BGH: Vorzeitiger Abbruch einer eBay-Auktion durch den Verkäufer
Der BGH hat heute über das Recht des Verkäufers zur vorzeitigen Beendigung einer eBay-Auktion entschieden.
Sachverhalt
Ein Verkäufer stellte eine Digitalkamera bei eBay zur Auktion ein. Am folgenden Tag beendete er das Angebot vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt hatte allerdings bereits ein potentieller Käufer für die Kamera geboten. Der Käufer fordert wegen dem Abbruch der Auktion Schadensersatz in Höhe der Differenz zwischen seinem Gebot und dem Verkehrswert der Kamera. Der Verkäufer bringt vor, die Kamera sei ihm nach dem Einstellen bei eBay gestohlen worden.
In den AGB von eBay heißt es u.a.:
„Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegenden Gebote zu streichen.“
Ergänzend wird in den auf der Website von eBay zugänglichen Hinweisen zum Auktionsablauf als Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung u.a. der Verlust des angebotenen Artikels genannt.
Lösung des BGH
Der BGH wandte die o.g. Bestimmungen konsequent an. Die Bezugnahme auf eine „gesetzliche“ Berechtigung zur Angebotsbeendigung sei nicht im Sinne einer Verweisung nur auf die gesetzlichen Bestimmungen über die Anfechtung von Willenserklärungen zu verstehen. Auch der Verlust des Verkaufsgegenstandes sei ein rechtfertigender Grund für eine vorzeitige Angebotsbeendigung.
Mittelbare Wirkung von eBays AGB?
Die Lösung des BGH klingt zunächst schlüssig. Was jedoch zu beachten ist, ist der Fakt, dass die AGB von eBay nur im Verhältnis zwischen eBay und eBay-User gelten. Die AGB können in diesem Sinne nicht das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer dominieren.
Andererseits gilt es aber zu beachten, dass das jeweilige Angebot des Verkäufers und die Annahme des Käufers im Rahmen des eBay-Frameworks abgegeben werden. Deshalb wird m.E. eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergeben, dass das Angebot des Verkäufers konkludent auch unter der Bedingung abgegeben wird, dass die jeweiligen Geschäftsbedingungen von eBay Anwendung finden.
Das soll heißen, dass die Grundsätze zum Vertragsschluss entsprechend den AGB von eBay (zumindest in diesem Fall; zu einem anderen Fall siehe hier) letzten Endes doch zwischen Verkäufer und Käufer gelten. Ob der BGH eine ähnliche Konstruktion zur Begründung seines Urteils gewählt hat, bleibt abzuwarten (der Volltext ist derzeit noch nicht verfügbar; dieser Beitrag beruht lediglich auf der korrespondierenden Pressemitteilung des BGH).
Es zeigt sich jedoch, dass die Probleme zum allgemeinen Teil des BGB – und insbesondere zum Vertragsschluss – im Zeitalter des Internets noch lange nicht vollumfänglich gelöst sind. Es bleibt daher – jedenfalls zum jetzigen Zeitpunkt – viel Raum für Argumentation und Improvisation.
Andererseits gilt es aber zu beachten, dass das jeweilige Angebot des Verkäufers und die Annahme des Käufers im Rahmen des eBay-Frameworks abgegeben werden. Deshalb wird m.E. eine Auslegung nach §§ 133, 157 BGB ergeben, dass das Angebot des Verkäufers konkludent auch unter der Bedingung abgegeben wird, dass die jeweiligen Geschäftsbedingungen von eBay Anwendung finden.
Das befindet sich ein wenig im Widerspruch zu der (auch nur als Pressemitteilung verfügbaren) Entscheidung zum Accountmissbrauch des gleichen Senats: VIII ZR 289/09.
@Malte: Genau das tut es – deshalb habe ich auch auf den entsprechenden Artikel zu dem Thema im Text verwiesen.
In der von Malte genannten Entscheidung ging es um die Verwendung eines fremden eBay-Accounts ohne daraus folgender vertraglicher Bindung des tatsächlichen Account-Inhabers.
Nur aus diesem Grund hat der BGH dort die AGB von eBay nicht zur Auslegung herangezogen, dies aber grundsätzlich für möglich gehalten (Rz. 21 d. Urteils)
Hallo,
ich sehe auch keine Wendung in der Rspr. des BGH. In der einen Entscheidung ging es lediglich darum, ob eine Willenserklärung (das Angebot) gem. §§ 164 ff. BGB analog zugerechnet wird (also sozusagen das Ob) und in der anderen Entscheidung ging es um die Auslegung der Willenserklärung (also gem. §§ 133, 154 BGB, sozusagen das Wie). Die Auslegung ergab, dass das Angebot unter der auflösenden Bedingung des Verlustes der Kamera abgegeben wurde.
Jedoch frage ich mich, ob es der Konstruktion überhaupt bedurft hätte. Namentlich handelt es sich bei der gebrauchten Sache um eine Stückschuld, deren unverschuldeter Untergang in Form des Diebstahls gem. § 275 Abs. 1 BGB eine Befreiung von der Leistungspflicht und keinen Schadensersatzanspruch nach sich gezogen hätte.
Oder sehe ich das jetzt komplett falsch?
@Kant
Ja, bei Zugrundelegung der Entscheidung des BGH kommt es auf einen Wegfall der Leistungspflicht gem. §275 BGB überhaupt nicht an, da nie ein Vertrag geschlossen wurde.
Der BGH sieht in der Beendigung in Anlehnung an die etwas nebulös formulierte Klausel in den eBay-AGB nicht wie üblich eine Annahme des Antrags des Höchstbietenden sondern einen Abbruch der Vertragsverhandlungen.
Warum es dieses Kunstgriffs bedurfte und der BGH nicht einfach auf das allgemeine Schuldrecht zurückgegriffen hat (Ein Schadensersatzanspruch aus §§280 I, III, 282 BGB würde wohl am (gleichwohl vermuteten) Vertretenmüssen scheitern) ist mir auch nicht ganz klar.
@AndiG:
Vll. weil Annahme des Vertrags durch Beendigung der Auktion anfängliche Unmöglichkeit iSv §311a BGB bedeutet hätte, wo ja dann Kenntnis genügen würde, um eine Schadensersatzpflicht entstehen zu lassen.
Und Kenntnis vom Diebstahl der Kamera hatte der Bekl. ja offensichtlich.
@ Julian: Ich bin mir jedoch nicht sicher, ob man hier anfängliche Unmöglichkeit hätte annehmen können bzw. dürfen. Klar, die Unmöglichkeit hätte bereits gem. 311a Abs. 1 BGB bei Vertragsschluss vorgelegen, aber bei einer Auktion über eBay liegt der Fall m.E. etwas anders, namentlich, weil das Angebot schon einen erheblichen Zeitraum vor dem eigentlichen Vetragsschluss abgegeben wurde und das bloße Abstellen auf die Kenntnis so IMMER zu einer Schadensersatzpflicht führen würde, was m.E. nicht sein kann.
Wenn man dieser Ansicht nicht folgt, dann muss man 311a Abs. 2 BGB so lesen, dass sich das Verschulden nicht auf den Vertragsschluss, sondern auf das Angebot zum Vertragsschluss beziehen muss, um nicht zu m.E. unbilligen Ergebnissen zu kommen.
@Julian: Du hast Recht, das habe ich übersehen. Ich würde Kant jedoch zustimmen, §311a II ist dahingehend teleologisch zu reduzieren, dass maßgeblicher Zeitpunkt der Kenntnis nicht der Vertragsschluss sondern der des Ausderhandgebens des weitern Vertragsschlussprozesses ist.
Ob das jetzt dogmatisch sauberer als die Lösung des BGH ist, weiss ich nicht.
Wer diese Entscheidung übrigens nachlesen möchte, kann dies hier tun:
https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=d0f227e740cba28cfd6703ed88c05bf1&nr=56908&pos=0&anz=1
Also, meiner Kenntnis nach führt ein Diebstahl nicht automatisch zur Befreiung der Leistungspflicht nach 311a/ 275, da gem 931 der Herausgabeanspruch gegen den Dieb abgetreten werden kann. Daher finde ich es konsequent, bereits beim Vertragsschluss anzusetzen und eine auflösende Bedingung bzgl des Diebstahls anzunehmen.
Das LG Bonn hat die Rechtsprechung des BGH bestätigt. In dem dortigen Fall war der Höchsbietende nach Abgabe des Gebotes zurückgetreten, da er noch vor Beendigung der Auktion einen Sachmangel an dem eingestellten Pkw festgestellt hatte.
Das LG Bonn hat klargestellt, dass die entsprechende ebay-Bestimmung in den AGB nicht nur für den nachträglichen Eintritt eines Sachmangels vor Ende der Auktion gilt, sondern auch für den Fall, dass der Sachmangel bei Gebotsabgabe schon bestand, dem Bietenden aber erst nach dem Gebot auffällt (Urt. v. 05.06.2012 – Az.: 18 O 314/11).