Öffentliches Recht ÖI – November 2015 – 1. Staatsexamen NRW
Nachfolgend erhatet ihr auch ein Gedächtnisprotokoll der ersten gelaufenen Klausur im Öffentlichen Recht des 1. Staatsexamens im November 2015 in NRW. Herzlichen Dank hierfür an Tobias. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
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Sachverhalt
Der islamische Kulturverein K will am Karfreitag für 3 Familien seine Halle vermieten, damit die da das Sünnet-Fest feiern können. Das Geld fließt dem Verein zu. Dabei wird die Beschneidung von muslimischen Jungen, die zwischen 5-12 Jahren erfolgt, mit Koranlesungen, Tanz, Gesang und einem Festmahl gefeiert. Das Fest findet einige Tage bis Wochen danach statt, wobei es keine genauen Vorgaben gibt. Erwartet werden ca 1000 Gäste. Die Behörde kündigt im Rahmen der Anhörung des Vorstands des K an, im Hinblick auf § 6 Abs 3 Nr 2 iVm § 11 FeiertagsG die Feier zu verbieten. Der Vorstand des K kündigt an, sich dem Verbot zu beugen, aber Klage zu erheben, um für den wahrscheinlichen Fall einer Erledigung klären zu lassen, dass das Verbot rechtswidrig ist. K wendet zudem ein, dass ein anderer Tag nicht gleich geeignet sei, da viele Gäste aus dem Ausland kommen und das lange Osterwochenende sich dafür besonders eignet. Außerdem würden – was zutrifft – Nachbarn und Dritte nicht übermäßig Kenntnis von der Feier erlangen. Das Verbot verstoße gegen Art 4 GG.Die Behörde erlässt das Verbot verknüpft mit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit, die wie folgt begründet wird: die Anordnung sei zur Bekräftigung des Verbots erforderlich. Zudem hat K Klage angekündigt, weshalb das öffentliche Interesse überwiegt. Zur Begründung des Verbots führt sie an, dass schon unklar ist, ob das Fest überhaupt religiös motiviert sei, dies aber nichts ändere, da das Interesse hinter dem der Öffentlichkeit zurückstehen müsse. Zudem sei unklar, ob K als juristische Person sich auf Art 4 berufen kann. Zudem stünde der Religionsausübung entgegen, dass K schließlich Einnahmen erzielt.
Außerdem droht sie für den Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld i.H.v 1000 € an. K erhebt form- und fristgerecht Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht und stellt gleichzeitig Anträge auf vorläufigen Rechtsschutz jeweils gegen das Verbot und die Androhung des Zwangsgeldes. Zu der Androhung des Zwangsgeldes sei K auch nicht angehört worden. K habe zudem – was zutrifft – eine Einigung mit den Mietern erzielt und das Fest um einen Monat vorverlegt.
Haben die Anträge Aussicht auf Erfolg?
Bearbeitervermerk: das FeiertagsG ist verfassungsgemäß. Auch nach Befragung geistlicher Autoritäten bleibt unklar, ob das Sünnet-Fest ein unverzichtbarer Bestandteil des Islam ist. Art 8, 10 und 12 sind nicht zu prüfen. Das Zwangsgeld ist der Höhe nach angemessen. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung ist hinsichtlich der Androhung des Zwangsgeldes ordnungsgemäß.
Grobe Gedanken, was meint ihr:
Klage wegen Verbot:
– Abgrenzung FK- FFK, vermutlich FFK analog (113 I S.4), weil sich VA erledigt hat. An besonderes Feststellungsinteresse denken. Prüfung Art. 4 GG
Vorläufiger Rechtschutz gegen Verbot:
– 123 V, 80 V VwGO, Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, weil FFK ursprünglich Anfechtungssituation. In der Begründung formelle und materielle Voraussetzungen der Anordnung der sofortigen Vollziehung prüfen.
Vorläufiger Rechtschutz gegen Androhung des Zwangsgeldes
– P: Androhung ein Verwaltungsakt? Vermutlich ja, weil Regelung in Auswahl des Zwangsmittels. Dann auch 80 V VwGO. Anhörung erforderlich? P: Anhörung? Wohl entbehrlich, weil Androhung in VwVG NRW geregelt und nicht in VwVfG. Dann aber a.A bei VA Frage wohl vertretbar.
Keine Erledigung, da die Beschwer (belastender VA) immer noch in der Welt ist (sofern Beurteilungszeitraum entsprechend). Somit wäre statthafte Klageart in der Hauptsache die AKL -> Antrag nach § 80 V. Mit der reinen FK könnte man die Rechtswidrigkeit des VA nicht feststellen lassen (Stichwort begründendes und begründetes Rechtsverhältnis, § 46 VwVfG, Wirksamkeit ungleich Rechtmäßigkeit bei VA). Zudem wäre FK subsidiär.
Zu deinen Gedanken: Wie soll eine aufschiebende Wirkung bei etwas hergestellt werden, was deiner Ansicht nach gar nicht mehr besteht (Erledigung)? Wenn du die FFK für statthaft hältst -> Antrag nach § 123. Erledigung kommt jedoch nur in Betracht, wenn Regelungsobjekt entfällt (hier: Beurteilungszeitraum nach Karfreitag, so dass Fest nicht mehr an Karfreitag stattfinden kann oder durch Aufhebung des VA).
Edit: Wenn FFK in der Hauptsache statthaft, kommt kein vorläufiger Rechtsschutz in Betracht.
Im Sachverhalt stand doch, dass er nach Karfreitag klagt?
Das ist in der Tat sehr relevant für die statthafte Antragsart. Dann wäre eine FFK in der Hauptsache statthaft. Es kann jedoch schon denklogisch keinen vorläufiger Rechtsschutz geben, wenn das Regelungsobjekt (Karfreitiag bereits passee ) entfällt. Es wäre höchstens ein vorbeugender vorläufiger Rechtsschutz denkbar, falls die Gefahr besteht, dass auch für einen anderen Feiertag erneut ein Verbot erteilt wird. In der Hauptsache wäre eine Leistungsklage statthaft, die auf die Unterlassung des Erlasses eines zukünftigen VA gerichtet ist. Vorläufiger Rechtsschutz -> § 123 VwGO. Problematisch: vorbeugender Rechtsschutz durch die VwGO überhaupt gewährleistet? Nur wenn ein irreparable Schäden oder erhebliche Grundrechtseingriffe drohen.