Das OLG Frankfurt hat mit Hinweisbeschluss vom 14.05.2020 (Az.: 6 U 155/19) festgestellt, dass ein Verkäufer, der einen Pkw versehentlich zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auf eBay einstellt, dem Käufer keinen Schadensersatz leisten muss. Die Internetplattform eBay ist nicht nur eines der beliebtesten Examensthemen im BGB AT und Schuldrecht, sondern findet – da diverse Probleme des Vertragsschlusses, des Schuldrecht AT oder des Gewährleistungsrechts abgeprüft werden können – auch immer wieder Einzug in Zwischenprüfungsklausuren. Die Entscheidung soll daher zum Anlass genommen werden, Grundprobleme des Zivilrechts unter Fokussierung des Vertragsschlusses bei eBay darzustellen und zu erläutern.
A) Sachverhalt
Auf der Internetauktionsplattform eBay bot der V einen BMW 318d, Erstzulassung April 2011, Laufleistung 172.000 km, mit einem Wert von ca. 13.000 Euro an. Nach ausführlicher Beschreibung des Fahrzeugs und der Ausstattung formulierte er: „Preis: Euro 1,00“ sowie: „Fahrzeug muss innerhalb drei Tagen noch Auktionsende – vom Höchstbietenden abgeholt und bar vor Ort gezahlt werden…, Sofortkaufangebote sind gerne erwünscht.“ Versehentlich legte der V den Preis von einem Euro jedoch nicht als Starpreis der Auktion, sondern als Sofortkauf-Preis fest. Der K stieß auf das Inserat, bot einen Euro und erhielt automatisiert den Zuschlag. Vor regulärem Ende der Auktion beendete der V manuell die Auktion und wies den K darauf hin, dass der Preis von einem Euro als Start- und nicht als Sofortkaufpreis gemeint gewesen sei. Zu einem Verkauf für einen Euro sei er keinesfalls bereit. K sah dies nicht ein; schließlich sei die Summe von einem Euro ausdrücklich als Sofortkauf-Preis und nicht als Gebotsuntergrenze ausgewiesen. Er begehrt nunmehr Schadensersatz in Höhe von 13.000 Euro, die er für ein vergleichbares Fahrzeug aufbringen müsste.
B) Rechtsausführungen
Die Entscheidung des Landgerichts (Urt. v. 18.07.2019, Az. 2-20 O 77/18), das die Klage abgewiesen hatte, ist rechtskräftig, nachdem der klagende Käufer nach einem Hinweisbeschluss des OLG Frankfurt (Hinweisbeschl. v. 14.05.2020, Az. 6 U 155/19) seine Berufung zurückgenommen hatte. Doch der Reihe nach:
I. Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB
Den Verkäufer trifft die Pflicht, die von ihm angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand gemäß § 433 Abs. 1 S. 1 BGB zu übergeben und zu übereignen. Tut er dies nicht, so kann der Käufer unter bestimmten Voraussetzungen Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grundsätzlich den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises. Ein Anspruch des K gegen V auf Schadensersatz statt der Leistung in Höhe von 13.000 Euro könnte sich also aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB ergeben.
Achtung: Zwar geht es hier um einen Kaufvertrag, jedoch greift – mangels Anwendungsbereichs – nicht das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht. Damit ein Anspruch aus §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB hergeleitet werden kann, ist ein Mangel bei Gefahrübergang erforderlich. Im vorliegenden Fall geht es aber um eine Nichtleistung vor Gefahrübergang, sodass die Grundsätze des Schuldrecht AT Anwendung finden.
1. Schuldverhältnis
Dies setzt zunächst das Vorliegen eines Schuldverhältnisses voraus. Vorliegend kommt ein vertragliches Schuldverhältnis in Form eines Kaufvertrags i.S.v. § 433 BGB in Betracht. Ein solcher verlangt eine Einigung, also zwei übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen. Ein Vertragsschluss bei eBay richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen, d.h. ein Vertrag kommt durch Angebot und Annahme gemäß den §§ 145 ff. BGB zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da eBay-Auktionen keine Versteigerungen i.S.d. Norm darstellen. Dabei handelt es sich bereits bei dem Erstellen einer Auktion auf eBay bzw. beim Einstellen eines Sofortangebots um ein verbindliches Angebot, das durch die Bestellung des Kunden angenommen wird, so dass in diesem Moment der Vertrag geschlossen ist (also unmittelbar bei der Option „Sofort-Kaufen“) oder mit Zeitablauf einer Auktion zustande kommt (s. zum Zustandekommen eines Vertrags über die Sofort-Kaufen-Option auch unseren Beitrag). Dies ergibt sich aus den AGB von eBay, die zwar zwischen Käufer und Verkäufer nicht unmittelbar gelten, aber nach h.M. bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen sind (s. hierzu BGH, Urt. v. 15.2.2017, Az.: VIII ZR 59/16).
Nach diesen Maßstäben hat der V zweifelsohne durch Einstellen des Autos auf der Plattform eBay ein verbindliches Angebot abgegeben. Jedoch ist problematisch – und Schwerpunkt der vorliegenden Entscheidung –, ob er ein Angebot für einen Sofortkauf des Pkw für einen Euro oder für die Option „Auktion“ mit dem Startgebot in Höhe von einem Euro abgegeben hat. Die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen erfolgt gemäß §§ 133, 157 BGB nach Maßgabe des objektiven Empfängerhorizonts; das heißt, zu prüfen ist, wie sich das Angebot aus der Sicht eines verständigen, objektiven Betrachters darstellt. Hiervon ausgehend durfte der K die Preisangabe von einem Euro nach Ansicht des OLG Frankfurt nicht als Angebot zum Sofortkauf-Preis von einem Euro auffassen. Das Gericht erachtet die Auslegung der Willenserklärung des V nach dem objektiven Empfängerhorizont insofern als „eindeutig“: Er müsse sich nicht daran festhalten lassen, dass ihm bei der Eingabe seines Angebots ein Fehler unterlaufen sei, indem er versehentlich den Sofortkauf-Preis und nicht den Starpreis der Auktion festgelegt habe. Vielmehr sei aus dem Kontext klar ersichtlich, dass eine Versteigerung gewollt gewesen sei. Damit liege schon kein Sofortkauf-Angebot vor, das angenommen werden könnte.
Anmerkung: Unterstellt man eine wirksame Einigung, wäre in einem zweiten Schritt eine mögliche Nichtigkeit nach § 142 Abs. 1 BGB infolge einer Anfechtung seitens des V zu prüfen. Dass wirksam angefochten werden könnte, hat auch das OLG Frankfurt betont: Indem V gegenüber dem K erklärt habe, dass der Preis als Startpreis, nicht als Sofortkauf-Preis gemeint gewesen sei und die Transaktion abgebrochen habe, habe er konkludent die Anfechtung erklärt. In einer Klausur wäre sodann schwerpunktmäßig zu diskutieren, welcher Anfechtungsgrund – Inhaltsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 1 BGB oder Erklärungsirrtum gemäß § 119 Abs. 1 Alt. 2 BGB – in Betracht kommt. Geklärt werden müsste also, ob der Fehler bereits auf der Ebene der Willensbildung (dann Inhaltsirrtum) oder bei der Vornahme der Erklärungshandlung, also etwa durch Vertippen / Verklicken (dann Erklärungsirrtum), erfolgt ist – hierzu bedürfte es ergänzender Hinweise im Sachverhalt. Auch über den Schadensersatzanspruch des § 122 Abs. 1 BGB könnte dann aber keine Zahlung der 13.000 Euro verlangt werden, denn hiernach wird lediglich das negative und nicht das positive Interesse ersetzt.
2. Zwischenergebnis
Mithin liegt schon kein wirksamer Kaufvertrag und damit kein Schuldverhältnis zwischen den Parteien vor.
II. Ergebnis
Ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 BGB scheidet infolgedessen aus.
C) Fazit
In summa: Wenn ein eBay-Verkäufer ein Auto zum Sofortkauf für einen Euro anbietet, muss er dem Verkäufer keinen Schadensersatz leisten, sofern nach der Auslegung der Willenserklärung vom objektiven Empfängerhorizont gemäß §§ 133, 157 BGB offensichtlich ist, dass es sich um ein Auktionsstartgebot und nicht um einen Sofortkauf-Preis handelt. Wer sich in einer entsprechenden Klausur also direkt auf die Anfechtung der Willenserklärung stürzt, der verkennt, dass der Auslegung stets Vorrang gebührt. Ergibt diese bereits einen Versteigerungswillen, verbleibt für die Anfechtung kein Raum. Unklar bleibt freilich, ab welchem Preis auf einen „offensichtlichen“ Versteigerungswillen trotz versehentlicher Wahl der Sofortkauf-Option zu schließen ist, ist doch – auch vom BGH –anerkannt, dass durch die Nutzung der Plattform eBay ein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung bewusst in Kauf genommen wird (hierzu beispielhaft BGH, Urt. v. 12.11.2014, Az.: VIII ZR 42/14).
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Neues vom BGH zu ebay-Abbruchjägern
Sog. Abbruchjäger bieten mit geringen Beträgen bei ebay Auktionen mit – jedoch nicht mit dem Ziel eines Vertragsschlusses, sondern mit der Hoffnung, dass es zu einem Abbruch der Auktion kommt und sie daraufhin Schadensersatz fordern können. In einer aktuellen Entscheidung vom 22.05.2019 (Az.: VIII ZR 182/17) äußert sich der BGH dazu, wann von solch einem rechtsmissbräuchlichen Vorgehen ausgegangen werden kann. Da sich in Konstellationen rund um eine ebay Auktion zahlreiche Standartproblematiken wie das Zustandekommen eines Vertrags in einem neuen Gewand abprüfen lassen, liegt hier die Examensrelevanz auf der Hand.
I. Vertragsschluss über ebay trotz Auktionsabbruch
Ein Vertragsschluss über ebay richtet sich wie auch sonst üblich nach den §§ 145 ff BGB. Ein Vertrag kommt also durch Angebot und Annahme zustande – nicht etwa durch Zuschlag nach § 156 BGB, da es sich bei Internet-Auktionen nicht um Versteigerungen im Sinne dieser Norm handelt. Das Erstellen der Auktion auf ebay stellt bereits eine verbindliche Willenserklärung dar. Denn nach den AGB von ebay kommt mit dem zum Zeitpunkt der Beendigung der Auktion Höchstbietenden ein Kaufvertrag zustande – außer der Verkäufer bricht die Auktion ab, weil er dazu gesetzlich berechtigt war. Zwar gelten die AGB nicht zwischen Käufer und Verkäufer, sondern jeweils nur zwischen diesen und ebay. Sie sind jedoch bei der Auslegung der Willenserklärungen zu berücksichtigen. So ist das Einstellen der Kaufsache als Angebot unter der aufschiebenden Bedingung § 158 Abs. 1 BGB, dass das Gebot des Bieters zum Zeitpunkt des Auktionsendes das Höchstgebot ist, zu qualifizieren. Dieses nimmt der Bietende durch sein Gebot an. Bricht der Verkäufer die Auktion ab, ohne dazu berechtigt zu sein, so kommt der Vertrag mit dem zu diesem Zeitpunkt Höchstbietenden zustande.
II. Schadensersatzanspruch §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB
Der Verkäufer ist also verpflichtet, die angebotene Ware zu liefern. Er hat den Kaufgegenstand zu übergeben und zu übereignen, § 433 Abs. 1 BGB. Tut er dies nicht, so kann der Käufer nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB verlangen. Der Schaden bemisst sich nach der Differenzhypothese und beträgt grds. den Wert des Kaufgegenstandes abzüglich des Kaufpreises.
III. § 242 BGB bei sog. Abbruchjägern
Diesem Anspruch kann der Verkäufer aber unter Umständen den Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegenhalten.
1. Schnäppchenjagd an sich nicht rechtsmissbräuchlich
Rechtsmissbrauch liegt –wie auch der BGH in seiner aktuellen Entscheidung noch einmal bestätigt – nicht bereits deshalb vor, weil der Käufer ein weit unter dem Marktpreis liegenden Höchstangebot abgibt. Denn es macht gerade den Reiz einer Internetauktion aus, dass der Bieter die Chance auf den Erwerb der Ware zum Schnäppchenpreis hat. Schließlich hat umgekehrt der Veräußerer die Chance, aufgrund eines gegenseitigen Überbietens der Interessenten einen vorteiligen Preis weit über dem Wert der Sache zu erzielen. Eine „Schnäppchenjagd“ auf ebay ist also erlaubt! An dieser Bewertung ändert sich auch nichts, wenn der Käufer in einer Vielzahl von Fällen ein solch niedriges Gebot abgibt, in der Hoffnung, ein Schnäppchen zu ergattern, „weil allein die Quantität eines von der Rechtsordnung im Einzelfall gebilligten Vorgehens in der Regel nicht zu dessen Missbilligung führt“, so der BGH.
2. Rechtsmissbrauch bei fehlendem Kaufinteresse (Abbruchjäger)
Hat der Käufer von vorneherein kein Interesse, den Kaufgegenstand zu erwerben, sondern zielt er allein auf den Abbruch der Auktion ab, um daraufhin Schadensersatzansprüche geltend machen zu können, so handelt er rechtsmissbräuchlich. Ein solcher „Abbruchjäger“, dessen Absicht von vorneherein nicht auf den Erfolg des Vertrags, sondern auf dessen Scheitern gerichtet ist, kann seinen an sich entstandenen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 242 BGB nicht durchsetzten.
3. Aktuelle Entscheidung des BGH
In seiner aktuellen Entscheidung äußert sich der BGH zu der Frage, wann – bzw. wann noch nicht – von einem Abbruchjäger auszugehen ist.
Ob ein Rechtsmissbrauch vorliegt, ist anhand einer sorgfältigen und umfassenden Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Der BGH betont dabei, dass die Annahme von Rechtsmissbrauch auf besondere Ausnahmefälle beschränkt bleiben muss. So könnten keine „abstrakte, verallgemeinerungsfähige Kriterien, die den zwingenden Schluss auf ein Vorgehen als Abbruchjäger zulassen“ aufgestellt werden.
Konkret weist er folgende vermeintliche Indizien als nicht tragfähig zurück:
a) Vielzahl der Gebote und deren Gesamtsumme
Der Verkäufer machte geltend, dass bereits die Vielzahl der vom Käufer auf ebay abgegebenen Gebote den Rückschluss zulasse, er habe kein Kaufinteresse. Denn die Gesamtsumme dieser Gebote hätte der Käufer nicht aufbringen können, sodass er auf das Ausbleiben der Vertragsdurchführung angewiesen war. Diesem Einwand teilt der BGH eine klare Absage: Gerade bei der Abgabe von weit unter dem Marktpreis liegender Geboten wird der Bieter regelmäßig überboten, sodass bei normalem Verlauf der Auktionen nicht damit zu rechnen ist, dass er den Gesamtpreis seiner Gebote wird aufbringen müssen. Ein solches Vorgehen zielt „in einer den Internetauktionen immanenten und nicht zu missbilligenden Weise darauf ab, bei einer geringen Zahl der Auktionen, dann aber zu einem für ihn aufbringbaren Schnäppchenpreis, zum Zuge zu kommen“. Im zugrundeliegenden Fall wurde dies zudem dadurch untermauert, dass der Kläger die Artikel, auf die er geboten hatte, auch tatsächlich abgenommen hat.
b) Keine eigene Verwendung für Kaufgegenstände
Zudem wies der Verkäufer darauf hin, dass der Käufer für die Gegenstände, auf die er geboten habe, in ihrer Vielzahl keine tatsächliche Verwendung haben könne. Auch dies kann jedoch nicht auf ein fehlendes Kaufinteresse hindeuten. Denn auch wenn der Käufer für die Gegenstände selbst keine Verwendung haben sollte, kann sein Kaufinteresse darauf gerichtet sein, diese für jemand anderes zu erwerben, sie zu verschenken oder die günstig erworbenen Waren zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen. Auf welche Weise der Käufer die Gegenstände verwendet, sei als bloßes Kaufmotiv aber unerheblich.
c) Vorgehen des Käufers in Zeitraum nach der Auktion
Der Verkäufer sah auch in dem Verhalten des Käufers in einem deutlich nach der in Rede stehenden Auktion liegenden Zeitraum ein maßgebliches Indiz für ein Vorgehen als Abbruchjäger. Auch in den folgenden Jahren hatte er eine Vielzahl von Geboten weit unter dem Marktpreis abgegeben und in etwa 100 Fällen Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Das spätere Verhalten des Käufers könne jedoch laut BGH keine Rückschlüsse auf eine fehlende Erwerbsabsicht im Zeitpunkt der Auktion zulassen, zumal der Kläger die von ihm ersteigerten Gegenstände jeweils entgegengenommen hat.
IV. Fazit
Grds. bleibt zwar weiter die Figur des Abbruchjägers anerkannt, der allein auf den Abbruch der Internet-Auktion abzielt, um Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Bei einem solchen Vorgehen sind dessen Schadensersatzansprüche wegen des Einwands rechtsmissbräuchlichen Verhaltens nicht durchsetzbar, § 242 BGB. Der BGH betont jedoch, dass dies nur in absoluten Ausnahmenfällen angenommen werden kann. Das Urteil bietet Anlass, sich mit den rechtlichen Problemen rund um eine ebay Auktion genauer zu befassen. Hinzuweisen ist dabei auch auf das Problem des sog. Shill-Bidding (siehe dazu hier).
Eine äußerst examensrelevante Entscheidung hat der BGH mit Urteil vom 15. Februar 2017 – VIII ZR 59/16 zum Zustandekommen eines Vertrags über den „Sofort-Kaufen“- Button auf der Plattform Ebay getroffen. Der Sachverhalt wirft zwei (vom BGH abschließend beantwortete) Fragen zur Auslegung und Anfechtung eines über diesen Button geschlossenen Kaufvertrages auf und sollte in jeder Examensvorbereitung behandelt werden – spielen doch beide Problemkreise im Allgemeinen Teil des BGB.
I. Sachverhalt (gekürzt, dem Urteil entnommen)
Der Beklagte bot im Oktober 2014 über die Internet-Plattform eBay unter Nutzung der Festpreis-Funktion „Sofort-Kaufen“ ein E-Bike zum Kauf an. An der dafür vom Plattformbetreiber auf der Angebotsseite vorgesehenen Stelle trug der Beklagte einen Sofortkaufpreis von 100 € und Versandkosten von 39,90 € ein. Die auf der Angebotsseite vom Beklagten unter Verwendung von Großbuchstaben und Fettdruck der Preisangabe unmittelbar vorangestellte Artikelbezeichnung lautete:„Pedelec neu einmalig 2600 € Beschreibung lesen!!“Am Ende der Artikelbeschreibung hatte der Beklagte – wiederum in Großbuchstaben – folgende Angaben hinzugefügt:„Das Fahrrad ist noch original verpackt, kann aber auf Wunsch zusammengebaut werden. Bitte Achtung, da ich bei der Auktion nicht mehr als 100 € eingeben kann (wegen der hohen Gebühren), erklären Sie sich bei einem Gebot von 100 € mit einem Verkaufspreis von 2600 + Versand einverstanden. Oder machen Sie mir einfach ein Angebot! Danke.“Der auf das Angebot aufmerksam gewordene Kläger betätigte am 16. Oktober 2014 die Schaltfläche („Button“) „Sofort-Kaufen“ auf der Angebotsseite, um das E-Bike zu erwerben.
Einer Wirksamkeit dieser Anfechtungserklärung steht nicht entgegen, dass der Kläger gleichwohl in erster Linie die Erfüllung des Kaufvertrages durch den Beklagten nach Maßgabe des von ihm angenommenen Vertragsinhalts begehrt und insoweit von einem (Fort-) Bestand des Vertrages ausgeht. Zwar ist eine Anfechtungserklärung wegen ihres Gestaltungscharakters grundsätzlich bedingungsfeindlich (BGH, Urteil vom 28. September 2006 – I ZR 198/03, NJW-RR 2007, 1282 Rn. 17 mwN). Gleichwohl wird aber eine Eventualanfechtung, also eine Anfechtung für den Fall, dass das Rechtsgeschäft nicht den in erster Linie behaupteten Inhalt hat oder nicht ohnehin nichtig ist, allgemein für zulässig gehalten, weil hierin keine Bedingung im Rechtssinne zu sehen ist.
- Grundsätzlich können die Ebay-AGB zur Auslegung des Vertragsschlusses zwischen zwei Nutzern herangezogen werden.
- Etwas anderes gilt hingegen, wenn eine eindeutige Distanzierung von den AGB vorliegt, diese also gerade nicht Grundlage des Vertragsschlusses sein sollen.
- Dies ist insbesondere der Fall, wenn unter dem „Sofort-Kaufen“-Button ein anderer Preis steht als im restlichen Angebot und eindeutig ist, welcher Preis gemeint ist.
- Eine Anfechtungserklärung erfolgt konkludent, wenn gegenüber dem Kontrahierungspartner ein niedrigerer Preis als vereinbart durchzusetzen versucht wird.
- Ein Inhaltsirrtum liegt vor, wenn der Nutzer einer Fehlvorstellung über die Höhe des Preises unterliegt, da er allein formal auf den „Sofort-Kaufen“-Button abstellt und nicht – wie ein objektiver Dritter – den gesamten Angebotsinhalt zur Auslegung heranzieht.
Verschiedene Probleme rund um den Autokauf – insbesondere Gebrauchtwagenkauf – sind absolute Klassiker, die immer wieder Einzug in Examensklausuren finden. Konstellationen wie in zwei kürzlich entschiedenen, sehr ähnlich gelagerten Fällen des OLG Hamm, in denen sich das Gericht unter anderem mit Nachforschungspflichten des Käufers beim Autokauf beschäftigte, eignen sich hervorragend, um sachenrechtliches Standardwissen abzuprüfen. Dass die Kaufverträge über das Internet geschlossen wurden, könnte die Sachverhaltsersteller inspirieren, auch schuldrechtliche Probleme (Stichwort: Vertragsschluss über eBay, s. auch hierzu unsere Rechtsprechungsübersicht) zu integrieren.
Die vereinfacht dargestellten Fälle sollen in diesem Beitrag zum Anlass genommen werden, insbesondere die Grundsätze des gutgläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten – angewandt auf die konkreten Fälle – darzustellen.
I. Sachverhalte
1. Rechtsstreit 5 U 110/15
Der Kläger, ein privater Verkäufer, bot seinen PKW im Internet zum Verkauf an. Er einigte sich mit einem Kaufinteressenten, der jedoch – wie sich später herausstellte – einen falschen Namen benutzte. Zur Abholung des Wagens erschien eine Person, die sich als Beauftragter des Namensträgers auswies, und dem Kläger zudem eine gefälschte Quittung eines Bankinstituts über die angeblich getätigte Überweisung des Kaufpreises aushändigte. Der Kläger übergab daraufhin Pkw nebst Schlüsseln und Papieren, erhielt jedoch den Kaufpreis nicht.
Der Beklagte kaufte das Fahrzeug in der Folgezeit über ein Internetportal, wobei sich der Verkäufer, ein nach eigener Angabe gewerblicher Zwischenhändler, mit einem ausländischen Personalausweis auswies. Nach einer Besichtigung und Probefahrt des Fahrzeugs erfolgte die Bezahlung in bar, woraufhin der Beklagte das Auto sowie Schlüssel und Fahrzeugpapiere erhielt.
2. Rechtsstreit 5 U 69/16
Der Kläger verkaufte im Internet seinen Pkw. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin genannt. Bei dem Kaufinteressenten handelte es sich jedoch ebenfalls um einen Dritten, der sich unter falschem Namen gemeldet hatte.
Am Tag des Vertragsschlusses erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung, die bestätigte, dass der Namensträger den Kaufpreis überwiesen hatte. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger den Pkw, die Schlüssel sowie die Fahrzeugpapiere wie vereinbart an ein Transportunternehmen aus, welches das Fahrzeug bei dem Dritten ablieferte. Den Kaufpreis erhielt er nicht. Der Dritte verkaufte den Wagen auf einem Gebrauchtwagenmarkt gegen Barzahlung an den Beklagten, wobei er sich mit einem ausländischen Reisepass auswies. Mit dem Pkw übergab er dem Beklagten auch Schlüssel und Fahrzeugpapiere.
II. Lösung
Fraglich ist in beiden Konstellationen, wer Eigentümer des Fahrzeugs ist bzw. ob der Kläger gegen den Beklagten einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB hat.
1. Ursprünglich Eigentum des Klägers
Zunächst war in beiden Fällen der Kläger Eigentümer.
2. Übereignung Kläger an Dritten
Das Eigentum könnte der Kläger jedoch durch die Veräußerung des Wagens an den Dritten gemäß § 929 S. 1 BGB verloren haben, was zunächst eine dingliche Einigung zwischen den Parteien erfordert. Fraglich ist hierbei aber, ob der Kläger das Eigentum an dem Wagen an den Handelnden oder an den im Kaufvertrag genannten Unbeteiligten übertragen wollte. Es ist folglich das Handeln unter falscher Namensangabe (Namenstäuschung) vom Handeln unter fremden Namen (Identitätstäuschung) abzugrenzen. Maßgeblich ist hierbei, ob sich „das getätigte Geschäft aus der insoweit maßgeblichen Sicht der anderen Vertragspartei als Eigengeschäft des Handelnden darstellt, bei diesem also keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen wird. Ein Eigengeschäft unter falscher Namensangabe – aus dem der Handelnde selbst verpflichtet wird – ist dann gegeben, wenn die Benutzung des fremden Namens bei der anderen Vertragspartei keine Fehlvorstellung über die Identität des Handelnden hervorgerufen hat, diese den Vertrag also nur mit dem Handelnden abschließen will. Ein Geschäft des Namensträgers ist demgegenüber anzunehmen, wenn das Auftreten des Handelnden auf eine bestimmte andere Person hinweist und die andere Partei der Ansicht sein durfte, der Vertrag komme mit dieser Person zustande. In diesem Fall sind die Grundsätze der Stellvertretung (§§ 164 ff. BGB) entsprechend anzuwenden.“ (vgl. hierzu grundlegend BGH v. 3.3.1966 – II ZR 18/64, BGHZ 45, 193, 195 f.; s. auch v. 18.1.1988 – II ZR 304/86, NJW-RR 1988, 814; v. 8.12.2005 – III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701)
Vor diesem Hintergrund hat das OLG Hamm in beiden Fällen angenommen, dass der Kläger sich mit dem Namensträger dinglich einigen wollte, also ein Handeln unter fremdem Namen vorliegt, was wie folgt begründet wird:
„[Der Kläger] hat […] Wert auf die Identität [seines Geschäftspartners] gelegt, wie sein gesamtes Verhalten bei der Geschäftsabwicklung deutlich macht. […] Angesichts dieser Zahlungsmodalitäten handelte es sich nicht um einen typischen Gebrauchtwagenkauf mit einem sofortigen und vollständigen Austausch der beiderseitigen Leistungen. Anders als in den Fällen, in denen das Eigeninteresse des Verkäufers in der Regel durch den sofortigen Erhalt des Kaufpreises in bar abgedeckt ist, bestand vorliegend die nicht von der Hand zu weisende Gefahr, dass die angebliche Überweisung seinem Konto nicht gutgeschrieben werde“ (s. Urteil v. 22.2.2016 – 5 U 110/15, Rn. 51, 42).
Da der Namensträger den Handelnden zu dem Erwerbsgeschäft aber weder bevollmächtigt noch dieses nachträglich genehmigt hat, fehlt es vorliegend an der dinglichen Einigung. Der Kläger hat sein Eigentum nicht durch die Veräußerung an den Dritten verloren.
Anmerkung: Hierbei sei darauf hingewiesen, dass eine Beurteilung, ob ein Handeln unter falscher Namensangabe oder unter fremdem Namen vorliegt, stets anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls erfolgen muss. Insbesondere ist auf das Urteil des BGH v. 01.03.2013 – V ZR 92/12 zu verweisen, in dem der BGH bei einem sofortigen Austausch der beiderseitigen Leistungen ein Handeln unter falscher Namensangabe angenommen hat.
3. Übereignung an den Beklagten
Durch die darauffolgende Übereignung an den Beklagten könnte dieser aber das Eigentum an dem Pkw erworben haben. Mangels Verfügungsberechtigung des Veräußerers kommt nur ein gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten gemäß §§ 929 S. 1, 932 ff. BGB in Betracht. Bei einer wie in den vorliegenden Fällen erfolgten Übereignung im Wege des § 929 S. 1 BGB wird der Erwerber auch dann Eigentümer, wenn die Sache nicht dem Veräußerer gehört, es sei denn, dass er zu der Zeit, zu der er nach diesen Vorschriften das Eigentum erwerben würde, nicht in gutem Glauben ist, § 932 I 1 BGB. Da keine Anhaltspunkte für eine positive Kenntnis bestehen, könnte dem Beklagten allenfalls grobe Fahrlässigkeit zur Last fallen. Hierunter fällt ein Handeln, „bei dem die erforderliche Sorgfalt den gesamten Umständen nach in ungewöhnlich großem Maße verletzt worden und bei dem dasjenige unbeachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt (vgl. BGH v. 29.1.2003 – IV ZR 173/01 – NJW 2003, 1118, 1119 m.w.N.)“.
Maßgeblich sind auch hierbei die konkreten Umstände des Einzelfalls. Grundsätzlich bestehen keine Nachforschungspflichten. Für den Gebrauchtwagenkauf entspricht es jedoch ständiger Rechtsprechung, dass sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung II vorlegen lassen muss, sowie überprüfen, ob der dort genannte Halter mit dem Veräußerer übereinstimmt. „Beim Kauf von Gebrauchtwagen sind bei fehlender Identität zwischen dem Veräußerer eines gebrauchten Pkw und dem letzten in dem Kraftfahrzeugbrief bzw. in der Zulassungsbescheinigung Teil II verzeichneten Halter in aller Regel Verdachtsmomente vorhanden, die die Annahme einer Nachforschungspflicht rechtfertigen“ (vgl. BGH v. 11.3.1991 – II ZR 88/90, Rn. 17, juris; v. 02.03.1989 – 5 U 202/88, juris; OLG Köln v. 28.4.2014 – 11 U 14/14, Rn. 4, juris).
Vor diesem Hintergrund führte das OLG Hamm in seinem Urteil aus, es gehöre
„zu den Mindesterfordernissen gutgläubigen Erwerbs eines solchen Kraftfahrzeuges, dass sich der Erwerber den Kraftfahrzeugbrief vorlegen lässt, um die Berechtigung des Veräußerers zu prüfen. Der Fahrzeugbrief (§ 25 Abs. 4 Satz 2 StVZO a.F.) wie auch die Zulassungsbescheinigung Teil II (§ 12 Abs. 6 FZV), die diesen mittlerweile abgelöst hat, verbriefen nicht das Eigentum an dem Fahrzeug. Ihr Sinn und Zweck besteht in dem Schutz des Eigentümers oder sonst dinglich am Kraftfahrzeug Berechtigten. Anhand der Eintragungen ist die Möglichkeit gegeben, bei dem eingetragenen Berechtigten die Übereignungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers nachzuprüfen (vgl. BGH v. 05.02.1975 – VIII ZR 151/73, juris, Rn. 12; BGH v. 13.5.1996 – II ZR 222/95, Rn. 7, juris; BGH v. 01.3.2013 – V ZR 92/12, Rn. 14, juris). Aber auch wenn der Veräußerer im Besitz des Fahrzeugs und des Briefes ist, kann der Erwerber gleichwohl bösgläubig sein, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen mussten und er diese unbeachtet lässt. Über ihm bekannte oder offen liegende Verdachtsgründe darf sich der Erwerber nicht hinwegsetzen (vgl. BGH v. 1.3.2013 – V ZR 92/12 , Rn. 13, juris, m.w.N.).“
Im Rechtsstreit 5 U 110/15 hatte der Veräußerer dem Beklagten lediglich seinen ausländischen Ausweis vorgelegt, war aber nicht als Halter in der Zulassungsbescheinigung Teil II genannt. Insoweit bestand folglich eine Nachforschungspflicht des Beklagten. Dass er dieser nicht nachgekommen ist, begründet grobe Fahrlässigkeit.
Auch in der Pressemitteilung zum Rechtsstreit 5 U 69/16, bei dem die Ehefrau des Klägers als Halterin eingetragen war, werden diese Grundsätze bestätigt:
„Wenn ein (privater) Verkäufer nicht als Halter in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, muss ein (privater) Käufer von sich aus prüfen, ob der Verkäufer zum Fahrzeugverkauf berechtigt ist. Die bloße Angabe des Verkäufers, er sei ein gewerblicher Zwischenhändler und auch der Umstand, dass der Verkäufer im Besitz der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugschlüssel ist, erübrigt die gebotene Überprüfung durch den Käufer nicht.“ (s. hier)
Das OLG ging also in beiden Fällen von grober Fahrlässigkeit aus, sodass ein gutgläubiger Eigentumserwerb scheiterte.
4. Ergebnis
Der Kläger hat in beiden Fällen sein Eigentum an dem Pkw nicht verloren. Da der Beklagte Besitzer ist und ihm kein Recht zum Besitz iSv § 986 BGB zusteht, hat der Kläger gegen ihn einen Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB.
III. Fazit
Die Examensrelevanz derartiger Konstellationen kann nicht oft genug betont werden. Besonders sei noch einmal darauf hinzuweisen, dass, gerade weil vielen Studenten das Urteil des BGH zur Abgrenzung des Handelns unter fremdem Namen vom Handeln unter falscher Namensangabe beim Gebrauchtwagenkauf geläufig ist, genau auf die Umstände des konkreten Sachverhaltes einzugehen ist. Hinsichtlich etwaiger Nachforschungspflichten ist festzuhalten, dass solche für den Erwerber beim Gebrauchtwagenkauf bestehen, wenn konkrete Anhaltspunkte für begründete Zweifel vorliegen. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Veräußerer nicht in der Zulassungsbescheinigung Teil II als Halter genannt wird.
Verkaufs- und Auktionsplattformen im Internet sind beliebte Prüfungsaufhänger in Examensklausuren, weil hier Standardprobleme, wie zum Beispiel das Zustandekommen eines Vertrages in einem anderen Gewand auftreten und den Examenskandidaten daher mehr Argumentationsvermögen abverlangen. Gestern, am 24.08.2016, hat der BGH gleich zwei unter Käufern und Verkäufern bei eBay-Auktionen gängigen Methoden, dem Spekulieren auf den Auktionsabbruch und der Manipulation durch Eigengebote, eine klare Absage erteilt (Az. VIII ZR 182/15 und VIII ZR 100/15). Garniert wird das Ganze noch von weiteren Klassikern wie der gewillkürten Prozessstandschaft und dem Rechtsmissbrauch. Für denjenigen, der regelmäßig solche Plattformen nutzt, sind diese beiden Entscheidungen also gleich in mehrfacher Hinsicht interessant.
I. Keine Prozessführungsbefugnis für sog. „Abbruchjäger“
1. Was war passiert?
In dem Sachverhalt, welcher dem ersten Urteil zugrunde liegt (BGH v. 24.08.2016 – VIII ZR 100/15) hatte der Kläger, der Sohn des Verwalters einer GbR, mit deren Zustimmung ein eBay-Nutzerkonto in deren Namen eröffnet und daraufhin für ein gebrauchtes Motorrad, welches mit dem Startpreis 1€ angeboten wurde ein Maximalgebot von 1.234,57 € abgegeben. Die Auktion wurde allerdings schon am ersten Tag durch den Beklagten abgebrochen, weil dieser das Motorrad falsch beschrieben hatte, im Anschluss bot er es aber mit den richtigen Angaben erneut an. Der Kläger, der der einzige Bieter geblieben war, verlangte aber erst ein halbes Jahr später Erfüllung des Kaufvertrages gegen Zahlung von 1 €. Als er erfuhr, dass das Motorrad bereits veräußert war, forderte er stattdessen 4.899 € Schadensersatz von dem Beklagten ein, wobei die GbR ihm bereits vor Klagezustellung sämtliche Ansprüche unentgeltlich abgetreten hatte.
2. Die Entscheidung des Berufungsgerichts
Während die Klage in der ersten Instanz noch teilweise vom Erfolg gekrönt wurde, wies das Berufungsgericht (LG Görlitz v. 29.07.2015 – 2 S 213/14) das Klägerverlangen bereits als rechtsmissbräuchlich zurück, denn: der Kläger war kein Unbekannter. Bereits zuvor hatte er unter mehreren Benutzerkonten bei verschiedenen Auktionen zahlreiche Gebote im insgesamt sechsstelligen Bereich abgegeben. In vier Fällen, in denen die Auktion vorzeitig abgebrochen wurde, hatte er den Anbieter anschließend verklagt. Im vorliegenden Fall hatte er zudem erst nach längerer Zeit, nämlich sechs Monaten Klage erhoben, sodass mit dem anderweitigen Verkauf zu rechnen war. Der Kläger sei also das, was man unter einem sog. „Abbruchjäger“ versteht, jemand der bewusst Angebote abgibt, um bei einem Auktionsabbruch Schadensersatz einklagen zu können.
3. BGH: Klage sogar unzulässig!
Der BGH setzt die Erfolglosigkeit des Klägerbegehrens aber noch an einem früheren Punkt an: Die Klage sei bereits mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig. Es handele sich im vorliegenden Fall um eine gewillkürte Prozessstandschaft, sodass die bloße Ermächtigung zur Prozessführung nicht ausreiche, sondern der Kläger vielmehr ein eigenes schutzwürdiges Interesse geltend machen müsse, welches auch wirtschaftlicher Natur sein könne (vgl. BGH v. 21.4.2016 – I ZR 43/14). Ein solches liege hier aber nicht vor, da dem Kläger der Anspruch unentgeltlich abgetreten wurde.
4. Vorgehen in der Klausur
In einer Examensklausur ist zum einen denkbar, dass gleich nach den Erfolgsaussichten einer Klage gefragt wird. Diese würde mit der Begründung des BGH bereits in der Zulässigkeit scheitern. Gibt die Klausur sonst nichts her, wird das Hilfsgutachten unvermeidlich. Ebenso gut und auch etwas prüflingsfreundlicher lässt sich aber auch zunächst nach dem materiellen Bestehen des Anspruchs fragen, um danach in einer prozessualen Zusatzfrage nach der Zulässigkeit zu fragen.
Wichtig ist in beiden Fällen die saubere Prüfung der Voraussetzungen der gewillkürten Prozesstandschaft, also die Zustimmung des Rechtsträgers (§ 185 Abs. 1 BGB analog) und das Vorliegen eines eigenen, schutzwürdigen Interesses des Prozessstandschafters. Typische Beispiele für letzteres sind z.B. die Sicherungsabtretung und die Drittschadensliquidation. Auf der materiellen Seite beim Vertragsschluss auf die Stellvertretung gem. §§ 164 ff. BGB durch den späteren Kläger einzugehen, sowie auf die Besonderheiten bei eBay-Auktionen (dazu mehr im nächsten Fall). Trotz des Abbruchs ist ein wirksamer Kaufvertrag zu bejahen, der auch weder durch eventuelle Anfechtung, noch durch Widerruf beseitigt werden kann (siehe dazu unseren Beitrag).Bei vermutetem Vertretenmüssen kann ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung also grundsätzlich bejaht werden. Er scheitert dann aber schließlich an der im Rahmen von § 242 BGB anerkannten Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs.
II. Schadensersatzpflicht bei „Shill-Bidding“
1. Was war passiert?
Im zweiten Fall (BGH v. 24.08.2016 – VIII ZR 100/15) ging es ebenfalls um ein Gebrauchtfahrzeug, den der Beklagte auch zu einem Startpreis von 1 € angeboten hatte. Der Kläger nahm an der Auktion teil, wurde aber immer wieder vom Beklagten, der noch ein zweites Benutzerkonto nutzte, überboten (sog. Shill-Bidding), bis am Ende der Beklagte selbst die Auktion mit einem Gebot von 17.000 € „gewann“. Der Kläger verlangte im Anschluss Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs gegen Zahlung von 1,50 € (1 € hatte der einzige weitere Fremdbieter geboten, sodass das nächsthöhere Gebot des Klägers, welches ohne die Eigengebote des Beklagten das Höchstgebot gewesen wäre, 1,50 € betrug). Auch hier war das Fahrzeug bereits verkauft, sodass der Kläger Schadensersatz verlangte.
2. Die Entscheidung
Vor dem Landgericht hatte der Kläger mit diesem Begehren auch Erfolg. Das Berufungsgericht hingegen war der Ansicht, das letzte Angebot des Klägers sei für das Zustandekommen des Kaufvertrags entscheidend. Das letzte Gebot habe den Wert des Fahrzeugs überstiegen, sodass dem Kläger durch die Nichterfüllung gerade kein Schaden entstanden sei.
Der BGH aber schloss sich der Entscheidung erster Instanz an: Bei einer Internet-Auktion kommt der Vertrag nicht gem. § 156 BGB nach den Regeln der Versteigerung zustande, sondern ganz klassisch nach §§ 145 ff. BGB. Der Wortlaut von § 145 BGB setzt aber bereits voraus, dass das Angebot gegenüber einem „anderen“ abgegeben wird. Die Eigengebote des Beklagten erfolgten aber gegenüber ihm selbst, sie waren folglich unwirksam. Zwar habe auch der Kläger immer wieder höhere Gebote abgegeben, der Erklärungswert dieser Gebote sei aber so auszulegen, dass immer nur der nächsthöhere Betrag geboten werden solle. Das einzige andere wirksame Gebot war allerdings das des einzigen weiteren Fremdbieters mit 1 €, somit war das nächsthöhere Gebot des Klägers mit 1,50 € das Höchstgebot.
Der niedrige Preis begründe auch keine Sittenwidrigkeit, denn das Erlangen eines „Schnäppchens“ sei bei Internet-Auktionen gerade immanent, zumal im konkreten Fall die Manipulationen des Beklagten bei der Preisgestaltung eine vordergründige Rolle spielten.
III. Fazit
Zwei Entscheidungen zum Thema Internet-Auktion an einem Tag – das fällt jedem Prüfer, der auf den Nachrichtenseiten der gängigen juristischen Datenbanken nach Inspiration sucht, ins Auge. Das Thema Internetauktion an sich ist zwar nicht mehr neu, dennoch zeigen die beiden Entscheidungen, dass es nach wie vor erhebliches Problempotential bietet, sowohl auf materieller, als auch prozessualer Ebene. Gerade derjenige, der die oft unbeliebten ZPO-Zusatzfragen souverän beantworten kann, hebt sich positiv ab.
Autorin des Beitrags ist Sabine Vianden aus Bonn. Sabine hat nach Ihrem erfolgreichen Ersten Staatsexamen im Sommer 2016 den Schwerpunktbereich beendet und bereitet sich aktuell auf Ihre Promotion vor.
Die Internetplattform eBay ist wohl eines der beliebtesten Examensthemen im Kaufrecht – u.a. Problemen des Vertragsschlusses, der Mängelgewähr oder des Schadensersatzes lassen sich unterbringen. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die jüngsten Entscheidungen geben, welche teilweise auch schon hier besprochen wurden. Gerade für Prüflinge, die in der zweiten Jahreshälfte Examen schreiben oder mündliche Prüfung haben, könnten überblickartige Kenntnisse über neue Entwicklungen hilfreich sein. Insoweit soll dieser Beitrag zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik anregen. Die wichtigsten Passagen der Urteile sind jeweils hervorgehoben.
I. Rechtsfolgen eines vorzeitigen Abbruches einer Auktion
Heftig umstritten sind die Rechtsfolgen eines vorzeitigen Abbruchs einer Auktion bei eBay. Teilweise wird ein Vertragsschluss nur abgelehnt, soweit ein rechtfertigender (gesetzlicher) Grund zum Abbruch vorliegt. Andere nehmen eine freie Rücknehmbarkeit an, soweit eine gewisse Restlaufzeit (12h) der Auktion besteht. Das LG Aurich nimmt gar eine Unwirksamkeit der eBay-AGB „Auktionsabbruch“ an.
1. AG Dieburg, Urteil vom 15. April 2015 – 20 C 945/14:
Sobald bei einer ebay-Auktion auf ein Angebot geboten wurde, darf der Anbieter das Angebot nur noch ändern, wenn er gesetzlich dazu berechtigt ist. Wenn ein Angebot ohne gesetzliche Berechtigung geändert wird, kommt bei Bietende ein Vertrag mit dem Höchstbietendem und dem Inhalt des ursprünglichen Angebots zu Stande.
Wichtig: AGB von eBay sind über § 157 als Verkehrssitte in Auslegung einzubeziehen; soweit keine gesetzliche Berechtigung besteht, kann der Anbeiter sein Angebot nicht mehr ändern.
2. Ebenso OLG Celle, Urteil vom 09. Juli 2014 – 4 U 24/14:
Die Beendigung eines Angebots vor Ablauf der Dauer einer Auktion im Internetportal „eBay“ setzt auch bei einer noch länger als 12 Stunden laufenden Auktion einen rechtfertigenden Umstand voraus, wie er in den weiteren Hinweisen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay in der Fassung bis zum 12. März 2014 näher erläutert wird
Demnach darf ein Angebot also nicht grundlos beendet werden, unabhängig von der Restdauer der Auktion.
3. Eine andere Ansicht vertritt explizit das AG Darmstadt (v. 25. Juni 2014 – 303 C 243/13):
Entsprechend den erläuternden Hinweisen der Firma eBay zur vorzeitigen Angebotsbeendigung ist ein Verkäufer bei einer Internet-Auktion über das eBay-Portal allgemein dazu berechtigt, sein Verkaufsangebot ohne weitere Einschränkungen frei zu widerrufen, wenn die Auktion noch eine verbleibende reguläre Restlaufzeit von mehr als 12 Stunden aufweist (entgegen OLG Nürnberg, 26. Februar 2014, 12 U 336/13, MMR 2014, 592).(Rn.51)
Wichtig: Ob Gründe notwendig sein oder aber eine 12-stündige Restlaufdauer des Angebots genügt, ist strittig. Insoweit ist eine Auslegung der AGB und eine Argumentation mit den Prinzipien des BGB notwendig (Bindung an Willenserklärung vs. Vertrauensschutz).
4. LG Aurich, Urteil vom 03. Februar 2014 – 2 O 565/13, 2 O 565/13 (145)
Die ebay-AGB, welche einen sanktionslosen Auktionsabbruch nur dann erlaubt, wenn der Verkäufer gesetzlich dazu berechtigt ist, das Angebot zurückzunehmen, und nach der anderenfalls als Rechtsfolge des Auktionsabbruchs ein Vertragsschluss zwischen dem Verkäufer und dem zum Zeitpunkt des Abbruchs der Auktion Höchstbietenden zustande kommt, ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärung) sowie aufgrund unangemessener Benachteiligung unwirksam.
Wichtig: Das LG Aurich nimmt eine Unwirksamkeit der ebay-AGB „Auktionsabbruch“ wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 5 BGB und § 307 Abs. 1 BGB an. Dies sollte in der Prüfung jedenfalls diskutiert werden, auch wenn im Ergebnis hierfür nur wenig spricht.
Soweit ein Anfechtungsgrund vorliegt – also nach den eBay-AGB eine „gesetzliche Berechtigung“ besteht – nimmt der BGH ausdrücklich an, dass keine Bindung an das Angebot besteht (BGH, Urteil vom 8.1.2014 – VIII ZR 63/13 für Eigenschaftsirrtum).
II. Sittenwidrigkeit bei grobem Missverhältnis?
BGH, Urteil vom 12. November 2014 – VIII ZR 42/14 (s. Besprechung 1 und 2)
Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher – zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzutretender – Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann. […]
2. Es lässt sich dem Anspruch des Erwerber auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten. Es trägt der Verkäufer das Risiko des für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwertes ohne Einrichtung eines Mindestpreises.
III. Frist zur Geltendmachung bei vorzeitigem Auktionsabbruch?
LG Mühlhausen, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 1 S 98/14
Bricht der Veräußerer die Auktion vorzeitig ab, so liegt es nahe, dass der Bieter in der Regel seine Ansprüche auf Übergabe und Eigentumsverschaffung unmittelbar innerhalb einer bestimmten Frist geltend macht. Tut er dieses nicht, kann der Verkäufer nach Ablauf einer bestimmten Frist regelmäßig davon ausgehen, dass die Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, und er kann das Versteigerungsobjekt anderweitig veräußern.(Rn.7) Davon ist nach dem Verstreichenlassen von 6 Monaten grundsätzlich auszugehen.
IV. Beschaffenheitsvereinbarung bei Privatverkäufern?
LG Kiel, Urteil vom 13. August 2014 – 9 O 262/13 –, Rn. 22
Die Angabe im ebay-Inserat und auch die Aussage des Beklagten am Telefon, „das Fahrzeug ist so, wie es da steht im Internet“, sonst sei damit nichts, sind als bloße Wissenserklärungen auszulegen und stellen damit weder eine Garantie noch eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
Wichtig: Allein die Angabe von Merkmalen einer Ware im Angebot bei ebay führen, wenn der Verkäufer eine Privatperson ist, nicht zwingend zur Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung.
V. Nutzung eines fremden eBay-Accounts
OLG Celle, Urteil vom 09. Juli 2014 – 4 U 24/14
1. Werden unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor, auf das die Regeln über die Stellvertretung sowie die Grundsätze der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind.
Diese Rechtsprechung sollte bereits bekannt sein, s. BGH, 11. Mai 2011, VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 und unsere Besprechung.
VI. Teilnahme mit falschen persönlichen Daten nicht möglich
AG Kerpen, Urteil vom 27. Juni 2014 – 104 C 106/14
Meldet sich ein Nutzer unter Angabe von falschen persönlichen Daten (hier: Angabe von fingierten Daten, die auf eine nicht existierende Person verweisen) bei eBay an, so kann er nicht in rechtlicher wirksamer Weise an Auktionen teilnehmen. Die Offerte zur Abgabe eines Angebots richten sich nämlich nur an solche Personen, die sich unter Einhaltung der Nutzungsbedingungen bei eBay angemeldet haben. Den Nutzungsbedingungen von eBay kommt daher nicht nur für die Frage Bedeutung zu, unter welchen Umständen eine Auktion abgebrochen werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Juni 2011, VIII ZR 305/10, NJW 2011, 2643), sondern auch dafür, ob überhaupt ein Vertrag zustandegekommen ist
Wichtig: Ebay-AGB wirken vollumfänglich, auch hinsichtlich der teilnahmeberechtigten Personen.
VII. Rechtsmissbräuchliches Verhalten bei mangelndem Kaufinteresse
OLG Rostock, Urteil vom 11. Juni 2014 – 1 U 90/13
Der klageweisen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 Satz 1, 433 BGB bei einer ohne gerechtfertigten Grund abgebrochenen „eBay-Auktion“ vermag der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen zu stehen, wenn sich feststellen lässt, dass es dem Teilnehmer an der Auktion nicht um den erfolgreichen Abschluss eines Kaufgeschäftes, sondern um die „Generierung“ von Schadensersatzansprüchen geht.
Solches kann der Fall sein, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles – insbesondere durch die in einer unbekannten Vielzahl von Fällen geübte Rechtsverfolgung gegenüber „eBay-Anbietern“ nach einem Auktionsabbruch – der Eindruck aufdrängt, dass es an einem ehrlichen Kaufinteresse mangelt und stattdessen systematisch nach Fehlern und Irrtümern von Anbietern gesucht wird, um deren Verhalten in der Absicht der Gewinnerzielung auszunutzen.
Wichtig: Rechtsmissbräuchliches Verhalten – vergleichbar dem AGG-Hopping – kann Sekundäransprüche ausschließen.
Zuletzt sei noch auf OLG Hamm, Urteil vom 30. Oktober 2014 – I-28 U 199/13, 28 U 199/13 hingewiesen, der sich ideal als Übungsfall anbietet.
Der nachfolgende Beitrag stammt aus der gemeinsamen Kooperation mit jur:next und befasst sich mit auf der Online-Plattform Ebay geschlossenen Verträgen anhand eines aktuellen Urteils des Bundesgerichtshofs.
BGH Urteil vom 12. November 2014 – VIII ZR 42/14: Wirksamkeit eines im Rahmen einer Internetauktion geschlossenen Vertrages (Ebay), bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht, Schadensersatzansprüche bei Abbruch der Auktion
Fundstelle: Entscheidungsdatenbank des BGH (https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=dcdadd3cdd2a6d09300a7ac388cee621&nr=69628&pos=0&anz=1)
I. Problemaufriss
Aktuell gibt es beim BGH zwei wichtige Entscheidungen zum Thema Abbruch von Internetauktionen bei Ebay sowie deren Folgen. In beiden Entscheidungen wird deutlich, dass es ein „Reuerecht“ des Verkäufers bei ungünstiger Entwicklung seines Angebots nicht gibt. Wenn er bewusst einen Startpreis weit unter Wert festsetzt ohne Angabe eines Mindestkaufpreises, so schützt ihn die Rechtsordnung nicht vor der Enttäuschung bei einem wirtschaftlich ungünstigen Ausgang der Auktion:
1) BGH vom 12. November 2014 – VIII ZR 42/14 (hier besprochene Entscheidung)
2) BGH vom 10. Dezember 2014 – VIII ZR 90/14 (Auslegung der Ebay-AGB a.F. bei vorzeitiger Beendigung des Angebots)
Kernfrage beider Entscheidungen ist, wann der Abbruch einer Auktion bei Ebay berechtigt ist und was die Folge eines unberechtigten Abbruchs ist. Bei der hier nicht besprochenen BGH Entscheidung werden die damals geltenden AGB von Ebay zum Thema Abbruch von Auktionen Punkt für Punkt ausgelegt. Streitpunkt war die damalige Formulierung bei Ebay, dass Angebote, die noch länger als 12 Stunden laufen, „ohne Einschränkungen“ vorzeitig beendet werden dürfen. Diese Formulierung muss jedoch laut BGH im Kontext der gesamten AGB gelesen werden, wonach Angebote eben nur aus bestimmten, näher definierten Gründen (z.B. Zerstörung oder Verlust der Sache) abgebrochen werden dürfen.
Ebay hat infolge dieser BGH-Entscheidung seine zumindest irreführenden AGB überarbeitet und in diesem Punkt komplett abgeändert. Diese Entscheidungen sind sehr praxisrelevant und auch für das Examen zentral von Bedeutung, da diese Konstellation sehr häufig vorkommen dürfte. Die Lektüre der anderen, hier nicht besprochenen Entscheidung des BGH ist daher dringend ratsam.
Das hier behandelte Urteil des BGH stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob bei einem bindenden Gebot weit unter dem tatsächlichen Marktpreis der Vertrag gem. § 138 Abs. 1 BGB oder § 242 BGB unwirksam ist. Der BGH verneint dies und billigt im Ergebnis dem Bieter bei einer unberechtigt abgebrochenen Auktion einen Schadensersatzanspruch gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1, Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB zu. Der BGH hat die Revision des Beklagten daher zurück gewiesen.
II. Sachverhalt
Streitgegenstand sind Schadensersatzansprüche des Klägers gegenüber dem Beklagten für dessen vorzeitig abgebrochenes Ebay-Angebot.
Der Beklagte stellte am Abend des 24. Mai 2012 einen gebrauchten VW Passat für 10 Tage zur Internetauktion bei Ebay mit einem Startpreis von 1 € ein. Einen Mindestpreis legte er nicht fest. Der Kläger nahm das Angebot wenige Minuten später an, wobei er ein Maximalgebot von 555,55 € festlegte. Nach rund 7 Stunden brach der Beklagte die Auktion ab. Zu dieser Zeit war der Kläger der einzige Bieter. Auf dessen Nachfrage teilte der Beklagte mit, dass er einen Käufer außerhalb der Auktion gefunden habe.
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € mit der Behauptung in Anspruch, dass das Fahrzeug 5.250 € wert gewesen sei. Die Klage hat vor dem LG dem Grunde nach Erfolg gehabt. Das OLG hat die Berufung des Beklagten hiergegen abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die zulässige Revision hat keinen Erfolg und wird daher vom BGH zurückgewiesen.
III. Entscheidung des Gerichts
Das Gericht weist die zulässige Revision als unbegründet zurück, weil dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch des Klägers aufgrund der unberechtigt abgebrochenen Auktion besteht gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und Abs. 3, 281 Abs. 1 BGB.
Das Gericht prüft die Wirksamkeit des Vertrages vorbildlich wie in einer Examensklausur.
1. Zwischen den Parteien ist ein wirksamer Kaufvertrag über das Fahrzeug entstanden durch Angebot und Annahme. Der Beklagte hat das Angebot ohne berechtigenden Grund vorzeitig abgebrochen (Genaueres findet sich hierzu im Urteil nicht, da die Feststellungen der Vorinstanz hier nicht angegriffen wurden. Hier wäre ggf. zu prüfen, ob der Abbruch berechtigt erfolgte z.B. wegen Zerstörung oder Verlust der Sache, siehe AGB a.F. von Ebay).
2. Eine Anfechtung des Vertrages durch den Beklagten nach §§ 119 ff. BGB wegen Irrtums greift nicht durch, da ein Irrtum nicht ersichtlich ist. Der Beklagte war daher nicht zur Anfechtung berechtigt.
3. Der Schadensersatzanspruch scheitert auch nicht an § 138 BGB. Der geschlossene Kaufvertrag ist nicht als wucherähnliches Rechtsgeschäft wegen Sittenwidrigkeit nichtig. Zwischen dem Maximalgebot des Beklagten von 555,55 € und dem tatsächlichen Marktwert des Fahrzeugs besteht zwar ein enormes, grobes Missverhältnis. Bei einer Internetauktion rechtfertigt dies allein jedoch nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung geschlossen werden kann.
Die Begrenzung des Maximalgebotes auf 555,55 € – also deutlich unter dem Marktpreis – ist sittlich nicht zu missbilligen. Der Bieter muss sein Maximalgebot nicht am Marktpreis ausrichten. Es ist gerade Sinn und Reiz der Internetauktion bei Ebay, „Schnäppchen“ zu schlagen und Sachen unter Marktpreis zu ersteigern. Umgekehrt hat der Bieter die Chance, eine Sache durch den Mechanismus des Überbietens über Wert zu verkaufen.
4. Auch der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB greift nicht durch. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs erfordert eine sorgfältige und umfassende Prüfung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalles und muss auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben.
Das Gebot des Käufers unter Marktwert ist keine unzulässige Rechtsausübung. Denn es ist Sache des Verkäufers, sein Risiko, weit unter Wert zu verkaufen, durch Eingabe eines Mindestkaufpreises zu reduzieren. Der Beklagte ist vorliegend dieses Risiko ganz bewusst eingegangen, da er das Fahrzeug für 1 € eingestellt hat und keinen Mindestverkaufspreis festgelegt hat. Dieses selbst eingegangene Risiko hat sich vorliegend durch den unberechtigten Abbruch durch den Beklagten selbst voll verwirklicht und stellt damit keine unzulässige Rechtsausübung dar. Der Beklagte hat die Ursache gesetzt und muss die Konsequenzen folgerichtig tragen.
IV. Bewertung der Entscheidung
Die Entscheidung des Gerichts überzeugt. Das Gericht prüft Schritt für Schritt beinahe wie in einer Examensklausur die Wirksamkeit des Vertrages. Dabei kommt es konsequent zu dem Ergebnis, dass der Kaufvertrag entgegen §§ 138 Abs. 1, 242 BGB wirksam ist. Da der Beklagte die Sache anderweitig veräußert hat, steht dem Kläger ein Schadensersatzanspruch statt der Leistung zu.
V. Examensrelevanz
Die Entscheidung zeichnet insgesamt eine sehr leichte Lesbarkeit aus. Die Urteilsbegründung ist aus sich heraus sehr gut verständlich. Das gleiche gilt für die Parallelentscheidung des BGH, in der die AGB a.F. von Ebay durchgeprüft und ausgelegt werden. Daher können beide Entscheidungen gut als Vorlage für eine Examensklausur herangezogen werden.
Beide Entscheidungen haben Examensrelevanz. Zum eine muss der Bearbeiter BGB AT prüfen (Kaufvertrag bei Ebay, Anfechtung, §§ 138, 242 BGB). Zum anderen kann das AGB-Recht eingehend geprüft werden. Die Tatsache, dass eine Regelung der AGB von Ebay, die ja nicht Vertragsbestandteil zwischen den Parteien sind, zur Auslegung herangezogen wird, ist spannend. Außerdem legt der BGH eine eigentlich eindeutige Regelung, wonach Angebote, die noch länger als 12 Stunden andauern, ohne Einschränkungen abgebrochen werden dürfen, im Kontext der übrigen AGB aus. Eigentlich contra Wortlaut braucht es laut BGH doch eines berechtigten Grundes zum Abbruch. Diese höchstrichterliche Rechtsanwendung wird nicht jedem Bearbeiter ins Auge springen und ist daher besonders zur Verwendung im Examen geeignet.
Hinweis: Eine gute Zusammenfassung der Urteile findet sich bei JM (Juris Monatszeitschrift) 04, 2015 Seite 152 ff.
Der Bundesgerichtshof hatte sich in einem Urteil vom 12.11.2014 (Az. VIII ZR 42/14) mit den Folgen eines Abbruchs einer „Auktion“ auf dem Portal e-bay zu befassen. Zu klären war insbesondere, ob der zum Zeitpunkt des Abbruchs Höchstbietende einen vertraglichen Anspruch auf Übergabe und Übereignung der Kaufsache (Zug um Zug gegen Kaufpreiszahlung) bzw. bei einer entsprechenden Weigerung des Verkäufers auf Schadensersatz hat. Obgleich naturgemäß die Urteilsgründe des Bundesgerichtshofs noch nicht vorliegen, zeigt die Pressemitteilung sehr deutlich, auf welchen Pfaden sich das Gericht bewegt hat.
Letztlich geht es – auch für die Klausur äußerst relevant – um die bekannte Frage, ob und natürlich auch wie im konkreten Fall ein Kaufvertrag zustandegekommen sein kann.
I. Sachverhalt
Dem Urteil lag (verkürzt) folgenden Sachverhalt zu Grunde:
V bietet seinen Gebrauchtwagen bei eBay zum Kauf an und setzte ein Mindestgebot von 1 € fest. K bietet hierauf 1 € für den Pkw und setzt eine Preisobergrenze von 500 €. Wenig später bricht V die eBay-Auktion ab (ein Recht hierzu bestand nach den ebay-AGB nicht) und teilt dem K, der weiterhin mit seinem Anfangsgebot von 1 Euro Höchstbietender war, mit, er habe außerhalb der Auktion einen Käufer gefunden, der bereit sei, 5.000 € zu zahlen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung des nach seiner Ansicht wirksam zu einem Kaufpreis von 1 € geschlossenen Kaufvertrags und macht geltend, der Pkw habe einen Wert von 5.250 €.
Zu Recht?
II. Lösung
Entscheidend ist hier natürlich, ob durch die Abgabe des Gebots von 1 Euro bereits ein Kaufvertrag zwischen V und K zustandegekommen ist und ob dieser ggf. durch die Beendigung der Auktion nachträglich wieder beseitigt wurde.
Vorab sollte an dieser Stelle klargestellt werden, dass auch im Rahmen einer Versteigerung bei ebay ein Kaufvertrag durch die allgemeinen Grundsätze von Angebot und Annahme (§§ 145 ff BGB) und nicht etwa nach dem § 156 BGB durch Zuschlag zustandekommt. Es handelt sich nicht um eine Versteigerung in diesem Sinne.
1. Vertragsschluss bei ebay
An dieser Stelle ist dann zumindest eine Auseinandersetzung mit der Frage geboten, wie im konkreten Fall ein Vertrag zustandegekommen ist. Hier scheint es mittlerweile die klare Linie der Rechtssprechung zu sein, dass das Einstellen des Angebots auf die Plattform nicht allein eine invitatio ad offerendum sondern bereits ein Angebot (oder aber eine antizipierte Annahmeerklärung) darstellt und zwar auflösend bedingt bezogen auf jedes konkrete Angebot potentieller Käufer. Mit jedem Gebot kommt somit – sofern es aktuell das Höchstbietende ist – ein Kaufvertrag zustande, der aber auflösend bedingt ist (§ 158 Abs. 2 BGB) bzgl. eines höheren Gebotes.
Die Vorinstanz hat dies – im Examen sollte man dies auf jeden Fall vermeiden – nur kurz festgestellt.
Letztlich sind hier die genauen dogmatischen Begründungen weiterhin unklar; es steht lediglich fest, dass mit jedem Höchstbietenden zunächst ein Vertrag besteht.
Zur Vertiefung seien folgende Urteile empfohlen:
- BGH v. 8.6.2011 – VIII ZR 305/10
- OLG Hamm v. 10.01.2012 – I-4 U 145/11, siehe hierzu unsere Artikel: Artikel 1 und Artikel 2
- OLG Hamm v. 4.11.2013, 2 U 94/13, siehe hierzu unseren Artikel
Man darf gespannt sein, wie sich der BGH nun zu dieser spannenden Frage äußert.
2. Exkurs: Auswirkungen auf Widerrufsrecht
Allerdings hat diese Frage durch die Änderung des Verbraucherschutzrechts der §§ 355 ff BGB an Relevanz verloren. Nach dem bis Juli geltenden Recht musste nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB a.F. die Widerrufsbelehrung unverzüglich nach Vertragsschluss erfolgen, da sich sonst die Widerrufsfrist von zwei Wochen auf einem Monat verlängerte (§ 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F.). Diese Regelung ist nicht mehr enthalten; die Frist beträgt jetzt stets zwei Wochen. Fristbeginn ist nunmehr nach § 355 Abs. 2 BGB der Zeitpunkt des Vertragsschlusses; dies wird aber von § 356 Abs. 2 Nr. 1 BGB insofern modifiziert, dass der Erhalt der Ware entscheidend ist, sodass es auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht ankommt. Selbstverständlich beginnt auch hier die Frist erst mit Zusendung einer entsprechenden Belehrung (nunmehr § 356 Abs. 3 BGB).
3. (Nachträgliche) Unwirksamkeit des Vertrags
Fraglich ist aber, ob der Kaufvertrag nicht (nachträglich) unwirksam geworden ist. Anknüpfungspunkt könnte hier zum einen die Beendigung der Auktion und zum anderen das Missverhältnis zwischen Kaufpreis (1 Euro) und Wert (5.000 Euro) sein.
Mit der Frage, ob der Kaufvertrag durch die Beendigung der Auktion beseitigt wurde, hat sich das Gericht wohl zurecht nicht befasst, da hier offensichtlich – auch nach den ebay-AGB – ein entsprechendes Recht nicht bestanden hat. Auch ein Anfechtungsrecht steht dem Verkäufer hier nicht zu; ein entsprechender zur Anfechtung berechtigender Irrtum ist nicht ersichtlich. Der Verkäufer hat die Auktion hier somit zu Unrecht beendet, sodass hieraus keine Änderungen für den Kaufvertrag erwachsen können.
Anders würde sich die Situation ggf. dann darstellen, wenn dem Verkäufer ein Anfechtungsrecht nach dem BGB zustehen würde. Letztlich bilden die ebay-AGB diese Anfechtungsgründe nach, sodass hierauf nicht zurückgegriffen werden muss. Anders hat dies noch das OLG Hamm gelöst (siehe hierzu unsere Besprechung). Dieser Fall darf nicht mit dem hiesigen verwechselt werden.
Es bleibt damit allein eine mögliche Unwirksamkeit nach dem § 138 Abs. 1 BGB. Ein wucherähnliches Geschäft nach § 138 Abs. 1 BGB liegt bei einem auffälligen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dann vor, wenn eine verwerfliche Gesinnung hinzutritt. Eine solche wird dann vermutet, wenn ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung besteht. Dies liegt dann vor, wenn der Wert der Leistung den der Gegenleistung um mindestens 100% übersteigt. Letzteres ist hier erfüllt. Im Rahmen von Online-Auktionen ist aber Abweichendes geboten, wie der BGH bereits mit Urteil vom 28.03.2012 (VIII ZR 244/10) festgestellt hat:
Der Schluss von dem besonders groben Äquivalenzmissverhältnis auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten leitet sich aus dem Erfahrungssatz her, dass außergewöhnliche Leistungen in der Regel nicht ohne Not oder einen anderen den Benachteiligten hemmenden Umstand zugestanden werden und der Begünstigte diese Erfahrung teilt (BGH, Urteile vom 19. Januar 2001 – V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 302 f.; vom 5. Oktober 2001 – V ZR 237/00, NJW 2002, 429 unter II 2 d bb (3); jew. mwN). Von einem solchen Beweisanzeichen kann indes bei einer Onlineauktion nicht ohne weiteres ausgegangen werden. Denn die Situation einer Internetversteigerung unterscheidet sich grundlegend von den bisher entschiedenen Fällen, in denen sich in den Vertragsverhandlungen, die zu den Zugeständnissen der objektiv benachteiligten Seite führten, nur die Vertragspartner gegenüberstanden.
Dies wird im aktuellen Urteil laut der Pressemitteilung nochmals wiederholt:
Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es macht gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem „Schnäppchenpreis“ zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, einen für ihn vorteilhaften Preis im Wege des Überbietens zu erzielen. Besondere Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Der Vertrag bleibt also wirksam, sodass der Kläger einen Anspruch auf Übergabe und Übereignung des PKW Zug-um-Zug gegen Zahlung von 1 Euro hat. Da sich der Verkäufer ernsthaft und endgültig weigert diesen Anspruch zu erfüllen, steht dem Käufer ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.999 Euro zu.
III. Examensrelevanz
Käufe im Internet insbesondere über Auktionshäuser bleiben – dies bedarf keiner näheren Darlegung – äußerst examensrelevant. Letztlich wiederholt das Urteil nur altbekanntes und ist damit wenig überraschend (auch wenn das Medienecho anderes vermuten lässt). Dennoch sollte das Urteil zwingend genutzt werden, um die hier aufgezeigten Fragen zu wiederholen. Hierzu empfiehlt sich die Lektüre der hier aufgezeigten Urteile und der entsprechenden Besprechungen auf unserer Seite.
Erneut hat sich das OLG Hamm (Urteil vom 4.11.2013, 2 U 94/13) zu der Frage geäußert, wann bei einer ebay-Auktion der Vertragsschluss zustande kommt und wie eine Abkehr von einem möglichen Vertrag erfolgen kann (PM siehe hier).
Bereits im vergangenen Jahr hatte das Gericht mit einem ähnlichen Urteil für Aufsehen gesorgt: auch hier ging es (unter anderem) um die Frage, zu welchem Zeitpunkt bei ebay ein Vertrag zustande kommt. Siehe hierzu auch unsere Besprechung. Aus diesem Grund soll an dieser Stelle sowohl die äußerst relevante Diskussion über den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Internet zusammengefasst werden als auch auf die Besonderheiten des aktuellen Falls hingewiesen werden.
I. Sachverhalt
Dem Geschehen lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der volljährige Sohn des Beklagten hatte über den ebay-Account seines Vaters einen Audi A4 2.0 TDI ohne Angabe eines Mindestpreises angeboten. Kurz nach dem Einstellen brach er die Auktion ab und stellte den Wagen erneut ein, diesmal mit der Angabe eines Mindestpreises. Zum Zeitpunkt des Abbruchs war eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einem Gebot von 7,10 Euro Höchstbietende. Nach der Übernahme des Geschäftsbetriebs dieser Gesellschaft hat der Kläger aus Passau vom Beklagten die Herausgabe des PKW für 7,10 Euro verlangt und die Ansicht vertreten, es sei ein Kaufvertrag zustande gekommen, der den Beklagten verpflichte, den PKW für diesen Preis abzugeben.
Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von ebay enthalten folgende Regelung:
Stellt ein Anbieter, auf der eBay-Website einen Artikel im Angebotsformat Auktion ein, gibt er ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab. Dabei bestimmt der Anbieter einen Startpreis und eine Frist (Angebotsdauer), binnen derer das Angebot per Gebot angenommen werden kann. Der Bieter nimmt das Angebot durch Abgabe eines Gebots über die Bieten-Funktion an. Das Gebot erlischt, wenn ein anderer Bieter während der Angebotsdauer ein höheres Gebot abgibt. Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.
Weiterhin findet sich unter dem Punkt „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“ noch folgende Regelung:
In den folgenden Fällen dürfen Sie Ihr Angebot jedoch vorzeitig beenden: (…) Sie haben beim Eingeben des Angebots, des Startpreises oder des Mindestpreises einen Fehler gemacht.
II. Zeitpunkt Vertragsschluss
Das OLG Hamm bleibt bei seiner Linie, dass der Vertragsschluss nicht erst mit Zeitablauf eintritt, sondern direkt bei jedem einzelnen Gebot (auflösend bedingt) erfolgt. Welche Rechtsfolgen dies hat, ist insbesondere bei § 355 Abs. 2 S. 2 BGB ersichtlich (siehe hierzu unseren Beitrag).
Nach Ansicht des OLG Hamm liegt bereits im Einstellen der Auktion ein verbindliches Angebot (und keine invitatio ad offerendum), das durch die Abgabe des Höchstgebots angenommen wird. Diese Willenserklärung unterliegt einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB, die dann eintritt, wenn ein höheres Gebot abgegeben wird.
Der Vertrag wird damit direkt bei Gebotsabgabe geschlossen. Anders sah dies noch der BGH im sog. ricardo-Urteil. Hier blieben die Einzelheiten des Vertragsschlusses unklar. Das Gericht legte dar:
Dabei kann – weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung – dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine – rechtlich zulässige – vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt.
Zumindest das OLG Hamm scheint seine Linie zum Vertragsschluss nun aber beizubehalten. Dies ist im Hinblick auf die Rechtssicherheit zu begrüßen, obgleich die praktischen Unterschiede zwischen den Ansichten im Regelfall gering sein dürften.
III. Abkehrmöglichkeit vom Vertrag
Nimmt man das OLG damit beim Wort, würde folglich ein Vertrag zwischen Verkäufer und Käufer bestehen, mit der Folge, dass der Käufer Übereignung des PKW Zug um Zug gegen Zahlung der 7,10 Euro verlangen könnte. Auch auf den Einwand, es läge ein Wuchergeschäft vor, könnte er sich – da dies die immanente Gefahr eines solchen Geschäfts darstellt – nicht berufen (siehe hierzu unseren Beitrag).
Wie könnte sich aber der Verkäufer noch vom Vertrag lösen? In Betracht kommt die Möglichkeit der Anfechtung wegen Irrtums (über die Art des Irrtums lässt sich je nach Fallgestaltung trefflich diskutieren). Hier ist dann aber das Problem, dass den Anfechtenden die Folgen des § 122 BGB treffen könnten. Er wäre damit am besten gestellt, wenn er sich folgenlos vom Vertrag lösen könnte.
Hier könnte ein Widerruf in Betracht kommen, der zumindest in den AGB von ebay angedeutet ist. Allerdings sind diese Geschäftsbedingungen kein Bestandteil des Vertrages zwischen V und K geworden; sie gelten nur gegenüber der Plattform. Und dennoch wendet das Gericht diese AGB mit folgendem Trick auf das konkrete Vertragsverhältnis an: Die Willenserklärung des V wird nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) ausgelegt; in diesen werden aber die Wertungen der AGB hineingelesen. Folglich lautet die Wertung des OLG:
Ein bei ebay eingestelltes Angebot stehe unter dem Vorbehalt, dass kein Widerrufsgrund nach den ebay-Bedingungen gegeben sei. Ein Widerrufsgrund liege unter anderem dann vor, wenn dem Anbieter beim Einstellen des Angebots ein Fehler unterlaufen sei. Das könne auch ein Fehler bei der Angabe des Mindestpreises sein. Im Fall eines Widerrufgrundes könne der Anbieter sein Angebot zurückziehen und damit wirksam widerrufen.
Das Angebot unterliegt folglich im Ergebnis den Vorgaben der AGB, die in die Auslegung einzubeziehen sind. Über diesen „Umweg“ kommt das OLG folglich zu dem Ergebnis, dass das Angebot nachträglich – aufgrund der Widerrufsmöglichkeit – entfallen ist, mit der Folge, dass ein Vertragsschluss nicht (mehr) vorliegt.
IV. Stellungnahme
Im Ergebnis überzeugt die Darlegung des OLG Hamm; in der Herleitung freilich nicht.
Zum einen kommt das OLG überhaupt nur durch seine komplizierte Konstruktion des Vertragsschlusses zu der hier dargelegten Problematik. Dann hat der Verkäufer aber gerade auch die – abschließenden – Möglichkeiten der Anfechtung. Eines Rückgriffs auf die Regelungen der AGB bedarf es folglich nicht; ein Schutzdefizit ist nicht erkennbar.
Noch unklarer ist aber der Verweis auf die „gesetzlichen Regelungen“ in den ebay AGB. Das Gericht scheint hier – die exakten Urteilsgründe sind nicht verfügbar – die ergänzenden Vorschriften „Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?“ als gesetzliche Vorschriften anzusehen. Dies überzeugt nicht, haben diese doch einen abweichenden und unverbindlichen Rechtscharakter. Eher ist der Verweis allein als ein Bezug auf die gesetzlichen Rücknahme- und Widerrufsvorschriften (also auch auf das Recht der Anfechtung) zur verstehen. Diese und insbesondere deren Rechtsfolgen übergeht man aber, wenn man die Anfechtungsvorschriften gleichzeitig als vertragliche ungeschriebene Widerrufsmöglichkeit ansieht. Eine solche Auslegung erscheint äußerst problematisch.
Besser wäre es damit entweder den Vertragsschluss bereits zu verneinen, oder aber den Verkäufer auf die Anfechtungsregeln zu verweisen.
V. Examensrelevanz
Vertragsschlüsse bei ebay sind und bleiben im Examen ein Dauerbrenner, wie auch die weiteren in diesem Beitrag verlinkten Artikel deutlich machen. Hier lassen sich Fälle beliebig modifizieren. Wichtig ist dabei, dass in der Klausur die bewährten Pfade nicht verlassen werden, sondern sauber gearbeitet und argumentiert wird. Ein richtiges Ergebnis gibt es – wie auch die Diskussion hier zeigt – nicht; eine falsche Begründung bzw. unsaubere Herleitung dagegen schon.
In der vergangenen Woche haben wir über ein Urteil des OLG Hamm zum Zeitpunkt der Widerrufsbelehrung bei e-bay berichtet. Diese Urteil hat aber noch unter einem weiteren Gesichtspunkt hohe praktische Bedeutung, enthält es doch auch Ausführungen zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bei Internetauktionen. Hier sind zwei Ansatzpunkte denkbar: die Abgabe des Gebots oder das zeitliche Ende der Auktion.
I. OLG Hamm: Vertragsschluss bei Gebotsabgabe
Nach Ansicht des OLG Hamm liegt bereits im Einstellen der Auktion ein verbindliches Angebot (und keine invitatio ad offerendum) das durch die Abgabe des Höchstgebots angenommen wird. Diese Willenserklärung unterliegt einer auflösenden Bedingung nach § 158 Abs. 2 BGB, die dann eintritt, wenn ein höheres Gebot abgegeben wird.
„Denn bei Verträgen der genannten Art auf der Online-Handelsplattform X kommt der Vertrag (schon) dadurch zustande, dass der Verkäufer durch die Freischaltung der Artikelbeschreibung ein verbindliches Angebot unter Bestimmung einer Frist nach § 148 BGB abgibt, das der Käufer bei einer solchen Online-Auktion durch die Abgabe des Gebotes annimmt. Hieraus folgt, dass der Vertrag (bereits) mit der Abgabe des Gebotes durch den Käufer zustande kommt. Die vertragliche Bindung beruht damit nicht auf dem Ablauf der Auktionsfrist, sondern auf den innerhalb der Laufzeit abgegebenen Willenserklärungen der Parteien. Die verbindliche Annahmeerklärung des Käufers erlischt gemäß § 158 Abs. 2 BGB nur dann, wenn ein Dritter während der Angebotsdauer ein höheres Angebot abgibt.“
Klar ist auch, dass die essentialia negotii hier erfüllt. Ist das Angebot noch als offerte ad incertas personas anzusehen, so steht bei dem Gebot der Vertragspartner auch fest – denn der konkrete Vertrag soll zwischen dem Bieter und dem Anbieter zustandekommen.
II. Ansicht des BGH im ricardo-Urteil (VIII ZR 13/01)
Am bedeutendsten für den Vertragsschluss bei Internetauktionen ist das sog. ricardo-Urteil von 2001. Der BGH legte hier dar:
„Außer Frage steht, daß das online abgegebene Höchstgebot des Klägers eine wirksame, auf den Abschluß eines Kaufvertrages mit dem Beklagten gerichtete Willenserklärung darstellt.[…]
Dabei kann – weil für die Rechtsfolgen ohne Bedeutung – dahingestellt bleiben, ob die Willenserklärung des Beklagten rechtlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat, als Verkaufsangebot und das spätere Höchstgebot des Klägers als dessen Annahme zu qualifizieren sind oder ob, wie es der Wortlaut der vom Beklagten abgegebenen Erklärung nahe legt und vom Berufungsgericht hilfsweise angenommen wird, die Willenserklärung des Beklagten eine – rechtlich zulässige – vorweg erklärte Annahme des vom Kläger abgegebenen Höchstgebots darstellt.“
„Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind.“
„Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“
„Der Beklagte hat zwar die Internetauktion unter Berufung auf die eBay-Grundsätze vorzeitig beendet und die bis dahin abgegebenen Gebote gestrichen; das berührt indes die Wirksamkeit seines zuvor abgegebenen Angebots nicht.“
In einer Entscheidung vom 10.01.2012 (Az. I -4 U 145/11), die am 3.2.2012 als Pressemitteilung veröffentlicht wurde, hat das OLG Hamm eine interessante Frage beantwortet, die sich mit dem Widerrufsrecht nach § 355 BGB befasst. Fraglich war hier, ob dem Verbraucher eine Widerrufsfrist nach § 355 Abs. 2 S. 2 BGB von 14 Tagen oder nach § 355 Abs. 2 S. 3 BGB von einem Monat zusteht. Gerade Fragen des Widerrufsrechts sind sehr klausurrelevant, sodass der hier besprochene Fall kurz wiederholt werden sollte.
Sachverhalt
Der Sachverhalt ist denkbar einfach: Der Käufer gibt bei ebay am 31.01. nachmittags ein Gebot ab, das auch bei Auktionsende am 2.2. nachmittags noch das Höchstgebot war. Kurz nach Auktionsende wurde dem Käufer eine Widerrufsbelehrung übermittelt, in der ein Widerrufsrecht von 14 Tagen vorgesehen war. Fraglich ist, ob dies wirksam ist
Entscheidung
Maßgeblich für die Entscheidung ist die Auslegung des § 355 Abs. 2 S. 2 BGB, wonach bei Fernabsatzverträgen die Widerrufsfrist 14 Tage beträgt, wenn dies „unverzüglich nach Vertragsschluss in Textform“ mitgeteilt wird. Fraglich ist hier, ob eine solche unverzügliche Mitteilung vorlag.
Unverzüglich definiert sich nach § 121 Abs. 1 S. 1 BGB als Handeln „ohne schuldhaftes Zögern“. Fraglich ist, ob ein solches Zögern hier bestanden hat.
Kein schuldhaftes Zögern wenn Vertragsschluss erst bei Auktionsende
Ein schuldhaftes Zögern läge dann nicht vor, wenn der Vertrag erst mit Auktionsende zustandekommt. Hier sind damit die Grundsätze des Vertragsschlusses im Internet bei Online-Auktionen zu wiederholen. Hier gilt es folgendes zu beachten:
- Der Vertragsschluss kommt nicht gem. § 156 S. 1 BGB durch Zuschlag zustande. Einen solchen gibt es bei ebay nämlich nicht. Hier läuft nur die Zeit ab.
- Ebay ist nicht der Auktionator, sondern stellt lediglich die Plattform für Vertragsschlüsse zur Verfügung
- Bereits in der Freischaltung der Angebotsseite liegt ein rechtlich verbindliches Angebot und nicht bloß eine invitatio ad offerendum (§§133, 157 BGB). Das Angebot ist an denjenigen gerichtet, der während der Bietzeit das höchste Angebot abgibt.
- Die Annahme erklärt im Unterschied zur normalen Auktion also der Bieter!
- Zentrales Urteil hierzu ist das sog. ricardo-Urteil des BGH v. 7.11.2001 (Az. VIII ZR 13/01, BGHZ 149, 129).
Der Vertrag ist damit bereits mit Abgabe des Höchstgebots zustandegekommen – die Widerrufsbelehrung erfolgte aber erst zwei Tage später.
Hinweis: Dies kann mit guter Argumentation auch anders gesehen werden. Siehe hierzu unseren Artikel, der sich mit dieser Frage befasst.
Unverzüglich trotz Abwarten von zwei Tagen
Es stellt sich aber die Frage, ob – trotz der Verzögerung von zwei Tagen, ein unverzügliches Handeln zu bejahen ist, da das Auktionsende abgewartet wurde. Dies wird vom OLG bejaht.
Nach Auffassung des Oberlandesgerichts ist die unmittelbar im Anschluss an das Auktionsende übermittelte Widerrufsbelehrung in diesem Sinne „unverzüglich nach Vertragsschluss“ erfolgt, auch wenn der Vertrag bereits mehr als 49 Stunden zuvor mit Abgabe des Höchstgebots zustande gekommen und damit tatsächlich mehr als der vom Gesetzgeber in der Regel vorgesehene Zeitraum von einem Tag nach Vertragsschluss bis zur Übermittlung der Belehrung verstrichen ist.
Dem Unternehmer sei ein früheres Handeln faktisch nicht möglich und auch unzumutbar. Erst nach dem erfolgreichen Abschluss der Aktion werde dem Anbieter die Identität seines Vertragspartners bekannt gegeben. Außerdem sei denkbar, dass das erste Höchstgebot mehrfach überboten werde, so dass dem Unternehmer zuzubilligen sei, bis zum Aktionsende zu warten, um den letztendlichen Käufer über dessen Widerrufsrecht zu belehren. Auch der Verbraucher werde hierdurch nicht länger als unvermeidlich über sein Widerrufsrecht im Unklaren gelassen. Bis zum Ende der Auktion müsse auch er damit rechnen, dass der zunächst mit ihm zustande gekommene Vertrag überhaupt nicht fortbestehe, weil ein weiterer Bieter ein neues Höchstgebot abgebe.
Hauptargument dürfte hier wohl die fehlende Kenntnis von der Person des Höchstbietenden und dessen fehlende Schutzbedürftigkeit sein. Weniger überzeugend ist hingehend das Argument, dass mehrere Käufer hilfsweise belehrt werden müssten – dieses Risiko ist der Online-Auktion gerade immanent. Dennoch im Ergebnis ein vollständig überzeugendes Urteil.
Das Abwarten des Auktionsendes führt damit dazu, dass das Handeln des Verkäufers – trotz einer rel. langen zeitlichen Spanne – unverzüglich bleibt.
Examensrelevanz
Meines Erachtens ein sehr examensrelevantes Urteil, werden doch Fragen des Vertragsschlusses bei Online-Auktionen (die zwingend beherrscht werden müssen) mit Fragen nach dem Widerrufsrecht kombiniert. Gerade diese Verknüpfung macht den Fall zu einem optimalen Klausureinstieg.
Der BGH hat heute über das Recht des Verkäufers zur vorzeitigen Beendigung einer eBay-Auktion entschieden.
Sachverhalt
Ein Verkäufer stellte eine Digitalkamera bei eBay zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings bereits ein potentieller Käufer für die Kamera geboten. Der Käufer fordert wegen dem Abbruch der Auktion Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem Verkehrswert der Kamera. Der Verkäufer bringt vor, die Kamera sei ihm nach dem Einstellen bei eBay gestohlen worden.
In den AGB von eBay heißt es u.a.:
„Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“
Ergänzend wird in den auf der Website von eBay zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung u.a. der Verlust des angebotenen Artikels genannt.
Lösung des BGH
Der BGH wandte die o.g. Bestimmungen konsequent an. Die Bezugnahme auf eine „gesetzliche“ Berechtigung zur Angebotsbeendigung sei nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes sei ein rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung.
Mittelbare Wirkung von eBays AGB?
Die Lösung des BGH klingt zunächst schlüssig. Was jedoch zu beachten ist, ist der Fakt, dass die AGB von eBay nur im Verhältnis zwischen eBay und eBay-User gelten. Die AGB können in diesem Sinne nicht das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer dominieren.
Andererseits gilt es aber zu beachten, dass das jeweilige Angebot des Verkäufers und die Annahme des Käufers im Rahmen des eBay-Frameworks abgegeben werden. Deshalb wird m.E. eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergeben, dass das Angebot des Verkäufers konkludent auch unter der Bedingung abgegeben wird, dass die jeweiligen Geschäftsbedingungen von eBay Anwendung finden.
Das soll heißen, dass die Grundsätze zum Vertragsschluss entsprechend den AGB von eBay (zumindest in diesem Fall; zu einem anderen Fall siehe hier) letzten Endes doch zwischen Verkäufer und Käufer gelten. Ob der BGH eine ähnliche Konstruktion zur Begründung seines Urteils gewählt hat, bleibt abzuwarten (der Volltext ist derzeit noch nicht verfügbar; dieser Beitrag beruht lediglich auf der korrespondierenden Pressemitteilung des BGH).
Es zeigt sich jedoch, dass die Probleme zum allgemeinen Teil des BGB – und insbesondere zum Vertragsschluss – im Zeitalter des Internets noch lange nicht vollumfänglich gelöst sind. Es bleibt daher – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – viel Raum für Argumentation und Improvisation.
Der BGH hat am 11.05.2011 eine Entscheidung zu der Frage getroffen (Az. VIII ZR 289/09), unter welchen Voraussetzungen der Inhaber eines eBay-Accounts vertraglich durch Erklärungen gebunden wird, die ein Dritter unter unbefugter Verwendung seines Accounts abgegeben hat. Die Entscheidung ist als äußerst examensrelevant einzuschätzen, da sie die Grundsätze zum Vertragsschluss nach dem allgemeinen Teils des BGB wunderschön exemplifiziert.
Der Sachverhalt
Der Sachverhalt in diesen Konstellationen gestaltet sich denkbar einfach: Jemand loggt sich über den ebay-Account eines anderen ein und ordert auf diese Weise und unter Nutzung des fremden Pseudonyms einen Artikel. Nunmehr wird der Inhaber des missbrauchten ebay-Accounts auf Zahlung des Kaufpreises (§ 433 Abs. 2 BGB) Zug um Zug gegen Lieferung der Ware in Anspruch genommen.
Zugang zu dem fremden Account hat der Unbefugte meist, indem er ohne Erlaubnis den Computer des Belasteten benutzt hat, wobei ebay-Nutzername und Passwort noch im Browser gespeichert waren.
In den AGB von ebay heißt es überdies:
„Mitglieder haften grundsätzlich für sämtliche Aktivitäten, die unter Verwendung ihres Mitgliedskontos vorgenommen werden.“
Lösung des BGH
Fraglich ist sodann, ob ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Inhaber des ebay-Accounts und dem Verkäufer zustande kam. Dies wäre dann der Fall, wenn die Erklärung des unbefugten Nutzers dem vermeintlichen Käufer zugerechnet wird.
Der BGH hat hierfür zunächst klargestellt, dass auch bei Internet-Geschäften die Regeln des Stellvertretungsrechts anwendbar sind. Dies ergibt sich daraus, dass es sich beim Einloggen in einen fremden ebay-Account faktisch um ein Handeln unter fremden Namen handelt. Der jeweilige Nutzer spiegelt dem Verkäufer vor, dass der Inhaber des Accounts die jeweilige Erklärung abgibt. §§ 164 ff. BGB gelten zwar Ihrem Wortlaut nach für ein Handeln für einen Anderen – im Hinblick auf das Handeln unter Fremden Namen besteht jedoch eine Analogie.
Erklärungen, die unter dem Namen eines anderen abgegeben worden sind, verpflichten den Namensträger daher nur, wenn sie in Ausübung einer bestehenden Vertretungsmacht erfolgen oder vom Namensträger nachträglich genehmigt worden sind oder wenn die Grundsätze über die Duldungs- oder die Anscheinsvollmacht eingreifen.
Zustandekommen eines Vertrages aufgrund einer Anscheinsvollmacht?
Zur Frage, ob in einem solchen Fall bereits die Grundsätze der Anscheinsvollmacht eingreifen, äußerte sich der BGH wie folgt. Die unsorgfältige Verwahrung der Kontaktdaten eines eBay-Mitgliedskontos hat noch nicht zur Folge, dass der Inhaber des Kontos sich die von einem Dritten unter unbefugter Verwendung dieses Kontos abgegebenen Erklärungen zurechnen lassen müsse.
Eine Zurechnung fremder Erklärungen an den Kontoinhaber ergebe sich auch nicht aus den AGB von eBay. Da diese AGB jeweils nur zwischen eBay und dem Inhaber des Mitgliedskontos vereinbart sind, haben sie keine unmittelbare Geltung zwischen dem Anbieter und dem Bieter.
Ausgehend hiervon war vorliegend zwischen den Parteien kein Kaufvertrag zustande gekommen. Die Lösung des BGH überrascht in Anlehnung an die allgemeinen Grundsätze zum Vertragsschluss nicht. Die Voraussetzungen, die an das Vorliegen einer Anscheins- oder Duldungsvollmacht zu stellen sind, liegen regelmäßig nicht vor, da der Vertretene dem angeblichen Vertreter meist keine Stellung eingeräumt hat, aus welcher der Dritte auf Bevollmächtigung schließen durfte.
Anspruch aus c.i.c.
In der Klausur wären zudem Ansprüche aus c.i.c. und § 122 BGB analog anzusprechen. Bei der vorvertraglichen Haftung käme es bei der Diskussion insbesondere darauf an, ob bereits das leicht zugängliche Aufbewahren der Zugangsdaten „geschäftsähnliche Kontakte“ i.S.d. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB begründet. Hier kann man viel diskutieren, sollte jedoch nicht aus den Augen verlieren, dass Kontakt zwischen dem vermeintlichen Käufer und dem Verkäufer vor dem Handeln unter Fremden Namen in keiner Weise bestand.
Anspruch aus § 122 BGB analog
Ein Anspruch aus § 122 BGB analog erscheint hingegen denkbar. Die herrschende Lehre befürwortet eine analoge Anwendung des § 122 etwa auch für Fälle der sog. abhanden gekommenen Willenserklärung, wo eine vom Erklärenden zurückgehaltene (also i.S.d. § 130 Abs. 2 BGB nicht „abgegebene“) Erklärung auf Grund eines in die Risikosphäre des Erklärenden fallenden Umstands abgeschickt wird (man lässt etwa einen Brief auf dem Schreibtisch liegen, der dann von der Putzfrau abgeschickt wird).
Auch hierbei ist allerdings zu bedenken, dass noch keinerlei fertige (nur noch abzusendende) Erklärungen auf dem Computer des Account-Inhabers lagern. Der Nutzer unter fremden Namen verschafft sich ohne Erlaubnis Zugang und kreiert eine eigene Erklärung durch Abgabe des ebay-Gebotes. Parallelen zur abhanden gekommenen Willenserklärung bestehen somit nicht. Aus diesem Grund erscheint eine Haftung aus § 122 BGB analog zu weitgehend für diese Fälle.
Fazit
In der Prüfungssituation lassen sich somit eine Vielzahl bekannter Ansprüche durchprüfen. Im Ergebnis bleibt es aber wohl dabei, dass eine Haftung des Account-Inhabers nicht besteht. Diese Wertung erscheint mir folgerichtig, da es immer noch das eigenständige Auftreten des unbefugten Dritten ist, dass der Account-Inhaber im Zweifel nicht überwachen kann. Eine allgemeine Sphärenhaftung für jegliche Erklärungen, die vom eigenen Computer abgehen, erscheint deshalb nicht tragbar.
Eine Haftung des Handelnden unter Fremden Namen kann fürwahr nach § 179 Abs. 1 BGB analog bestehen. In diesem Kontext ist insbesondere die Regelung des § 179 Abs. 3 S. 2 BGB interessant, wonach beschränkt Geschäftsfähige nicht nach § 179 Abs. 1 BGB als Vertreter ohne Vertretungsmacht in Anspruch genommen werden können. Diese Vorschrift ist deshalb praxisrelevant, da in privaten Haushalten ebay-Missbrauchsfälle meist durch die Kinder der Account-Inhaber verursacht werden.
Der BGH hat heute entschieden, dass bestimmte AGB-Klauseln über die Belehrungspflicht des Verkäufers bei Fernabsatzverträgen mit § 307 Abs. 1 S. 2 BGB unvereinbar sind (VIII ZR 219/08). Das Urteil besitzt hohe Examensrelevanz. Zu beachten ist, dass es nicht um die Frage geht, wann die Rückgabefrist zu laufen beginnt, sondern es geht um die Unwirksamkeit der Klauseln nach AGB-Recht. Prozessual lässt sich dies in ein Verfahren nach dem UKlaG einkleiden.
Hier die entsprechenden Passagen aus der BGH-Pressemitteilung Nr. 250/09:
„Der Kläger ist der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände. Die Beklagte betreibt über die Internethandelsplattform eBay Handel unter anderem mit Heimtextilien, Kinder- und Babybekleidung sowie Babyausstattungen. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in Anspruch, die diese für den Abschluss von Kaufverträgen über ihre bei eBay bestehende Internetseite verwendet. Im Revisionsverfahren hatte der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs über die Wirksamkeit dreier Klauseln zu entscheiden, deren Verwendung das Berufungsgericht der Beklagten untersagt hatte.
Die erste Klausel lautet:
[Der Verbraucher kann die erhaltene Ware ohne Angabe von Gründen innerhalb eines Monats durch Rücksendung der Ware zurückgeben.] „Die Frist beginnt frühestens mit Erhalt der Ware und dieser Belehrung.“
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel unwirksam ist. Sie enthält keinen ausreichenden Hinweis auf den Beginn der Rückgabefrist und genügt deshalb nicht den gesetzlichen Anforderungen an eine möglichst umfassende, unmissverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung (§ 312d Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2, § 356 Abs. 2, § 355 Abs. 2 BGB). Ihre formularmäßige Verwendung begründet die Gefahr der Irreführung der Verbraucher und benachteiligt sie unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Nach § 356 Abs. 2, § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB beginnt die Rückgabefrist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Rückgaberecht, die unter anderem einen Hinweis auf den Fristbeginn zu enthalten hat, in Textform mitgeteilt worden ist. Aus der Sicht eines unbefangenen durchschnittlichen Verbrauchers, auf den abzustellen ist, kann die Klausel den Eindruck erwecken, die Belehrung sei bereits dann erfolgt, wenn er sie lediglich zur Kenntnis nimmt, ohne dass sie ihm entsprechend den gesetzlichen Anforderungen in Textform – d.h. in einer Urkunde oder auf andere zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise (§ 126b BGB) – mitgeteilt worden ist. Ferner kann der Verbraucher der Klausel wegen des verwendeten Worts „frühestens“ zwar entnehmen, dass der Beginn des Fristlaufs noch von weiteren Voraussetzungen abhängt, er wird jedoch darüber im Unklaren gelassen, um welche Voraussetzungen es sich dabei handelt.
Die zweite Klausel lautet:
„Das Rückgaberecht besteht entsprechend § 312d Abs. 4 BGB unter anderem nicht bei Verträgen
-zur Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind oder die aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht für eine Rücksendung geeignet sind oder schnell verderben können oder deren Verfallsdatum überschritten würde;
-zur Lieferung von Audio- und Videoaufzeichnungen (u. a. auch CDs oder DVDs) oder von Software, sofern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegelt worden sind, oder
-zur Lieferung von Zeitungen, Zeitschriften und Illustrierten.“
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel wirksam ist. Sie genügt den gesetzlichen Anforderungen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, für jeden angebotenen Artikel gesondert anzugeben, ob dem Verbraucher insoweit ein Rückgaberecht zusteht, und folglich für Fernabsatzverträge im elektronischen Geschäftsverkehr verschiedene Versionen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu verwenden. Eine Belehrung, die dem Verbraucher die Beurteilung überlässt, ob die von ihm erworbene Ware unter einen Ausschlusstatbestand fällt, ist nicht missverständlich. Insoweit bestehende Auslegungszweifel werden nicht dadurch beseitigt, dass die Beklagte bei – ihrer Meinung nach – den Ausschlusstatbeständen unterfallenden Fernabsatzverträgen lediglich darüber belehrt, dass ein Rückgaberecht nicht bestehe. Der Verbraucher erhielte in diesem Fall deutlich weniger Informationen, als wenn er über den gesetzlichen Wortlaut der Ausschlusstatbestände informiert wird. Das ermöglicht ihm vielmehr, sich eine abweichende Meinung zu bilden und auf eine Klärung hinzuwirken. Auch durch den einschränkenden Zusatz „unter anderem“ wird die Klausel nicht unklar, weil dadurch für den Verbraucher erkennbar nur auf den Umstand hingewiesen wird, dass in § 312d Abs. 4 BGB noch weitere, für den Versandhandel der Beklagten nicht einschlägige Ausschlusstatbestände aufgeführt sind.
Die dritte Klausel lautet:
[Im Falle einer wirksamen Rückgabe sind die beiderseits empfangenen Leistungen zurückzugewähren und ggfs. gezogene Nutzungen (z.B. Gebrauchsvorteile) heraus zu geben.] „Bei einer Verschlechterung der Ware kann Wertersatz verlangt werden. Dies gilt nicht, wenn die Verschlechterung der Ware ausschließlich auf deren Prüfung, wie sie dem Verbraucher etwa im Ladengeschäft möglich gewesen wäre, zurückzuführen ist.“
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Klausel unwirksam ist. Zwar erfordert das Gesetz keine umfassende, alle in Betracht kommenden Fallgestaltungen berücksichtigende Belehrung über die bei einer Ausübung des Rückgaberechts eintretenden Rechtsfolgen. Die Belehrung muss aber einen Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 357 Abs. 1 und 3 BGB enthalten. Das ist hier nicht der Fall. Nach § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB hat der Verbraucher im Fall der Ausübung eines Rückgaberechts Wertersatz auch für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung zu leisten, dies aber nur dann, wenn er spätestens bei Vertragsschluss in Textform auf diese Rechtsfolge und eine Möglichkeit hingewiesen worden ist, sie zu vermeiden. Wenn – wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist – die Erteilung eines den Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB genügenden Hinweises bei Vertragsschlüssen über eBay von vornherein ausgeschlossen ist, weil der Vertrag zustande kommt, ohne dass der erforderliche Hinweis spätestens bei Vertragsschluss in Textform erteilt werden kann, ist die Klausel 3 irreführend, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, dass für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung kein Wertersatz zu leisten ist. Selbst wenn die Beklagte aber einen den Voraussetzungen des § 357 Abs. 3 Satz 1 BGB genügenden Hinweis in der erforderlichen Textform auch noch bis zum Erhalt der Ware erteilen könnte (§ 312c Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB), müsste die Klausel 3 jedenfalls darauf hinweisen, dass eine Wertersatzpflicht für eine durch die bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme der Sache entstandene Verschlechterung nur unter dieser Voraussetzung besteht (§ 312c Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV). Auch ein solcher Hinweis fehlt. Die formularmäßige Verwendung der den gesetzlichen Anforderungen nicht entsprechenden Belehrung begründet die Gefahr der Irreführung der Verbraucher und benachteiligt sie unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB).“
P.S.: Da war juraexamen.info mal wieder schneller als der Beck-Ticker.
Zu Landgericht Hannover, Urteil vom 13.05.2009 (Az.: 6 O 102/08, BeckRS 2009,15783).
Wird ein Anbieter im Bewertungsportal der Internetplattform eBay negativ mit dem Kommentar „Handy als «neu» angeboten – Handy-Zubehör gebraucht – das nenne ich Betrug!!!!“ bewertet, stellt dies eine zulässige Meinungsäußerung dar, die den Bewerteten nicht in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt.
Rechtliche Bewertung
Der eBay-Verkäufer sah sich durch die negative Bewertung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und klagte auf Unterlassung mittels einem quasinegatorischen Unterlassungsanspruch aus §§ 1004 I analog i.V.m. 823 I BGB.
Das Problem lag hier, wie meist bei solchen Fällen bei der Abwägung im Rahmen der Rechtswidrigkeit. Beim allgemeinem Persönlichkeitsrecht (APR) handelt es sich um ein sog. „Rahmenrecht“; das bedeutet im Gutachten, dass die Rechtswidrigkeit nicht indiziert wird, sondern, dass diese positiv festzustellen ist. Ob die Äußerung hier rechtswidrig war, ergibt sich sodann durch eine umfassende Abwägung, wobei das APR hier mit der Meinungsfreiheit – oder sofern diese nicht einschlägig ist, mit der allgemeinen Handlungsfreiheit – des Käufers abzuwägen ist.
Schutzbereich der Meinungsfreiheit tangiert?
Der Verkäufer brachte hier vor, der Käufer behaupte mit dieser Bewertung unwahre Tatsachen. Eine Tatsachenbehauptung fällt, wie ihr sicher alle wisst, nicht unter den Schutzbereich der Meinungsfreiheit, die lediglich wertende Stellungnahmen erfasst. Nichtsdestotrotz liegt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG in beinahe jeder Tatsachenbehauptung auch ein wertendes Element, so dass der Schutzbereich in den meisten Fällen eröffnet sein wird. Sofern dann etwas Unwahres behauptet wird, kann dieser Aspekt im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung berücksichtigt werden.
Sofern es sich um eine Schmähkritk, also eine sachlich nicht nachvollziehbare Beleidigung handelt, muss die Meinungsfreiheit (unabhängig von der rechtlichen Einordnung der Problematik [im Schutzbereich oder bei der Rechtfertigung]) auf jeden Fall hinter dem APR zurückstehen.
Argumentation des LG Hannover
Das LG hat die Unterlassungsklage als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Unterlassung der in dem Wertungskommentar enthaltenen Äußerung. Diese stelle nach Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin eine zulässige Meinungsäußerung dar. Es sei zu berücksichtigen, dass der Kommentar im Zusammenhang mit der negativen, symbolisch kenntlich gemachten Bewertung der Klägerin stehe.
Die Verwendung eines rechtlichen Fachbegriffs deute ebenso darauf hin, dass eine Äußerung als Rechtsauffassung und damit als Meinungsäußerung einzustufen sei und nicht als Tatsachenbehauptung. Um eine Tatsachenmitteilung handele es sich aber dann, wenn die einen Rechtsbegriff enthaltene Äußerung beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorrufe, die als solche einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich seien. Entscheidend sei insoweit auch der Kontext, in dem der Rechtsbegriff verwendet werde.
Redundanz der Schutzbereichsabgrenzung in diesem Fall
Nach dem Vortrag der Parteien war zudem die Tatsache, dass das Zubehör gebraucht war, als unstreitig anzusehen. Somit konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte eine falsche Tatsache behauptet habe.
Die Meinungsfreiheit hat im Rahmen der Abwägung einen höheren Stellenwert als die bloße allgemeine Handlungsfreiheit. Sofern aber eine wahre Tatsache behauptet wurde und sofern dies v.a. auch bewiesen werden kann, wird regelmäßig auch die allgemeine Handlungsfreiheit vorrang vor dem APR genießen.
Sofern die Behauptung in der Bewertung nicht zutreffend gewesen wäre, hätte die Abwägung aber wohl mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zulasten des Käufers ausfallen müssen.
Examensrelevanz
Auffällig an dieser Entscheidung war, dass intensiv – wie sonst aus dem Ö-Recht bekannt – geprüft wurde, inwiefern der Schutzbereich der Meinungsfreiheit überhaupt erfasst ist. Dies zeigt, dass auch in der Zivilrechtsklausur eine solche (mitunter komplexe) Abgrenzung erwartet werden darf.