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Nicolas Hohn-Hein

BGH: Keine Berücksichtigung gesetzlich vermuteten Verschuldens bei § 254 BGB

Deliktsrecht, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite

Der BGH (VI ZR 3/11 – Urteil vom 20.03.2012) hat sich jüngst mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit eigenes gesetzlich vermutetetes Verschulden dem Geschädigten nach § 254 BGB als Mitverschulden zurechenbar ist. Außerdem nimmt das Gericht zum Umfang der Aufsichtspflicht eines Erwachsenen hinsichtlich Minderjähriger Stellung.
Sachverhalt
Der 10-jährige S, der auf dem Bauernhof der Familie des T zu Besuch ist, spielt unbeaufsichtigt mit dem 8-jährigen T in einer Scheune, die im Eigentum der Eltern (M und E) des T steht. S schlägt vor mit einem Feuerzeug zu spielen, ohne dass er an die möglichen Konsequenzen denkt. Durch einen Funken gerät das eingelagerte Stroh in Brand und zerstört die gesamte Halle nebst der sich darin befindlichen Pferdeboxen vollständig. Die Kinder können sich retten. Der Schaden beläuft sich auf insgesamt 800.000 Euro.
M und ihr Ehemann E hielten sich zum Zeitpunkt des Brandes im Haupthaus des Grundstücks auf. Das Kinderspiel um den Bauernhof herum war bis dahin nie ein Problem. T und S hatten schon des Öfteren kleinere „Ausflüge“ in die Scheune und in die nähere Umgebung unternommen, ohne den Eindruck zu erwecken gerne mal zu „zündeln“. M verlangt von S Gesamtschadensersatz, nachdem E seinen Ersatzanspruch an M abgetreten hat. Der Anwalt des S wendet ein, M und E hätten ihre Aufsichtspflicht – die im übrigen tatsächlich bestand – verletzt und müssten sich diese Pflichtverletzung bei der Berechnung ihres Schadensersatzanspruchs zurechnen lassen.
Zu Recht?
Gesetzliches Verschulden im Rahmen von § 254 BGB nicht zu berücksichtigen
Der Geschädigte muss sich regelmäßig eigenes Verschulden über § 254 BGB bei der Berechnung seines Schadensersatzanspruches zurechnen lassen. Dazu kann auch die Verletzung einer Aufsichtspflicht gehören, wenn – wie im vorliegenden Fall – der Schaden von einem Kind ausgeht, das zu der Zeit der schädigenden Handlung unter der Aufsicht des Geschädigten gestanden hat. Die Verletzung einer Aufsichtspflicht regelt § 832 BGB.  Es handelt sich hierbei um eine gesetzliche Vermutung für eigenes Verschulden hat (Staudinger, BGB, § 823, Rn. 5 ff). Nach allgemeiner Auffassung ist die Prüfung eines gesonderten Verschuldens bei Verletzung einer Aufsichtspflicht daher nicht notwendig (Verschuldenshaftung). Der Aufsichtspflichtige kann aber den Entlastungsbeweis führen, dass er seiner Aufsichtspflicht gerecht geworden ist, und sich auf diese Weise von der Haftung befreien.
Vor diesem Hintergrund lässt sich die Frage stellen, ob im Rahmen von § 254 BGB eine solche Verschuldenshaftung berücksichtigt werden kann. Das Gericht stellt zunächst die in der Literatur teilweise vertreten Auffassung dar, wonach auch bei § 254 BGB die (umgekehrte) Beweislast des § 832 BGB zur Anwendung kommen soll, denn

Sinn und Zweck der Verschuldensvermutungen liege darin, dem Begünstigten über etwaige nicht in seine Zuständigkeit fallende Beweisschwierigkeiten hinwegzuhelfen. Es vermöge nicht zu überzegen, dass im Rahmen des § 254 BGB eine andere Beweislastregelung gelten solle als bei der Haftungsbegründung. Ob eine Sphäre einer der Parteien zuzuweisen sei, hänge nicht von deren „Rolle“ als Schädiger oder Geschädigter ab. Der Richter habe bei der Abwägung die höchste nicht ausgeschlossene Verschuldensintensität zu berücksichtigen.

Der BGH vertritt in der vorliegenden Entscheidung jedoch eine gegenteilige Auffassung und verweist auf den Anknüpfungspunkt des § 254 BGB – an die Ursächlichkeit der jeweiligen Verschuldensanteile für das Schadensereignis. Diese Abwägungsentscheidung  orientiere sich an dem Verschulden des einzelnen in der konkreten Situation, nicht an einer gesetzlich vermuteten Beweislastregelung, die sich auf der Zielsetzung gründet, eine Haftungserleichterung für nur schwer beweisbare Umstände dem Geschädigten zu gewähren.

Wird ein Verschulden nur vemutet, so fehlt jeder Anhalt für das Maß dieses Verschuldens, das von der leichtesten Fahrlässigkeit bis zur gröbsten Sorgfaltspflichtverletzung reichen kann. Nur wenn das Maß der Verantwortlichkeit beider Teile feststeht, ist eine sachgemäße Abwägung möglich. Wollte man sie auf Unterstellungen und Vermutungen gründen, so würde man in unzulässiger Weise Gewisses mit Unbekanntem vergleichen und zu keinem gerechten Ergebnis gelangen. Nach dieser Rechtsprechung sind Verschuldensvermutungen nur für den Haftungsgrund relevant. Daran wird festgehalten. Auf die Frage, ob die Verschuldensvermutung des § 832 BGB bei einer Schädigung des Aufsichtspflichtigen durch den Aufsichtsbedürftigen überhaupt Anwendung findet, kommt es nicht an. Ein Mitverschulden des Aufsichtspflichtigen gemäß § 254 Abs. 1 BGB kommt […] nur in Betracht, wenn eine Aufsichtspflichtverletzung feststeht und der Aufsichtspflichtige aus tatsächlichem Verschulden haftet […].

Es kommt daher darauf an, ob – eine Aufsichtspflichtverletzung vorausgesetzt – M und E schuldhaft gehandelt haben.
Zum Umfang der Aufsichtspflicht bezüglich Kindern
Die Karlsruher Richter erläutern ferner sehr anschaulich die Anforderungen an die Verletzung einer Aufsichtspflicht über Minderjährige und orientieren sich an der hierzu gängigen Rechtsprechung.

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie danach, was den Aufsichtspflichtigen in ihren jeweiligen Verhältnissen zugemutet werden kann. Entscheidend ist, was verständige Aufsichtspflichtige nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ein Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist.
Danach sind sowohl hinsichtlich der Belehrung über die Gefahren des Feuers als auch der Überwachung eines möglichen Umgangs mit Zündmitteln strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt insbesondere in ländlichen Gebieten, in denen durch das Entzünden von Stroh eine besondere Brandgefahr besteht. Der Senat hat mehrfach entschieden, dass Eltern ihre sieben bis acht Jahre alten Kinder eindringlich über die Gefährlichkeit des Spiels mit dem Feuer belehren und darauf achten müssen, dass die Kinder nicht unerlaubt in den Besitz von Streichhölzern oder anderen Zündmitteln gelangen. Hierzu gehört auch, die Kinder davor zu warnen, anderen Kindern bei dem Entfachen und dem Unterhalten eines Feuers in irgendeiner Weise zu helfen oder sie dazu anzustiften. Eine tägliche Kontrolle der Taschen des Kindes ist von den Aufsichtspflichtigen im Regelfall nicht zu verlangen. Grundsätzlich müssen Kinder im Alter von sieben oder acht Jahren nur dann in dieser Weise auf den Besitz von Streichhölzern oder Feuerzeugen kontrolliert werden, wenn dazu ein besonderer Anlass besteht, wenn etwa beim Kind schon einmal Streichhölzer gefunden worden sind oder das Kind eine besondere Neigung zum Zündeln hat.
Grundsätzlich ist bereits bei Kindern im Alter ab sieben Jahren weder eine Überwachung „auf Schritt und Tritt“ noch eine regelmäßige Kontrolle in kurzen Zeitabständen erforderlich. Grundsätzlich muss Kindern in diesem Alter, wenn sie normal entwickelt sind, das Spielen im Freien auch ohne Aufsicht in einem räumlichen Bereich gestattet sein, der den Eltern ein sofortiges Eingreifen nicht ermöglicht. Zum Spiel der Kinder gehört es Neuland zu entdecken und zu „erobern“. Dies kann ihnen, wenn damit nicht besondere Gefahren für sie selbst oder für andere verbunden sind, nicht allgemein untersagt werden. Vielmehr muss es bei Kindern dieser Altersstufe im Allgemeinen genügen, dass die Aufsichtspflichtigen sich über das Tun und Treiben in großen Zügen einen Überblick verschaffen, sofern nicht konkreter Anlass zu besonderer Aufsicht besteht. Andernfalls würde jede vernünftige Entwicklung des Kindes, insbesondere der Lernprozess im Umgang mit Gefahren, gehemmt.

Diese Voraussetzung waren im vorliegenden Fall erfüllt, sodass schon keine Aufsichtspflichtverletzung vorlag. Auf ein (Mit-) Verschulden kam es daher nicht mehr an. Da die Beweislastregel des § 832 BGB nicht greift und damit die „normalen“ deliktischen Verschuldensregelungen zur Anwendung kommen, wäre es im übrigens Sache des Beklagten S gewesen, das Mitverschulden von M und E zu beweisen.
Fazit
M kann einen Schadensersatzanspruch geltend machen, ohne sich eigenes Mitverschulden entgegenhalten zu müssen.
Klassischer Fall aus dem Deliktsrecht, dessen Sachverhalt mit Ergänzungen 1:1 in einer Klausur kommen könnte. Mit der Nichtberücksichtung von § 832 BGB im Rahmen von § 254 BGB betritt der BGB kein Neuland, sondern festigt lediglich seine Rechtsprechung. Die Kenntnis von dieser grundsätzlichen und nicht unbedingt ins Auge springenden Problematik kann aber einige Extrapunkte bedeuten.
Zum „Standardwerkzeug“ hingegen sollte die Rechtssprechung zu den Aufsichtspflichten von Erwachsenen (Eltern) hinsichtlich Minderjähriger gehören.

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15.06.2012/0 Kommentare/von Nicolas Hohn-Hein
Schlagworte: § 254, § 832, Aufsichtspflichten, BGH, Deliktsrecht, Minderjährige, Mitverschulden, Verschuldenshaftung
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