• Suche
  • Lerntipps
    • Karteikarten
      • Strafrecht
      • Zivilrecht
      • Öffentliches Recht
    • Examensvorbereitung
    • Fallbearbeitung und Methodik
    • Für die ersten Semester
    • Mündliche Prüfung
  • Examensreport
    • 2. Staatsexamen
    • Baden-Württemberg
    • Bayern
    • Berlin
    • Brandenburg
    • Bremen
    • Hamburg
    • Hessen
    • Lösungsskizzen
    • Mecklenburg-Vorpommern
    • Niedersachsen
    • Nordrhein-Westfalen
    • Rheinland-Pfalz
    • Saarland
    • Sachsen
    • Sachsen-Anhalt
    • Schleswig-Holstein
    • Thüringen
    • Zusammenfassung Examensreport
  • Interviewreihe
    • Alle Interviews
  • Rechtsgebiete
    • Strafrecht
      • Klassiker des BGHSt und RGSt
      • StPO
      • Strafrecht AT
      • Strafrecht BT
    • Zivilrecht
      • AGB-Recht
      • Arbeitsrecht
      • Arztrecht
      • Bereicherungsrecht
      • BGB AT
      • BGH-Klassiker
      • Deliktsrecht
      • Erbrecht
      • Familienrecht
      • Gesellschaftsrecht
      • Handelsrecht
      • Insolvenzrecht
      • IPR
      • Kaufrecht
      • Kreditsicherung
      • Mietrecht
      • Reiserecht
      • Sachenrecht
      • Schuldrecht
      • Verbraucherschutzrecht
      • Werkvertragsrecht
      • ZPO
    • Öffentliches Recht
      • BVerfG Leitentscheidungen & Klassiker
      • Baurecht
      • Europarecht
      • Europarecht Klassiker
      • Kommunalrecht
      • Polizei- und Ordnungsrecht
      • Staatshaftung
      • Verfassungsrecht
      • Versammlungsrecht
      • Verwaltungsrecht
      • Völkerrrecht
  • Rechtsprechungsübersicht
    • Strafrecht
    • Zivilrecht
    • Öffentliches Recht
  • Juri§kripten
  • Click to open the search input field Click to open the search input field Suche
  • Menü Menü
Du bist hier: Startseite1 > § 7 StVG

Schlagwortarchiv für: § 7 StVG

Monika Krizic

Die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG

Aktuelles, Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Schon gelesen?, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht

Verkehrsunfälle spielen seit jeher eine bedeutende Rolle im juristischen Alltag, sodass auch die Spezialnormen im StVG für die universitäre Ausbildung und das Examen von enormer Relevanz sind. Insbesondere die Halterhaftung nach § 7 Asb. 1 StVG gehört zum Standarwissen. Der nachfolgende Beitrag soll daher die einzelnen Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 StVG näher durchleuchten und berücksichtigt dabei auch Fälle der jüngsten Rechtsprechung.

Autorin des Gastbeitrags ist Monika Krizic. Sie studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn.

I. Kfz

Zunächst bedarf es eines Kraftfahrzeuges. Dies sind gem. § 1 Abs. 2 StVG Landfahrzeuge, die durch Maschinenkraft bewegt werden, ohne an Bahngleise gebunden zu sein.

II. Anspruchsgegner: Halter

Weiterhin muss der Anspruchsgegner Halter dieses Kfz sein. Halter ist, wer das Fahrzeug nicht nur ganz vorübergehend auf eigene Rechnung hält und die Verfügungsgewalt darüber besitzt (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 2; Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 8). Für die Begründung und den Bestand der Haltereigenschaft kommt es somit nicht auf ein Rechtsgeschäft, sondern vielmehr auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise an, welche maßgeblich die Intensität der tatsächlichen Sachherrschaft berücksichtigt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 258).

1. Minderjährigkeit

Entsprechend der Rechtsnatur der Haltereigenschaft, könnten auch beschränkt Geschäftsfähige als Halter qualifiziert werden. Eine solche undifferenzierte Perspektive würde aber den tragenden Pfeilern des zivilrechtlichen Minderjährigenschutzes entgegenstehen.

Daher werden Analogien in Betracht gezogen. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke bei Vergleichbarkeit der Interessenlage voraus. Angesichts der Bedeutung eines umfassenden Minderjährigenschutzes, ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber diese Frage planwidrig nicht geregelt hat.

Vor dem Hintergrund des deliktischen Charakters der Gefährdungshaftung aus § 7 Abs. 1 StVG, könnte eine vergleichbare Interessenlage zu § 828 Abs. 3 BGB bejaht werden (MüKoBGB/Wagner, 8. Aufl. 2020, § 833 Rn. 42). Das höhere Schutzniveau für den Minderjährigen bietet aber eine analoge Anwendung der §§ 104 ff. BGB, da nicht auf dessen Einsichtsfähigkeit abgestellt wird, sondern vielmehr stets ein Tätigwerden und Mitwirken der gesetzlichen Vertreter erforderlich ist (Schamberg, JURA 2021, 758, 761).

2. Leasing

Fragen zur Haltereigenschaft ergeben sich aber auch bei den immer beliebter werdenden Leasingverträgen. In diesen verpflichtet sich der Leasinggeber gegenüber dem Leasingnehmer zur Beschaffung und Übergabe eines bestimmten Gegenstandes. Im Gegenzug zahlt der Leasingnehmer die Leasingrate, wodurch sich die Kosten und Ausgaben für den Leasinggeber amortisieren. Das Eigentum verbleibt beim Leasinggeber.

Der BGH hatte die Haltereigenschaft des Leasingnehmers unter bestimmten Voraussetzungen bereits bejaht (BGH, Urt. v. 22.03.1983 – VI ZR 108/81). Begründet wurde dies mit dem Telos des § 7 Abs. 1 StVG und dem Wesen des Leasingvertrags. Haftungsgrund der Norm ist u.a. die von dem Einsatz des Kfz im Verkehr ausgehende Gefahr. Wird nun dem Leasingnehmer die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über das Fahrzeug überlassen, sodass er dieses nach Belieben zeitlich und örtlich einsetzen kann, ist er in tatsächlicher Hinsicht verantwortlich für die vom Kfz ausgehenden Gefahren, was seine Haltereigenschaft rechtfertigt. Hinzu kommt, dass der Leasingnehmer die Betriebskosten bestreitet und damit das Kfz „für eigene Rechnung“ hält (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 261).

3. Mietvertrag

Anders gestaltet sich die Situation bei Mietverträgen. Hier hängt die Beurteilung vielmehr von den Umständen des Einzelfalles ab. Zieht der Vermieter wirtschaftliche Vorteile und überlasst das Fahrzeug nur für wenige Stunden, einen Tag oder eine bestimmte Fahrt, so hat zwar bei tatsächlicher Betrachtung der Mieter die tatsächliche Sachherrschaft inne, jedoch wird das Fahrzeug immer noch auf Rechnung des Vermieters verwendet (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 283). Zumal ein Kfz auch dann „gebraucht“ wird, wenn man es nicht selber fährt, sondern etwa gegen einen Mietzins einer anderen Person überlässt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 259).

4. Sicherungsübereignung

Durch die Sicherungsübereignung wird der Sicherungsnehmer Eigentümer des Kfz. Gleichwohl fährt der Sicherungsgeber weiterhin in eigener Verfügungsgewalt und trägt die Betriebskosten. Grundsätzlich bleibt der Sicherungsgeber also Halter. Die Haltereigenschaft des Sicherungsnehmers ergibt sich nur dann, wenn er das Kfz zu eigenen Zwecken nutzt und für die Betriebskosten einsteht (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 282).

III. Betriebsspezifische Gefahr

Der Schaden muss bei Betrieb des Kfz entstanden sein. Die Realisierung dieser typischen Betriebsgefahr entspricht insoweit dem Schutzzweck der Norm. Während nach der früheren maschinentechnischen Auffassung erforderlich war, dass der Motor läuft und sich das Kfz bewegt, genügt es nach der heute herrschenden verkehrstechnischen Auffassung, wenn sich das Kfz im öffentlichen Verkehrsraum bewegt oder in verkehrsbeeinflussender Weise darin ruht (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 51). Die Subsumtion kann an dieser Stelle durchaus schwerfallen. Im Laufe der Zeit haben sich im Rahmen dieses Tatbestandsmerkmales unterschiedliche Fallgruppen herauskristallisiert, die aber stets den Umständen des Einzelfalls hinreichend Rechnung tragen müssen. Einige sollen hier zur Veranschaulichung und besserem Verständnis dargestellt werden.

1. Fahrzeuge mit Arbeitsfunktion

Erfüllt ein Kfz neben der Fortbewegung noch weitere Funktionen, so kann sich die Realisierung der betriebsspezifischen Gefahr als problematisch erweisen.

a) Aktuelle Beispiele aus der Rechtsprechung

Beispiel 1 (BGH, Urt. v. 18.07.2023 – VI ZR 16/23)

Unternehmer B ist Halter eines Traubenvollernters und wurde als solcher von K zur Weinlese beauftragt. Allerdings wies der Traubenvollernter ein Leck in der Dieselleitung auf, wodurch die gesamte Ernte verunreinigt wurde.

Beispiel 2 (OLG Celle, Urt. v. 15.11.2023 – 14 U 56/23)

A hatte bei B Heizöl bestellt. Indes zeigten die Füllstandsanzeigen an den Tanks von A nicht den tatsächlichen Füllstand auf, sodass infolge der Befüllung Öl austrat und Gebäude sowie Grundstück von A beschädigte.

Beispiel 3 (BGH, Urt. v. 08.12.2015 – VI ZR 139/15)

A hatte bei B Heizöl bestellt und wollte sich dieses anliefern lassen. Am Liefertermin stellte B den Tanklastwagen vor dem Haus von A auf der öffentlichen Straße ab und verband die Öltanks des Fahrzeugs mithilfe eines Schlauchs mit Öleinfüllstutzen am Haus des A. Jedoch konnte es zu keiner Beladung des Öltanks kommen, da ein Verbindungsschlauch undicht war. Dies hatte wiederum zur Folge, dass das Öl nach allen Seiten herausspritze und letztendlich auch Hausfassade und Küche von A sowie die öffentliche Straße verschmutzte.

In allen drei Fällen hatten die Gerichte stets auf Sinn und Zweck des § 7 Abs. 1 StVG verwiesen. So ist die Gefährdungshaftung der „Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Fahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen“ (BGH, Urt. v. 18.07.2023 – VI ZR 16/23, Rn. 10).

Hinsichtlich Beispiel 1 könnte auf den ersten Blick die Realisierung der Betriebsgefahr bejaht werden, schließlich fuhr der Traubenvollernter durch die Weinberge und verunreinigte die Trauben noch während genau dieser Fahrt. Darauf hatte sich auch das Berufungsgericht (OLG Koblenz, Urt. v. 12.12.2022 – 12 U 636/22) bezogen und betont, dass nicht nur die Maschinen zur Ernteleistung, sondern der Wagen als solcher in Bewegung war. Dem wurde aber entgegengehalten, dass das Fahren durch die Weinberge gerade der bestimmungsgemäßen Arbeitsfunktion der Maschine diente und sich folglich allein diesem Zweck unterordnete. Die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Traubenvollernters hatte damit keine eigenständige Rolle inne. Hinzu kommt auch noch, dass sich der Traubenvollernter während des schädigenden Ereignisses auf einer privaten Verkehrsfläche, fernab des öffentlichen Straßenverkehrs befand und sich folglich nicht die Gefahren realisiert haben, die von dem Traubenvollernter in seiner Eigenschaft als Verkehrsmittel hervorgehen.

Letzteres trifft vorliegend auch auf Beispiel 2 zu, das dem OLG Celle zuletzt zur Entscheidung vorlag. Gefahren für den Verkehr, für die § 7 Abs. 1 StVG schadlos halten will, verwirklichen sich auch dann nicht, wenn ein völlig anderer Gefahrenbereich betroffen ist. So resultierten die Schäden in Beispiel 2 aus den falschen Füllanzeigen des Tanks, nicht aber aus dem Tanklastwagen selber oder seinem Entladevorgang.

Anders sieht die Situation in Fallbeispiel 3 aus. Der BGH führte dabei aus, dass nicht der Einsatz des Motors für den Betrieb der Ölpumpe ausschlaggebend war, sondern vielmehr die Tatsache, dass der Tankwagen seinen Entladevorgang im öffentlichen Verkehrsraum verrichtete. Mithin war durch den auf der öffentlichen Straße stehenden Tankwagen auch der öffentliche Verkehr gefährdet und damit der Schutzzweck von § 7 Abs. 1 StVG tangiert (BGH, Urt. v. 08.12.2015 – VI ZR 139/15, Rn. 15).

b) Zwischenfazit

Die vorliegenden Beispiele zeigen, dass eine Beurteilung nach starren Kriterien wie z.B. Stehen oder Fahren ins Leere gehen. Vielmehr muss untersucht werden, ob sich Gefahren des Fahrzeugs als Verkehrsmittel oder reine Arbeitsmaschine verwirklichen (Beispiel 1), das Kfz nur rein zufällig in einen anderen Gefahrenkreis involviert ist (Beispiel 2) oder diejenigen Schutzgüter betroffen sind, nach denen die Haftungsvorschrift einen Ausgleichsanspruch gewähren soll (Beispiel 3) (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 14).

2. Stehendes Kfz

Beispiel 4 (BGH, Urt. v. 12.12.2023 – VI ZR 76/23)

K stellte sein Fahrzeug innerorts an einer Straße mit leichtem Gefälle ab. Oberhalb dessen war das Fahrzeug des B geparkt, von dem nachts brennendes Benzin auslief und die Straße herunterfloss. Infolgedessen gerieten beide Fahrzeuge in einen Brand, wodurch das Fahrzeug von K zerstört wurde.

Das OLG hatte vor dem Hintergrund der weiten Auslegung des Tatbestandsmerkmals einen Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG bejaht. So reiche es aus, dass der Unfall in einem örtlichen und zeitlichen Zusammenhang zu einem Betriebsvorgang, hier dem Einparken, stehe. Allerdings wurde im Rahmen dessen die Beweislast von K durch das OLG verkannt. Durch das Auslaufen des Benzins bestand nur ein räumlicher Zusammenhang, die Ursache des Brandes selber blieb aber ungeklärt. Umstände, aus denen sich schließen lässt, dass der Brand auf einen Betriebsvorgang des Autos zurückzuführen ist, ergeben sich nicht.

3. Fahrzeugteile

Beispiel 5 (BGH, Urt. v. 24.01.2023 – VI ZR 1234/20)

B brachte seinen Elektroroller zur Inspektion in die Werkstatt von W. Der dort angestellte M entnahm die Batterie aus dem Elektroroller, um diese aufzuladen. Als M bemerkte, dass sich die Batterie stark erhitzte, trennte er sie vom Stromnetz und wollte sie abkühlen lassen. Gleichwohl explodierte die Batterie und setzte das Gebäude von W in Brand.

Auch einzelne Fahrzeugteile können beim Betrieb des Kfz einen Schaden verursachen, wenn sie mit einem Verkehrsvorgang zusammenhängen. So etwa das Abfallen des Auspuffs während der Fahrt (Greger/Zwickel, Haftungsrecht des Strassenverkehrs, 5. Aufl. 2013, § 3 Rn. 134). In Beispiel 4 führte der BGH aus, dass die Explosion nicht mehr in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Betriebseinrichtung des Rollers stand. Gerade weil die Batterie bereits aus dem Roller ausgebaut war, fehle es am örtlichen und zeitlichen Zusammenhang der Explosion mit einem Betriebsvorgang (BGH, Urt. v. 24.01.2023 – VI ZR 1234/20, Rn. 10).

III. Haftungsausschluss

Ausschlusstatbestände für die Halterhaftung ergeben sich aus §§ 7 Abs. 2 und 3, 8 StVG.

1. Höhere Gewalt

Zunächst ist die Halterhaftung gem. § 7 Abs. 2 StVG bei höherer Gewalt ausgeschlossen. Dabei ist höhere Gewalt zu definieren als ein „außergewöhnliches, betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder Handlungen dritter Personen herbeigeführtes und nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbares Ereignis, das mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch nach den Umständen durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet werden kann und das auch nicht im Hinblick auf reine Häufigkeit in Kauf genommen werden muss“ (BGH, Urt. v. 17.10.1985 – III ZR 99/84, Rn. 17).

§ 7 Abs. 2 StVG ist folglich nur bei Vorgängen einschlägig, die außerhalb des Kfz und dessen Betrieb beruhen. Dazu gehören neben Naturereignissen auch technische Versagen wie etwa Explosionen (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 356). Lag ein unabwendbares Ereignis vor, muss zusätzlich auch noch das Einhalten der gebotenen Sorgfalt dargelegt werden (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 358).

2. Unbefugte Benutzung

Daneben kann ein Haftungsausschluss auch im Falle der sog. Schwarzfahrt eintreten. Hierzu trifft § 7 Abs. 3 StVG differenzierte Regelungen.

Wird das Kfz von einem völlig unbekannten Dritten in Gebrauch genommen, so wird nur dieser Anspruchsgegner. Eine Haftung des Halters scheidet in diesem Fall gem. § 7 Abs. 3 S. 1 Halbs. 1 StVG aus.

Hat der Halter hingegen die Benutzung des Kfz durch den Dritten schuldhaft ermöglicht, so können Halter und Dritter als Gesamtschuldner haften, § 7 Abs. 3 S. 1 Halbs. 2 StVG. Für das Verschulden genügt bloße Fahrlässigkeit. Gem. § 14 Abs. 2 S. 2 StVO sind Fahrzeuge gegen unbefugte Benutzung zu sichern.

Schließlich ist noch der Fall des Exzesses des befugten Benutzers in § 7 Abs. 3 S. 2 StVG normiert. Ist der Benutzer vom Halter für den Betrieb des Kfz angestellt oder ist ihm dieser überlassen worden, so haftet der Halter weiterhin aus § 7 Abs. 1 StVG. Erfasst ist vor allen Dingen die Konstellation, dass der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer oder Angestellten die Befugnis einräumt, das Kfz zu verwenden (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 322).

3. Ausnahmen

Ausdrücklich normierte Haftungsausschlüsse finden sich ebenfalls in § 8 StVG wieder. Nach § 8 Nr. 2 StVG ist ein Ersatzanspruch ausgeschlossen, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Kfz tätig war.

Beispiel 6 (BGH, Urt. v. 12.01.2021 – VI ZR 662/20)

A ist Halter eines Fahrzeugs, das für ihn behindertengerecht umgebaut wurde. Als A nach einem Arztbesuch zu seinem geparkten Kfz gelangen möchte, muss er feststellen, dass dieses von einem anderen zugeparkt wurde, sodass A mit seinem Rollstuhl nicht mehr an die Fahrertür gelangen kann.

B möchte A helfen und bietet ihm an, sein Fahrzeug aus der Parklücke zu fahren. A willigt ein, macht B aber deutlich, dass es sich um ein umgebautes Fahrzeug handelt, dessen Gas und Bremse mit der Hand bedient werden. B schenkt den Worten des A nicht hinreichend Beachtung und verliert kurze Zeit später die Kontrolle über das Fahrzeug. Infolgedessen wird das dahinterstehende Kfz des B beschädigt.

In teleologischer Hinsicht will die Ausnahmevorschrift dem Umstand Rechnung tragen, dass derjenige, der sich bewusst den Gefahren eines Kfz aussetzt, nicht den besonderen Schutz der Gefährdungshaftung verdient (Schulz-Merkel/Meier, JuS 2015, 201, 203). Dazu gehören u.a. Personen, die sich beim Be- und Entladen, Tanken oder einer Reparatur beteiligen (Wandt/Schwart, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 26). Im vorliegenden Fall war fraglich, ob § 8 Nr. 2 StVG auch dann eingreift, wenn der Kraftfahrzeugführer mit einem fremden Kfz sein eigenes Fahrzeug beschädigt.

Zum Teil wird dies mit der Begründung abgelehnt, dass das beschädigte Fahrzeug nicht freiwillig, sondern nur zufällig dem Gefahrenbereich des geführten Fahrzeugs ausgesetzt sei. Im Gegensatz zu Personenschäden könne bei einem solchen Sachschaden von einem freiwilligen Aussetzen in den Gefahrenbereich nicht die Rede sein (Hentschel/König/Dauer/König, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 8 Rn. 4).

Dem hielt der BGH aber entgegen, dass § 8 Nr. 2 StVG sowohl seinem Wortlaut als auch seiner teleologischen Zweckrichtung nach auf Personen- sowie Sachschäden anwendbar sei, wobei im konkreten Fall stets Einzelfallumstände zu würdigen seien. In Fallbeispiel 5 hat sich B bewusst für das Ausparken entschieden, womit er auch wusste, dass er sein danebenstehendes Fahrzeug diesem Gefahrenbereich aussetzte.

4. Unabwendbares Ereignis

Blättert man weiter im StVG, so findet sich § 17 Abs. 3. Im Vergleich zu § 7 Abs. 2 StVG handelt es sich um eine einfacherer zu erreichende Enthaftung, welche aber nur im Verhältnis zu den Ansprüchen von anderen Kfz-Haltern, -Führern und -Eigentümern gilt und damit im haftungsausfüllenden Tatbestand zu thematisieren ist (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 19).

Demnach scheidet die Ersatzpflicht bei einem unabwendbaren Ereignis aus. Nach § 17 Abs. 3 S. 1 und 2 StVG gilt ein Ereignis als unabwendbar, wenn es nicht auf einem Fehler in der Beschaffenheit des Kfz oder einem Versagen seiner Einrichtungen beruht und der Halter sowie der Führer des Kfz jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet haben. Sinn und Zweck dieser Norm ist es, den Idealfahrer trotz der typischen Betriebsgefahr von der Haftung freizustellen (Schulz-Merkel/Meier, JuS 2015, 201, 205). Im Gegensatz zu § 276 Abs. 1 und 2 BGB muss ein Handeln an den Tag gelegt werden, dass der Umsichtigkeit und Aufmerksamkeit eines Idealfahrers entspricht, sich aber noch im Rahmen des Menschenmöglichen bewegt (Wandt/Schwarz, Gesetzliche Schuldverhältnisse, 10. Aufl. 2020, § 22 Rn. 20). So ist etwa dem Fahrer eines Kfz bei einer plötzlichen Gefahrenlage ein „Schreckzeit“ zu gewähren (Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 4. Aufl. 2007, § 3 Rn. 377).

5. Konkludenter Haftungsausschluss

Schließlich kann sich eine Enthaftung auch aus einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung ergeben. Dabei besteht aber gem. § 8a S. 1 StVG bei entgeltlichen, geschäftsmäßigen Personenbeförderungen ein Verbot des Haftungsausschlusses. Umgekehrt kann bei unentgeltlicher Beförderung gem. § 276 Abs. 1 S. 1 BGB eine strengere oder mildere Haftung vereinbart werden. Insbesondere bei Gefälligkeitsfahrten kann sich eine konkludierte Haftungsbeschränkung ergeben (Schulz-Merkel/Meier, JuS 2015, 201, 204).

IV. Fazit

Es zeigt sich also, dass die Halterhaftung gemäß § 7 Abs. 1 StVG in vielerlei Hinsicht für eine Klausur geeignet ist. Sowohl das Können in der teleologischen Argumentation als auch systematisches Gesetzesverständnis lassen sich daran gut abprüfen. Mit einem strukturierten Aufbau, gerade im Prüfungspunkt „Betriebsspezifische Gefahr“, lassen sich die Fälle jedoch gut meistern und wer dazu  die aktuelle Rechtsprechung, gerade vor der mündlichen Prüfung, im Blick behält, sollte gut für die Prüfung gerüstet sein.

23.04.2024/1 Kommentar/von Monika Krizic
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Monika Krizic https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Monika Krizic2024-04-23 08:00:002024-11-27 18:21:45Die Halterhaftung nach § 7 Abs. 1 StVG
Simon Mantsch

BGH zur Haftung des Halters eines KFZ mit Arbeitsfunktion

Aktuelles, Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Der BGH hatte sich in einem jüngst bekannt gewordenen Urteil mal wieder mit der Frage zu beschäftigen, wann ein nach § 7 Abs. 1 StVG ersatzfähiger Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden ist (BGH, Urt. v. 18.7.2023 – VI ZR 16/23). Die Halterhaftung nach dem StVG gilt als absoluter Examensklassiker, sodass Prüflingen auch etliche Problemkonstellationen im Zusammenhang mit der Frage, wann ein Schaden „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entstanden ist, bekannt sein müssen.

I. Der Sachverhalt (leicht abgewandelt)

Kläger K betreibt ein Weingut. Da er selbst nicht über die für die Ernte der Trauben notwenigen Maschine verfügt, beauftragte er den Lohnunternehmer und Beklagten B. Dieser soll mit einem sog. Traubenvollautomaten die notwendigen Weinlesearbeiten durchführen, wobei B selbst der Halter der einzusetzenden Maschine ist. Derartige Maschinen fahren zwecks Weinlese in Schrittgeschwindigkeit über die Rebstöcke hinweg und lösen die Trauben durch maschinenverursachte Rüttelbewegungen von den Rebstöcken. Die geernteten Trauben gelangen sodann in ein Auffangbehältnis im Geräteinneren. Um zum jeweiligen Einsatzort zu gelangen, nehmen die Maschinen am Straßenverkehr teil und erreichen dort Geschwindigkeiten von bis zu 40 km/h. Die Ernte erfolgte am 30.9.2018. Geführt wurde die Maschine von M, einem Mitarbeiter des B, obgleich auch K anwesend war und die Ernte verfolgte. Es kam zur Ernte von insgesamt 2,5 Tonnen Trauben, als K und M plötzlich Dieselgeruch bemerkten. M untersuchte daraufhin die Maschine und entdeckte ein Leck in der Dieselleitung. Die Ernte wurde daraufhin eingestellt. Die bereits geernteten Trauben wurden dennoch gepresst und im Anschluss chemisch-analytisch untersucht. Festgestellt werden konnte eine Kontaminierung mit Dieselkraftstoff, die einer Weiterverarbeitung der Trauben entgegensteht. Auch wenn K nicht an ein Verschulden von B oder M glaubt, da die Maschine fast neu war und das Leck in der Dieselleitung nicht auf Anhieb erkennbar war, verlangt er von B Schadensersatz in Höhe von 17.000 EUR nebst Zinsen und Rechtsanwaltskosten. Zu Recht?

II. Die Entscheidung (leicht abgewandelt)

Das erstinstanzlich zuständige Landgericht lehnte Ansprüche des K gegen B aus § 7 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB und § 280 Abs. 1 BGB ab. Auf die Berufung des K hin, wurde das erstinstanzliche Urteil jedoch aufgehoben und B dem Grunde nach verurteilt, 100 % des Schadens sowie die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Der Grund: Die Erntemaschine ist ein KFZ iSd § 7 Abs. 1 StVG und war darüber hinaus in Bewegung, als die Erntearbeiten durchgeführt und die Früchte dabei kontaminiert wurden, sodass der Schaden gerade „bei dem Betrieb“ verursacht worden ist. Die Fortbewegungs- und Transportfunktion habe eine maßgebliche Rolle gespielt, da es sich insoweit um eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ handele, der zweckbestimmte Einsatz der Maschine also denklogisch voraussetze, dass sie auch in Bewegung ist. Ohne Fortbewegung kann die Maschine ihren Zweck nicht erfüllen. Da sie überdies, wenn auch nicht bei der Ernte selbst, eine Geschwindigkeit von über 20 km/h erreichen kann, greift der Ausschlussgrund des § 8 Nr. 1 StVG nicht. Der Ausschlusstatbestand des § 8 Nr. 3 StVG komme ebenso wenig in Betracht, da die Trauben nicht zum Zwecke eines Ortswechsels transportiert wurden, sondern sich nur innerhalb des KFZ befanden, weil dies eine automatische Folge des Erntevorgangs sei. Angesichts dessen kann nicht von der gesetzlich verlangten „Beförderung“ gesprochen werden.

Diesen Ausführungen tritt der BGH jedoch nunmehr zuwider. Es fehle an der Schadensherbeiführung „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ nach § 7 Abs. 1 StVG. Dies sei Ausfluss des Schutzzwecks der Norm.

„Denn die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. […]. Erforderlich ist […] stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist“ (BGH, Urt. v. 18.7.2023 – VI ZR 16/23, Rn. 10).

Entscheidend ist mithin die Verwirklichung der Betriebsgefahr. Handelt es sich um ein KFZ mit Arbeitsfunktion muss differenziert werden. Wird es im Verkehr bewegt und verursacht dabei einen Schaden, so liegt ein die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG auslösendes Ereignis vor. Anders muss die Situation hingegen bewertet werden, wenn das KFZ nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird, die Fortbewegungs- und Transportfunktion also überhaupt keine Rolle mehr spielt. Ereignet sich in letzterer Konstellation ein Schaden, so kann nicht mehr von einer Betriebsgefahr gesprochen werden. Vielmehr hat sich ein eigenständiger Gefahrenkreis verwirklicht, vor dem § 7 Abs. 1 StVG nicht schützen soll.

Schwieriger ist es hingegen in Fällen wie dem Vorliegenden. Zwar stellt auch der Traubenvollautomat ein KFZ mit Arbeitsfunktion im vorstehend genannten Sinn dar, doch kommt in diesem Fall die Besonderheit hinzu, dass es sich in Bewegung befindet, wenn es die Ernte vornimmt. Fortbewegungs- und Arbeitsvorgang lassen sich folglich nicht sauber trennen. Wann und inwieweit auch in derartigen Fallkonstellationen noch von der Verwirklichung einer im Rahmen des § 7 Abs. 1 StVG obligatorischen Betriebsgefahr gesprochen werden kann, ist Ausfluss einer Gesamtbetrachtung aller Umstände. Im Rahmen dieser ist zu ermitteln, ob die Bestimmung des KFZ als Fortbewegungsmittel den Schadensablauf entscheidend mitgeprägt hat oder nicht. Nur in ersterem Fall würde sich eine Betriebsgefahr realisieren und eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG käme in Betracht.

Für die demnach vorzunehmende Gesamtabwägung ist es auch von Bedeutung, ob sich der durch die Arbeitsmaschine verursachte Schaden ereignet hat, als selbige auf einem Privatgelände, im öffentlichen Straßenverkehr oder in der Nähe zu diesem genutzt wurde. Dabei ist es unschädlich, dass der BGH bereits mehrfach entschieden hat, dass die Schadensverursachung auf Privatgelände einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG nicht entgegensteht. Vorliegend wurde der Traubenvollautomat im Weinberg des K und somit weit weg vom öffentlichen Straßenverkehr genutzt. Die Arbeitsfunktion hat klar im Vordergrund gestanden, während die Fortbewegung der Maschine nur erfolgte, damit die Ernte der Trauben vorgenommen werden konnte. Etwas anderes könne nur dann gelten, wenn feststünde, dass die Kontaminierung erst während des Transports vom Weinberg zum Weingut stattgefunden hat. In diesem Zeitraum stünde schließlich der Transport und nicht die Arbeitsfunktion im Vordergrund. Für einen derartigen Sachverhalt fehlen jedoch vorliegend Anhaltspunkte.

Es muss also dabei bleiben, dass der Schaden nicht „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ verursacht wurde. Ein Anspruch aus § 7 Abs. 1 StVG scheidet folglich aus. Ein anderer zivilrechtlicher Anspruch, etwa aus § 823 Abs. 1 BGB oder gar aus § 280 Abs. 1 BGB scheidet in Ermangelung eines Verschuldens aus.

III. Einordnung der Entscheidung

Es ist nicht die erste Entscheidung des BGH zur Halterhaftung bei Schäden, die im Zusammenhang mit Arbeitsmaschinen entstehen. Dabei scheint sich zunehmend herauszustellen, dass es in derartigen Fällen vor allem darauf ankommt, wo das Schadensereignis stattfindet. Fehlt beim Einsatz der Arbeitsmaschine eine Nähe zum öffentlichen Verkehrsraum, so scheidet eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG regelmäßig aus. Ähnlich entschied der BGH bereits 2021 bei der Schadensverursachung durch einen Traktor beim Mähen einer als Weideland genutzten Wiesenfläche mittels Kreiselmähers (Urt. v. 21.9.2021 – VI ZR 726/20). Verursacht hingegen eine Straßenkehrmaschine oder ein Streufahrzeug beim Einsatz im öffentlichen Straßenverkehr einen Schaden (etwa durch hochgeschleuderte Steine), so wird man annehmen müssen, dass diese Schäden „bei dem Betrieb“ eines KFZ verursacht worden sind (so entschieden für das Streufahrzeug BGH, Urt. v. 5.7.1988 – VI ZR 726/20; ähnlich für ein am Seitenrand der Autobahn eingesetztes Mähfahrzeug BGH, Urt. v. 18.1.2005 – VI ZR 346/87). Etwas zu weit gehen dürften hingegen die Ausführungen des BGH, wonach der Schadensablauf nicht durch den Betrieb des Kraftfahrzeugs geprägt ist, wenn vielmehr die Funktion des Kraftfahrzeugs als Arbeitsmaschine im Vordergrund steht. Mit dieser Argumentation dürfte die Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG wohl in (zu) vielen Fällen abgelehnt werden. Schließlich wird auch die Straßenkehrmaschine oder die Mähmaschine am Straßenrand nicht zu Fortbewegungs- und Transportzwecken, sondern primär als Arbeitsmaschine genutzt. Gleichwohl muss eine Halterhaftung in derartigen Fällen – wie auch vom BGH festgestellt – noch in Betracht kommen.

Steht nicht der Einsatz von derartigen Arbeitsmaschinen in Rede, so sollte man mit einer Argumentation, die zwischen Schadensversuchung im und außerhalb des öffentlichen Straßenverkehrs unterscheidet, äußerst vorsichtig sein. § 7 Abs. 1 StVG setzt nach ständiger Rechtsprechung insoweit nicht die Schadensverursachung im öffentlichen Straßenverkehr voraus.

Die Entscheidung sollte zum Anlass genommen werden, sich nochmals mit der Haftung nach dem StVG zu befassen. Soweit die in Prüfungsarbeiten oftmals zu diskutierende Frage in Rede steht, ob ein KFZ überhaupt im Betrieb war, sollte einem die Argumentation mit der „verkehrstechnische Auffassung“ und der „maschinentechnische Auffassung“ keine größere Schwierigkeiten bereiten. Sollte eine Haftung des Kraftfahrzeugführers in Rede stehen, so ist auf § 18 Abs. 1 StVG abzustellen. Dabei handelt es sich jedoch – anders als bei § 7 Abs. 1 StVG – nicht um eine Gefährdungshaftung, sondern um eine verschuldensabhängige Haftung, auch wenn das Verschulden vermutet wird. In Fallkonstellationen mit Verkehrsunfällen ist derweil auch immer an § 823 Abs. 1 BGB zu denken, obgleich es dann einer positiven Feststellung des Verschuldens bedarf.

12.10.2023/1 Kommentar/von Simon Mantsch
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Simon Mantsch https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Simon Mantsch2023-10-12 09:32:412023-10-12 09:32:43BGH zur Haftung des Halters eines KFZ mit Arbeitsfunktion
Gastautor

OLG Koblenz zur Betriebsgefahr nach § 7 StVG

Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Lerntipps, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Zivilrecht

Wir freuen uns, einen Gastbeitrag von Lukas Piroth veröffentlichen zu können. Der Autor ist Wiss. Mitarbeiter am Institut für deutsches und internationales Zivilverfahrensrecht der Universität Bonn bei Prof. Dr. Moritz Brinkmann.
Mit Beschluss vom 05.08.2019 hat das OLG Koblenz sich zur Reichweite der Betriebsgefahr im Rahmen des § 7 StVG geäußert (Az. 12 U 57/19, BeckRS 2019, 18385). Wird ein Fahrzeug bei ausgeschaltetem Motor von einem automatischen Förderband durch eine Waschstraße gezogen, sei es nicht „in Betrieb“, sodass die Gefährdungshaftung des § 7 StVG ausscheide.
Geht es in Examensklausuren um die StVG-Haftung, spielen Probleme häufig im Bereich der Betriebsgefahr. Die Subsumtion kann schwer fallen, zumal die Betriebsgefahr in der Rechtsprechung bisweilen erstaunlich freigiebig bejaht wird. Die Entscheidung gibt Anlass, sich die Anforderungen an die Betriebsgefahr nochmals zu vergegenwärtigen.
I. Sachverhalt
Die Beklagte und hinter ihr der Kläger befanden sich am Steuer ihrer Fahrzeuge in einer automatischen Waschstraße. Die Motoren der Wagen waren ausgeschaltet, die Fahrzeuge wurden von Rollen durch die Anlage gezogen. Der PKW der Beklagten wurde durch ein „Hindurchziehen“ der Mitnehmrolle unter dem Rad gestoppt, was wiederum den Kläger veranlasste, durch ein Betätigen der Bremse eine Kollision zu vermeiden. Hierdurch blieb sein Fahrzeug in der Gebläsetrocknung der Anlage stehen, die am Heck des Wagens Schäden i. H. v. rund 4 500 € verursachte. Diese verlangte der Kläger neben § 823 BGB auch aus § 7 StVG ersetzt. Das LG Koblenz verneinte Schadensersatzansprüche.
II. Entscheidung des OLG Koblenz
Das OLG Koblenz wies mit dem Beschluss die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Koblenz vom 10.12.2018 (Az. 5 O 373/16) zurück. Ein Anspruch aus § 823 BGB scheiterte nach den tatsächlichen Feststellungen am Verschulden der Beklagten. In rechtlicher Hinsicht interessant sind allein die Ausführungen zu § 7 StVG und dort zur Frage, ob das Fahrzeug des Klägers „bei dem Betrieb des Kraftfahrzeugs“ der Beklagten beschädigt wurde.
Hierzu wiederholt das OLG die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach das Merkmal zwar weit auszulegen ist, es sich aber bei dem Schaden stets um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handeln muss, um deren Willen die Haftungsvorschrift erlassen worden sei. Dies sei aber nur dann der Fall, wenn der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebsvorrichtung des Kfz stehe. Spiele hingegen die Fortbewegungs- und Transportfunktion keine Rolle, scheide eine Haftung nach § 7 StVG aus.
Nach diesen Maßstäben verneint das OLG eine Rechtsverletzung „bei Betrieb des Kfz“. Ein Kfz sei nicht „in Betrieb“, wenn es ohne eigene Motorkraft durch eine automatische Waschanlage gezogen werde. Weder die Fortbewegungs- noch die Transportfunktion komme zum Tragen. Vielmehr sei das Fahrzeug vollständig abhängig von den Vorgängen in der Waschstraße wie jeder andere Gegenstand, der automatisch bewegt werde. Die besonderen Gefahren des Kfz-Betriebs (Geschwindigkeit, Ausmaße, Gewicht) blieben ohne Relevanz.
III. Einordnung der Entscheidung
Bei unbefangener Betrachtung scheint die Entscheidung wenig überraschend – das Fahrzeug wurde schließlich nicht „betrieben“. Bezieht man jedoch Urteile mit ein, in denen die Schadensentstehung „bei Betrieb des Kfz“ bejaht wurde, kann sich die Perspektive verschieben.
Der BGH nahm eine Haftung erst kürzlich an, obwohl zwischen dem Unfall und der Verletzung des Eigentums in Form eines Brandes, der durch einen Kurzschluss in der Batterie des Kfz entstand, eineinhalb Tage lagen  (vgl. Urt. v. 26.03.2019 – VI ZR 236/18 und unseren Beitrag hier). Damit folgte er seiner Linie einer immer ausufernderen Bejahung des Merkmals „bei Betrieb“, die sich bereits im Urteil v. 21.01.2014 (VI ZR 253/13) abzeichnete. Damals hatte der BGH klargestellt, dass sich die Betriebsgefahr eines Kfz bereits dann verwirklicht, wenn ein bereits mehrere Stunden abgestelltes Fahrzeug durch eine Selbstentzündung der Batterie in Brand gerät, auch wenn der Batteriedefekt nicht auf die letzte Fahrt zurückgeführt werden kann. Auf eine etwaige Relevanz der Fortbewegungs- und Transportfunktion für das Merkmal „bei Betrieb“ ging er nicht ein.
In der Folge hatte bspw. auch das OLG Köln (Urt. v. 06.04.2017 – 3 U 111/15) eine Schadensentstehung „bei Betrieb des Kfz“ bejaht, wenn in einer Kfz-Werkstatt ein Brand entsteht, der auf einen Defekt in der Primärelektrik des in Reparatur befindlichen Fahrzeugs zurückzuführen ist – und das obwohl ein Reifen demontiert war, sodass die Fortbewegungsfunktion mindestens ebenso wenig zum Tragen kommen dürfte wie bei einer Fahrt durch eine Waschstraße. Gerade deshalb hatte das LG Köln den Schaden „bei Betrieb des Fahrzeugs“ auch noch verneint (Urt. v. 19.06.2015 – 17 O 224/14). Wie das OLG Koblenz hatte das LG Köln hierfür die Kontrollüberlegung bemüht, dass statt dem Fahrzeug unter denselben Umständen auch eine andere Maschine (ohne theoretische Transportfunktion) den Schaden verursacht hätte.
Der Rechtsprechung seit dem Jahr 2014 lässt sich der Trend entnehmen, einen Zusammenhang mit der Fortbewegungs- und Transportfunktion nur noch als eine Variante der Betriebsgefahr aufzufassen („Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang“) und daneben großzügig einen bloßen „Zusammenhang des Schadens mit einer Betriebseinrichtung“ des Kfz ausreichen zu lassen. Den Wandel veranschaulichen zwei Entscheidungen des OLG Karlsruhe, das in einem Urteil v. 28.04.2014 (13 U 15/14) eine Betriebsgefahr noch verneinte, wenn ein auf ein Abschleppfahrzeug aufgeladenes Kfz in Brand gerät, später in einem Beschluss v. 09.03.2015 (9 W 3/15) aber eine Haftung bei einem zwei Tage abgestellten Fahrzeug bejahte.
Das OLG Koblenz vollzieht insoweit durchaus einen Schritt zurück, indem es stärker die Verknüpfung zwischen Schaden und Fortbewegungs- und Transportfunktion in den Fokus nimmt. Ob der BGH genauso entschieden hätte, darf bezweifelt werden. Denn nach den Feststellungen des Sachverständigen war das Durcheinander in der Waschstraße durch ein kurzzeitiges Blockieren der Vorderräder der Fahrzeugs der Beklagten entstanden, stand also durchaus mit einer Betriebseinrichtung des Fahrzeugs (Räder) in Zusammenhang und hat – in den Worten des BGH – das Schadensgeschehen „entscheidend (mit)geprägt“.
IV. Fazit
Das Merkmal der Betriebsgefahr bleibt in der Examensklausur ein Punkt, bei dem es entscheidend auf eine überzeugende Argumentation ankommt. Ob mit dem BGH die Voraussetzungen niedrig angelegt werden oder mit dem OLG Koblenz der Zusammenhang der Rechts(guts)verletzung mit der Transport- und Fortbewegungsfunktion des Fahrzeugs ins Zentrum gestellt wird, dürfte gleichermaßen vertretbar sein.
Von der Haftung nach § 7 StVG zu trennen ist selbstverständlich die Frage, inwieweit der Betreiber der Waschstraße für entstandene Schäden haftet. Zu den Schutzpflichten eines Waschanlagenbetreibers für einen Autounfall hat der BGH letztes Jahr Stellung bezogen, unseren Beitrag dazu findet ihr hier.

24.10.2019/1 Kommentar/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2019-10-24 09:08:472019-10-24 09:08:47OLG Koblenz zur Betriebsgefahr nach § 7 StVG
Redaktion

Gefährdungshaftung

Rechtsgebiete, Startseite, Verschiedenes, Zivilrecht


Der Verlag De Gruyter stellt jeden Monat einen Beitrag aus der Ausbildungszeitschrift JURA – Juristische Ausbildung zwecks freier Veröffentlichung auf Juraexamen.info zur Verfügung.
Der heutige Beitrag

“Gefährdungshaftung” von Prof. Dr. Anne Röthel

befasst sich mit einem besonderen Bereich der deliktischen Haftung. Tierhalterhaftung (§ 833 BGB) und Fahrzeughalterhaftung (§ 7 StVG) sind die wohl examensrelevantesten Anwendungsfälle der Gefährdungshaftung und sollten unbedingt beherrscht werden. Der vorliegende Beitrag gibt einen Überblick über Gemeinsamkeiten und Besonderheiten der beiden Tatbestände.
Ihr findet den Beitrag hier.

15.10.2013/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2013-10-15 09:00:132013-10-15 09:00:13Gefährdungshaftung
Dr. Stephan Pötters

LG Köln: Verkehrsunfall – Zum Mitverschulden eines Motorradfahrers wegen Nichttragens von Schutzkleidung

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Schuldrecht, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht, ZPO

Verkehrsrecht im Examen
Das Verkehrsrecht ist vor allem für das 2. Staatsexamen schon allein aufgrund der Fallzahl in der Praxis ein absoluter Dauerbrenner. Zudem lassen sich hier ideal materiell-rechtliche Probleme mit prozessualen Klassikern (z.B. Widerklage und Drittwiderklage gegen Versicherung) und Fragen des Beweisrechts (Anscheinsbeweise, Beweislastfragen, Beweiswürdigung von Zeugenaussagen etc.) verbinden. Neue Fälle und Entwicklungen im Verkehrsrecht sollten daher von Referendaren besonders aufmerksam beobachtet werden.
Aktuelles Urteil des LG Köln
Ein aktuelles Urteil des LG Köln eignet sich dabei gut für eine Klausur im 2. Staatsexamen. Das LG Köln entschied hier, dass das Nichttragen einer ausreichenden Schutzkleidung regelmäßig dazu führt, dass sich der geschädigte Motorradfahrer ein anspruchsminderndes Mitverschulden allein aus diesem Umstand entgegenhalten lassen muss (LG Köln, 15.05.2013 – 18 O 148/08; im Anschluss an OLG Brandenburg, 23.07.2009 – 12 U 29/09; entgegen OLG Nürnberg, 09.04.2013 – 3 U 1897/12). Dies gilt jedoch nicht, wenn sich die fehlende Schutzkleidung nicht kausal auf die von dem Motorradfahrer bei einem Verkehrsunfall erlittenen Verletzungen ausgewirkt hat.
Sachverhalt
Dem Fall lag (vereinfacht) folgender Sachverhalt zugrunde: Der Motorradfahrer M fuhr auf einer innerstädtischen Straße, als ihm der Pkw-Fahrer P bei einem Wendemanöver aus einer Parktasche der gegenüberliegenden Fahrbahnseite die Vorfahrt nahm. Der Pkw stieß mit dem vorderen Stoßfänger gegen den linken Außenknöchel bzw. das Sprunggelenk des M, der dadurch eine Sprunggelenksfraktur mit Weichteilschaden zweiten Grades erlitt. M trug zum Unfallzeitpunkt keine Motorradstiefel und keine Schutzkleidung, sondern eine Jeanshose mit normalen, halbhohen Schuhstiefeln.
Kernproblem: Mitverschulden
Knackpunkt der Entscheidung war, ob die Ansprüche des M (Schadensersatz und Schmerzensgeld, §§ 7 Abs. 1, 11 Satz 2 StVG, 253 BGB) nach § 254 Abs. 2 BGB wegen Mitverschuldens zu kürzen waren. Alle anderen rechtlichen Gesichtspunkte waren unstreitig. In der Klausur wären Ansprüche nach §§ 7, 18 StVG und (jedenfalls im 1. Staatsexamen zusätzlich auch) § 823 I und II BGB ausführlich zu erörtern.
Hinsichtlich der Haftung nach dem StVG war es wichtig zu erkennen, dass das Nichttragen der Schutzkleidung nicht unter dem Gesichtspunkt der Haftungsverteilung nach § 17 StVG zu diskutieren ist, sondern dass es um die Frage der Schadensminderungspflicht i.R.v. § 9 StVG i.V.m. § 254 Abs. 2 BGB geht. § 17 StVG ist gegenüber § 254 Abs. 1 BGB lex specialis, wenn es um die Frage der Anspruchskürzung wegen eines Mitverschuldens bei der Entstehung des Schadens geht. Bei der Frage eines Mitverschuldens hinsichtlich des Schadensumfangs greift hingegen § 254 Abs. 2 BGB i.V.m. § 9 StVG, da § 17 StVG insoweit keine vorrangige Regelung enthält. Vorliegend geht es um die zweite Konstellation: Das Tragen oder Nichttragen von Schutzkleidung hat hier nicht mit der Unfallverursachung zu tun, sondern hat allenfalls die Verletzung als Unfallfolge beeinflusst.
Lösung des LG Köln
Das LG Köln verneint im vorliegenden Fall im Ergebnis eine Kürzung wegen Mitverschuldens. Hierzu geht es argumentativ überzeugend in zwei Schritten vor:
1. Grundsatz: Nichttragen von Schutzkleidung als Mitverschulden zu berücksichtigen
Eine gesetzliche Pflicht zum Tragen von Schutzkleidung gibt es nicht. Nach § 21a II StVO besteht für Motorradfahrer lediglich eine Helmpflicht. Nach dieser Norm muss einen Helm tragen, „wer Krafträder oder offene drei- oder mehrrädrige Kraftfahrzeuge mit einer bauartbedingten Höchstgeschwindigkeit von über 20 km/h führt sowie auf oder in ihnen mitfährt.“ Zum Teil wird hieraus in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung im Umkehrschluss gefolgert, dass das Nichttragen von Schutzkleidung und Motorradstiefeln auch nicht im Rahmen des Mitverschuldens berücksichtigt werden dürfe. Hiergegen wendet sich zu Recht das LG Köln:

„Grundsätzlich gilt für den Einwand des Mitverschuldens, dass sich im Straßenverkehr für die Verkehrsteilnehmer die einzuhaltenden Schutzvorschriften nicht ausschließlich anhand der vom Gesetzgeber positiv formulierten Vorschriften ergeben. Vielmehr bemisst sich die einzuhaltende Sorgfaltspflicht der Straßenverkehrsteilnehmer an denjenigen Sorgfaltsanforderungen, die ein verständiger und ordentlicher Mensch zur Vermeidung eines Schadenseintritts generell anzuwenden pflegt. In diese Fragestellung ist im Wesentlichen entscheidend, ob ein sogenanntes Selbstverschulden gegeben ist, den erkannten Gefahren durch geeignete Schutzmaßnahmen zu begegnen. Für den Bereich der Teilnahme am Straßenverkehr ist mithin nicht lediglich die Frage nach der gesetzlich normierten Helmpflicht (§ 21a StVO) entscheidend. Vielmehr ist auch zu berücksichtigen, dass – wie die eingereichten Empfehlungen verschiedener Fachverbände unstrittig belegen – bei der Fahrt mit einem Motorrad eine angemessene Schutzkleidung bei jeder Fahrt zu fordern ist. Nach dem – auch dem Kläger zu unterstellenden Wissensstand – verringert das Tragen einer angemessenen Motorradschutzkleidung in Form von Stiefeln und Schutzkleidung die Verletzungsgefahren und -folgen eines Sturzes oder Unfalls in erheblicher Weise, wobei nicht verkannt wird, dass sämtliche Verletzungserscheinungen naturgemäß nicht zu vermeiden sind. Gleichwohl führt das Nichttragen einer ausreichenden Schutzkleidung regelmäßig dazu, dass sich der geschädigte Motorradfahrer ein anspruchsminderndes Mitverschulden allein aus diesem Umstand entgegenhalten lassen muss (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 23.07.2009 – 12 U 29/09 [Rn. 18]; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.02.2006 – 1 U 137/05 [Rn. 27] – jeweils nach juris).
Nach einer Gegenansicht folgt aus dem fehlenden Schutz durch Tragen geeigneter Schuhe während der Motorradfahrt nicht generell ein minderndes Mitverschulden, weil es mangels ausdrücklicher gesetzlicher Normierung kein allgemeines Verkehrsbewusstsein gäbe (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 09.04.2013 – 3 U 1897/12 [Rn. 20 ff.] – nach juris). Soweit nach dieser Ansicht ein allgemeines Verkehrsbewusstsein aufgrund diverser Unsicherheiten über den einzuhaltenden Mindestschutz verneint wurde, vermag sich das Gericht dieser Einschätzung nicht anzuschließen. Denn die eingereichten Unterlagen verschiedener Verkehrs- und Motorradeinrichtungen im vorliegenden Rechtsstreit über die Empfehlung zu den Mindestanforderungen der Schutzkleidung belegen gerade dieses vom OLG Nürnberg verneinte Verkehrsbewusstsein. Die mit Schriftsätzen vom 12.06.2008 bzw. 17.11.2008 von der Beklagten zur Akte gereichten Stellungnahmen des „ADAC“, „VIS Bayern“ und „ifz“ benennen für die einzuhaltende Schutzkleidung allesamt Stiefel als angemessen, wobei insbesondere die Broschüre der „ifz“ die einzuhaltenden Anforderungen an die Stiefel hinreichend konkretisiert. Soweit das OLG Nürnberg in seiner Entscheidung indessen auf die Vielfalt von erhältlichen Modellen und Ausführungen und damit einhergehender Unsicherheiten abstellt, vermag dieses nicht zu überzeugen. Nachdem auch nach den Ausführungen des OLG Nürnberg jedenfalls die gesetzlichen Vorschriften nach § 21a Abs. 2 StVO hinsichtlich der Schutzhelme uneingeschränkt einzuhalten sind, muss diesem daher entgegengehalten werden, dass die gesetzliche Vorschrift ebenfalls nur „geeignete Schutzhelme“ vorschreibt und auch in diesem Bereich eine Vielzahl von Modellen und Ausführungen angeboten werden. Gleichwohl hat sich diesbezüglich trotz der abstrakten Gesetzesfassung ein ausreichendes Verkehrsbewusstsein an die einzuhaltenden Mindestanforderungen der Schutzhelme herausgebildet.“

2. Ausnahme: Fehlende Schutzkleidung nicht ursächlich für Schadensausmaß
Für den vorliegenden Fall war jedoch nach Ansicht des LG Köln nachgewiesen, dass die Verletzungen des M („Sprunggelenksfraktur mit Weichteilschaden zweiten Grades“) nicht ausgeblieben bzw. weniger stark gewesen wären, wenn er Motorradstiefel getragen hätte.
Auch dieser zweite Prüfungspunkt eignet sich hervorragend für eine Examensklausur im Assessorexamen, denn hier könnte man Probleme zur Beweiswürdigung, insbesondere von Gutachten einbauen. Im Fall war ein gerichtliches Sachverständigengutachten seitens des P mithilfe eines Privatgutachtens angegriffen worden. Das LG Köln würdigt dementsprechend ausführlich die Ausführungen des Sachverständigen:

„Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand zu vollen Überzeugung des Gerichts (§ 286 ZPO) fest, dass die eingetretenen Verletzungen nicht durch das Tragen spezieller Schutzkleidung oder -stiefel hätte vermieden werden können. Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen des interdisziplinären Gutachtens konnte anhand der eigens durchgeführten Testreihe eine Schutzwirkung von Motorradstiefeln nur bei einer unterhalb der konkret beim Unfall entstandenen Kollisionsgeschwindigkeit nachgewiesen werden. Die schriftlichen Gutachten der Sachverständigen Dipl.-Ing. C2, Dipl.-Ing. N2 und Prof. Dr. med. F bestätigen unter Darstellung der gesamten technischen Details, die in sich nachvollziehbar in der Anhörung der Sachverständigen N2 und F im Einzelnen im Termin vom 04.10.2011 erläutert wurden, dass die beim Unfall auf das Bein des Klägers einwirkende Kraft deutlich oberhalb derjenigen Krafteinwirkung lag, in welcher in den Versuchsreihen eine Schutzwirkung von Motorradstiefeln nachgewiesen werden konnte. […]
Die Überzeugungsbildung des Gerichts kann auch durch die von der Beklagten zur Akte gereichten Privatgutachten von Prof. Dr. C3 nicht entkräftet werden. Soweit die privatgutachterlichen Stellungnahmen überwiegend die Feststellungen des gerichtlichen Gutachtens in Frage stellen und dieses mit den Unterschieden zwischen den tatsächlichen Begebenheiten und den klinischen Versuchsbedingungen erklärt, vermag dieses nicht zu überzeugen. Denn naturgemäß kann in klinischen Versuchsreihen der tatsächliche Unfall nicht bis in das kleinste Detail nachgestellt werden, wie sich bereits aus den einleitenden Ausführungen des ersten Gutachtens über den Versuchsaufbau erkennen lässt. Insofern sind auch die weitergehenden medizinischen Aussagen des gerichtlichen Sachverständigen F nachvollziehbar und überzeugend, dass für die sachverständige Begutachtung nicht unbedingt auf die gleichartigen Verletzungserscheinungen abzustellen ist, sondern es auf die festgestellten weitgehend entsprechenden Verletzungen an den verwendeten Schweinebeinen ankommen musste. Diese Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen vermögen insbesondere vor dem Hintergrund zu überzeugen, dass bei der Versuchsreihe nicht auf menschliche Beine zurückgegriffen werden konnte, sondern auf anatomisch weitgehend vergleichbare Schweinebeine abgestellt werden musste. Zudem waren auch bei diesen noch altersbedingte Unterschiede in Form einer beim Kläger bereits verknöcherten Wachstumsfuge zu berücksichtigen. Vor diesen Ausführungen wurden die Ausführungen der gerichtlichen Sachverständigen zur Überzeugungsbildung des Gerichts nicht erschüttert.
Soweit die Beklagte den weitergehenden Einwand erhob, dass die Ergebnisse des Gerichtsgutachtens nicht verwertbar seien, weil nicht das geeignete Material in Form von Motorradstiefeln mindestens mittlerer Art und Güte verwendet worden sei, vermochte das Gericht auch dieser Einschätzung nicht zu folgen. Dabei kann sich das Gericht vollständig auf die Ausführungen des TÜV-Gutachtens des Sachverständigen B beziehen und sich den dortigen Ausführungen gänzlich anschließen. Der Sachverständige B beschreibt in seinem Gutachten in nachvollziehbarer Weise, dass es mit Ausnahme für professionelle Fahrer keine verbindlichen Normen über den einzuhaltenden Standard von Schutzschuhen für Motorradfahrer gibt. Unter kritischer Einbeziehung der für den professionellen Einsatz gültigen Norm EN 13634 unterteilt der Sachverständige sechs verschiedene Kategorien von ungenügender bis sehr hohe Art und Güte. Dabei klassifiziert er Schuhe mittlerer Art und Güte mit den Kriterien eines Schuhs aus verstärkten Materialien mit einem hohen Schaft und ordnet die im Rahmen der Versuchsreihe verwendeten Stiefel dieser Stufe zu. Diesen nachvollziehbaren Ausführungen, denen die Parteien nicht weiter entgegengetreten sind, vermag sich das Gericht nach kritischer Würdigung mithin vollständig anzuschließen. Weitergehend kann das Gericht sich angesichts des vorstehenden Beweisergebnisses auch der Auffassung der Beklagten nicht anschließen, dass die Qualitätsstandards der Schutzkleidung mit der Qualität oder Leistungsstärke des gefahrenen Motorrads einhergingen und ggf. zu erhöhten Anforderungen gelangen müssten. Nachdem außerhalb des professionellen Einsatzes keine verbindlichen Normen existieren und das Tragen von Schutzkleidung von dem allgemeinen Verkehrsbewusstsein abhängig ist, sind über das mittlere Maß hinausgehende Anforderungen keinesfalls zu stellen. Dieses ergibt sich im Übrigen auch aus dem Umstand, dass sich der konkrete Unfall bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von ca. 40 km/h im innerstädtischen Verkehr ereignet hat, und diese auch von deutlich leistungsschwächeren Motorrädern erreicht werden konnte und mithin von der tatsächlichen Leistungsstärke und Art des Motorrads nicht abhängig waren.“

01.10.2013/3 Kommentare/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2013-10-01 08:02:302013-10-01 08:02:30LG Köln: Verkehrsunfall – Zum Mitverschulden eines Motorradfahrers wegen Nichttragens von Schutzkleidung
Christian Muders

OLG Düsseldorf: Schockschaden und Mitverschulden bei Verkehrsunfall

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht, Zivilrecht

Anm. zu OLG Düsseldorf, Urteile vom 15.11.2011 – I-1 U 255/10 und 1 U 255/10
1. Worum gehts?
Am 13.12.2006 musste die A miterleben, wie ihre 19-jährige Tochter T, als sie bei Rot einen Fußgängerüberweg überquerte, von einem Auto, gesteuert vom Beklagten B, angefahren wurde. B ist Eigentümer des Wagens und hielt zum Zeitpunkt des Unfalls die zulässige Höchstgeschwindigkeit ein; die T tauchte vor ihm unvermittelt auf der Fahrbahn auf, als sie hinter einem am Fußgängerüberweg parkenden Lkw hervorschoss. Die T verstarb noch an der Unfallstelle. A erlitt aufgrund des Todes ihrer Tochter einen Nervenzusammenbruch und bekam Depressionen. Sie nahm den B daher auf ein Schmerzensgeld in Anspruch. Das LG Düsseldorf verneinte eine Haftung des Autofahrers. Hiergegen hat die A beim OLG Düsseldorf Berufung eingelegt (Sachverhalt leicht verändert).
2. Was sagt das Gericht?
Das OLG Düsseldorf teilte die Haftungseinschätzung des Landgerichts und wies die Berufung zurück.
a) Auswahl der Anspruchsgrundlage:
Bei Schäden, die aus Verkehrsunfällen mit Pkw resultieren, kommen neben dem Deliktsrecht des BGB insbesondere die Anspruchsgrundlagen des StVG, namentlich § 7 StVG (Haftung des Halters eines Pkw) und § 18 StVG (Haftung des Fahrers eines Pkw), in Betracht, um das Schadensersatzbegehren des Anspruchstellers zu begründen. Erstere Norm formuliert einen Tatbestand der sog. „engen“ Gefährdungshaftung, letztere eine Haftung für vermutetes Verschulden. Da beide Vorschriften gegenüber den Anspruchsgrundlagen aus dem BGB, insbesondere § 823 Abs. 1 und 2 BGB, die beide den vollen Schuldbeweis des Schädigers einfordern, geringere Haftungshürden aufstellen, sind sie in der Klausur regelmäßig zuvorderst zu prüfen. Bei Anspruchsgrundlagen, die auf Schadensersatz gerichtet sind, wird dabei generell unter dem Prüfungsschritt 1 (Anspruch entstanden) zwischen dem haftungsbegründenden Tatbestand (den Anforderungen an die Haftung „dem Grunde nach“) und dem haftungsausfüllenden Tatbestand (den Anforderungen an den Umfang der Haftung) differenziert.
b) Haftungsbegründender Tatbestand:
Das OLG Düsseldorf hat zunächst den haftungsbegründenden Tatbestand des § 7 Abs. 1 StVG, also den Tatbestand der Gefährdungshaftung, bejaht.
aa) B war Halter des von ihm gefahrenen Fahrzeugs (ansonsten nur Fahrerhaftung nach § 18 StVG) und damit tauglicher Passivlegitimierter. Weiterhin muss er eine der in § 7 Abs. 1 StVG aufgeführten Rechtsgutsverletzungen verursacht haben, also kausal für den Tod eines Menschen, die Verletzung des Körpers bzw. der Gesundheit eines Menschen oder die Beschädigung einer Sache geworden sein. Die klagende A hat durch den Unfall einen sog. Schockschaden erlitten, da sie aufgrund des Erlebens des Todes ihrer Tochter T von einem Nervenzusammenbruch und depressiven Störungen gepeinigt wurde. Beides stellen gesundheitliche Schädigungen i.S.d. § 7 Abs. 1 StVG dar:

Grundsätzlich kann ein Schockschaden, der durch das Miterleben oder auch durch die Nachricht vom Tode eines Angehörigen ausgelöst wird, einen Schadenersatzanspruch gegen den Unfallverursacher begründen, wenn dieser hierdurch eine Gesundheitsbeschädigung von beträchtlichem Umfang erleidet. Diese Gesundheitsbeschädigung kann dann ausgleichspflichtig sein, wenn sie über die Auswirkungen hinausgeht, die nahe Angehörige in dieser Situation des Verlustes erfahrungsgemäß erleiden müssen (vgl. grundlegend BGHZ 56, 163; zuletzt aufgegriffen in BGH VersR 2007, 803).

bb) Hinsichtlich der Feststellung der Ursächlichkeit des B für diese Beeinträchtigung wird im Zivilrecht zwischen verschiedenen Zurechnungs-„Filtern“ differenziert, die auch bei den „klassischen“ Deliktstatbeständen (also den §§ 823 ff. BGB) ihre Bedeutung haben:

  • Grundlage der Kausalitätsfeststellung ist dabei zunächst – wie im Strafrecht – das Erfordernis eines „conditio-sine-qua-non“-Zusammenhangs i.S. der Bedingungstheorie; demgemäß ist zu fragen, ob ohne den Beitrag des Schädigers die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung entfallen wäre. Ein solcher Bedingungszusammenhang liegt hier vor, da ohne den Unfall, an dem der B mindestens mitbeteiligt war, die T nicht gestorben und damit die A keine psychischen Beeinträchtigungen erlitten hätte.
  • Weiterhin bedarf es als zweiten „Filter“ einer Adäquanz zwischen der Unfallbeteiligung des B und der daraus resultierenden Folge, d.h. der Eintritt der Rechtsgutsverletzung bei A darf nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Erwartbaren liegen. Auch dies ist bei psychischen Beeinträchtigungen aufgrund des Todes einer anderen Person, was regelmäßig ein einschneidendes Ereignis darstellt, zu bejahen, insbesondere wenn dieses Ereignis (wie vorliegend) unmittelbar miterlebt wird.
  • Schließlich kann als dritter normativ aufgeladener Ursachenfilter noch die Lehre vom Schutzzweckzusammenhang angeführt werden. Entscheidend ist danach, ob die für das Schadensersatzbegehren herangezogene Anspruchsgrundlage gerade vor solchen Auswirkungen, wie sie durch die tatbestandliche Rechtsgutsverletzung beim Anspruchssteller eingetreten sind, schützen will. Dabei werden vom Schutzzweck der Norm erfasste Verletzungen von solchen Beeinträchtigungen abgegrenzt, die dem „allgemeinen Lebensrisiko“ zuzurechnen sind und damit keine Ausgleichspflicht des Schädigers begründen. Für Fälle mit sog. Schockschäden wird dabei von einer bloßen Realisierung des allgemeinen Lebensrisikos insbesondere dann ausgegangen, wenn der durch den Unfall unmittelbar Getötete oder Verletzte in keiner näheren (verwandtschaftlichen) Beziehung zu der hierdurch psychisch beeinträchtigten Person stand (vgl. dazu auch unseren Artikel hier). Ist dies hingegen der Fall, wird der mittelbar Beeinträchtigte in den Kreis der durch die Norm geschützten Personen aufgenommen. Vorliegend ist diese Bedingung erfüllt: Die mittelbar durch den Unfall betroffene A war als Mutter der T eine enge Verwandte der Verstorbenen, außerdem hat sie den Tod ihrer Tochter unmittelbar miterlebt.
  • Zuletzt muss sich speziell bei den Tatbeständen der sog. „engen“ Gefährdungshaftung, zu denen § 7 StVG zu zählen ist (anders etwa § 1 ProdHaftG), gerade die erhöhte Gefährlichkeit der tatbestandsspezifischen Verhaltensweise, die Grund für die Statuierung der Gefährdungshaftung ist (hier: Betrieb eines Kfz), in der Rechtsgutsverletzung ausgewirkt haben. Dies ist bei der Halterhaftung des § 7 Abs. 1 StVG dann, wenn das Fahrzeug zum Zeitpunkt des Unfalls bestimmungsgemäß als Fortbewegungsmittel genutzt wird, der Fall.

cc) Schließlich ist vorliegend auch der Ausschlussgrund des § 7 Abs. 2 StVG nicht gegeben. Danach ist eine Ersatzpflicht „dem Grunde nach“ dann ausgeschlossen, wenn der Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird. Die Rechtsprechung definiert „höhere Gewalt“ als ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch äußerste Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist. Da sich der für die psychische Beeinträchtigung der A verantwortliche Unfall vorliegend im Verkehr mit einem anderen Verkehrsteilnehmer ereignete, kann von einem „betriebsfremden Ereignis“ nicht gesprochen werden.
b) Haftungsausfüllender Tatbestand:
Im Rahmen des haftungsausfüllenden Tatbestands hat das Gericht allerdings eine Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens zu Lasten der A vorgenommen und diese auf 100% taxiert.
aa) Hierbei ist zunächst zu beachten, dass die hinsichtlich eines Mitverschuldens bei Unfällen mit Kfz grundsätzlich als lex specialis zu beachtende Vorschrift des § 17 Abs. 2, 3 StVG vorliegend nicht eingreift, da diese ein Zusammentreffen mehrerer Kfz beim Unfall voraussetzt. Am vorliegenden Zusammenstoß waren aber nur der Wagen des B und die T als Fußgängerin beteiligt.
bb) Demgemäß ist in unserem Fall – ebenso wie bei Unfällen mit sonstigen nicht motorisierten Verkehrseilnehmern, etwa Radfahrern – allein die Regelung des § 9 StVG einschlägig, die für die Frage des Mitverschuldens im Wesentlichen auf die vertraute Norm des § 254 BGB verweist. Wendet man letztgenannte Norm allerdings unbefangen an, ist eine Anspruchskürzung zu Lasten der A zunächst nicht ersichtlich: Denn diese selbst trägt keine Verantwortung für den Unfall, da sie lediglich auf der anderen Straßenseite gewartet hat. Allein ihre Tochter hat den Unfall dadurch (maßgeblich) mitverschuldet, dass sie bei Rot über den Fußgängerüberweg gelaufen ist, ohne auf den herannahenden Verkehr zu achten. Dieses Mitverschulden der T bei der „Verursachung des Schadens“ i.S.d. § 254 Abs. 1 BGB ist der A aber grundsätzlich nicht zuzurechnen, namentlich nicht über die Norm des § 254 Abs. 2 S. 2 BGB. Diese Vorschrift verweist bekanntlich für die Zurechnung eines Mitverschuldens Dritter auf die Regelung zur Haftung des Schuldners für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB). Geht man aber mit der h.M. und unter Anwendung des Gleichstellungsgedankens davon aus, dass auch für die Anwendung des § 278 BGB auf Gläubigerseite ein bereits bestehendes Schuldverhältnis mit dem Schuldner zum Zeitpunkt der Obliegenheitsverletzung durch den Dritten zu fordern ist (§ 254 Abs. 2 S. 2 BGB als Rechtsgrundverweisung), kann ein solches z.Zt. des maßgeblichen Sorgfaltsverstoßes der T, nämlich der Mitverursachung des Verkehrsunfalls, nicht bejaht werden.
cc) Dennoch kommt das OLG Düsseldorf für den vorliegenden Fall eines mittelbaren Schockschadens zu einer Zurechnung des Mitverschuldens der unmittelbar betroffenen Näheperson, also der getöteten T:

Da somit die rechtlich anerkannte psychisch vermittelte Schädigung nur auf einer besonderen persönlichen Bindung an den unmittelbar Verletzten beruht, muss sich der Angehörige das fremde Mitverschulden des unmittelbar Verletzten analog §§ 254, 242 BGB aus Billigkeitserwägungen anrechnen lassen (vgl. BGH a.a.O.). Dieses ist hinsichtlich geltend gemachter Schmerzensgeldansprüche auch deswegen zu bejahen, weil das Schmerzensgeld eine nach den Gesamtumständen billige Entschädigung sein soll. Wird aber die Gesundheitsbeschädigung und auch die Möglichkeit eines Ersatzanspruchs durch das Näheverhältnis zu dem unmittelbar Geschädigten hervorgerufen, kann dessen Mitverschulden, das bei eigenen Ansprüchen gemäß § 254 BGB zu berücksichtigen ist, nicht außer Acht gelassen werden. Anderenfalls käme man zu unannehmbaren Ergebnissen.

Die vorgenannte Wertung des OLG kann dabei mit unterschiedlichen Begründungsansätzen unterfüttert werden. Neben dem vom Gericht selbst vorgenommenen, allerdings etwas farblosen Verweis auf die Vorschrift des § 242 BGB kommen auch konkretere normative Anknüpfungspunkte in Betracht. So ist an die Regelung des § 846 BGB zu denken, wonach bei gem. gesetzlicher Regelungen zu ersetzenden, mittelbaren Vermögensschäden Dritter – namentlich Beerdigungskosten der Erben, verlorenen Unterhaltsansprüchen des Ehepartners oder entgangenen Diensten, die der unmittelbar Verletzte einem Dritten zu leisten hatte (vgl. §§ 844, 845 BGB) – eine Mitverschulden desselben bei der Bemessung des Ersatzes für den Dritten ebenfalls zu berücksichtigen ist. Vorliegend geht es zwar nicht um einen kraft Gesetzes zu ersetzenden, lediglich mittelbar verursachten Vermögensschaden, da die A hier eine direkt über die deliktische Norm selbst zu regulierende Rechtsgutsverletzung geltend macht; allerdings kann der Vorschrift des § 846 BGB der Grundgedanke entnommen werden, dass bei Abhängigkeit eines geltend gemachten Schadens von einer weiteren, unmittelbaren Verletzung, die eine andere Person trifft – hier der getöteten T, deren besondere Nähebeziehung zu A erst die Zurechenbarkeit des Schockschadens an B begründet –, deren Mitverschulden ebenso wie eine eigene Obliegenheitsverletzung des Anspruchstellers bei der Bemessung der Forderungshöhe zu berücksichtigen ist.
dd) In Konsequenz des danach anzurechnenden Mitverschuldens der T hat das OLG Düsseldorf schließlich eine Kürzung der Schadensersatzforderung der A auf 100% vorgenommen. Das OLG begründet dies damit, dass die Betriebsgefahr des Fahrzeugs des B gegenüber dem gravierenden Fehlverhalten der Tochter nicht sonderlich ins Gewicht falle:

Auf Seiten der Klägerin ist zu berücksichtigen, dass ihre Tochter schuldhaft den Verkehrsunfall verursacht hat. Diese hat ihre Sorgfaltspflichten als Fußgängerin aus § 25 Abs. 3 S. 1 StVO missachtet. Sie ist bei Rotlicht auf die Fahrbahn gelaufen, ohne den Verkehr auf der (…) Straße und damit auch das Fahrzeug des Beklagten zu 1. zu beachten. Damit ist der Tochter der Klägerin nicht nur ein einfacher Sorgfaltsverstoß, sondern ein grob fahrlässiges Fehlverhalten vorzuwerfen. (…) Dass Fußgänger an einer durch Lichtzeichen geregelten Kreuzung die Fahrbahn nur bei Grünlicht überqueren dürfen, ist eine elementare Verhaltensregel. (…) Angesichts dieser Gesamtumstände ist es gerechtfertigt, die lediglich beim Beklagten zu 1. verbleibende Betriebsgefahr hinter dem schwerwiegenden Mitverschulden der Tochter der Klägerin vollständig zurücktreten zu lassen

Mit dieser Konstruktion im Rahmen des Mitverschuldens wird auf der Ebene des haftungsausfüllenden Tatbestandes allerdings ein Ergebnis erreicht, was auf der Ebene des haftungsbegründenden Tatbestandes, wo nur höhere Gewalt den Halter entlastet (§ 7 Abs. 2 StVG, s.o.), ausgeschlossen ist. Dies stellt sich allerdings nicht als Umgehung der vom Gesetzgeber statuierten Gefährdungshaftung dar, da für einen solchen Haftungsausschluss auf Rechtsfolgenseite immerhin ein besonders gravierendes Mitverschulden des anderen Unfallbeteiligten vonnöten ist. Für Unfälle mit mehreren Kfz normiert der Gesetzgeber sogar in § 17 Abs. 3 StVG ausdrücklich, dass bei einem „unabwendbaren Ereignis“, nämlich bei dem sich einer der Unfallbeteiligten wie ein „Idealfahrer“ verhalten hat, dessen Haftung vollständig ausgeschlossen ist, ohne dass es auf besonders gravierende Verstöße der übrigen Beteiligten ankommt. I.Ü. ist auch bei solchen Unfällen anerkannt, dass bei einem groben Sorgfaltsverstoß eines der beteiligten Pkw die Halter der anderen Wagen ggf. überhaupt nicht haften, also ihre allgemeine Betriebsgefahr ebenso unberücksichtigt bleibt.
3. Warum ist die Entscheidungen wichtig?
Das OLG bleibt, wie bereits seine Verweise auf ergangene Rspr. belegen, mit seiner Entscheidung auf vertrautem Terrain, so dass seine Urteile nichts spektakulär Neues bieten. Indes behandeln sie mit dem „Dauerbrenner“ Verkehrsunfall eine Konstellation, die im ersten wie auch zweiten Staatsexamen beständig abgeprüft wird. Der im Fall behandelte Zurechnungs-„Klassiker“, nämlich die Ersatzfähigkeit lediglich mittelbar verursachter Schockschäden, wird hierbei gepaart mit der wohl weniger bekannten Problematik einer Mitverschuldenszurechnung in dieser Konstellation. Insoweit sollte man sich in der Fallbearbeitung nicht darauf beschränken, lediglich knapp auf die „Billigkeit“ einer solchen Zurechnung, ggf. unter Hinzuziehung des § 242 BGB, zu verweisen. Vielmehr ist es empfehlenswert, zur Stütze dieses Ergebnisses auch Wertungen speziellerer gesetzlicher Regelungen, namentlich des § 846 BGB einfließen zu lassen, auch wenn dieser vorliegend nicht unmittelbar einschlägig ist. Im Originalfall des OLG Düsseldorf war übrigens – wie regelmäßig in der Praxis – auch die Kfz-Versicherung des Fahrzeughalters B verklagt. Die Anspruchsgrundlage für deren Haftung ergibt sich dann aus § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG (Direktanspruch des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer), früher § 3 PflVG a.F.

09.08.2012/3 Kommentare/von Christian Muders
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Christian Muders https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Christian Muders2012-08-09 10:00:182012-08-09 10:00:18OLG Düsseldorf: Schockschaden und Mitverschulden bei Verkehrsunfall
Nicolas Hohn-Hein

BGH: Herausforderungsfälle – Polizeiliche Verfolgungsfahrt

BGH-Klassiker, Deliktsrecht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Schon gelesen?, Zivilrecht, Zivilrecht

Eine kürzlich ergangene Entscheidung des BGH (Urteil vom 31.01.2012 – VI ZR 43/11) hat sich u.a. mit der Frage beschäftigt, ob der Halter eines Fahrzeugs, das von der Polizei verfolgt wird und durch Rammen durch ein Polizeifahrzeug zum Stehen gebracht wird, für den entstandenen Sachschaden an den Polizeifahrzeugen aufkommen muss. Rechtlich bewegt man sich hier im Bereich des Deliktsrechts bzw. der in diesem Zusammenhang diskutierten sog. Herausforderungsfälle.
Sachverhalt (vereinfacht)
A fährt in seinem Pkw, dessen Halter er ist, und wird von der Polizei angehalten. Da er aus verschiedenen Gründen keine Interesse an einer Kontrolle hat, gibt er unvermittelt Gas, um sich der Maßnahme zu entziehen. Dabei wird eine Beamtin leicht verletzt. Die Polizei nimmt sogleich die Verfolgung auf und es entwickelt sich eine regelrechte Verfolgungsjagd über die Autobahn mit Geschwindigkeiten zwischen 150 bis 200 km/h. Dabei versucht A durch schnelles Wechseln der Fahrstreifen und durch Befahren des Standstreifens seine Verfolger abzuhängen.
Da die Polizei keine andere Möglichkeit sieht, A zum Anhalten zu bewegen, beschließt sie, den Verkehr auf der Autobahn durch eigene Fahrzeuge einige Kilometer vor A zu verlangsamen und dann ein Straßensperre bestehend aus mehreren Polizeifahrzeugen einzurichten. Zusätzlich soll ein großer Lkw den Standstreifen befahren. A nähert sich der Straßensperre, bremst ab und entschließt sich, zwischen den beiden mittleren Polizeifahrzeugen hindurchzufahren. Im gleichen Moment rammt ihn ein Polizeiwagen von hinten und schiebt ihn zwischen den beiden Fahrzeugen hindurch, die leicht beschädigt werden. Dann kommt ein weiteres Polizeifahrzeug von der Seite und drückt A an die Leitplanke, sodass dieser letztendlich zum Stehen kommt.
Es ist ein erheblicher Sachschaden an insgesamt vier Polizeiwagen in Höhe von 17.271,84 Euro entstanden. Das Land L verlangt von A Schadensersatz. A beruft sich darauf, dass er nicht damit habe rechnen können, dass die Polizei „so hart durchgreift“ und ihre Fahrzeuge als „Rammböcke“ einsetzt. Den Ausgang der Verfolgungsjagd habe er jedenfalls nicht gewollt.
Kann das Land L von A Schadensersatz verlangen?
Die Rechtsprechung des BGH zu den Herausforderungsfällen im Rahmen von § 823 Abs. 1 BGB
Das Gericht umreißt zunächst lehrbuchhaft die Grundsätze für eine deliktische Haftung, wenn der Schädiger die Situation provoziert hat, die letztendlich in den Schaden mündet.

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats kann jemand, der durch vorwerfbares Tun einen anderen zu selbstgefährdendem Verhalten herausfordert, diesem anderen dann, wenn dessen Willensentschluss auf einer mindestens im Ansatz billigenswerten Motivation beruht, aus unerlaubter Handlung zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, der infolge des durch die Herausforderung gesteigerten Risikos entstanden ist. Eine auf solcher Grundlage beruhende deliktische Haftung ist insbesondere in Fällen bejaht worden, in denen sich jemand pflichtwidrig der (vorläufigen) Festnahme oder der Feststellung seiner Personalien durch Polizeibeamte oder andere dazu befugte Personen durch die Flucht zu entziehen versucht und diesen Personen dadurch Anlass gegeben hat, ihn zu verfolgen, wobei sie dann infolge der durch die Verfolgung gesteigerten Gefahrenlage einen Schaden erlitten haben. […]
Voraussetzung für eine deliktische Haftung ist in solchen Fällen stets, dass der in Anspruch genommene Fliehende seinen Verfolger in vorwerfbarer Weise zu der selbstgefährdenden Reaktion herausgefordert hat. Dabei muss sich das Verschulden insbesondere auch auf die Verletzung eines der in § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgüter erstrecken, d.h. der Fliehende muss sich bewusst gewesen sein oder zumindest fahrlässig nicht erkannt und bei der Einrichtung seines Verhaltens pflichtwidrig nicht berücksichtigt haben, dass sein Verfolger oder durch diesen ein unbeteiligter Dritter infolge der durch die Verfolgung gesteigerten Gefahr einen Schaden erleiden könnte.

Verwirklichung dergesteigerten Gefahrenlage durch rammende Polizeifahrzeuge
Nicht nur in einer Klausur drängt sich hinsichtlich des Verhaltens der Polizeibeamten die Frage auf, ob die rigorose Vorgehensweise der Polizeibeamten noch zugerechnet werden kann. Hier könnte man argumentieren, dass es allein in der Entscheidungsgewalt der Polizeibeamten lag, ihre Fahrzeuge zur Ergreifung des A zu beschädigen, und sie auch auf andere Weise den A hätten stoppen können. Der BGH sieht jedoch die Gefahrenlage, die der A unstreitig nach ständiger Rechtsprechung herbeigeführt hat – die Verfolgung durch Polizeibeamten ist ein klassischer Fall – auch dann als verwirklicht, wenn die Polizisten ihre Fahrzeuge auf die geschilderte Weise einsetzten. Ausgangspunkt hierfür ist eine Abwägungsentscheidung anhand der konkreten Situation.

Wesentlicher Gradmesser für eine Herausforderung zur Verfolgung mit der Überbürdung des gesteigerten Verletzungsrisikos auf den Fliehenden ist insbesondere die angemessene Mittel-Zweck-Relation, nach der die Risiken der Verfolgung und der Beendigung der Flucht nicht außer Verhältnis zu dem Ziel der Ergreifung des Fliehenden stehen dürfen, weil ansonsten die Schädigung nicht mehr in den Schutzbereich der Haftungsnorm fällt. Der Versicherungsnehmer […] hat sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts einer Verkehrskontrolle entzogen, dabei eine Polizeibeamtin verletzt und sich danach über viele Kilometer hinweg mit den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen mit hoher Geschwindigkeit eine Verfolgungsjagd mit mehrfachem Fahrstreifenwechsel unter Mitbenutzung des Standstreifens geliefert. Da von diesem rücksichtslosen Verhalten eine erhebliche Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausging, stand die Entscheidung, die Flucht durch eine Kollision mit dem Fluchtfahrzeug auf die erfolgte Art zu beenden, nicht außer Verhältnis zu dem Ziel der Beendigung der Flucht und der Ergreifung des Fliehenden.
[…]Die subjektive Seite der Haftung, d.h. der Vorwurf, eine Rechtsgutsverletzung seines Verfolgers schuldhaft herbeigeführt zu haben, setzt voraus, dass der Fliehende damit rechnen musste, verfolgt zu werden, und dass er auch voraussehen konnte, seine Verfolger könnten dabei möglicherweise zu Schaden kommen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts wusste der Versicherungsnehmer […], dass er verfolgt wird, und musste auch damit rechnen, dass für seine Verfolger und ihre Fahrzeuge bei seiner Fahrweise nicht nur ein gesteigertes Risiko bestand, während der Verfolgungsfahrt einen Schaden zu erleiden, sondern auch bei einer Beendigung der Flucht durch eine bewusst herbeigeführte Kollision mit dem Fluchtfahrzeug. Bei einer Verfolgungsjagd, wie sie im Streitfall stattgefunden hat, ist es nicht fernliegend, dass die Polizeibeamten erforderlichenfalls auch Schäden an den Polizeifahrzeugen in Kauf nehmen, um den Flüchtenden zu stoppen und Schlimmeres zu verhindern.

Schaden „bei dem Betrieb“ nach § 7 Abs. 1 StVG verwirklicht
Neben § 823 Abs. 1 BGB sollte der Bearbeiter stets auch an die verschuldensunabhängige Haftungsnorm des § 7 Abs. 1 StVG (Haftung des F-Halters) denken, die parallel zur Anwendung kommt. Fraglich war hier, ob der gesamt Vorgang noch unter dem Merkmal „bei dem Betrieb [eines Kfz]“ zu subsumieren ist. Immerhin ließe sich einwenden, die Verfolgungsjagd und alle weiteren Umstände seien dermaßen fernab von dem „üblichen“ Geschehen im Straßenverkehr, dass es sich nicht mehr um die Realisierung der einem Kfz innewohnenden Betriebsgefahr handelte. Der BGH ist anderer Ansicht und bejaht einen weiten Anwendungsbereich dieses Merkmal, denn

[…] die Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeuges erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will d-her alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraft-fahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen werten-den Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist. Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist.

So geschehen im vorligenden Fall. Überlegenswert ist dann auch, ob es sich bei der Entscheidung der Polizeibeamten, den A zu rammen, um ein „unabwendbares Ereignis“ im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG handelte.

Im Streitfall ist ein Polizeifahrzeug auf einer Bundesautobahn auf das Fluchtfahrzeug aufgefahren und hat es zwischen den davor fahrenden Polizei-fahrzeugen hindurchgeschoben, wonach ein anderes Polizeifahrzeug das Fluchtfahrzeug gegen die Leitplanke gedrängt und damit die Flucht beendet hat. Dass dies „bei dem Betrieb“ der beteiligten Kraftfahrzeuge im fließenden Verkehr auf einer Bundesautobahn erfolgte, begegnet nach den vorstehenden Grundsätzen ebenso wenig Bedenken wie bei einem „normalen“ Auffahrunfall. Die Tatsache, dass das Auffahren im Streitfall vorsätzlich erfolgte, um das Fluchtfahrzeug zu stoppen, hat lediglich Bedeutung für die Frage, ob der Unfall für einen der Unfallbeteiligten ein unabwendbares Ereignis im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war.
[…]Die Frage der rechtlichen Unabwendbarkeit in Verfolgungsfällen ist unter dem Gesichtspunkt des Herausforderns vergleichbar zu beantworten wie die Frage einer Haftung nach § 823 BGB. Wer sich der polizeilichen Festnahme durch Flucht unter Verwendung eines Kraftfahrzeuges entzieht, haftet für einen bei der Verfolgung eintretenden Sachschaden an den ihn verfolgenden Polizeifahrzeugen, wenn dieser Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck standen.

Fazit
Verfolgungsjagden, Straßensperren, rammende Polizeifahrzeuge in der höchstrichterlichen Rechtsprechung – das ist Stoff für Klausuren, vor allem, wenn es um aktuelle Probleme aus dem Deliktsrecht geht. Gerade Ersatzansprüche im Straßenverkehr sind ein Dauerbrenner und laufen regelmäßig in den Examensterminen. Es lohnt sich daher, die sog. Herausforderungsfälle noch einmal durchzugehen.

18.05.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Nicolas Hohn-Hein https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Nicolas Hohn-Hein2012-05-18 14:28:212012-05-18 14:28:21BGH: Herausforderungsfälle – Polizeiliche Verfolgungsfahrt

Über Juraexamen.info e.V.

Deine Online-Zeitschrift für Jurastudium, Staatsexamen und Referendariat.

Wir sind ein gemeinnütziger Verein aus Bonn und auf Eure Unterstützung angewiesen, sei es als Mitglied oder durch Gastbeiträge. Über Zusendungen und Nachrichten freuen wir uns daher sehr!

Werbung

Anzeige

Neueste Beiträge

  • Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur
  • Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht II April 2025 NRW
  • Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

Weitere Artikel

Auch diese Artikel könnten für dich interessant sein.

Gastautor

Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur

Aktuelles, Deliktsrecht, Examensvorbereitung, Fallbearbeitung und Methodik, Karteikarten, Lerntipps, Rechtsgebiete, Startseite, Uncategorized, Verschiedenes, Zivilrecht, Zivilrecht

Im Ausgangspunkt ist klar: „Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden, wäre utopisch“ (vgl. nur BGH, Urt. v. 19.1.2021 – VI ZR 194/18) Damit ist allerdings nicht geklärt, welche Anforderungen […]

Weiterlesen
12.06.2025/0 Kommentare/von Gastautor
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Gastautor https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Gastautor2025-06-12 09:39:522025-06-12 09:39:53Verkehrspflichten in der zivilrechtlichen Klausur
Redaktion

Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht II April 2025 NRW

Aktuelles, Examensreport, Nordrhein-Westfalen, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Uncategorized, Verfassungsrecht

Wir freuen uns sehr, ein Gedächtnisprotokoll zur zweiten Klausur im Öffentlichen Recht des April-Durchgangs 2025 in Nordrhein-Westfalen veröffentlichen zu können und danken Tim Muñoz Andres erneut ganz herzlich für die […]

Weiterlesen
04.06.2025/0 Kommentare/von Redaktion
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Redaktion https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Redaktion2025-06-04 08:43:322025-06-04 08:44:08Gedächtnisprotokoll Öffentliches Recht II April 2025 NRW
Miriam Hörnchen

Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

Aktuelles, Examensvorbereitung, Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Startseite, Verwaltungsrecht

Die vom VG Berlin zu beantwortende Frage, ob die Ablehnung einer Bewerbung für den Polizeidienst wegen sichtbarer Tätowierungen rechtswidrig erfolgt, wirft eine Vielzahl examensrelevanter Fragestellungen auf: Aufgrund der Eilbedürftigkeit im […]

Weiterlesen
03.06.2025/0 Kommentare/von Miriam Hörnchen
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Miriam Hörnchen https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Miriam Hörnchen2025-06-03 08:45:032025-06-06 10:50:46Tätowierungen als Einstellungshindernis im Polizeidienst?

Mitmachen

Du hast Lust, Autor bei uns zu werden? Wir freuen uns!

Mitmachen

  • Über JE
  • Das Team
  • Spendenprojekt
  • Gastautor werden
  • Mitglied werden
  • Alumni
  • Häufige Fragen
  • Impressum
  • Kontakt
  • Datenschutz

© juraexamen.info e.V.

Nach oben scrollen Nach oben scrollen Nach oben scrollen