Strafrecht – Juni 2013 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank für den Post auf unserer Facebook-Seite bezüglich des Sachverhalts der im Juni 2013 gelaufenen Klausur im Strafrecht in NRW an Marcel. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Wie Ihr seht, reicht sogar ein Post auf unserer Facebook-Seite aus! Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
A und B wollen auf eine Party gehen. B muss urinieren und stellt sich an den Straßenrand. A geht weiter.
Als B sein Geschäft beendet hat, trifft er auf die erkennbar betrunkenen Brüder M und T und will diese aufmischen. Er fragt sie nach 30 Cent, ohne das Geld wirklich zu wollen. M und T weigern sich und reagieren bereits gereizt. A wird auf die Sache aufmerksam und kehrt zu B zurück und fragt, was los sei. B sagt „die wollen mir keine 30 Cent geben“. A bietet B 30 Cent an, doch dieser schlägt aus, weil er das Geld in Wirklichkeit gar nicht wolle. Darauf erkennt A, was B vorhat und begrüßt dies.
Sie beschließen M zu schlagen. M hatte 1,8 Promille intus und schwankte bis auf 1m Abstand, mit den Worten „Willste ein paar aufs Maul“ auf A zu. A schlägt nun ganz unvermittelt dem M mit voller Wucht ins Gesicht. Ohne Abwehrreaktion stürzt dieser mit seinem Hinterkopf auf eine Bordsteinkante. Dabei verlor er den vorderen Schneidezahn. Dass so ein Schlag zum Tode führen könnte, war A und B bewusst, sie vertrauten aber ernstlich auf das Ausbleiben dieser Folge.
B sieht bei dem Schlag zu und erfreut sich an der durch ihn hervorgerufenen Reizung des A. Schließlich rennt er weg.
A bleibt noch zurück und beginnt, auf den Kopf des M einzutreten. Dabei trägt er Turnschuhe. Dabei nahm er den Tod in Kauf. Sein Primärziel allerdings ist es, M von einer Verfolgung der beiden Täter abzuhalten. Als er glaubte, M sei außer Gefecht, lässt er ab und sagt zu T „Wenn du mich bei den Bullen verpfeifst, bekommst du meine Faust zu spüren!“ und rennt ebenfalls weg.
T ruft den Notarzt, dieser bringt M ins Krankenhaus in dem er – ohne noch einmal das Bewusstsein zu erlagen – an den durch den Sturz hervorgerufenen Hirnverletzungen stirbt. T erstattet Anzeige bei der Polizei und beschreibt die Täter genau.
Aufgaben
Prüfen Sie die Strafbarkeit von A und B!
Die lief auch in Hamburg! 🙂
Ich habs so gemacht:
1. der erste schlag:
212 des A (-) (Abgrenzung dolus eventualis luxuria)
223,224,227 A (+) insbesondere 32 (-), Notwehrprovokation
223,224,227,25 II B nimmt daran Teil, Abgrenzung T+T, habs nach animus und nach funktionaler TH bejaht.
2. die tritte
211 (-), A: nicht kausal, da ja schon erster schlag sich in tod niederschlug
211,22,23 I (+) A: hier verdeckungsabsicht bejaht, war vielleicht n bisschen ungeschickt, man sollte zwischen strafverfolgung und verfolgung durch opfer vor ort differenzieren
223,224 Nr. 2 (problem Turnschuh (-) ) Nr. 5 (+), aber konsumiert von 211,22,23 I
keine mittäterschaft des B daran: mittäterexzess, jedenfalls nicht vom tatplan umfasst,
222 angeprüft: sorgfaltspflicht verletzt weil opfer mit gewaltbereitem A zurückgelassen, egal, schutzzweck der norm jedenfalls nein, da eigenverantwortlich handelnder dritter.
3. Drohung bzgl T
a: 240, 22, 23 I
Habe zwischendurch auch Aussetzung angeprüft, aber verneint, da T vor Ort ist.
Schwerpunkte waren für mich:
– Abgrenzung dolus eventualis / luxuria
– Notwehrprovokation
– Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme
– Kausalität
– Mordmerkmale
Jemand grundlegend andere Gedanken? Würde mich sehr interessieren, da man bei StrafR ja aus Erfahrung weiß, dass man gut und gerne das wichtigste übersieht….
Ich hab noch den Rücktritt angesprochen. Keine Ahnung, ob das richtig war.
Grund: der ließ ja letztlich von dem M ab, als er glaubte, sein Primärziel erreicht zu haben. Also hab ich was dazu geschrieben, dass sein eigentliches Ziel der Tritte ja nicht der Tod, sondern das Verhindern der Verfolgung war. Den Tod nahm er billigend in Kauf…
Reicht das wirklich für Mittäterschaft? B hat doch in keiner Weise tätlich am Schlag des A mitgewirkt. Dass er er mit der ersten Provokation den Streit in Gang gesetzt hat, verleiht ihm ja keinen Einfluss auf das Tatgeschehen selbst. Da hat A ganz autonom gehandelt. Nur mit einer sehr weiten Animus-Theorie ließe sich hier allein mit dem Willen des B seine Täterschaft bejahen, denke ich.
Es gab da noch ein paar Schwerpunkte, die ich angesprochen hätte:
– Zunächst bei § 224 die Frage, welchen Grad die Beteiligung des zweiten Beteiligten haben muss (h.M. bloße Anwesenheit und Möglichkeit des Eingriefens reicht aus).
– Mittäterschaft für B kann man drüber diskutieren, halte ich aber für etwas weitgehend.
– Bei der Verdeckungsabsicht stellt sich ein Problem, weil die zu verdeckende Tat selbst gegen Leib und Leben gerichtet war und der vers. Tötung unmittelbar vorgelagert (Stichwort „Zäsurrechtsprechung“ des BGH)
– Beim Rücktritt des A geht es um die Auswirkungen des erreichen eines „außertatbestandlichen Tatziels“,also hier das Abhalten des M von der Strafanzeige. Nach h.M. lässt dies einen Rücktritt unberührt.
– § 222 für B kannst du nicht mit „eigenverantwortlichem Handeln Dritter“ ausscheiden lassen. Das würde B nur entlasten, wenn das Opfer sich eigenverantowrtlich selbst gefährdet. Im Übrigen kann eine fahrlässige Tötung (durch Unterlassen) durchaus neben die Tat des A treten (str. nur beim Unterlassen).
zu 1. der erste Schlag
Ist bei 224 nicht auch noch das Problem anzusprechen, ob eine Bordsteinkante als unbeweglicher Gegenstand ein „gefährliches Werkzeug“ ist? hM. bejaht ja dies
Ich nehme an, du hast Nr. 4 oder 5 bejaht, oder?
Nicht sicher bin ich mir, ob hier ein Fall sukzessiver Mittäterschaft vorliegt, da A ja erst nach der Provokation zu B hinzutritt und dann dem Tatplan zustimmt (ich nehme mal an konkludent?!).
Bei solch wechselseitigem Handeln hätte ich A und B zusammen geprüft.
Was ist eigentlich mit 323c bei B, nachdem er wegrennt?
zu 2. die Tritte
222, auch bei B, entfällt doch eigentlich wg. fehlender Kausalität wie 212, oder?
Den A hätte ich genauso geprüft und im Zwischenergebnis die Konsumtion festgestellt. Danach hätte ich nur geprüft, ob der Mordversuch dem B zugerechnet werden kann und dies wg, Mittäterexzess abgelehnt. Das finde ich strukturierter.
zu 3. Drohung bzgl. T
War meines Erachtens auch eine versuchte Anstiftung zur Falschaussage gem. 159, 30 (1) mit dem Problem, ob die Polizei eine zur eidlichen Vernehmung von Zeugen zuständige Stelle ist.
Ist sie nicht, denn 163 (3) StPO verweist eben NICHT auf den NUR FÜR RICHTER geltenden 59 StPO.
Gleiches gilt auch für die StA, hier Argument aus 161a (1) S. 3 StPO.
Unsicher bin ich mir, ob die versuchte Anstiftung zur Strafvereitlung nach 258, 30(1) überhaupt angesprochen werden dürfte, da 30 (1) ja nur für Verbrechen gilt und 258 ein Vergehen ist. Aber das wäre ja nur ein Minipunkt 🙂
Also – ohne selber mitgeschrieben zu haben – hätte man denke ich den 231 prüfen müssen : Denn A und B haben den M gemeint angegriffen. Durch den späteren Tod trat auch die erforderliche Schere Folge ein. Hier war insbesondere das Problem anzusprechen, dass durch das Verlassen des Tatorts des B keine Schlägerei mehr vorlag, und vorliegend die Schwere Folge dem B nicht mehr zugerechnet werden kann.
Lg
Simon
Ja 231 definitiv.
Die 1. Alternative würde ich ablehnen – bei einer Schlägerei sind gegenseitige Körperverletzungen zwischen mind. 3 Personen Voraussetzung. Hier sehe ich keine gegenseitigen Körperverletzungen.
Aber in der 2. Alternative erfüllt. Bei einem von mehreren verübter Angriff sind erstens nur 2 Personen notwendig und zweitens kann beim Angriff auch psychisch zB. durch Anfeuern mitgewirkt werden.
Und damit ist auch B strafbar.