Das juristische Staatsexamen im Öffentlichen Recht aus der Perspektive des Prüfers – Teil 2/4
Der Verfasser ist u. a. seit 2013 als Korrektor für den Klausurenkurs bzw. für das schriftliche/gecoachte Probeexamen im Fachbereich Rechtswissenschaften an der Universität Bonn sowie seit 2021 als nebenamtliches Prüfungsmitglied für das Erste und Zweite Juristische Staatsexamen bei dem Landesprüfungsamt für Juristen Rheinland-Pfalz tätig.
Fortsetzung des Artikels vom 09.02.2024.
Hinweise zur Prüfung der Zulässigkeit und zu prozessualen Besonderheiten
Im weiteren Verlauf sollen die Grundlagen zur Anfertigung einer Klausur im Öffentlichen Recht im Zusammenhang mit dem im Grunde stets zu prüfenden Abschnitt der Zulässigkeit eines wie auch immer gearteten Antrages skizziert werden.
Aufbauschemata
Vielleicht noch mehr als in jedem anderen Rechtsgebiet zählt im Öffentlichen Recht das sichere Beherrschen aller gängigen Schemata zu sämtlichen Antrags- und Klagearten, aber auch zur Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Grundrechtseingriffes oder VAs, zum Normal- und Sofortvollzug, zum Eingriff in eine Grundfreiheit usw., denn hierauf darf in der Klausursituation keine Zeit zum Überlegen verschwendet werden. Überdies frustriert den Korrektor nichts mehr, als dass bereits diese absoluten Basics bei den Bearbeitern nicht sitzen.
Begrifflichkeiten
Zu den unabdingbaren Grundlagen gehört auch eine korrekte Bezeichnung der einschlägigen Begrifflichkeiten. So heißt es etwa „Verwaltungsrechtsweg“ und nicht „Verwaltungsgerichtsweg“, im Eilverfahren „Antragsbefugnis“ sowie „Antragsgegner“ und nicht „Klagebefugnis“ sowie „Klagegegner“. Überdies sind verfassungsgerichtliche Anträge keine Klagen, was stellenweise leider nicht nur juristischen Laien gänzlich unbekannt ist. Soweit dies sachgerecht ist, sollte gerade für sämtliche Anträge verfassungsprozessualer Klausuren eine einheitliche Begrifflichkeit gefunden werden, um ein einheitliches Schema leichter verinnerlichen zu können.
Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs
Nach den sauber formulierten Obersätzen zum Erfolg des Antrags sowie zur Zulässigkeit ist der “Türöffner“ einer jeden verwaltungsgerichtlichen Klausur der Prüfungspunkt zur Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs. Oft trügt hier der erste Eindruck, den der Korrektor bereits beim Lesen dieser ersten Zeilen erhält, nicht. Eine souverän wirkende Standard-Formulierung könnte exemplarisch lauten:
Zunächst müsste der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Mangels aufdrängender Sonderzuweisung ist der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art, die nicht durch Gesetz einer anderen Gerichtsbarkeit explizit zugewiesen werden (abdrängende Sonderzuweisung). Eine Streitigkeit ist öffentlich-rechtlicher Natur, wenn […].
Deutlich wird anhand des Beispiels, dass in Bezug auf die Sonderzuweisungen klar zu unterscheiden ist und diese nicht zusammen geprüft werden dürfen, denn die abdrängende Sonderzuweisung ist Voraussetzung bzw. Tatbestandsmerkmal der Regelung von § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, welche erst dann zu prüfen ist, nachdem man aufgrund des Fehlens einer aufdrängenden Sonderzuweisung überhaupt erst zur Anwendung der Vorschrift gelangt. Bekannt sein sollten zumindest § 126 Abs. 1 und 2 BRRG als aufdrängende und § 23 Abs. 1 S. 1 EGGVG sowie § 98 Abs. 2 S. 2 StPO (analog) als abdrängende Sonderzuweisungen. Wenn es darum geht, die Frage zu beantworten, ob eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art gegeben ist, sollten üblicherweise die Begriffe „modifizierte Subjekttheorie“ und „doppelte Verfassungsunmittelbarkeit“ Erwähnung finden. Beachtet werden sollte auch immer die präzise Nennung aller in Betracht kommenden streitentscheidenden Normen.
Statthaftigkeit
Im Zusammenhang mit der Statthaftigkeit einer Klage oder eines Antrages ist zuallererst auf das Begehren des Klägers oder Antragstellers Bezug zu nehmen, statt unreflektiert auswendig gelernte Sätze zu formulieren, ohne dabei aber weiter auf den Inhalt dessen einzugehen. Ernüchternd ist es für den Korrektor, wenn er lesen muss, dass sich die Statthaftigkeit nach dem Begehren des Klägers oder Antragstellers richtet, der Bearbeiter Ausführungen hierzu aber gänzlich schuldig bleibt. Formulierungsvorschlag:
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren des Klägers (§§ 88, 86 Abs. 3 VwGO). K begehrt die Aufhebung des Bescheids vom […]. Statthaft könnte demnach eine Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Var. 1 VwGO sein. Dann müsste es sich bei dem Bescheid vom […] um einen Verwaltungsakt i. S. d. § 35 S. 1 VwVfG handeln, d. h. um eine hoheitliche Maßnahme einer Behörde, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts zur Regelung eines Einzelfalls. […].
Für Eilverfahren gilt:
Die Statthaftigkeit des Antrages richtet sich nach dem Begehren des Antragstellers (§§ 122 Abs. 1, 88, 86 Abs. 1 VwGO). […].
Sofern eine Entscheidung in der Sache für den Antragsteller besonders zeitkritisch ist, sollte man immer auch an den entsprechenden Eilrechtsschutz denken, den Rückgriff hierauf aber auch nicht überstrapazieren. Dennoch ist und bleibt der Eilrechtsschutz weiterhin ein beliebtes Prüfungsthema, mutmaßlich aufgrund der verschachtelten und damit komplizierteren Prüfung. Bei der Ermittlung der statthaften Klageart kann an die Möglichkeit eines Annexantrages nach § 113 Abs. 1 S. 2 und S. 3 VwGO zu denken sein. Häufig wird bei der Ermittlung der statthaften Klageart leider auch die actus-contrarius-Theorie übersehen.
Klage-/Beschwerdebefugnis
Insbesondere an dieser Stelle zeigt sich ein allgemein festzustellendes Phänomen, Theorien unbedacht und teilweise in falschem Zusammenhang anzuwenden, speziell etwa die Adressatentheorie im Rahmen eines Leistungsbegehrens. Bei der Verwendung der Adressatentheorie ist also Vorsicht geboten, weil diese nur dann zur Anwendung gelangen kann, wenn auch eine belastende Maßnahme, wie z. B. ein VA mit der notwendigen Außenwirkung, vorliegt und sich ein Rückgriff bei Verpflichtungs- und Leistungssituationen ohnehin verbietet, da Art. 2 Abs. 1 GG prinzipiell nur ein Abwehr- und kein Leistungsrecht beinhaltet. Sofern der Sachverhalt durchblicken lässt, dass daneben noch speziellere Grundrechte betroffen sein könnten, sind diese ebenfalls zu nennen. Im Falle der Anfechtungssituation sollte sich demnach nicht bloß auf der Adressatentheorie ausgeruht werden. Dies lässt sich mit dem folgenden Beispiel abbilden:
Die Anfechtungsklage ist gemäß § 42 Abs. 2 VwGO nur zulässig, wenn sich aus dem Vorbringen des K die Möglichkeit ergibt, in eigenen Rechten verletzt zu sein. Als Adressat eines belastenden Verwaltungsaktes könnte K zumindest in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt sein, wobei die Möglichkeit der Rechtsverletzung genügt. Überdies könnte K möglicherweise auch in seinen Grundrechten aus Art. […] GG betroffen sein, […].
Im Übrigen kann wie folgt formuliert werden:
A ist klagebefugt gemäß / analog § 42 Abs. 2 VwGO, wenn die Möglichkeit besteht, dass er durch […] in seinen subjektiven Recht verletzt wird / dass er einen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Ein Anspruch auf […] könnte sich aus § […] / Art. […] ergeben.
Im Rahmen der Klagebefugnis sollte im Übrigen immer auf die jeweils konkretere Normebene (lex specialis) abgestellt werden. Geht es also beispielsweise um das Recht, an einer öffentlichen Versammlung teilzunehmen, sollte § 1 Abs. 1 VersammlG genannt werden und nicht nur Art. 8 GG.
Vorverfahren
Nur dann, wenn der Sachverhalt durch explizite Hinweise oder das Vorbringen der Beteiligten durchblicken lässt, dass es an der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens fehlt, ist dieser Prüfungspunkt entsprechend ausführlich zu prüfen. Ansonsten genügt der folgende Verweis:
Der Kläger hat ordnungsgemäß ein Vorverfahren i. S. d. §§ 68 ff. VwGO eingeleitet, indem er gegen den Bescheid vom […] form- und fristgerecht am […] Widerspruch erhoben hat (§ 70 VwGO).
Zwar sollten alle Examenskandidaten aus NRW immer die Regelung zum Absehen vom Vorverfahren gemäß § 110 Abs. 1 JustG NRW im Hinterkopf behalten, doch geht der bloße Verweis auf die Vorschrift im Rahmen der allgemeinen Leistungs- sowie der Feststellungsklage fehl, da hier grundsätzlich kein Vorverfahren vorgesehen ist. Die Rückausnahmen nach § 110 Abs. 2 JustG NRW werden an dieser Stelle ebenfalls gerne übersehen. Grundsätzlich reicht die folgende Formulierung aus:
Der Durchführung eines Vorverfahrens bedarf es nach § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VwGO i. V. m. § 110 Abs. 1 S. 1 JustG NRW nicht.
Nicht vergessen werden darf schließlich, dass ein Vorverfahren auch bei Untätigkeit der Behörde nach § 75 S. 1 VwGO entbehrlich ist. Wenn bereits ein Widerspruchsbescheid ergangen ist, dann möchte der Korrektor keine weitergehenden Ausführungen zur ordnungsgemäßen Einleitung des Vorverfahrens präsentiert bekommen, es sei denn, die Thematik ist im Sachverhalt ausdrücklich als streitig dargestellt, sodass im Übrigen formuliert werden kann:
Der Widerspruchsbescheid vom […] ist dem K am […] zugestellt worden. Von der ordnungsgemäßen Durchführung eines Vorverfahrens i. S. d. §§ 68 ff. VwGO ist mithin auszugehen.
Klage-/Antragsfrist
Darzustellen ist zunächst der Fristlauf nach § 70 Abs. 1 bzw. § 74 Abs. 1 und 2 VwGO, bevor auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des VAs (vgl. § 41 VwVfG) bzw. der Zustellung des Widerspruchsbescheides (vgl. § 74 VwGO) abzustellen ist. Über die Anwendung der §§ 187 bis 193 BGB (vgl. hierzu § 57 VwGO) ist sodann der Fristbeginn sowie das Fristende darzustellen. Zuletzt ist gegebenenfalls auf Ausnahmen vom Fristlauf, etwa da eine rechtsfehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung vorliegen könnte und insoweit § 58 VwGO zu beachten ist, oder auf eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (siehe § 60 VwGO) einzugehen. Für die Klausurpraxis lässt sich bestätigen, dass eine (endgültige) Verfristung des eingelegten Rechtsbehelfs nur äußerst selten vorkommt und nur dann hilfsgutachtlich weiter zu prüfen ist. Eine beispielhafte kurze Formulierung für den Fall, dass im Sachverhalt für die Fristberechnung relevante Datumsangaben fehlen, stellt sich im Übrigen wie folgt dar:
Die Klage wurde auch innerhalb der Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben.
Doch immer dann, wenn der Sachverhalt genaue Datumsangaben im Zusammenhang etwa mit der Bekanntgabe von Bescheiden, der Zustellung eines Widerspruchsbescheides oder aber der Antrags- bzw. Klageerhebung enthält, erwartet der Prüfer eine Darstellung der Fristenthematik. Eine kurze Formulierung in unproblematischen Fällen stellt sich wie folgt dar:
Die Klage müsste auch innerhalb der Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO erhoben worden sein. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom […] wurde dem Kläger mittels Übergabeeinschreiben gemäß § 73 Abs. 3 Satz 2 VwGO i. V. m. § 4 Abs. 1 Alt. 1 und Abs. 2 S. 2 VwZG am […] zugestellt. Die einmonatige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1 VwGO beginnt mithin i. S. v. § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m §§ 222 Abs. 2 ZPO, 187 Abs. 1 BGB am […] und endet i. S. v. § 57 Abs. 2 VwGO i. V. m §§ 222 Abs. 2 ZPO, 188 Abs. 2 BGB am […]. Somit ist die Klageerhebung vom […] innerhalb der Frist erfolgt.
Sofern ein Antrag oder eine Klage schon gar keiner Frist unterliegen, sollte dies klarstellend z. B. wie folgt erwähnt werden:
Die allgemeine Feststellungsklage ist nicht fristgebunden.
Ordnungsgemäße Klage-/Antragserhebung
Solange der Sachverhalt keine eindeutigen Informationen dahingehend hergibt, dass es an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung mangelt, ist zumeist von dem Vorliegen der erforderlichen Form auszugehen und kurz wie nachfolgend festzustellen:
Laut Sachverhalt erfüllt die Klagschrift die formellen Anforderungen nach den §§ 81 f. VwGO.
Neuerdings zu beachten und bereits in einigen Examensklausuren geprüft wird die Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden und vertretungsberechtigte Personen nach § 55d VwGO zur Übermittlung von vorbereitenden Schriftsätzen und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichenden Anträgen und Erklärungen an das Gericht in elektronischer Form. In diesem Zusammenhang lassen sich zahlreiche Klausurprobleme einbauen. Insbesondere wird hier sicherlich gerne geprüft werden, ob die binnen der Klagefrist vom Rechtsanwalt zunächst schriftlich und erst nach Ablauf der Klagefrist per beA (besonderes elektronisches Anwaltspostfach, über welches nach § 55d VwGO nunmehr zu übermitteln ist) eingereichte Klageschrift fristgemäß in der erforderlichen Form nach § 55a VwGO bei Gericht eingegangen ist. Ferner kann sich etwa die Frage stellen, wie damit umzugehen ist, dass die elektronische Übermittlung per beA vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich war (§ 55d S. 3 VwGO) und ob eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand i. S. d. § 60 VwGO wegen Versäumung der Klagefrist infolge unverschuldeter fehlerhafter Übermittlung in Betracht kommt. Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich im Rahmen der Examensvorbereitung eine genaue Lektüre der §§ 55a ff. VwGO sowie des § 60 VwGO.
Zuständigkeit des Gerichts
Selten problematisch dürfte die Zuständigkeit des Gerichts sein, sodass es mit folgender Formulierung z. B. für eine Anfechtungsklage sein Bewenden haben dürfte:
Das angerufene Verwaltungsgericht […] ist nach § 45 VwGO sachlich und gemäß § 52 Nr. 3 S. 1 VwGO örtlich zuständig.
Klage-/Antragsgegner
Völlig unverständlich ist es, wenn den Klausurbearbeitern bei der Nennung des richtigen Klage- oder Antragsgegners Fehler unterlaufen, da lediglich der Rechtsträger der im Streitfall handelnden Behörde zu identifizieren ist. Wenn etwa bei einer Maßnahme der Polizei der Klagegegner im Sinne von § 78 Nr. 1 VwGO in einer kreisfreien Stadt erkannt wird, so lässt sich ein solch schwerwiegender Fehler kaum mehr wiedergutmachen, da sich im Kopf des Korrektors festgesetzt hat, dass der Bearbeiter nicht einmal die einfachsten Grundlagen beherrscht. Eine exemplarische Formulierung auf kommunaler Ebene lautet:
Nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist die Klage im Sinne des Rechtsträgerprinzips gegen die Stadt S, deren Behörde den Verwaltungsakt erlassen hat, zu richten.
Im Widerspruchsverfahren oder bei der allgemeinen Leistungsklage ist auf § 78 VwGO jedoch nicht zurückzugreifen, wohl aber auf das aus § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO abgeleitete allgemeine Rechtsträgerprinzip:
Richtiger Klagegegner ist nach dem in § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO zum Ausdruck kommenden allgemeinen Rechtsträgerprinzip die Stadt S als Trägerin der Kommunalverwaltung.
Beteiligten- und Prozess-/Verfahrensfähigkeit
Ein Fehler im Rahmen des Klage- oder Antragsgegners setzt sich bei der Beteiligtenfähigkeit fort, welche rein logisch erst nach der Nennung des Klage- oder Antragsgegners zu prüfen ist. Ebenso seien hier übliche und bestenfalls auswendig beherrschte Formulierungen empfohlen:
P ist als natürliche Person gemäß § 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO beteiligten- und gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO prozessfähig. Die Beteiligtenfähigkeit der Stadt S folgt aus § 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO. Für sie handelt gemäß § 62 Abs. 3 VwGO der Oberbürgermeister O (z. B. §§ 63 Abs. 1, 62 Abs. 3, 41 Abs. 3, 40 Abs. 2 GO NRW).
P ist als natürliche Person, das Land XY als juristische Person gemäß § 61 Nr. 1 VwGO beteiligtenfähig. P ist gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, das Land XY gemäß § 62 Abs. 3 VwGO prozessfähig.
Ein beliebter und ärgerlicher Fehler ist es, trotz zutreffender Anwendung des Rechtsträgerprinzips und Bestimmung des richtigen Klagegegners, im weiteren Verlauf für die Beteiligtenfähigkeit auf § 61 Nr. 3 VwGO abzustellen, denn diese Vorschrift gilt nur für Behörden. Bei dem richtigen Klagegegner, mithin dem Rechtsträger der handelnden Behörde, handelt es sich aber gerade nicht um eine Behörde, sondern in aller Regel um eine Gebietskörperschaft, also eine juristische Person des öffentlichen Rechts im Sinne des § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO.
Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis
Im Kontext der verwaltungsgerichtlichen Klagen kommt es eher selten vor, dass über die im Folgenden dargestellte Formulierung hinaus, weitergehende Ausführungen erforderlich sind:
K wäre nicht rechtschutzbedürftig, wenn er sein Ziel entweder in einem anderen gerichtlichen Verfahren oder ohne Anrufung des Gerichts in gleichwertiger Weise einfacher, umfassender oder schneller erreichen kann oder bereits erreicht hat. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Mithin ist das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis gegeben.
Die wenigen Fallgruppen, bei denen ausnahmsweise näher erläuternd auf das Vorliegen des allgemeinen Rechtsschutzbedürfnisses einzugehen ist, sollten mehr als nur im Ansatz beherrscht werden. Insbesondere unter dem Stichwort „Fortsetzungsfeststellungsinteresse“ wird eine dezidierte Subsumtion des Sachverhalts unter die vier bekannten Fallgruppen erwartet. Ebenso wird dies stets im Falle des Eilrechtsschutzes relevant, wie dies die folgende Passage exemplarisch verdeutlicht:
Das Rechtsschutzbedürfnis fehlt insbesondere, wenn das Rechtsschutzziel mit den Anträgen nicht erreicht werden kann oder wenn Rechtsschutz zur Wahrung der geltend gemachten Rechte nicht erforderlich ist, weil Schutz auf andere Weise leichter und schneller erreicht werden kann. Dem Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses können die offensichtliche Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, die Möglichkeit eines Antrags bei der Behörde auf Aussetzung der Vollziehung und die Möglichkeit zivilgerichtlichen Rechtsschutzes entgegenstehen. […].
Prozessuale Besonderheiten
Oftmals fehlt in diesem Zusammenhang eine auch gedanklich klare Trennung von Haupt- und Hilfsantrag. Unsicherheiten bestehen ferner im Hinblick auf die Voraussetzungen der objektiven Klagehäufung nach § 44 VwGO. Eine beispielhafte Kurzformulierung lautet:
K kann seine Klagebegehren in einer Klage zusammenfassen, da die Voraussetzungen des § 44 VwGO erfüllt sind. Beide Klagen richten sich gegen denselben Beklagten, nämlich […], und stehen in einem sachlichen Zusammenhang. Darüber hinaus ist für beide Klagebegehren dasselbe Gericht zuständig (§§ 45, 52 Nr. 3 VwGO).
In erster Linie sind den Examenskandidaten des Ersten Staatsexamens viele prozessuale Grundlagen nicht bekannt, sodass mit den Kategorien der Streitgenossenschaft oder der Klagehäufung wild umhergeworfen wird, ohne aber sicher zu wissen, was dies prozessual bedeutet. Um solche Peinlichkeiten zu vermeiden, ist es ratsam, die relevanten Normen hierzu vor und nicht während der schriftlichen Prüfung zum ersten Mal zu studieren.
Verfassungsprozessuale Anträge
Die Begrifflichkeiten der einzelnen Sachentscheidungsvoraussetzungen werden hier oft nicht konsequent und dem jeweiligen Antrag entsprechend verwendet, etwa wenn im Rahmen einer abstrakten Normenkontrolle von einer Antrags- bzw. Beschwerdebefugnis die Sprache ist, obwohl hier nur der Antragsgrund Relevanz erhält. Bei einer Verfassungsbeschwerde ist innerhalb des Prüfungspunktes der Rechtswegerschöpfung darauf zu achten, dass gegen Gesetze des Bundes kein Rechtsweg existiert und § 90 Abs. 2 S. 1 BVerfGG bei Rechtssatzverfassungsbeschwerden keine Anwendung finden kann. Falsch ist es jedoch, wenn man in diesem Zusammenhang die Formulierung liest: „Mithin ist der Rechtsweg erschöpft.“, denn ein Rechtsweg steht in dem Fall ohnehin nicht offen. Die Zulässigkeit des Organstreitverfahrens ergibt sich nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG i .V. m. den §§ 13 Nr. 5, 63 ff. BVerfGG. Zu beachten ist dabei insbesondere, dass § 63 BVerfGG den Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht wirksam einschränken kann, sodass sich die Parteifähigkeit der insoweit nicht erfassten Organe und Organteile direkt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ergibt. Der Meinungsstreit hierzu ist aber wenigstens zu skizzieren.
Zur Fortsetzung, siehe den Artikel vom 23.02.2024.
In manchen juristsischen Diskussionsforen kommt es häufig vor, dass eine Prüfling schreibt, es sei dies oder jenes in einer Prüfung falsch gemacht worden und ob trotzdem noch auf bestanden zu hoffen sein kann. Darauf kommen dort regelmäßig Antworten, dass deswegen niemand der Kopf abgerissen wird abgerissen würde usw..Im Beitrag ist dagegen oft wegen formaler Fehler davon die Rede, dass solche ärgerlich seien und Korrektoren verärgern. Einerseits soll großzügig bewertet werden, andererseits nicht. Das klingt so, als ob es nur bedingt stets einen einheitlichen Prüfungsmaßstab und eine einheitlich Großzügigkeit bei Korrekturen gäbe?