der Bezug zur konkreten Besitzstörung, da sie nicht entfallen, wenn die schädigende Handlung hinweggedacht wird; sie entstehen unabhängig von dem konkreten schadensstiftendenden Ereignis. Vorkehrungen zur Überwachung des Parkplatzes sind daher im Verhältnis zum Schädiger der Sphäre des Grundstücksbesitzers zuzurechnen.

Fazit
Also wie folgt vorgehen: Nutzungsentschädigung der F prüfen und bei der Frage nach dem Verzug das ZBR der D gemäß § 273 BGB untersuchen. Im Rahmen hiervon sodann ihren von S abgetretenen Schadensersatzanspruch ansprechen und auf die genannte Problematik eingehen.

20.01.2012/2 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-01-20 10:35:112012-01-20 10:35:11BGH: Kosten der Parkraumüberwachung kein ersetzbarer Schaden nach Abschleppen
Dr. Gerrit Forst

BGH: Schadensersatzpflicht einer Spielbank gegenüber Spielsüchtigem

BGB AT, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Referendariat, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Der BGH äußert sich in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 20.10.2011 – III ZR 251/10) zu den vertraglichen Pflichten einer Spielbank gegenüber einem spielsüchtigen Kunden aus einem Spielsperrvertrag. Die Entscheidung knüpft an BGH, Urt. v. 15.12.2005 – III ZR 65/05, BGHZ 165, 276 und an BGH, Urt. v. 22.11.2007 – III ZR 9/07, BGHZ 174, 255 an.
I. Sachverhalt
Der Kunde und späterer Drittwiderbeklagte hatte bei der Spielbank selber schriftlich eine Spielsperre für sieben Jahre beantragt, die ihm die Spielbank schriftlich bestätigte. Zwei Jahre später beantragte er per E-Mail eine Aufhebung der Spielsperre. Diese nahm die Spielbank vor, ohne zu prüfen, ob der Spieler von seiner Spielsucht geheilt war. Der Spieler verspielte daraufhin nach den Behauptungen der Klägerin und Widerbeklagten – der Ehefrau des Spielers – mehr als 240.000 Euro bei der Spielbank. Diesen Betrag verlangte die Klägerin aus abgetretenem Recht von der Spielbank als Schadensersatz aus dem Spielsperrvertrag.
Das LG und das OLG wiesen die Klage als unbegründet, die Drittwiderklage als unzulässig ab. Der Widerklage, mit der die Spielbank die Feststellung begehrte, dass gegen sie keine über die Klageforderung hinausgehenden Ansprüche bestanden, wurde stattgegeben. Zur Begründung führte das OLG aus, dass es einer ergänzenden Vertragsauslegung bedürfe, um festzustellen, ob die Aufhebung der Sperre pflichtwidrig war. Dabei könne als Entscheidungshilfe auf öffentlich-rechtliche Vorschriften zurückgegriffen werden. Nach den hier maßgeblichen landesrechtlichen Vorschriften konnte eine einseitig verhängte Spielsperre nach einem Jahr auf schriftlichen Antrag des Spielers aufgehoben werden. Das OLG orientierte sich daran und kam zu dem Schluss, dass es mit der Privatautonomie der Spielbank unvereinbar sei, eine weitergehende Prüfungsobliegenheit in den Sperrvertrag hineinzulesen.
II. Entscheidung
Der III. Senat gibt der Revision statt. Zunächst bestätigt er seine Rechtsprechung, wonach die geschlossenen Spielverträge wirksam sind (Rn. 9). Die Aufhebung der Spielsperre ohne Prüfung der Spielsucht stelle aber eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 Abs. 1 BGB dar. Auf öffentlich-rechtliche Vorschriften komme es insoweit nicht an, weil diese nichts über die zivilrechtlichen Folgen eines Sperrvertrages besagten. Außerdem habe der Spieler selbst eine Sperre für sieben Jahre beantragt.  Schließlich forderten auch die öffentlich-rechtlichen Vorschriften nicht, dass der Sperre stets und ohne Prüfung der Spielsucht stattgegeben werde (Rn. 13). Vielmehr sei  dem Umstand Rechnung zu tragen, dass der Spieler sich aufgrund seiner Sucht in einer Zwangslage befinde und deshalb eher des Schutzes der Rechtsordnung bedürfe. Dass der Spielbank damit eine Prüfungsobliegenheit auferlegt werde, sei dieser zuzumuten, weil sie sich vertraglich zu einer Sperre von sieben Jahren verpflichtet habe und es sich bei dem Glücksspiel grundsätzlich um eine unerwünschte Tätigkeit handele, die nur deshalb unter staatlicher Aufsicht erlaubt werde, weil so das illegale Glücksspiel eingedämmt werden könne (Rn. 10).
III. Bewertung
1. Prozessrecht
Prozessual ist das Urteil unter zwei Gesichtspunkten von Interesse: Zum einen wegen der Widerklage, zum anderen wegen der Drittwiderklage. Die Widerklage (§ 33 ZPO) darf nicht denselben Streitgegenstand haben wie die Klage, weil dem dann die anderweitige Rechtshängigkeit nach  § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO entgegensteht. Derselbe Streitgegenstand ist aber auch dann gegeben, wenn der Widerkläger lediglich beantragt festzustellen, dass der Klageanspruch nicht besteht („negatorisches Gegenteil“). Indem die Beklagte beantragt festzustellen, dass keine weitergehenden Ansprüche bestehen, verschafft sie der Widerklage einen eigenständigen Streitgegenstand und macht diese zulässig.
Eine Drittwiderklage ist eine Widerklage, die gegen eine andere Partei als den Kläger erhoben wird. Das ist in Fällen wie dem vorliegenden sinnvoll, weil durch die Drittwiderklage der Dritte als Zeuge ausgeschaltet wird (um einen Zeugen zu gewinnen, erfolgte wohl auch die Abtretung der Forderung), denn eine Partei kann nicht als Zeuge vernommen werden, sondern allenfalls nach den §§ 445 ff. ZPO als Partei. Die Drittwiderklage ist nach h.M. zulässig, wenn sie nicht ausschließlich gegen den Dritten („isolierte Drittwiderklage“), sondern gegen diesen und gegen den Kläger erhoben wird („erweiternde Drittwiderklage“). Es müssen dann lediglich die Voraussetzungen der  §§ 59, 60 ZPO über die Streitgenossenschaft beachtet werden.  Warum LG und OLG die Drittwiderklage hier für unzulässig hielten, geht aus dem Urteil leider nicht hervor. Das Ziel, einen Zeugen auszuschalten, macht die Drittwiderklage jedenfalls nicht wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig, weil die Drittwiderklage dann lediglich das Gegenstück zu der Abtretung ist und für prozessuale Waffengleichheit sorgt (streitig).
2. Materielles Recht
Materiellrechtlich ist zunächst zu beachten, dass die von dem Drittwiderbeklagten geschlossenen Spielverträge nicht unwirksam sind. Das ist wichtig, weil dem Drittwiderbeklagten nur unter dieser Voraussetzung ein Schaden enstehen kann. Wären die Verträge unwirksam, hätte er einen Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB gegen die Spielbank, der einem Schaden entgegenstehen würde. Vor diesem Hintergrund muss der BGH sich der schwierigen Aufgabe stellen, die Grenzen der vertraglichen Pflichten der Spielbank festzulegen, wobei es sich wohl um eine Nebenpflicht handelt (§ 241 Abs. 2 BGB). „Die“ richtige Antwort gibt es dabei offensichtlich nicht, sondern es handelt sich letztlich um die rechtspolitische Frage, ob bzw. wie weit man Spielsüchtige besonders schützen will oder nicht. Zumindest für den vorliegenden Sachverhalt hat der BGH einen angemessenen Ausgleich der Interessen hergestellt, wobei der entscheidende Gesichtspunkt ist, dass es sich um eine vertragliche Sperre und nicht um eine einseitige Sperre der Spielbank handelte. Verpflichtet sich die Spielbank vertraglich, einen Spieler nicht zum Spiel zuzulassen, übernimmt sie für diesen Verantwortung und ist folglich weitergehenden Nebenpflichten unterworfen als bei einer einseitigen Sperre.
IV. Examensrelevanz
Die Entscheidung ist zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung vorgesehen. Sie kann im ersten Examen wegen der materiellrechtlichen Probleme (Vertragsschluss, (ergänzende) Vertragsauslegung, Schaden) ebenso abgefragt werden wie im zweiten Examen, wobei hier den prozessualen Problemen (Widerklage, Drittwiderklage) besondere Beachtung geschenkt werden sollte.

21.11.2011/6 Kommentare/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2011-11-21 13:09:202011-11-21 13:09:20BGH: Schadensersatzpflicht einer Spielbank gegenüber Spielsüchtigem
Dr. Gerrit Forst

OLG Frankfurt: Fluggastkontrolle haftet nicht für Verlust von Gegenständen

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Staatshaftung

Die FAZ berichtet heute von einem Urteil des OLG Frankfurt (Urt. v. 7.7.2011 – 1 U 260/10, juris), das sowohl für die mündliche Prüfung als auch die Klausuren im – Achtung – öffentlichen Recht von Bedeutung sein kann. Ein ordentliches Gericht im öffentlichen Recht kann nur eines bedeuten: Staatshaftung. Leider enthält das Urteil keinen Tatbestand (§ 540 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 313a Abs. 1  ZPO) und die erstinstanzliche Entscheidung ist nicht veröffentlich, aber grob war Folgendes passiert: Am Flughafen musste der Kläger seine Uhr an der Sicherheitskontrolle wegen des Metalldetektors ablegen. Nachdem der Kläger die Schleuse passiert hatte, war die Uhr nicht mehr in dem Transportbehälter (die großen grauen Kisten), in der er sie abgelegt hatte. Der Verbleib der Uhr konnte wohl nicht mehr aufgeklärt werden. Der Kläger begehrte jedenfalls Schadensersatz.
I. Rechtsweg
In der Klausur müsste man eventuell zunächst auf den Rechtsweg eingehen. Dieser hängt von den Anspruchsgrundlagen ab. In Betracht kamen hier Ansprüche aus den §§ 280 Abs. 1, 280 Abs. 3, 283 BGB i.V.m. einer öffentlichen Verwahrung (§ 688 BGB analog) sowie aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Für die öffentlich-rechtliche Verwahrung verweist § 40 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 VwGO auf den ordentlichen Rechtsweg. Entsprechendes folgt aus Art. 34 S. 3 GG für den Anspruch aus § 839 BGB.
II. Kein Anspruch aus öffentlicher Verwahrung
Ein Anspruch könnte sich hier aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung ergeben, obwohl die Sicherheitskontrollen in der Regel von privaten Unternehmen durchgeführt werden, weil diese nach § 5 Abs. 5 LuftSiG als Beliehene tätig werden. Ein Anspruch aus den §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB i.V.m. öffentlicher Verwahrung (§ 688 BGB analog) besteht nach Ansicht des Senats gleichwohl nicht (a.A. in einem ähnlichen Fall LG Frankfurt a.M., Urt. v. 1.4.2008 – 2-4 O 451/06, NJW 2008, 2273):

Ein solches öffentlich-rechtliches Verwahrverhältnis entsteht, wenn ein Verwaltungsträger durch eine öffentlich-rechtliche Maßnahme – Verwaltungsakt und Inbesitznahme oder bloße Inbesitznahme – eine Sache in Besitz nimmt. Erforderlich hierzu ist, dass der Verwaltungsträger mit Besitzbegründungswillen mit dem Zweck handelt, den einzelnen aus dessen bisheriger Obhutsstellung zu verdrängen; der Verwaltungsträger muss eine tatsächliche Lage schaffen, die den einzelnen von der Sorge für die Sache ausschließt (vgl. im Einzelnen OLG Saarbrücken, Urt. v. 18.06.2002, OLGR 2003, 39 [juris Rn. 18]; MünchKomm-BGB-Henssler, 5. Aufl. 2009, § 688 Rn. 60; Staudinger-Reuter, BGB, 2006, Vorbem. zu § 688 ff Rn. 48). Ob dies der Fall ist, bemisst sich nach der Verkehrsanschauung (vgl. zum Besitzbegründungswillen Staudinger-Bund, BGB, 2007, § 854 Rn. 5 f).
…Durch das Einlegen von Gegenständen in ein Behältnis, welches zwecks Kontrolle auf einem Förderband durch ein Durchleuchtungsgerät läuft, verliert der Passagier nicht den Besitz an den in das Behältnis eingelegten Gegenständen. Denn nach der Verkehrsanschauung haben die vor Ort tätigen Luftsicherheitsassistenten, welche für den beliehenen Unternehmer die Aufgaben des Luftsicherheitsgesetzes tatsächlich erfüllen, weder für sich selbst noch für den beliehenen Unternehmer noch für die Beklagte in irgendeiner Form einen Besitzbegründungswillen. Zwar ist dem beliehenen Unternehmer die rechtliche Befugnis eingeräumt, die vom Passagier mitgeführten Gegenstände gemäß dem Luftsicherheitsgesetz zu kontrollieren. Die Einräumung einer solchen Befugnis reicht aber nicht für die Annahme aus, es werde bei der Kontrolle Besitz begründet. Das Luftsicherheitsgesetz gewährt lediglich für einen sehr kurzen Zeitraum ein Verfügungsrecht, soweit dies zur Durchführung der Kontrolle erforderlich ist. Dies reicht aber für eine Besitzbegründung nicht aus. Denn dadurch, dass der Passagier die zu kontrollierenden Gegenstände in ein Behältnis zwecks Durchführung der Kontrolle ablegt, wird die ihm zukommende, nach außen erkennbare tatsächliche Sachherrschaft nicht entzogen; er wird nicht aus seiner Obhutsstellung verdrängt. Vielmehr wird die Ausübung des uneingeschränkten Besitzrechts allenfalls in vorübergehender Weise beeinträchtigt, nämlich für Kontrollzwecke gleichsam überlagert; eine solche, vorübergehende Verhinderung der Ausübung der tatsächlichen Gewalt hat aber gemäß § 856 Abs. 2 BGB keine Beendigung des Besitzes zur Folge. Dabei ist in tatsächlicher Hinsicht zugrunde zu legen, dass die tatsächliche Sachherrschaft des Passagiers nur für einen äußerst kurzen Zeitraum in Frage gestellt ist, nämlich für die Zeit, in welcher das Behältnis das Durchleuchtungsgerät durchläuft, und für allenfalls wenige Sekunden danach, bis der den Bildschirm des Durchleuchtungsgeräts beobachtende Luftsicherheitsassistent zu erkennen gibt, dass zu einer genaueren physischen Nachkontrolle der durchleuchteten Gegenstände keine Veranlassung besteht. Solange das vom Passagier bestückte Behältnis auf dem Förderband sich noch vor dem Durchleuchtungsgerät befindet, verbleibt die tatsächliche Sachherrschaft im Sinne jederzeitiger Zugriffsmöglichkeit bei ihm dauert fort, sobald die technische Durchführung der Kontrolle abgeschlossen ist; er wird gerade nicht aus der Wahrung der Obhut für die von ihm abgelegten Gegenstände verdrängt.

Muss man dieser Argumentation folgen? Eher nicht: Der Passagier hat während der Durchleuchtung keine Möglichkeit des Zugriffs auf seine Sachen, weil sich diese in dem Röntgengerät befinden. In der Regel hat er auch nach der Durchleuchtung nicht sofort Zugriff darauf, weil er sich noch in der Sicherheitsschleuse (Metalldetektor) befindet. Gleichzeitig gelangen die Sachen über das Förderband in den hinteren Bereich des Förderbandes. Dort kann sie jeder andere Fluggast an sich nehmen. Nach meiner Erfahrung achtet das Sicherheitspersonal nämlich nicht darauf, wem welche Sachen gehören und ob diese an den Eigentümer/Besitzer zurückgelangen. Zugegebenermaßen fehlt es an den Sicherheitsschleusen für diese Aufgabe auch an Personal. Das kann aber m.E. nicht zu Lasten der Fluggäste gehen.
III. Kein Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG
Auch dies sieht der Senat allerdings anders, so dass er auch einen Anspruch aus § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen einer Verletzung von Verkehrssicherungspflichten ablehnt:

Nach Einschätzung des Senats genügt das hier praktizierte Verfahren diesen Anforderungen. Dabei ist einerseits in Rechnung zu stellen, dass es sich um ein „Massenverfahren“ handelt, welches im Interesse der Luftsicherheit unumgänglich ist. Andererseits kann jeder Passagier es für den Regelfall in seinem Interesse selbst steuern, dass der Vorgang der Durchleuchtung der von ihm abgelegten Gegenstände und das Durchschreiten der elektronischen „Schleuse“ zur Körperkontrolle zeitlich parallel läuft, er also das Behältnis mit den von ihm abgelegten Gegenständen möglichst im Auge behält.

Auch dem kann ich mich nicht anschließen: Die Sicherheitskontrollen an unseren Flughäfen sind seit dem 11. September 2001 so massiv verschärft worden, dass  für den Fluggast keineswegs mehr zu steuern ist, was von ihm verlangt wird. An vielen Flughäfen stehen sogar Umkleidekabinen, in denen sich Fluggäste vor dem Sicherheitspersonal entblößen müssen. Wie ein Fluggast in Unterhose noch auf seine Autoschlüssel aufpassen soll, ist mir ein Rätsel. Der BGH wird sich dazu so schnell nicht äußern können, denn der Senat hat die Revision nicht zugelassen.
IV. Weitere Überlegungen (Ergänzung vom 23.9.2011 um 9:30 Uhr)
Der Senat gibt  obiter dictum zu erkennen, dass er in Konstellationen, in denen der Fluggastdurch intensive Kontrollen  am Zugriff auf seine Sachen gehindert wird, einen Schadensersatzanspruch nicht stets ausschließen möchte. Ich halte dies dogmatisch für heikel: Wenn keine öffentlich-rechtliche Verwahrung entsteht, ist zumindest für den Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 283 BGB egal, wie die Kontrolle konkret abläuft. Denn es fehlt dann bereits an einem Schuldverhältnis. Differenzierungsmöglichkeiten ergeben sich m.E. nur bei der Pflichtverletzung. Diese wird aber nur relevant, wenn man eine öffentliche Verwahrung bejaht.
Im Rahmen des § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG halte ich es auch für wenig konsequent, nur in den Fällen eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten anzunehmen, in denen die Kontrolle intensiver ausfällt. Entweder das derzeitige System ist – insgesamt – mit § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG vereinbar oder es leidet insgesamt an Fehlern. Hier noch im Einzelfall zu differenzieren, halte ich deshalb für schwierig, weil  auch für das Sicherheitspersonal nicht vorhersehbar ist, welcher Fluggast intensiver untersucht werden muss und welcher nicht. Der Vorwurf würde dann lauten, im konkreten Fall nicht in der gebotenen Weise von der Routine abgewichen zu sein. Dadurch wird die Systemverantwortung letztlich bei den Beschäftigten des Sicherheitsunternehmens abgeladen.
Schließlich könnte man dem Senat zugute halten, dass seine Lösung den haushaltspolitischen Vorteil hat, zusätzliche Kostenbelastungen von den öffentlichen Haushalten abzuwenden. Unabhängig davon, ob dies im Rahmen des § 839 BGB eine zulässige Erwägung ist, greift sie letztlich nicht durch: Die für die Fluggäste zwingenden Kontrollen finden nicht nur in ihrem Interesse statt, sondern auch im Interesse der Besatzung, der Fluggesellschaft (Eigentum) sowie der Bewohner der überflogenen Gebiete. Der Staat erhöht durch die Sicherheitskontrollen die Risiken für das Eigentum des Einzelnen im Allgemeininteresse. Wenn sich diese Risiken realisieren, sollte nicht der Einzelne hierfür aufkommen, sondern die Allgemeinheit. Der Staat kann die ihm entstehenden Kosten über Abgaben kollektivieren.
 

22.09.2011/1 Kommentar/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2011-09-22 22:06:482011-09-22 22:06:48OLG Frankfurt: Fluggastkontrolle haftet nicht für Verlust von Gegenständen
Dr. Stephan Pötters

Finanzmarktkrise: Müssen Sparkassen Schadensersatz wegen falscher Beratung über Lehman-Zertifikate zahlen?

Schuldrecht, Zivilrecht

Das OLG Hamburg verhandelt zurzeit als Berufungsinstanz über Entscheidungen des LG Hamburg, welches die Hamburger Sparkasse zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt hatte, da sie ihre Kunden nicht hinreichend über die mit dem Erwerb von Zertifikaten der Bank Lehman Brothers verbundenen Risiken informiert habe.
Aufgrund der Finanzmarktkrise und der Insolvenz der Bank Lehman Brothers haben die Kunden der Sparkasse keine Chance mehr, ihre Investitionen auch nur ansatzweise wieder zurück zu bekommen. Daher verklagten sie die Hamburger Sparkasse.
Argumente des LG Hamburg (Urteil vom 23.6.2009, 310 O 4/09)
Das LG Hamburg billigte den Klägern einen Schadensersatzanspruch zu und verpflichtete die Bank, 10.100,00 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des Lehman Brothers Zertifikats mit der ISIN zum Nennwert von 10.000,00 € zu zahlen. Der Anspruch wurde auf die zentrale Norm des Schuldrechts gestützt: § 280 Abs. 1 BGB. Die Bank habe ihre Aufklärungspflichten aus einem Beratungsvertrag verletzt. Ein solcher sei hier stillschweigend/konkludent geschlossen worden. Vom stillschweigenden Abschluss eines Beratungsvertrags sei nach dem LG Hamburg auszugehen, „wenn der Rat für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist, er ihn zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftsgeber über eine spezielle Sachkunde verfügt oder er ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt.“ Dies wurde hier bejaht.
Pflichtverletzung
Auch eine Pflichtverletzung durch fehlerhafte Beratung liege vor.
„Die Beklagte verstieß gegen ihre Verpflichtung, zur Vermeidung von Interessenkonflikten den Kläger im Rahmen ihrer Beratung von sich aus darauf hinzuweisen, dass sie wegen des Vertriebs des streitgegenständlichen Zertifikats im Wege von Festpreisgeschäften eine Gewinnmarge erzielt und insoweit auch ein Absatzrisiko trägt. Damit entstand ein Interessenkonflikt zwischen der Beratung, die nach der schützenswerten Erwartung des Klägers ausschließlich und vollständig seinen Interessen zu dienen hatte, und den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten. Eine Aufklärung des Klägers hierüber ist nicht erfolgt. Des Weiteren hat die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass das streitgegenständliche Zertifikat als ausländisches Zertifikat nicht durch die Institutsgarantie der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe gesichert ist.“
Problem: Kausalität für den Schaden?
Somit bestand eine Pflichtverletzung iSv § 280 Abs. 1 BGB. Von einem Verschulden war ebenfalls auszugehen (dieses wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet). Problematisch war hier vor allem noch die Frage der Kausalität der mangelhaften Beratung für die Investitionsentscheidung des Kunden und den damit verbundenen Schaden. Hierzu wendet das LG Hamburg ebenfalls eine Vermutung an, die so zB auch bei Beratungsverträgen mit Anwälten greift: Es gelte die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, wonach davon auszugehen ist, dass die Kunden in Kenntnis der verschwiegenen Umstände von dem Erwerb des Zertifikats Abstand genommen hätte.
LG Hamburg, Urteil vom 23.6.2009, 310 O 4/09

26.01.2010/2 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2010-01-26 09:07:192010-01-26 09:07:19Finanzmarktkrise: Müssen Sparkassen Schadensersatz wegen falscher Beratung über Lehman-Zertifikate zahlen?
Dr. Stephan Pötters

Arzt wies Schwangere nicht auf HIV-Test hin – 1,4 Mio. € Schadensersatz

Arztrecht, Deliktsrecht, Schuldrecht, Zivilrecht

Sachverhalt
Ein Gynäkologe hatte es unterlassen, eine Schwangere auf die Möglichkeit eines HIV-Tests hinzuweisen, was die Mehrheit der Ärzte jedoch regelmäßig tut. Die mit dem HI-Virus infizierte Mutter steckte ihr Baby an, welches infolge zahlreicher Krankheiten im Säuglingsalter – u. a. einer schweren Lungenentzündung – nun körperlich und geistig behindert ist. Der Arzt hatte argumentiert, dass er  seine Patientin nicht gefragt habe,  weil sie eine wohlhabende Person gewesen sei. Bei ihr sei keine HIV-Infektion zu erwarten gewesen. Sie hätte es als Affront empfinden können, nach einem Aids-Test gefragt zu werden. Die Frau hatte von ihrer Ansteckung nichts gewusst.
Entscheidung des LG München
Mit dieser etwas gewagten Argumentation (HIV/Aids ist sicherlich ein Problem aller Gesellschaftsschichten!) drang er freilich nicht vor Gericht durch. Das LG München sprach der betroffenen Familie (es gab zwei Kläger: die Eltern und das Kind, vertreten durch die Eltern) vielmehr in einem Teilurteil (vom 9. 6. 2008 – 9 O 14628/04, NJW-RR 2009, 898) grundsätzlich einen Anspruch auf Schadensersatz (§§ 280 Abs. 1, 823 BGB) zu, der nun auf eine Höhe von 1,4 Mio. € festgesetzt wurde.
Problematisch war im Rahmen der Entscheidung vor allem die Kausalitätsfrage. Hierzu urteilte das LG München:
„Wäre in der Frühschwangerschaft der Kl. ein HIV-Test durchgeführt worden, so hätte dieser mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit deren HIV-Infektion nachgewiesen. […]“
„Hätte man um die HIV-Infektion der Kl. zu 3 gewusst, so hätte eine Infektion des Kl. zu 1 vermieden werden können. Dies steht auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme zum einen mit einem für das tägliche Leben brauchbaren Grad an Gewissheit positiv fest. Denn die Sachverständige Dr. G hat ausgeführt, dass durch die umgehende Einleitung einer antiretroviralen Therapie die Virenbelastung erheblich gesenkt werden könne. Werde in einer solchen Situation dann frühzeitig ein geplanter Kaiserschnitt durchgeführt und Stillverzicht geübt, so könne eine HIV-Infektion des Neugeborenen zu über 99% verhindert werden. Dieser Prozentsatz ist für die Kammer eine tragfähige Grundlage, um feststellen zu können, dass jenseits mathematisch naturwissenschaftlicher Sicherheit jedenfalls mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit festgestellt werden kann, dass eine Übertragung der Infektion von der Kl. zu 3 auf den Kl. zu 1 vermeidbar gewesen wäre.“
Klassische Klausurprobleme
In der Klausur hätte man darüber hinaus noch einen gewissen Begründungsaufwand betreiben müssen, warum das Kind, welches zum Zeitpunkt der schädigenden Handlung (dem Unterlassen des Hinweises auf den HIV-Test) noch nicht geboren war, ein tauglicher Anspruchssteller sein kann. Hier sollte das Stichwort fallen, dass auch der nasciturus bereits Inhaber von Ansprüchen sein kann, insbesondere sofern er deliktsrechtlichen Schädigungen ausgesetzt ist. Im Hinblick auf die Eltern müsste man meines Erachtens das Problem „Kind als Schaden“ diskutieren (Folgekosten wegen der Behinderung). Hier handelt es sich aber gerade nicht um die klassische (und moralisch bedenkliche) Konstellation, dass die Eltern bei richtiger Aufklärung durch den Arzt abgetrieben hätten und deshalb das Kind einen „Schaden“ darstellt. Insofern ist hier der Schaden der Eltern wohl in jedem Fall auch zu bejahen.

02.12.2009/5 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-12-02 10:57:522009-12-02 10:57:52Arzt wies Schwangere nicht auf HIV-Test hin – 1,4 Mio. € Schadensersatz
Dr. Stephan Pötters

Schadensersatzanspruch des Mieters, wenn der Vermieter einen Eigenbedarf vorgetäuscht hat

Mietrecht, Zivilrecht

Ein aktueller Fall aus dem Mietrecht mit weitreichenden Konsequenzen für die Praxis war jüngst Gegenstand einer BGH-Entscheidung.
Zum Sachverhalt: Die Klägerin (die Mieterin) verlangte vom Beklagten (dem Vermieter) Schadensersatz, nachdem sie aus der Mietwohnung ausgezogen war. Der Vermieter hatte ihr wegen angeblichen „Eigenbedarfs“ (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gekündigt. Kurze Zeit später bot er aber die Immobilie über einen Makler zum Verkauf an. Den Eigenbedarf hatte der Vermieter in der Kündigung entgegen § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht als Kündigungsgrund angeführt. Die Klägerin hatte sich später mit ihrem Vermieter über die Auflösung des Mietverhältnisses geeinigt.
Der BGH sprach der Klägerin einen Schadensersatzanspruch wegen Pflichtverletzung (§ 280 Abs. 1 BGB) zu, sofern sie die Täuschung über den Eigenbedarf nachweisen kann (dies war noch streitig, der Fall wurde daher zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückgewiesen). Rechtsfolge kann dabei bspw. ein Anspruch auf Wiederbegründung des Mietverhältnisses als Form der Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) sein. Denkbar wären z.B. auch Ersatzansprüche für die angefallenen Umzugskosten etc.
Bemerkenswert ist, dass dieser Anspruch auch nicht deshalb ausgeschlossen sein soll, weil die Kündigung wegen des Verstoßes gegen § 573 Abs. 3 BGB eigentlich unwirksam war. Auch die „einvernehmliche“ Auflösung sei unschädlich (anders urteilte insoweit noch die Vorinstanz). Nach dem BGH werde hierdurch weder der Schadensersatzanspruch ausgeschlossen, noch komme es zu einer Anspruchskürzung (nach § 254 BGB) wegen Mitverschuldens. Denn maßgebend soll gewesen sein, ob die Mieterin die Kündigung und das damit zusammenhängende Räumungsverlangen bei verständiger Würdigung für berechtigt halten durfte. Dies war hier der Fall, da die Mieterin erst später Anlass zum Zweifel am Eigenbedarf des Vermieters haben musste; mithin lag auch kein Mitverschulden vor.

20.04.2009/0 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-04-20 14:05:582009-04-20 14:05:58Schadensersatzanspruch des Mieters, wenn der Vermieter einen Eigenbedarf vorgetäuscht hat
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