Strafrecht SI – April 2014 – 1. Staatsexamen NRW
Im Folgenden findet ihr ein Gedächtnisprotokoll der ersten Klausur im Strafrecht des 1. Staatsexamens in NRW im April 2014. Vielen Dank dafür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
I.
Die Eheleute Meyer und Müller sind gemeinsam zum
Pärchenurlaub in der Toskana. Nach kurzer Zeit erkennt
Helga Müller, dass ihren Ehemann Otto mit Nadine
Meyer mehr verbindet als eine langjährige
Freundschaft, als sie O und N beim Liebesspiel in der
Sauna erwischt. Von dieser neuerlichen Eskapade des O
erzählte H telefonisch ihrer Tochter aus erster Ehe. T
erwiderte daraufhin: Mit ihm muss endgültig Schluss
sein!. Dabei war T bewusst, dass ihre Mutter zu
Gewalttätigkeiten, auch gegenüber O, neigte und ihn schon
vorher körperlich angegriffen hatte.
Am Tag darauf war Pärchenabend in der Ferienanlage. Die
Meyers, N und ihr Ehemann C, spielten gemeinsam Karten.
Die Müllers hingegen zogen sich auf ihr Zimmer zurück, wo
H den fetischistischen O mit dessen Einverständnis am Bett
fesselte. Als sie damit fertig war erinnerte sie sich an
die Worte ihrer Tochter. Jedoch wollte sie nicht, dass N
den C für sich allein hat. O hatte die Absichten der H
noch erkannt und flehte, sie solle ihn verschonen. Davon
unbeeindruckt nahm sie einen ihrer halterlosen
Nylonstrümpfe und erdrosselte O.
Doch auch N sollte ihre Strafe bekommen. H wandte sich an
die italienischen Behörden und teilte mit, dass N den O
erdrosselt habe. Die italienischen Behörden schenkten dem
anonymen Brief jedoch keinen Glauben und unternahmen
nichts. H, N, C und der Leichnam des O kehrten unbehelligt
zurück nach Deutschland. Die deutschen Behörden wurden von
den Vorfällen nicht unterrichtet.
Zurück in Deutschland kam C, ein langjähriger Freund des
O, dahinter, dass H am Tod seines Freundes und der Anzeige
bei den italienischen Behörden steckte. Um H dafür büßen
zu lassen, fasste er den Entschluss die H auf den selben
Weg wie den O zu bringen. Dafür lauerte er ihr in seinem
Auto auf einem unbeleuchteten Weg am Friedhof, welchen die
scheinbar trauernde Witwe H täglich besuchte, auf. Als H
den Weg betrat beschleunigte C sein Auto auf eine hohe
Geschwindigkeit, um H so zu erfassen. H konnte jedoch
unerwarteter weise ausweichen durch einen Sprung an den
Wegesrand. Der C bremste abrupt, legte den Rückwärtsgang
ein und beschleunigte wieder. Dieses Mal erfasste er H mit
dem Kofferraum. H blieb zunächst reglos liegen. C dachte H
sei tot und war erleichtert deswegen. Kurz darauf stand
die nur leicht verletzte H jedoch auf. C erkannte dies.
Doch da packte ihn das Mitleid und er fasste den
Entschluss, dass H auf legalem Wege eine Strafe bekommen
solle. C fuhr mit seinem Auto fort und zur örtlichen
Polizei, wo er Anzeige gegen H erstattete.
Strafbarkeit von H, T und C.
Nicht zu prüfen sind (u.a.) 142, 185-187, 221, 239, 240.
Nur bei H sind nicht zu prüfen alle Tatbestände aus dem
Siebzehnten Abschnitt des Besonderen Teils.
II.
Die H verfügt über keinerlei Verbindungen ins Ausland. Sie
hat nur minimale Fremdsprachenkenntnisse und nur wenig
Bargeld. Sie ist in ihrer Heimatgemeinde stark verwurzelt.
Sie hält sich ununterbrochen dort auf.
Ist der Erlass eine Haftbefehls gegen H rechtmäßig?
Von einem dringenden Tatverdacht gegen H ist auszugehen.
Hat jemand Lösungsvorschläge?
H:
Anwendbarkeit deutschen Strafrechts: § 7 I
Mord (+): Heimtücke (problematisch, aber -), niedrige Beweggründe (+)
223, 224 treten zurück
240 tritt zurück
164 (+) zwar kein Erfolg, aber nicht erforderlich
153 (-)
–> Handlungsmehrheit § 53
Mehr ist mir nicht eingefallen…
In etwa habe ich dasselbe. Vortäuschen einer Straftat würde ich noch hinzufügen.
Zur Strafbarkeit der Tochter: zunächst Anstiftung zum Mord, allerdings – mangels Vorsatz. Dann fahrlässige Tötung.
Strafbarkeit des O: 211,212, 315b, 223,224, 240
Zum 2. Teil:
Ich denke, hier müsste diskutiert werden, ob die Anhaltspunkte für die Annahme einer Fluchtgefahr genügen, was ich auf Grund von Zeitmangel mit einigen Worten verneint habe.
So ähnlich habe ich es auch. Bei O habe ich schwerpunktmäßig die Problematik mit dem Rücktritt.
Bei O habe ich 315 b I, III i.V.m. § 315 III geprüft.
Fahrlässige Tötung habe ich nicht. Habe Anstiftung und Beihilfe verneint.
Nein, ein Haftgrund war nach § 112 III StPO nicht erforderlich.
Doch, verfassungskonforme Auslegung des 112 III, wonach dennoch ein Haftgrund erforderlich ist, die Anforderungen an diesen nur geringer sind. Als hätte man Fluchtgefahr bejahen müssen, damit der Haftbefehl rechtmäßig wäre.
Und ja, den Rücktritt have ich auch schwerpunktmäßig plus 315b ivm mit 315 III
Eine Idee zu 164: Man könnte vllt als Frage des internationalen Strafrechts problematisieren, ob im Falle der Irreführung der ausländischen Strafverfolgung der deutsche Straftatbestand des 164 Anwendung findet. insoweit ist ja die deutsche Strafverfolgung als Rechtsgut nicht betroffen. Man könnte aber u.U. auf den Schutz des zu Unrecht Verfolgten verweisen (ich meine der Strafzweck des 164 ist schon bei rein deutschen Sachverhalten strittig, ist aber so oder so die Frage ob das reicht..)
Lief genauso in Niedersachsen
fahrlässige Tötung der Tochter? gibt doch keine Tathandlung?
Im zweiten Teil habe ich zunächst versuchten Mord und dann Rücktritt geprüft….
Doch klar, die Tathandlung ist das Telefonat mit der Mutter. Bei Fahrlässigkeitstaten kann an jedes kausale Verhalten angeknüpft werden. Außerdem stand im Sachverhalt, dass die Mutter schon öfter gewalttätig reagiert hat etc. Diese Anspielung wäre überflüssig, hätte man keine Fahrlässigkeit prüfen müssen..
Ja, ihr kann man aber beim besten Willen keinen Fahrlässigkeitsvorwurf machen. Es gibt nicht wenige Menschen, die handgreiflich werden. Heißt aber noch lange nicht, dass man deswegen mit einer Tötung rechnen muss, wenn man demjenigen sagt: mit dem muss Schluss sein. Damit hat sie eindeutig die Beziehung an sich gemeint 🙂
genauso habe ich das auch gesehen. habe Anstiftung und Beihilfe verneint. gerade weil im SV auch stand, dass die Mutter, nachdem sie den Macker gefesselt hat an die Worte, ihrer Tochter denkt, ihr gedanklich zustimmt, ABER nicht will, dass N mit ihrem Mann in den Sonnenuntergang reitet und daraufhin den Tatentschluss fasst. Stimmt anprüfen der fahrlässigen Tötung wahrscheinlich gewollt. aber kann def. nicht durchgehen.
Ja, deswegen habe ich fahrlässige Tötung auch nicht geprüft. Aber man hätte es zumindest anprüfen müssen. Einen Fahrlässigkeitsvorwurf wird man der T aber schwerlich machen können.
Rache als niedriger Beweggrund bei O?
Habe ich auch so gesehen… Heimtücke aber (-)
Rache als niederer Beweggrund habe ich abgelehnt… Weil ja nachvollziehbar. https://www.juraexamen.info/zur-wiederholung-niedrige-beweggrunde-rucktrittshorizont-gewahrsam/
Bei Blutrache aber nur, wenn es um die Tötung eines nahen Angehörigen geht und der Täter besonders stark darunter leidet…
Da fällt mir ein… Im Hinblick auf O habe ich Eifersucht als Motiv angenommen. Hab dann aber trotzdem die niederen Beweggründe verneint.
Hab Rache dann bei C geprüft.
Eifersucht? In Bezug auf was?
Weil O mit der anderen schläft… Oder steh ich jetzt total auf dem Schlauch
Ach ja klar, du hast Eifersucht bei H in Bezug auf O geprüft. Dachte einen Moment, O ist C.
fahrlässige tötung der t? die hinweise waren vielmehr wegen anstiftung gegeben. und eine fahrlässige anstiftung wird zwar bejaht, aber ist letztendlich straffrei, da anstiftung ja eine vorsätzlich rechtwidrige tat als haupttat veraussetzt. deshalb waren da die infos mit “ hätte sie nicht für möglich gehalten obwohl die mutter bla bla bla
Heimtücke bei der H ist im Ergebnis aber zu bejahen, der Fall basiert auf einem Urteil aus 2012. Die niedrigen Beweggründe müssen wohl sowohl bei H, als auch bei O diskutiert werden und können mit entsprechender Diskussion abgelehnt oder bejaht werden. Es ist ja immer eine Gesamtbetrachtung notwendig…
Hast du auch ein Aktenzeichen?
Hab’s wie “ damals “ gemacht 🙂 https://www.ejura-examensexpress.de/online-kurs/entsch_show_neu.php?Alp=1&dok_id=2928