Zivilrecht ZII – Oktober 2013 – 1. Staatsexamen Berlin
Vielen Dank an Niko für das folgende Gedächtnisprotokoll der im Oktober 2013 gelaufenen zweiten Klausur im Zivilrecht in Berlin, welches wieder in Stichpunkten wiedergegeben ist. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
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Sachverhalt
– A kennt B seit Kurzem
– A ist 16 und leiht sich von B 100 € in einem Schein; dabei gibt sie ggü.B an, sie sei volljährig, hat aber bereits in diesem Zeitpunkt vor, die 100 € nie zurückzuzahlen; B hat zu diesem Zeitpunkt zwar Sorge, dass Geld nie wieder zu sehen, leiht es A dennoch
– Die Eltern der A finden den 100 € Schein bei A und sprechen sie darauf an; A beichtet alles und die Eltern verweigern ihr Einverständnis; sie vergessen jedoch, A den 100 € Schein wegzunehmen
– A geht mit dem Schein in das Geschäft des K und kauft sich dort eine Jeans im Wert von 100 €
– als sie bezahlen will, ist nur L im Laden; L ist angestellt, um den Verkäufer zu unterstützen und den Laden aufzuräumen
– weil L in der Vergangenheit nicht zuverlässig war, durfte L die Kasse nicht bedienen
– L will dem Geschäftsinhaber K jedoch beweisen, dass er zuverlässig ist und geht an die Kasse und kassiert
– der 100 € Schein wird zu anderen Scheinen in die Kasse gelegt; im Laufe des Tages kommen weitere 100 € Scheine hinzu
– Auf dem Nachhauseweg vergisst A die Tüte mit der Jeans aber an einer Bushaltestelle; die Jeans verschwindet für immer
– B verlangt von A die 100 € zurück – A verweigert die Zahlung und weißt auf ihre Minderjährigkeit hin; auch die Eltern verweigern die Rückzahlung
– daraufhin erklärt B vor A und den Eltern der A, dass er sich an die Vereinbarung mit A nicht mehr gebunden fühle, weil er sich von A getäuscht fühlt
– B verlangt 100 €
Welche Ansprüche hat B gegen A?
Die lief genauso in HH Oktober 2013 als ZR III.
Hallo 🙂 Hast du zufällig eine Lösungsskizze dazu?
So auch in NRW als Z III
A sieht älter aus als 16.
gibts da auch eine Lösung? 🙂
Hat jemand von Euch schon eine Lösung oder einen Hinweis? Würde mir sehr helfen. Danke!
Vorschläge ??? Weiß nicht wie ich den L und § 56 HGB da unterbringen kann bzw. Duldungs- und Anscheinsvollmacht.
Ich probier’s mal:
B gegen A aus § 812 I 1 Alt. 1
1. Etwas erlangt: A hat 100 EUR erlangt.
2. Ohne Rechtsgrund? P: § 598 BGB zwischen B und A? Wohl (-), eher § 488 BGB, zinsloses Darlehen
– Korrespondierende WE? P: Willenserklärung des A wegen §§
105, 106 BGB möglicherweise schwebend unwirksam, wenn lediglich rechtlich
nachteilig, § 107 BGB (+), da Pflicht zur Rückzahlung (s. § 488 I 2 BGB);
– Geheimer Vorbehalt der A wegen § 116 BGB unbeachtlich.
– Aber: Mangels Genehmigung der Eltern § 182 I, § 184 BGB
Vertrag endgültig unwirksam.
– Damit Rechtsgrund (-)
3. auf Kosten des B (+)
4. Rechtsfolge
a) § 818 I BGB : Grundsätzlich Herausgabe des Surrogats,
vorliegend Jeans, dieses aber wegen § 275 BGB unmöglich
b) § 818 II BGB: Wertersatz (Wertsummentheorie)
c) Aber: § 818 III BGB: B entreichert? Grundsätzlich ja, da
Luxusaufwendung.
– aber Ausschluss des Einwands der Entreicherung gem. §§ 819
I, 818 IV BGB wegen Bösgläubigkeit? P: Bösgläubigkeit bei Minderjährigen à
Abstellen auf Einsichtsfähigkeit iSd § 828 III BGB oder auf §§ 104 BGB analog:
Abhängig davon, ob rechtsgeschäftsähnliche Leistungskondiktion oder
deliktsähnliche Eingriffskondiktion, nur bei letzterer §§ 828, 827 BGB. Hier
wegen Leistungskondiktion Kenntnis der Eltern entscheidend, damit grundsätzlich keine Bösgläubigkeit. (sonst wäre Berufung
auf § 818 III ausgeschlossen)
– ABER: Bei Geldschuld gilt §§ 292, 818 IV BGB à
verschuldensunabhängige Haftung des Kondiktionsschuldners. Hier schuldet A
einen bestimmten Geldwert, nicht gerade den bestimmten 100 EUR-Schein à § 292 verweist ins EBV
à
§ 989 BGB setzt Verschulden voraus: hier (+)
5. Ergebnis: Herausgabepflicht (+)
Danke für Eure Antworten.Mal angenommen ich folge im Rahmen der cic-Prüfung der Auffassung, dass 1.) der Anwendungsbereich des § 311 II auch bei beschränkt Geschäftsfähigen eröffnet ist und 2.) dass ein unwirksamer Vertrag als „ähnlicher geschäftlicher Kontakt“ im Sinne des § 311 II Nr.3 zu werten ist. Beides ist vertretbar, wenn auch nicht die jeweils herrschende Auffassung. Wenn A den Schaden kompensieren soll, ist zunächst gemäß § 249 I Naturalrestitution (Herausgabe der 100 Eur) vorgesehen. Das ist nicht möglich, weil sie von dem Geld die Jeans gekauft hat. Dann greift § 251- Kompensation in Geld. Muss auch da in Sachen Surrogat (Jeans) noch eine Prüfung erfolgen? Danke vorab.