Öffentliches Recht ÖI – Juni 2015 – 1. Staatsexamen NRW
Anbei erhaltet ihr nun auch ein Gedächtnisprotokoll der ersten Klausur im Öffentlichen Recht des 1. Staatsexamens im Juni 2015 in NRW. Vielen Dank dafür. Ergänzungen und Korrekturanmerkungen sind wie immer gerne gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Unsere Adresse lautet examensreport@juraexamen.info. Weitere nützliche Hinweise findet ihr auch hier.
Sachverhalt
Rechtsanwalt R (deutscher Staatsbürger) hat sich durch sein Rechtspolitisches Engagement als Gegner häuslicher Gewalt in seiner Heimatstadt S einen Ruf gemacht. Erfolgreich war er in vielen Fällen dieser Sache auch als Anwalt vor Gericht tätig.
Da er es skanadlös findet, dass dieses Thema im öffentlichen Diskurs kaum eine Rolle spielt, aber auch um die betroffenen Frauen auf rechtliche Möglichkeiten hinzuweisen und auch um neue Mandanten für seine Kanzlei zu gewinnen, beschließt R etwas zu unternehmen.
Er fertigt an seinem heimischen PC Abbildungen von geschlagenen Frauen (auf einem der Abbildungen hält sich eine Frau eine Pistole an den Kopf, auf einer anderen sieht man wie ein Mann seine Frau schlägt) mit der Unterschrift „Häusliche Gewalt wird nicht toleriert ? 1361b II BGB“, sowie der Adresse und dem Logo seiner Kanzlei an. Diese Abbildungen schickt er sodann an eine Medienagentur, die diese Abbildungen auf Kaffeetassen abdrucken soll.
Um sicher zu gehen, dass seinem Vorhaben nichts entgegensteht, befragt er die Anwaltskammer vorab, ob die Werbung zulässig ist. Die zuständige Anwaltskammer untersagt dem R Werbung in dieser Art. Unter Verweis auf § 43 b BRAO und § 6 BORA erklärt sie dem R in einem Schreiben, dass es sich bei solch einer Werbung nicht um in Form und Inhalt sachliche Unterrichtung der beruflichen Tätigkeit handelt. Es handele sich um reißerische Werbung, die mit dem Berufsethos des Rechtsanwaltsberufs nicht vereinbar sei. Es bestehe die Sorge, dass der Eindruck erweckt würde, Rechtsanwälte hätten es nötig um jeden Preis an neue Mandanten zu kommen. Das nötige Vertrauen in die Seriösität der Rechtsanwaltschaft könne zu Schaden kommen.
Über die Entscheidung der Berufsanwaltskammer verärgert zieht R vor die zuständigen Gerichte. Am Ende des Instanzenzugs Entscheidet schließlich der BGH, dass es mit der Entscheidung der Berufsanwaltskammer seine Richtigkeit hat.
Form und Fristgerecht reicht R Verfassungsbeschwerde ein. Er macht geltend, der BGH habe in seinem Urteil die oben genannten §§ verfassungswidrig ausgelegt. Das Urteil verstoße gegen seine Grundrechte aus Art 5 I (Meinungsfreiheit), Art 5 III (Kunstfreiheit) und gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 I). Überdies sei die von der Rechtsanwaltskammer übersandte Entscheidung eine Zensur (Art 5 I).
Fertigen sie ein Gutachten über Zulässigkeit und Begründetheit der Verfassungsbeschwerde des R an.
Dabei ist davon auszugehen, dass:
– Der Instanzenzug beendet ist.
– Es ist zu Unterstellen, dass eine Genehmigung seitens der Anwaltskammer nichterforderlich ist.
– Außer auf die genannten §§ der BRAO und BORA (abgedruckt im Ergänzungsband) ist im Gutachten nicht einzugehen.
==> https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2015/03/rk20150305_1bvr336214.html
Ich finde aber schon, dass Art 5 I,III GG tangiert sind, da man als normale Person ja sehr wohl solche Motive herstellen und verbreiten dürfte. Aber das BVerfG weist ja darauf hin, dass R es lediglich nicht hinreichend begründet hat und die VB deswegen nicht zur Entscheidung angenommen wurde.