Finanzmarktkrise: Müssen Sparkassen Schadensersatz wegen falscher Beratung über Lehman-Zertifikate zahlen?
Das OLG Hamburg verhandelt zurzeit als Berufungsinstanz über Entscheidungen des LG Hamburg, welches die Hamburger Sparkasse zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt hatte, da sie ihre Kunden nicht hinreichend über die mit dem Erwerb von Zertifikaten der Bank Lehman Brothers verbundenen Risiken informiert habe.
Aufgrund der Finanzmarktkrise und der Insolvenz der Bank Lehman Brothers haben die Kunden der Sparkasse keine Chance mehr, ihre Investitionen auch nur ansatzweise wieder zurück zu bekommen. Daher verklagten sie die Hamburger Sparkasse.
Argumente des LG Hamburg (Urteil vom 23.6.2009, 310 O 4/09)
Das LG Hamburg billigte den Klägern einen Schadensersatzanspruch zu und verpflichtete die Bank, 10.100,00 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übereignung des Lehman Brothers Zertifikats mit der ISIN zum Nennwert von 10.000,00 € zu zahlen. Der Anspruch wurde auf die zentrale Norm des Schuldrechts gestützt: § 280 Abs. 1 BGB. Die Bank habe ihre Aufklärungspflichten aus einem Beratungsvertrag verletzt. Ein solcher sei hier stillschweigend/konkludent geschlossen worden. Vom stillschweigenden Abschluss eines Beratungsvertrags sei nach dem LG Hamburg auszugehen, „wenn der Rat für den Empfänger erkennbar von erheblicher Bedeutung ist, er ihn zur Grundlage wesentlicher Entschlüsse machen will und der Auskunftsgeber über eine spezielle Sachkunde verfügt oder er ein eigenes wirtschaftliches Interesse verfolgt.“ Dies wurde hier bejaht.
Pflichtverletzung
Auch eine Pflichtverletzung durch fehlerhafte Beratung liege vor.
„Die Beklagte verstieß gegen ihre Verpflichtung, zur Vermeidung von Interessenkonflikten den Kläger im Rahmen ihrer Beratung von sich aus darauf hinzuweisen, dass sie wegen des Vertriebs des streitgegenständlichen Zertifikats im Wege von Festpreisgeschäften eine Gewinnmarge erzielt und insoweit auch ein Absatzrisiko trägt. Damit entstand ein Interessenkonflikt zwischen der Beratung, die nach der schützenswerten Erwartung des Klägers ausschließlich und vollständig seinen Interessen zu dienen hatte, und den eigenen wirtschaftlichen Interessen der Beklagten. Eine Aufklärung des Klägers hierüber ist nicht erfolgt. Des Weiteren hat die Beklagte den Kläger pflichtwidrig nicht darauf hingewiesen, dass das streitgegenständliche Zertifikat als ausländisches Zertifikat nicht durch die Institutsgarantie der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe gesichert ist.“
Problem: Kausalität für den Schaden?
Somit bestand eine Pflichtverletzung iSv § 280 Abs. 1 BGB. Von einem Verschulden war ebenfalls auszugehen (dieses wird gem. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet). Problematisch war hier vor allem noch die Frage der Kausalität der mangelhaften Beratung für die Investitionsentscheidung des Kunden und den damit verbundenen Schaden. Hierzu wendet das LG Hamburg ebenfalls eine Vermutung an, die so zB auch bei Beratungsverträgen mit Anwälten greift: Es gelte die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens, wonach davon auszugehen ist, dass die Kunden in Kenntnis der verschwiegenen Umstände von dem Erwerb des Zertifikats Abstand genommen hätte.
LG Hamburg, Urteil vom 23.6.2009, 310 O 4/09
Dumm nur, dass der BGH einen stillschweigenden Auskunftsvertrag in diesen Fällen ablehnt und sowas ein typischer Fall für die allgemeine zivilrechtliche Prospekthaftung i.e.S. ist. Man darf auf die Revision gespannt sein.
Mal abwarten, aber jetzt kommt ja erstmal die Berufungsinstanz. Vielleicht gibt es ja gar keine Revision.
Warum meinst du denn, soll kein Vertrag vorliegen, wenn du in die Bank gehst und dich über Zertifikate beraten lässt??? Also ich fand das gut vertretbar vom LG Hamburg…