Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Im Folgenden eine Übersicht über im Oktober veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht):
I. BGH, Urteil vom 20. August 2014 – 2 StR 605/13
Ob im Rahmen der Frage eines Heimtückemordes (§ 211 StGB) die Arglosigkeit des Opfers auch dann ausgeschlossen ist, wenn die Kontrahenten ausdrücklich oder zumindest konkludent einen Faustkampf ohne Waffen verabredet haben, aber der Täter abredewidrig und überraschend mit Tötungsvorsatz eine Waffe einsetzt, kann offen gelassen werden, wenn dem Täter aufgrund einer Persönlichkeitsstörung sowie drogen- und alkoholbedingter Enthemmung jedenfalls nicht bewusst gewesen ist, einen durch Ahnungslosigkeit gegenüber dem Angriff schutzlosen Menschen zu überraschen.
II. BGH, Beschluss vom 21. August 2014 – 3 StR 203/14
Fährt die Täterin den Mitangeklagten nach vorheriger Ankündigung, dieser werde ihren Vater töten, mit ihrem Auto zum Tatort und unternimmt sie dann nichts, um den Mitangeklagten von seinem Tatplan abzuhalten, liegt ein Töten durch Unterlassen vor, bei dem die Garantenstellung aufgrund eines vorangehenden, gefahrerhöhenden Vorverhaltens besteht.
III. BGH, Urteil vom 4. September 2014 – 4 StR 473/13
1. Hat es der hierfür verantwortliche Polizeibeamte unterlassen nach einer ohne richterliche Entscheidung erfolgten Ingewahrsamnahme oder Festnahme, an der er selbst nicht beteiligt war, die für die Fortdauer der Freiheitsentziehung erforderliche unverzügliche Vorführung beim Richter vorzunehmen bzw. die für sie gebotene richterliche Entscheidung unverzüglich herbeizuführen, ist dies geeignet den Vorwurf der Freiheitsberaubung durch Unterlassen zu begründen.
2. Jedoch entfällt die Kausalität eines solchen Unterlassens jedenfalls dann, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der zuständige Richter bei unverzüglicher Vorführung und rechtmäßiger Entscheidung – unter Ausschöpfung ihm zustehender Beurteilungsspielräume zugunsten des Angeklagten – die Fortdauer der Freiheitsentziehung angeordnet hätte (Fall „Oury Jalloh“; Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung, jedoch nicht wegen Freiheitsberaubung mit Todesfolge [§ 239 Abs. 4 StGB]; Leitsätze des Gerichts; zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
IV. BGH, Urteil vom 25. September 2014 – 4 StR 586/13
§ 4a Abs. 2 Nr. 1 RVG begründet kraft Gesetzes eine Garantenstellung des Rechtsanwalts, der vor Abschluss einer Erfolgshonorarvereinbarung seinen Mandanten über die voraussichtliche gesetzliche Vergütung – als verlässlicher und transparenter Vergleichsmaßstab – aufzuklären hat. Unterlässt er dies, macht er sich gemäß §§ 263 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB wegen Betruges durch Unterlassen strafbar, wenn der Mandant daraufhin irrig annimmt, es gäbe zu der aufgezeigten Möglichkeit der Abrechnung keine Alternative (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
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Zum Schluss noch eine prozessuale Entscheidung zur Reichweite der Mitteilungspflicht im Hinblick auf Verständigungsgespräche nach § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO:
V. BGH, Beschluss vom 29. Juli 2014 – 4 StR 126/14
An der Mitteilungspflicht des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO über Verständigungserörterungen im Sinne des §§ 202a, 212 StPO im Zwischenverfahren ändert sich auch durch die zwischen dem Vorgespräch und der Eröffnung des Hauptverfahrens erfolgte vollständige Neubesetzung der Strafkammer nichts. Schon aus dem Wortlaut des § 243 Abs. 4 Satz 1 StPO ergeben sich keine Hinweise darauf, dass Verständigungsgespräche, die mit dem Gericht in anderer Besetzung geführt worden sind, nicht von der Mitteilungspflicht erfasst wären. Ein Wechsel der Gerichtsbesetzung im Zeitraum zwischen Eingang der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens ist gesetzlich zulässig und insbesondere bei länger andauernden Zwischenverfahren keine Seltenheit. Schon im Hinblick auf die Regelung des § 76 Abs. 2 Satz 4 GVG (reduzierte Besetzung der Strafkammern) und im Hinblick auf die fehlende Beteiligung der Schöffen bei Vorgängen außerhalb der Hauptverhandlung (§76 Abs. 1 Satz 2 GVG) besteht zwischen der Besetzung der Kammer im Zwischenverfahren einerseits und im Hauptverfahren andererseits regelmäßig keine Identität.
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