Das juristische Staatsexamen im Öffentlichen Recht aus der Perspektive des Prüfers – Teil 1/4
Der Verfasser ist u. a. seit 2013 als Korrektor für den Klausurenkurs bzw. für das schriftliche/gecoachte Probeexamen im Fachbereich Rechtswissenschaften an der Universität Bonn sowie seit 2021 als nebenamtliches Prüfungsmitglied für das Erste und Zweite Juristische Staatsexamen bei dem Landesprüfungsamt für Juristen Rheinland-Pfalz tätig.
Die juristischen Staatsexamina bleiben, ungeachtet der zahlreichen Stimmen für einen als dringend empfundenen Reformbedarf, eine jeweils nach wie vor nicht leicht zu nehmende Hürde auf dem Weg zur späteren beruflichen Karriere. In Inhalt und Aufbau unterscheiden sich die Prüfungen, welche aus mehreren Klausuren zu den unterschiedlichen Rechtsgebieten sowie einer mündlichen Prüfung bestehen, nur in unwesentlichen Nuancen im Vergleich zu denen von vor zehn Jahren. Eine der bedeutsamsten Änderungen dürfte hier sicherlich die bald flächendeckende Einführung des digitalen Examens sein. In Rheinland-Pfalz können die Aufsichtsarbeiten der zweiten juristischen Staatsprüfung seit Oktober 2021 und die Aufsichtsarbeiten der staatlichen Pflichtfachprüfung ab der Herbstkampagne 2023 elektronisch angefertigt werden. Aber auch andere Bundesländer wie z. B. Sachsen oder Sachsen-Anhalt sowie ab 2024 auch Nordrhein-Westfalen haben diesen Quantensprung in der juristischen Ausbildung gewagt.
So wenig die Prüfungen im Übrigen in den letzten Jahren einer Veränderung unterzogen wurden, erkennen hingegen die Prüfer der juristischen Staatsexamina nahezu durchweg eine klare Tendenz dahingehend, dass das Niveau der angefertigten Aufsichtsarbeiten fortschreitend schlechter zu werden scheint. In einzelnen Klausurdurchgängen mangelt es teilweise geradezu übereinstimmend bereits an den grundlegenden “Skills“ der notwendigen Klausurtechniken, sodass etwa der Aufbau oder Prüfungsschemata, Begrifflichkeiten oder Fristberechnungen, etc. nicht beherrscht werden und sich der Prüfer hin und wieder unweigerlich bei der Frage ertappt fühlt, was der einzelne Bearbeiter in den vielen Jahren des Studierens überhaupt erlernt haben will.
Welche Hintergründe dies neben der freilich unangenehmen Corona-Zeit haben mag, sei an dieser Stelle dahingestellt. Eine Prüfung im öffentlichen Recht erfolgreich zu bestehen, ist jedoch kein “Hexenwerk“, wenn man die Lösung zu den hier zu bearbeitenden Fällen im schriftlichen und mündlichen Examen als Puzzle betrachtet. Das Wissen um die Struktur der Prüfung ist das A und O, welches als Schablone gewissermaßen über jeden Fall gelegt werden sollte, indem der Prüfling nicht nur über einen Gesamtüberblick verfügt, sondern auch die relevanten Schemata sowie Definitionen als jederzeit verfügbares Wissen bereithält. Wenn aber vor lauter Detailkenntnissen der Überblick verloren geht, wird sich dies in aller Regel negativ auf die Bewertung auswirken. Hier gilt: Lieber einen Meinungsstand weniger kennen, dafür aber eine sauber strukturierte Klausur mit prägnanten Obersätzen und einer argumentativ fundierten Subsumtion erstellen. Dies wird den Korrektor sicherlich mehr erfreuen, als die Wiedergabe auswendig erlernter Theorien und Meinungsstände aus Literatur und Rechtsprechung. Die weiter erforderlichen Puzzleteile erhält der Examenskandidat teils explizit als Argumentationsbasis für eine ordentliche Subsumtion in Form von Tatbestandsmerkmalen und Rechtsfolgen durch die relevanten Gesetze und Vorschriften sowie durch die sich aus dem Sachverhält ergebenden Informationen und Vorträge der Beteiligten. Wie das “Zusammenpuzzeln“ bestmöglich gelingen kann, soll in den folgenden Abschnitten ausnahmsweise einmal anhand der Perspektive eines Prüfers geschildert werden, indem der Blick insbesondere auf solche typischen Examensfehler gerichtet wird, die mit der richtigen Vorbereitung in jedem Fall vermeidbar sind.
Perspektive des Prüfers und Bewertungsmaßstab
Um eine Klausur erfolgreich zu absolvieren, lohnt es sich bereits deswegen, zuallererst die Perspektive des Prüfers einzunehmen, da dieser letztlich allein über das „Wohl und Wehe“ der Prüfung zu urteilen hat und hierfür einen meist individuellen, aber doch in der Regel gewöhnlichen Bewertungsmaßstab anwenden dürfte. Zu beachten ist hier, dass dem Korrektor ein Beurteilungs- bzw. Bewertungsspielraum zusteht, welcher nach neuester Rechtsprechung des BVerwG (Beschluss vom 14.12.2023 – 6 B 12.23) sogar so weit gefasst ist, dass bei einer Neubewertung einer Prüfungsleistung eine anderweitige Benotung trotz gleichbleibender Bewertungskriterien als zulässig erachtet wird. Dieser Spielraum ist hinsichtlich solcher Fragen zur Gründlichkeit und Überzeugungskraft der Argumentation weiter gefasst, mit der Folge, dass die Prüfungsbewertung nur dahingehend überprüfbar ist, ob die Wertung so aus dem Rahmen fällt, dass diese Fachkundigen unhaltbar erscheinen muss. Schon allein deshalb sollte die Klausur so aufgebaut und formuliert werden, dass der Korrektor “abgeholt“ und durch die Klausur bis zum Ende “mitgenommen“ wird. Im Einzelnen:
Bewertungsmaßstäbe
Bevor ein Korrektor mit seiner Korrekturtätigkeit beginnt, ist ein intensives Studium der zusammen mit den Klausurbearbeitungen übersendeten Musterlösung obligatorisch, welche so umfassend gestaltet ist, dass man diese selbst in fünf Stunden nicht einmal abschreiben könnte. Deshalb enthält die Musterlösung an einigen Stellen den Hinweis, dass eine derart vertiefte Erörterungsdichte, wie dort zuweilen dargestellt, nicht von den Bearbeitern erwartet werden könne. Daneben zeigt die Musterlösung alternative Lösungswege auf, die bei entsprechender Begründung gleichfalls als vertretbar zu bewerten sind. Dabei ist zu beachten, dass je weiter sich der beschrittene Lösungsweg von dem im Muster dargestellten Ansatz entfernt, die Begründung umso ausführlicher und stichhaltiger zu sein hat, denn ansonsten besteht die Gefahr, dass der Prüfer den vom Klausurbearbeiter beschrittenen Weg im Rahmen seines Beurteilungsspielraums umso bereitwilliger als nicht überzeugend erachtet. Vorangestellt ist der Musterlösung stets eine Auflistung der zu bearbeitenden Problemschwerpunkte, die sich aus dem Sachverhalt ergeben und im Rahmen der Klausurbearbeitung zu meistern sind. Den Fokus auf diese Problemschwerpunkte zu legen, ist letztlich ein ausschlaggebendes Kriterium zum erfolgreichen Bestehen einer Klausur.
Bewertungskriterien
Generelle trennscharfe Bewertungskriterien existieren leider nicht, womit es jedem Prüfer selbst überlassen bleibt, diese auf einer sachlichen Grundlage zu entwickeln. Dennoch gibt es allgemein übliche Standards, welche sich durch die geübte Bewertungspraxis durchgesetzt haben. Grundsätzlich entscheidend für die Bewertung einer Klausur ist, dass der Prüfling bei der Fallbearbeitung ein systematisches Verständnis der Rechtsordnung sowie die Fähigkeit zu methodischem Arbeiten zeigt oder dies immerhin deutlich erkennen lässt. Das bedeutet konkret, dass die Bearbeitung die maßgeblichen Problemschwerpunkte wenigstens ansatzweise erörtern und lösen sollte, damit die Klausur als „bestanden“ bewertet werden kann. Ein Vollbefriedigend lässt sich dann erreichen, wenn alle hauptsächlichen Problemschwerpunkte erkannt und – unter Beachtung des Gutachtenstils sowie einer angemessenen Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt samt überzeugender rechtlicher Argumentation – vollständig gelöst werden. Schließlich müssen für eine noch höhere Bewertung in der Regel alle Problemschwerpunkte sowie sämtliche kleineren Probleme entsprechend erörtert und einer sachgerechten Lösung zugeführt werden. Dieser Maßstab gilt, solange Lücken nicht durch anderweitig positive Ausführungen ausgeglichen werden können bzw. grobe Fehler oder sonstige Unzulänglichkeiten eine negativere Bewertung erforderlich machen.
Bewertungsmatrix
Anhand der Musterlösung sowie dieser Bewertungskriterien entwickeln viele Prüfer eine Lösungsskizze mit integrierter Bewertungsmatrix, welche für die einzelnen Prüfungsabschnitte Teilpunkte festlegt. Eine übliche Aufteilung sieht für die Prüfung der Zulässigkeit circa 5 und für die der Begründetheit in etwa 13 Punkte vor. Die Verteilung der Teilpunkt hängt im Einzelnen jedoch von der Problemdichte der jeweiligen Abschnitte ab. Dieses Vorgehen entspricht der Empfehlung vieler Prüfungsämter, für die Klausurbewertung sinnvolle und abgrenzbare Teileinheiten zu bilden, welche schließlich zu einer Gesamtnote zusammengefügt werden.
Korrekturverfahren
Die Organisation des Korrekturverfahrens wird zwar von den jeweiligen Landesprüfungsämtern vorgegeben, doch dürfte der Ablauf in den einzelnen Ländern überwiegend recht ähnlich gestaltet sein. Verbunden mit der bereits erwähnten Musterlösung erhält der Korrektor von dem entsprechenden Landesjustizprüfungsamt einen Stapel zu jeweils 15 bis 20 Klausuren sowohl für die Erst- als auch die Zweitkorrektur übersendet. Sofern das Prinzip der verdeckten Zweitkorrektur zum Tragen kommt, sind die Klausurblätter ohne Korrekturanmerkungen versehen, während der Bewertungsbogen des anderen Korrektors, mit dem man ein Tandem bei der Korrektur bildet und der oftmals auch zumindest namentlich bekannt ist, ebenfalls nicht enthalten ist. Diese Vorgehensweise verhilft der einzelnen Korrektur zu mehr Gerechtigkeit, da die Noten-Ausschläge von besonders großzügigen oder strengen Korrektoren über den insoweit in seiner Relevanz gestiegenen Stichentscheid ausgeglichen werden können und sich die Zweitkorrektoren nicht mehr bloß an der Bewertung des Erstkorrektors orientieren, der sowohl nach oben als auch nach unten für viele Zweitprüfer eine schwer zu missachtende Tendenz vorgegeben hat. Angewendet wird der Stichentscheid grundsätzlich ab einer Differenz der Bewertung des Erst- und Zweitkorrektors von vier Punkten. Ausschlaggebend ist im Ergebnis allein die Bewertung des Stichkorrektors, der dabei – soweit bekannt – auf die Begründungen der vorangegangenen Korrekturen einzugehen versucht.
Klausurbearbeitung “für den Prüfer“
Mit dem Wissen um diese Bewertungsumstände sollte der Bearbeiter darum bemüht sein, die Klausur zumindest ein Stück weit auch derart für den Prüfer zu schreiben, damit diesem die Bewertung einfach gestaltet und er mit Blick auf die Punktevergabe letztlich wohlgesonnen gestimmt wird. Präsentiert werden sollte dem Korrektor ein anschauliches und übersichtliches Gutachten, das einen verständlichen Lösungsweg aufzeigt und genügend Erörterungen zu Problemstellungen mit den dazugehörigen Schlagworten bietet, welche der Prüfer ohne Weiteres mit einem Haken versehen kann, statt angestrengt darüber nachdenken zu müssen, was mit dieser oder jener Formulierung wohl gemeint sein könnte. Zwar steht sowohl den Prüflingen ein Antwort- als auch den Prüfern ein Bewertungsspielraum zu, doch sollten diese auf beiden Seiten nicht allzu oft ausgereizt werden, um es insgesamt nicht an einer stimmigen Klausur zweifeln zu lassen. Unbedingt sollte es vom Examenskandidaten bewerkstelligt werden, möglichst viele Problemschwerpunkte zu erkennen, diese an den dafür passenden Stellen zu erörtern und schließlich eine fundierte Lösung aufzubereiten, um viele Teilpunkte zu erlangen.
Allgemeine Bemerkungen zur Klausurbearbeitung und -darstellung
Den ersten Eindruck von der Leistung des Examenskandidaten erhält der Prüfer unweigerlich bei der Ansicht der gutachtlichen Bearbeitung an sich, welcher mehr Bedeutung zu kommt, als es so manchem Kandidaten bewusst zu sein scheint. Die Grundlagen und die optimale Vorgehensweise zur Darstellung der äußeren Form sowie zur generellen inhaltlichen Gestaltung der Klausurbearbeitung bilden die folgenden Punkte:
Grundgerüst
Das Grundgerüst der Klausurbearbeitung bildet eine lesbare Schrift sowie ein übersichtlicher Aufbau, etwa indem Überschriften und Absätze verwendet werden. Auf Einschübe am Seitenrand oder gar zwischen den Zeilen sollte unbedingt verzichtet werden. Stattdessen sind fehlende Passagen auf einem weiteren Blatt niederzuschreiben und im Gutachten mit einem Stern kenntlich zu machen. Die zusätzliche Seite kann dann mit einem Buchstaben (z. B. „S. 1a“) beschriftet werden.
Sprachliche Gestaltung
Inhaltlich lebt das Gutachten von sprachlicher Genauigkeit, einer rechtsgutachtlich angemessenen Ausdrucksweise und selbstverständlich auch einer korrekten Rechtschreibung. Unprofessionell wirkt demgegenüber beispielsweise die Verwendung unsinniger Füllwörter, Floskeln oder umgangssprachlichen Formulierungen, wie z. B. „unzweifelhaft“, „völlig klar“ oder „eindeutig“, welche lediglich dazu dienen, argumentative Schwächen zu kaschieren. Außerdem ermüdet es den Korrektor, Wortwiederholungen lesen zu müssen, wenn beispielsweise auf das Wort „problematisch“ inflationär zurückgegriffen wird und in jedem zweiten Satz auftaucht. Eine Argumentation lässt sich im Übrigen nicht mit einem Verweis auf die herrschende Meinung oder Rechtsprechung “ins Blaue hinein“ ersetzen. Es ist ein Irrglaube, anzunehmen, dass Korrektoren solchen bloßen Behauptungen nicht nachgehen und über abwegige Erfindungen nicht verärgert wären.
Schlagworte und Definitionen
Was hingegen stets gut ankommt, ist die sachgerechte Nennung der relevanten Schlagworte, gegebenenfalls samt den dazugehörigen Definitionen, weil es dem Korrektor so erleichtert wird, sich innerhalb des Gutachtens in argumentativer Hinsicht zurecht zu finden, den roten Faden zu erkennen und Passagen positiv abzuhaken.
Gutachtenstil
Des Weiteren sollte sich der sprachliche Stil im Ersten Staatsexamen in angemessener Weise am Gutachtenstil orientieren. Angemessen bedeutet, dass der Gutachtenstil üblicherweise zu verwenden ist und nur da, wo das Ergebnis offenkundig und ohne weitere Erläuterung erkennbar ist, der Urteilsstil zum Tragen kommen darf. Beispiel:
Die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für die Entscheidung über Anträge im Rahmen des abstrakten Normenkontrollverfahrens folgt aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 6 BVerfGG.
Statt:
Fraglich ist, ob das Bundesverfassungsgericht für den Antrag des XY zuständig ist. Das Bundesverfassungsgericht müsste für Anträge im Rahmen des abstrakten Normenkontrollverfahrens zuständig sein. Hier ergibt sich die Zuständigkeit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG i. V. m. § 13 Nr. 6 BVerfGG. Im Ergebnis ist das Bundesverfassungsgericht für den Antrag des XY zuständig.
Obersätze und Ergebnisse
Die Struktur des rechtswissenschaftlichen Gutachtens sollte an Obersätzen und (Zwischen)ergebnissen ausgerichtet werden und sich dabei streng an der Fallfrage aber auch dem Bearbeitervermerk orientieren, welche den Weg vorgeben, den die Prüfung vom Anfang bis zum Ende zu gehen hat. Während die Fallfrage den Prüfauftrag festlegt, grenzt der Bearbeitervermerk das Prüfprogramm ein. Sofern z. B. die Erfolgsaussichten einer verwaltungsgerichtlichen Klage zu prüfen sind, müssen sowohl der Obersatz als auch der Satz zum Endergebnis hierauf abgestimmt sein (sog. Echo-Prinzip). Die Prüfung beginnt mit folgendem Satz:
Die Klage hat Erfolg, soweit diese zulässig und begründet ist.
Die Prüfung wird zum Ende dementsprechend beispielsweise wie folgt abgeschlossen:
Die zulässige Klage ist begründet und wird Erfolg haben.
Bearbeitervermerk
Schließt der Bearbeitervermerk einzelne Teilprüfungen aus oder unterstellt bereits das Ergebnis weiterer Prüfungsabschnitte, ist dies im Gutachten kurz und prägnant festzustellen. Beispiel:
Ausweislich des Bearbeitungsvermerks ist die formelle Verfassungsmäßigkeit der Regelung anzunehmen.
Sachverhaltshinweise
Freilich kann auch der Sachverhalt wertvolle Hinweise bieten, um die weitere Prüfung etwa wie folgt zu erleichtern:
Der Antrag ist ausweislich des Sachverhalts form- und fristgerecht gestellt worden.
Gesetz und Zitierung
Nicht weniger Schwierigkeiten bereitet manchen Bearbeitern ein adäquater Umgang mit dem Gesetz, was umso gravierender wiegt, weil es das Ziel des Bearbeiters sein muss, Argumentation und Lösung so nah wie möglich am Gesetz zu entwickeln. Die fehlende Normkenntnis der Prüflinge bemerkt der erfahrene Korrektor an der Art und Weise, wie zwischen Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolge oder zwischen mehreren Alternativen bzw. Varianten differenziert wird. In dieser Hinsicht werden Normen oft nicht präzise zitiert, etwa weil der ausschlaggebende Satz oder die einschlägige Alternative bzw. Variante nicht weiter genannt werden. Nicht zuletzt werden Normen zum Teil fortwährend falsch zitiert. Der “Klassiker“ dürfte an dieser Stelle § 35 Abs. 1 VwVfG sein, der in Wahrheit § 35 S. 1 VwVfG lauten müsste. Häufig wird z. B. geschrieben:
Die Statthaftigkeit der Individualverfassungsbeschwerde richtet sich nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. §§ 13 Nr. 8a, 90 ff. BVerfGG.
Letzteres ist nicht ganz korrekt, denn vielmehr müsste wie folgt zitiert werden:
[…] nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG i. V. m. den §§ 13 Nr. 8a, 90, 92 ff. BVerfGG.
Schließlich betrübt es den Korrektor, wenn es an einem Normbezug vollständig fehlt, beispielsweise wenn das Rechtsstaatsprinzip ein ums andere Mal bemüht wird, doch dabei nie erläutert wird, dass sich dieses aus Art. 20 Abs. 3 GG ableiten lässt. Eine weitere Unsitte unter Juristen, die einer leider weit verbreiteten Unwissenheit geschuldet ist, ist der sich widersprechende Rückgriff auf das Wort „gemäß“ im Zusammenhang mit der analogen Anwendung von Normen. Die analoge Anwendung einer Norm bedeutet, dass die Regelung lediglich entsprechend zur Geltung kommt, wohingegen eine direkte Anwendung durch die Formulierung „gemäß“ beschrieben wird, was sich denklogisch jedoch ausschließt, weil eine Norm entweder nur direkt oder aber entsprechend angewendet werden kann.
Zur Fortsetzung, siehe den Artikel vom 17.02.2024.
Problem: es gibt nicht ganz wenige Musterlösungen, die in bestimmter Weise einfach falsch sind, zum Beispiel weil sie oder ihre Grundlagen teils in sich selbst logisch widersprüchlich sind o.ä. Dennoch gelten solche Musterlösungen als verbindlich vorgegeben richtig. Bis eine Unrichtigkeit gegen alle verbindlich ausgefochten ist, ist ein Prüfling alt und grau oder in der Psychiatrie oder bereits tot, nur um eventuell höchstensl zähneknirschend eine geringfügige Notenverbesserung zu erreichen. Der Aufwand lohnt schlicht nicht
Je deutlicher eine Lösung von einer vorgegebenen Musterlösung abweicht, desto schwerer sollte es ein Prüfling haben, unabhängig davon wie gut und handwerklich sauber und strukturiert eine Begründung ist.
Die rechtliche Beurteilung eines schwierigen Falles scheint nur selten eindeutig sicher. Musterlösungen sollten dem regelmäßig teils Rechnung tragen, indem grundsätzlich Raum für abweichende Lösungen bleibt. Es sollte trotzdem gelten, je deutlicher und öfter Abweichungen von einer Musterlösung, desto besser und umfangreicher sollte eine Begründung dafür sein. Problem scheint dabei,.dass ein Abweichen von einer Musterlösung und ein daher erforderlicher Begründungsaufwand in der Regel für Prüflinge nicht ohne Weiteres ersichtlich ist. Daher werden Abweichungen nicht selten nicht ausreichend begründet scheinen und sollte gelten, je stärker Abweichungen von einer Musterlösung, desto ungünstiger sollte dies für einen Prüfling wirken.
Grundsätzlich sollte günstig scheinen, eine Lösung möglichst nahe einer Musterlösung zu verfassen, unabhängig davon wie zutreffend eine Musterlösung ist, weil eine Musterlösung grundsätzlich als verbindlich vorgegeben richtig angesehen ist.
Die Gesamtheit vorhandener Lösungen sollte noch Auswirkungen auf Bewertungen haben können.
Ob eine verfasste Lösung entsprechend den vorhandenen Lösungen nahe einer Musterlösung liegt, sollte nicht nur Frage von Befähigung, sondern in hohem Maße von statistischer Wahrscheinlichkeit sein.
Günstig sollte noch einiges Maß an Festigkeit bei einer vertertenen Lösung wirken, ungeachtet der Richtigkeit einer Lösung. Die Frage der Festigkeit bei einer Lösung sollte unter UMständen Frage fachlicher Befähigung sein können. .