Aktueller Rechtsprechungsüberblick „eBay“ – Neuestes und Allerneuestes
Die Internetplattform eBay ist wohl eines der beliebtesten Examensthemen im Kaufrecht – u.a. Problemen des Vertragsschlusses, der Mängelgewähr oder des Schadensersatzes lassen sich unterbringen. Der folgende Beitrag soll einen Überblick über die jüngsten Entscheidungen geben, welche teilweise auch schon hier besprochen wurden. Gerade für Prüflinge, die in der zweiten Jahreshälfte Examen schreiben oder mündliche Prüfung haben, könnten überblickartige Kenntnisse über neue Entwicklungen hilfreich sein. Insoweit soll dieser Beitrag zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik anregen. Die wichtigsten Passagen der Urteile sind jeweils hervorgehoben.
I. Rechtsfolgen eines vorzeitigen Abbruches einer Auktion
Heftig umstritten sind die Rechtsfolgen eines vorzeitigen Abbruchs einer Auktion bei eBay. Teilweise wird ein Vertragsschluss nur abgelehnt, soweit ein rechtfertigender (gesetzlicher) Grund zum Abbruch vorliegt. Andere nehmen eine freie Rücknehmbarkeit an, soweit eine gewisse Restlaufzeit (12h) der Auktion besteht. Das LG Aurich nimmt gar eine Unwirksamkeit der eBay-AGB „Auktionsabbruch“ an.
1. AG Dieburg, Urteil vom 15. April 2015 – 20 C 945/14:
Sobald bei einer ebay-Auktion auf ein Angebot geboten wurde, darf der Anbieter das Angebot nur noch ändern, wenn er gesetzlich dazu berechtigt ist. Wenn ein Angebot ohne gesetzliche Berechtigung geändert wird, kommt bei Bietende ein Vertrag mit dem Höchstbietendem und dem Inhalt des ursprünglichen Angebots zu Stande.
Wichtig: AGB von eBay sind über § 157 als Verkehrssitte in Auslegung einzubeziehen; soweit keine gesetzliche Berechtigung besteht, kann der Anbeiter sein Angebot nicht mehr ändern.
2. Ebenso OLG Celle, Urteil vom 09. Juli 2014 – 4 U 24/14:
Die Beendigung eines Angebots vor Ablauf der Dauer einer Auktion im Internetportal „eBay“ setzt auch bei einer noch länger als 12 Stunden laufenden Auktion einen rechtfertigenden Umstand voraus, wie er in den weiteren Hinweisen zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay in der Fassung bis zum 12. März 2014 näher erläutert wird
Demnach darf ein Angebot also nicht grundlos beendet werden, unabhängig von der Restdauer der Auktion.
3. Eine andere Ansicht vertritt explizit das AG Darmstadt (v. 25. Juni 2014 – 303 C 243/13):
Entsprechend den erläuternden Hinweisen der Firma eBay zur vorzeitigen Angebotsbeendigung ist ein Verkäufer bei einer Internet-Auktion über das eBay-Portal allgemein dazu berechtigt, sein Verkaufsangebot ohne weitere Einschränkungen frei zu widerrufen, wenn die Auktion noch eine verbleibende reguläre Restlaufzeit von mehr als 12 Stunden aufweist (entgegen OLG Nürnberg, 26. Februar 2014, 12 U 336/13, MMR 2014, 592).(Rn.51)
Wichtig: Ob Gründe notwendig sein oder aber eine 12-stündige Restlaufdauer des Angebots genügt, ist strittig. Insoweit ist eine Auslegung der AGB und eine Argumentation mit den Prinzipien des BGB notwendig (Bindung an Willenserklärung vs. Vertrauensschutz).
4. LG Aurich, Urteil vom 03. Februar 2014 – 2 O 565/13, 2 O 565/13 (145)
Die ebay-AGB, welche einen sanktionslosen Auktionsabbruch nur dann erlaubt, wenn der Verkäufer gesetzlich dazu berechtigt ist, das Angebot zurückzunehmen, und nach der anderenfalls als Rechtsfolge des Auktionsabbruchs ein Vertragsschluss zwischen dem Verkäufer und dem zum Zeitpunkt des Abbruchs der Auktion Höchstbietenden zustande kommt, ist wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 5 BGB (fingierte Erklärung) sowie aufgrund unangemessener Benachteiligung unwirksam.
Wichtig: Das LG Aurich nimmt eine Unwirksamkeit der ebay-AGB „Auktionsabbruch“ wegen Verstoßes gegen § 308 Nr. 5 BGB und § 307 Abs. 1 BGB an. Dies sollte in der Prüfung jedenfalls diskutiert werden, auch wenn im Ergebnis hierfür nur wenig spricht.
Soweit ein Anfechtungsgrund vorliegt – also nach den eBay-AGB eine „gesetzliche Berechtigung“ besteht – nimmt der BGH ausdrücklich an, dass keine Bindung an das Angebot besteht (BGH, Urteil vom 8.1.2014 – VIII ZR 63/13 für Eigenschaftsirrtum).
II. Sittenwidrigkeit bei grobem Missverhältnis?
BGH, Urteil vom 12. November 2014 – VIII ZR 42/14 (s. Besprechung 1 und 2)
Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot eines Bieters und dem (angenommenen) Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es bedarf vielmehr zusätzlicher – zu einem etwaigen Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung hinzutretender – Umstände, aus denen bei einem Vertragsschluss im Rahmen einer Internetauktion auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters geschlossen werden kann. […]
2. Es lässt sich dem Anspruch des Erwerber auch nicht der Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegenhalten. Es trägt der Verkäufer das Risiko des für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises unterhalb des Marktwertes ohne Einrichtung eines Mindestpreises.
III. Frist zur Geltendmachung bei vorzeitigem Auktionsabbruch?
LG Mühlhausen, Beschluss vom 20. Oktober 2014 – 1 S 98/14
Bricht der Veräußerer die Auktion vorzeitig ab, so liegt es nahe, dass der Bieter in der Regel seine Ansprüche auf Übergabe und Eigentumsverschaffung unmittelbar innerhalb einer bestimmten Frist geltend macht. Tut er dieses nicht, kann der Verkäufer nach Ablauf einer bestimmten Frist regelmäßig davon ausgehen, dass die Ansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, und er kann das Versteigerungsobjekt anderweitig veräußern.(Rn.7) Davon ist nach dem Verstreichenlassen von 6 Monaten grundsätzlich auszugehen.
IV. Beschaffenheitsvereinbarung bei Privatverkäufern?
LG Kiel, Urteil vom 13. August 2014 – 9 O 262/13 –, Rn. 22
Die Angabe im ebay-Inserat und auch die Aussage des Beklagten am Telefon, „das Fahrzeug ist so, wie es da steht im Internet“, sonst sei damit nichts, sind als bloße Wissenserklärungen auszulegen und stellen damit weder eine Garantie noch eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. 434 Abs. 1 S. 1 BGB dar.
Wichtig: Allein die Angabe von Merkmalen einer Ware im Angebot bei ebay führen, wenn der Verkäufer eine Privatperson ist, nicht zwingend zur Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung.
V. Nutzung eines fremden eBay-Accounts
OLG Celle, Urteil vom 09. Juli 2014 – 4 U 24/14
1. Werden unter Nutzung eines fremden eBay-Mitgliedskontos auf den Abschluss eines Vertrages gerichtete Erklärungen abgegeben, liegt ein Handeln unter fremdem Namen vor, auf das die Regeln über die Stellvertretung sowie die Grundsätze der Anscheins- oder der Duldungsvollmacht entsprechend anzuwenden sind.
Diese Rechtsprechung sollte bereits bekannt sein, s. BGH, 11. Mai 2011, VIII ZR 289/09, BGHZ 189, 346 und unsere Besprechung.
VI. Teilnahme mit falschen persönlichen Daten nicht möglich
AG Kerpen, Urteil vom 27. Juni 2014 – 104 C 106/14
Meldet sich ein Nutzer unter Angabe von falschen persönlichen Daten (hier: Angabe von fingierten Daten, die auf eine nicht existierende Person verweisen) bei eBay an, so kann er nicht in rechtlicher wirksamer Weise an Auktionen teilnehmen. Die Offerte zur Abgabe eines Angebots richten sich nämlich nur an solche Personen, die sich unter Einhaltung der Nutzungsbedingungen bei eBay angemeldet haben. Den Nutzungsbedingungen von eBay kommt daher nicht nur für die Frage Bedeutung zu, unter welchen Umständen eine Auktion abgebrochen werden kann (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Juni 2011, VIII ZR 305/10, NJW 2011, 2643), sondern auch dafür, ob überhaupt ein Vertrag zustandegekommen ist
Wichtig: Ebay-AGB wirken vollumfänglich, auch hinsichtlich der teilnahmeberechtigten Personen.
VII. Rechtsmissbräuchliches Verhalten bei mangelndem Kaufinteresse
OLG Rostock, Urteil vom 11. Juni 2014 – 1 U 90/13
Der klageweisen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches nach §§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 Satz 1, 433 BGB bei einer ohne gerechtfertigten Grund abgebrochenen „eBay-Auktion“ vermag der Einwand unzulässiger Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegen zu stehen, wenn sich feststellen lässt, dass es dem Teilnehmer an der Auktion nicht um den erfolgreichen Abschluss eines Kaufgeschäftes, sondern um die „Generierung“ von Schadensersatzansprüchen geht.
Solches kann der Fall sein, wenn sich aus den Umständen des Einzelfalles – insbesondere durch die in einer unbekannten Vielzahl von Fällen geübte Rechtsverfolgung gegenüber „eBay-Anbietern“ nach einem Auktionsabbruch – der Eindruck aufdrängt, dass es an einem ehrlichen Kaufinteresse mangelt und stattdessen systematisch nach Fehlern und Irrtümern von Anbietern gesucht wird, um deren Verhalten in der Absicht der Gewinnerzielung auszunutzen.
Wichtig: Rechtsmissbräuchliches Verhalten – vergleichbar dem AGG-Hopping – kann Sekundäransprüche ausschließen.
Zuletzt sei noch auf OLG Hamm, Urteil vom 30. Oktober 2014 – I-28 U 199/13, 28 U 199/13 hingewiesen, der sich ideal als Übungsfall anbietet.
Vielen Dank für diesen Artikel! Hat mir sehr gut geholfen um kurz vorm Examen noch einmal die wesentlichen Probleme der eBay Rechtsprechung zu wiederholen.