Rechtsprechungsüberblick in Strafsachen
Im Folgenden eine Übersicht über im April veröffentlichte, interessante Entscheidungen des BGH in Strafsachen (materielles Recht).
I. BGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR 265/14
Werden Gelder, die einer Fraktion des Landtags von Rheinland-Pfalz aus dem Landeshaushalt zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewendet worden sind, durch den Fraktionsvorsitzenden bewusst gesetzeswidrig für Wahlkampfzwecke der die Fraktion tragenden Partei ausgegeben, so kann dies eine Untreue im Sinne des § 266 StGB zum Nachteil der Fraktion darstellen. Dem Vorsitzenden einer Parlamentsfraktion kann dieser gegenüber eine Pflicht zur Betreuung deren Vermögens obliegen, die er verletzt, wenn er veranlasst, dass das Fraktionsvermögen gesetzeswidrig verwendet wird. Gleichzeitig kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue zu Lasten der Partei in Betracht, wenn geldwerte Leistungen aus dem Vermögen der von ihr getragenen Parlamentsfraktion entgegengenommen werden, ohne diese als Spende dem Präsidenten des Deutschen Bundestages anzuzeigen und deren Wert an diesen weiterzuleiten. Denn insofern tritt die Sanktionsfolge des § 31c Abs. 1 PartG ein, wonach gegen die Partei ein Anspruch in Höhe des Dreifachen des rechtswidrig erlangten Betrages entsteht (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
II. BGH, Urteil vom 22. Januar 2015 – 3 StR 410/14
In dem Verbot an ein minderjähriges Kind, dass Haus ohne Begleitung erwachsener Verwandten zu verlassen, liegt keine Freiheitsberaubung nach § 239 Abs. 1 StGB. Tatbestandsmäßig im Sinne dieser Vorschrift ist ein Verhalten nur dann, wenn es die zunächst vorhandene Fähigkeit eines Menschen beseitigt, sich nach seinem Willen fortzubewegen und ihn hindert, den gegenwärtigen Aufenthaltsort zu verlassen. Dies setzt voraus, dass die Fortbewegungsfreiheit vollständig aufgehoben wird. Denn § 239 schützt lediglich die Fähigkeit, sich überhaupt von einem Ort wegzubewegen, nicht aber auch eine bestimmte Art des Weggehens. Deshalb kommt eine Bestrafung wegen Freiheitsberaubung nicht in Betracht, wenn ein Fortbewegen – wenn auch unter erschwerten Bedingungen – möglich bleibt. Auch das Verbot, ein bestimmtes Land (hier: Syrien) zu verlassen, ist keine tatbestandsmäßige Freiheitsberaubung. Zwar erfasst der Schutzzweck des § 239 StGB auch Einschränkungen der persönlichen Bewegungsfreiheit, durch die das Opfer gehindert wird, ein größeres Areal wie etwa das Gelände eines Krankenhauses zu verlassen. Das Gebiet, aus dem sich das Opfer aufgrund der Tathandlung nicht entfernen kann, darf aber nicht beliebig weiträumig sein; ansonsten würde der Tatbestand in einer dem Schutzzweck der Norm widerstreitenden Weise überdehnt. Danach ist eine vollständige Aufhebung der Fortbewegungsfreiheit jedenfalls dann nicht mehr anzunehmen, wenn sich der verbleibende räumliche Entfaltungsbereich der betroffenen Person auf ein mehrere tausend Quadratkilometer umfassendes Staatsgebiet erstreckt.
III. BGH, Urteil vom 10. Februar 2015 – 1 StR 488/14
Eine auf zulässiges Verteidigungsverhalten eines Beschuldigten im Strafverfahren oder dessen Selbstbelastungsfreiheit gestützte Einschränkung des Tatbestandes der falschen Verdächtigung gemäß § 164 Abs. 1 StGB kommt jedenfalls in solchen Konstellationen nicht in Betracht, in denen durch den Täter eine Person konkret verdächtigt wird, für deren Tatbegehung bzw. Tatbeteiligung bis dahin keine Anhaltspunkte bestanden. Dies folgt aus dem Schutzzweck des vorgenannten Tatbestandes, der auch die innerstaatliche Strafrechtspflege vor unberechtigter Inanspruchnahme schützen will. Anders als in Fallgestaltungen, in denen außer dem falsch Verdächtigenden überhaupt nur eine weitere Person als Täter der fraglichen rechtswidrigen Tat in Betracht kommt, wird in der hier vorliegenden Konstellation erstmals eine andere Person als vermeintlicher Täter bezichtigt. Erst dadurch werden die Ermittlungsbehörden zu einer auf eine materiell unschuldige und bis zur Falschbezichtigung unverdächtige Person bezogenen Ermittlungstätigkeit veranlasst (zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen).
IV. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2015 – 4 StR 548/14
Der Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) fordert das Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand der körperlichen Funktionen des Opfers nachteilig abweichenden Zustandes. Rein psychische Empfindungen genügen bei keiner Handlungsalternative, um einen Körperverletzungserfolg zu begründen. Wirkt der Täter auf sein Opfer lediglich psychisch ein, liegt eine Körperverletzung daher erst dann vor, wenn ein pathologischer, somatisch-objektivierbarer Zustand hervorgerufen worden ist, der vom Normalzustand nachteilig abweicht. Daher genügt es für eine Verurteilung wegen Körperverletzung nicht, dass der Täter seinem Opfer einen von ihm mitgeführten Elektroschocker an die Schläfe hält und selbiges, da es glaubt ihm werde eine Pistole an den Kopf gehalten, große Angst verspürt und regungslos liegen bleibt.
Nur mal kurz zu Fall 1. („Parteivorsitzenden-Untreue“):
Verwendung von Fraktionsgeldern für eine die Fraktion tragende Partei könnte für die Fraktion die Chance eröffnen, mittelbar der Fraktion in Form ihrer Wiederwahl zu Gute kommen. Dies könnte einen entsprechenden zugleich gleichwertig erlangten Gegenwert für den unmittelbaren Geldwertverlust bedeuten, so dass insofern eine Untreue noch zweifelhaft scheinen könnte.
Die Nichtangabe erlangter Parteigelder dagegen könnte im Hinblick auf ein insofern dann möglicherweise unrichtiges Parteivermögenverzeichneis eine (mittelbare) Falschbeurkundung im Amt begründen. Ein Parteivermögens-verzeichnis könnte gerade mit öffentlichem Glauben in seine Richtigkeit erstellte Urkunde idS sein. Bei der Erstellung eines Parteivermögens-verzeichnis Beteiligte, wie evtl. der Parteivorsitzende, könnten gerade insoweit ein öffentliches Amt iSe Amtsträgers gem. d. Strafgesetzbuch ausüben.
Die Entgegennahme von Fraktionsgeldern durch die Partei wiederum könnte zwar unzulässig sein. Die Sanktionsfolge nach dem Parteiengesetz könnte allerdings u.U. nicht gerade auf einer solchen Vermögensbetreuungspflicht zur Nichtannahme, sondern auf der durch die Nichtdeklarierte Annahme begründeten Unrichtigkeit des Parteivermögensverzeichnis beruhen. Die Fraktionsgelder hätten man evtl. zumindest theoretisch bei Angabe im Parteivermögensverzeichnis ohne entsprechende Sanktionsfolge entgennehmen können.
Die Pflicht zur Erstellung eines richtigen Parteivermögensverzeichnis wiederum könnte vom Schutzzweck nicht um des Parteivermögens bestehen.
Insofern könnte hier etwa der Kausalzusammenhang gerade zwischen Vermögensbetreuungspflichtwidirgkeit und Schaden und damit Untreue insoweit noch zweifelhaft scheinen.