Strafrecht SI – Oktober 2014 – 1. Staatsexamen Berlin, Brandenburg
Vielen Dank an Marie für das Zusenden eines Gedächtnisprotokolls der ersten gelaufenen Klausur des 1. Staatsexamens im Strafrecht im Oktober 2014 in Berlin und Brandenburg. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
G und O konsumieren oft zusammen Heroin. Weil die G in letzter Zeit immer mehr Heroin mitbringt als die O, fühlt sie sich ausgenutzt und beschließt sich bei Gelegenheit aus den Sachen der O zu bedienen.
Kurze Zeit später ergibt sich die Gelegenheit: G trifft O im Park mit zwei großen prall gefüllten Taschen. G verwickelt O in ein Gespräch, in dem sie ihr „Schmarotzerverhalten“ vorwirft. G geht davon aus, dass Dinge in der Tasche sind, die sie zu Geld machen lassen kann. O stellt die Taschen neben sich ab. Daraufhin ergreift G eine der Taschen und rennt davon. O ist verdutzt, greift die zweite Tasche und nimmt die Verfolgung auf. Auf dem Weg rennt G zufällig an ihrer Nachbarin N vorbei. N hat gesehen, wie G die Tasche ergriffen hat und erkennt die Situation. Damit O die Tasche samt Inhalt nicht wiedererlangt, stellt N der O ein Bein. O stürzt auf den Kiesweg, schürft sich die Knie auf und hat eine Platzwunde an der Stirn. Wie erwartet, kann G entkommen.
Sofort geht G zu mehreren Banken und tauscht die großen Scheine in kleine Scheine um. Zuhause öffnet G die Tasche, in der sich ein Smartphone, einige Kleidungsstücke, an denen sich noch das Preisschild befindet, und ein Briefumschlag mit 2000 Euro befinden. G ist klar, dass O die Sachen nicht legal erworben hat. G möchte sich selbst um die Verwertung kümmern, wird jedoch krank. Sie bittet ihre Freundin F, die in das Geschehen eingeweiht ist, das Smartphone bei dem ihr bekannten dubiosen Händler H für mindestens 200 Euro zu verkaufen. F dürfe davon 25 Prozent für sich behalten. F ist einverstanden und geht zu H. Da dieser ihr jedoch nur 100 Euro zahlen will, verlässt sie unverrichteter Dinge das Geschäft und bringt das Gerät zurück zu G.
Einige Zeit später kommen G Bedenken, dass O die Sache nicht auf sich beruhen lässt und die Sachen bei ihr gefunden werden könnten. Sie bittet F die Sachen an sich zu nehmen. F ist das aber zu riskant, sie nimmt lediglich das Smartphone und die eingetauschten Scheine mit.
Da fällt G ein, dass sie einen Schlüssel für die Wohnung der N hat. Sie klingelt und ruft mehrmals bei N an, um sich zu vergewissern, dass N nicht zuhause ist. Dann schließt sie die Wohnung der N auf und versteckt die Kleidungsstücke unter dem Bett.
Am Nachmittag klingelt die Polizei bei G mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl. G erklärt spontan, dass sie die N mit genau der beschriebenen Tasche neulich in ihre Wohnung hat gehen sehen. Die Beamten durchsuchen die Wohnung der G und finden nichts. Dann klingeln sie bei der Wohnung der N, ohne vorher bei einem Richter angerufen zu haben und eröffnen N, dass ihre Wohnung zur Auffindung von Beweismitteln durchsucht werden müsse. N ist erstaunt und gibt ihnen den Weg frei. Die Beamten finden die Kleidungsstücke. Das gegen N eingeleitete Ermittlungsverfahren wird eingestellt, weil die Aussagen von N und O hinsichtlich der Tat übereinstimmen.
Frage 1: Wie haben sich G, N und F nach dem StGB strafbar gemacht? §§ 123, 261 sind nicht zu prüfen. Auf Strafverfolgungshindernisse ist nicht einzugehen.
Frage 2: War die Durchsuchung der Wohnung von N rechtmäßig?
1 TK
242 durch T, wohl unproblematisch (+),
185 durch T
252 durch Helfer (-) mangels Drittbesitzerhaltungsabsicht
242,27 durch Helfer: P: Verhältnis zu 257 -> Sukzessive Beilhilfe
257 -/+
240 und 223 durch Helfer
252, 249, 25 I Var 2 durch T: P: Absichtslos doloses Werkzeug?
Ggf 252, 27 durch Helfer
2 TK
263 zu lasten der Bank: Gutgläubiger Erwerb als Schaden?
263 zu lasten der O gegenüber Bank: Näheverhältnis aus 932?
3 Tk
F:
259 P: Erfolg beim Absetzen notwendig? Wohl nach hM (-)
259, 22
257 P: Vorteile der tat
T:
257, 26 (+) vgl 257 III 2
259, 26 (+) aber mitbestrafte Nachtat
4 TK
F:
257 (+)
258, 22
T:
164 I P: Durch das Verstecken der Beute? Hier egal, da auch ausdrücklich behaupet P2: Nachbarin war tatsächlich an Vortat beteiligt
145d II (+) aber subsidiär
187 +/-
258 (-)
War die Durchsuchung rechtmäßig? Wohl (-) da Richtervorbehalt nicht eingehalten (vgl Art. 13 und 105 StPO)
kein hehlereierfolg? Da hat wohl jemand die BGH Rechtsprechung vom letzten Oktober verpennt :}
Und Du hast wohl verpennt, dass man nicht dem BGH folgen MUSS…
Selbstverständlich muss dem BGH nicht gefolgt werden. Allerdings handelte es sich bei der Ansicht, die keinen Hehlereierfolg voraussetzt, schon vor der Entscheidung des BGH um eine Mindermeinung. Dies daher als h.M. zu beschreiben, stimmt daher m.E. nicht.
259, 22 wird noch daher auch geprüft, da der Erfolg notwendig ist
in der Lösungsskizze ist es doch bloß missverständlich geschrieben!
(-) bezieht sich nicht auf den Erfolg sondern auf die Hehlerei
Ja, ich wäre auch dem BGH gefolgt und hätte das Erfodernis des Hehlereierfolges abgelehnt. Eine andere Ansicht ist natürlich vertretbar. Das oben genannte sind auch nur Gedanken, keine verbindliche Lösungsskizze.
Eine kurze Ergänzung noch:
1. TK: Man hätte noch kurz diskutieren können, ob § 263 nicht einschlägig war. Denn T hat O in ein Gespräch „verwickelt“ und ihm daher zumindest konkludent vorgespiegelt, keine bösen Absichten zu verfolgen (ließe sich nach dem normativen Irrtumsverständnis vielleicht begründen). Es fehlte aber jedenfalls an einer Verfügung, weil das Hinstellen der Taschen eine schlichte Gewahrsamslockerung war, die keinen verfügenden Charakter hatte. Die Prüfung war wohl aber nicht zwingend. § 185 ist mE nicht zwingend, da nach dem SV nicht klar war, ob T O so genannt hat (Schamrotzerverhalten). Also Tatfrage.
§ 252 entfällt entweder an der Tätereigenschaft (Helfer war nur Gehilfe, str.) oder am fehlenden Eigenbesitz im subj. TB. Man hätte kurz auf die Sicherungserpressung eingehen können, denn diese ist ja kein Sonderdelikt und greift auch bei Drittbereicherungsabsicht ein. Sie war aber mangels Verfügung bzw Schaden eh abzulehnen.
Für die mittelbare Täterschaft des T gab es mE keine Anhaltspunkte.
In Betracht kam noch § 224 durch den Helfer (zumindest Nr. 2 und Nr. 5?).
Man hätte noch die Prüfung der Unterschlagung irgendwo im Gutachten unterbringen und die Problematik der wiederholten Zueignung ansprechen können.
Kleinere Problemchen könnten noch sein: Die Kleidung enthält das Preisetikett, was ein Hinweis auf eine zusammengesetzte Urkunde wäre. Bzgl. des § 274 lag wohl aber kein Vorsatz vor, jedenfalls aber keine Nachteilszufügungsabsicht. Was § 242 am Geld angeht, gab es noch mE ein kleines Vorsatzproblem, da T nur Gegenstände klauen wollte, die sich zu geld machen lassen.
1. § 263 anprüfen, d’accord, wenn auch offensichtlich nicht einschlägig. § 185 würde ichd dagegen bejahen, der Vorwurf eines „Schmarotzerverhaltens“ hat eindeutig den Charakter einer Beleidigung.
2. § 252 d’accord.
3. Mittelbare Täterschaft war m.E zwingend zu prüfen, um zur Problematik des absichtslos-dolosen Werkzeugs zu kommen. Hierfür würde das ausschließliche Interesse am Taterfolg reichen um die mittelbare Täterschaft zu begründen (so Otto,
Übungen im Strafrecht, Übungsfall 15).
4. § 224 I Nr. 2 halte ich für eher abwegig, die „Fuß als gefährliches Werkzeug“ Problematik ist natürlich vertretbar, aber ziemlich abwegig. In der Regel kontrolliert ein Praktiker, der davon genervt sein dürfet. § 224 I Nr.5 halte ich dagegen für unvertretbar (Beinstellen?)
Ich meinte, § 185 hätte man deswegen weglassen können, weil nach dem SV nicht ganz klar war, ob T auch das Wort „Schmarotzer“ gesagt hat. Hätte er ihm dieses Schmarotzerverhalten mit anderen Ausdrücken vorgeworfen, hätte es auch keinen Anhaltspunkt für § 185 gegeben.
Die mittelbare Täterschaft scheidet aus, da der Helfer ohne Initiative des Täters gehandelt hat. Insoweit gibt es keinen Anlass, den Vordermann als Werkzeug zu behandeln. Dass die Handlung des H dem Täter alleine zugutekam, ist unerheblich. Daher scheidet § 25 I Alt. 2 mE relativ eindeutig aus.
§ 224 I Nr. 2 im Hinblick auf den Fuß sowie im Hinblick auf den Kiesweg als „unbewegbaren Gegenstand“. § 224 I Nr. 5 war deswegen naheliegend, weil das Opfer in vollem Lauf war und dann auf dem Kiesweg liegen blieb.
Bei 242 hab ich auch Gewahrsamslockerung durch das Abstellen der Tasche kurz angeschnitten. Zudem habe ich i.R.d. Vorsatzes problematisiert, ob er überhaupt Vorsatz bzgl. des Inhalts der Tasche und bzgl. der Tasche selbst hatte. Hab letztlich beides bejaht, wobei man bei der Tasche wohl auch Gegenteiliges gut vertreten kann.
Was m.E. vor der sukzessiven Beihilfe im 1. Teil noch hätte angesprochen werden müssen, ist die sukzessive Mittäterschaft, die aber entweder schon von vorneherein unzulässig ist (so die Lit.) oder aber jedenfalls an dem gemeinsamen Tatplan scheitert. Insofern scheitert jedwede Zurechnung des Verhaltens des N bei G (insb. 252).
Wie kommst Du auf 25 I Var. 2? Wer soll hier wen als Werkzeug und wie eingesetzt haben?
Bei N: §§ 223, 224 I Nr. 2, 3, 4 (wobei 3 und 4 – ), 240; 242, 27.
259 war natürlich schön mit der Frage der Absatzhilfe 🙂 Unabhänig davon war der Fall schön, um die einzelnen Alternativen von 259 I abzugrenzen.
Hab 185 auch nicht geprüft, da ich es auch so verstanden hab, als hätte G dies nicht wörtlich, sondern nur sinngemäß gesagt.
F: 259 I bzgl. Smartphone, 257, 258
G bzgl. letztem Teil: 164, 145d II Nr. 1; 239 II, 22,23, 25 I Var. 2 (weil G die Strafverfolgungsbehörden als gerechtfertigtes Werkzeug bzgl. der Freiheitsberaubung einsetzen wollte). Dagen (-): 257, 26/27 bzw. 258, 26/27 wg. Vorsatzlosigkeit der N.
Die Durchsuchung ist m.E. rechtswidrig, 102 StPO. P1: Richtervorbehalt nicht beachtet, wg. Art. 13 GG streng zu handhaben. Keine Gefahr im Verzug ersichtlich. Die Einwilligung hab ich als nicht wirksam angesehen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass N „überrumpelt“ wurde. Hier wird man vielleicht besser die Wirksamkeit feststellen müssen, der Schwerpunkt liegt aber m.E. auf dem Richtervorbehalt.
§ 25 I Alt. 2 wird in diesen fällen oft mit § 252 einschlägig sein, da sieht der fall aber normalerweise so aus, dass der täter des diebstahls auf den helfer irgendwie einwirkt und so seine normative tatherrschaft begründen kann. selbst nach der rein subjektiven theorie, nach der das bloße tatinteresse für die begründung der täterschaft ausreicht, wäre das m.e. zu verneinen, weil alleine die tatsache, dass die handlung des N dem täter zugutekommt, die strafbarkeit nicht begründen kann. sonst wäre das eine art aufgedrängte täterschaft. hier fehlt es sogar an einem kommunikationsakt.
Gleiche Arg hab ich bei 25 II gebracht. 25 I Var. 2 passt für mich irgendwie gar nicht.
§ 25 I Var.2 wird halt in den Fällen des Absichtslos-Dolosen Werkzeugs disktutiert. Ist eine Standardkonstellation. Im Ergebnis konnte man die mittelbare Täterschaft wohl aber gut ablehnen (keine Tatherrschaft, da keine Einwirkung auf N).