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Schlagwortarchiv für: Art. 12 GG

Anna Ebbinghaus

IHK Zwangsmitgliedschaft und Art. 9, 12 I und 2 I GG

Öffentliches Recht, Startseite, Tagesgeschehen, Verfassungsrecht

Industrie- und Handelskammern sind berufsständische Körperschaften des öffentlichen Rechts und bestehen aus Unternehmen einer Region. Alle Gewerbetreibenden und Unternehmen mit Ausnahme reiner Handwerksunternehmen, Landwirtschaften und Freiberufler gehören ihnen per Gesetz, zB IHK-Gesetz, an.
Es regt sich jedoch wiederholt Widerstand gegen eine solche Zwangsmitgliedschaft. Wie die SZ berichtet, werfen viele Mitglieder der IHK Misswirtschaft, überzogene Ausgaben für Bauvorhaben und Spitzenposten und nicht zuletzt einen undemokratischen Aufbau vor.
Nun wird sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit der Frage der Zwangsmitgliedschaft befassen, nachdem zwei Unternehmer Beschwerden eingereicht haben.
 
I. Überblick Art. 9 I GG
Art. 9 I GG schützt die Vereinigungsfreiheit.
1. Schutzbereich
Art. 9 I GG schützt das Recht, Vereine und Gesellschaften (=Vereinigung) zu bilden, also das Prinzip freier sozialer Gruppenbildung.
Eine Vereinigung ist ein Zusammenschluss mehrerer (mind.  zweier Mitglieder) natürlicher oder juristischer Personen bzw. Personenvereinigungen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck auf freiwilliger Basis bei Unterwerfung unter eine organisatorische Willensbildung, Mannsen, § 22, Rn. 520.
Der Zweck der Vereinigung ist dabei unerheblich. Auch idielle oder wirtschaftliche Zwecke sind erfasst.
Anknüpfungspunkt ist der freie Vereinigungswille, weshalb gesetzlich angeordnete öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse (Rechtsanwaltskammern, Ärztekammern) nicht zu den von Art. 9 IGG geschützten Vereinigungen gehören, Mannsen, § 22, Rn. 520.
2. Eingriff
Die Vereinigungsfreiheit kann zB durch Entziehung der Rechtsfähigkeit oder durch ein Verbot der Vereinigung beeinträchtigt werden.
Sonstige Bestimmungen des Gesellschafts- und Vereinsrechts sind keine Grundrechtseingriffe, sondern lediglich Ausgestaltung des Grundrechts.
3. Verfassungsmäßige Rechtfertigung
Art. 9 I GG steht nach Art. 9 II GG unter Gesetzesvorbehalt (hM).
Die Verbotsgründe sind in Art. 9 II GG abschließend aufgezählt. Im Übrigen sind andere Eingriffe als das Verbot durch kollidierendes Verfassungsrecht zu rechtfertigen.
Eingriffe in Vereinigungsfreiheit bedürfen dabei einer formell-gesetzlichen Grundlage.
II. Urteil des BVerfG von 2001

Das BVerfG entschied 2001 u.a. über die Verhältnismäßigkeit der Zwangsmitgliedschaft in der IHK, BVerfG Beschluss vom 07.12.2001 (1 BvR 1806/98).
Beschwerdeführerin B war damals eine Versicherungsmaklerin. Sie richtete sich gegen ihre Zwangsmitgliedschaft in der IHK und vertrat die Auffassung, in ihrem negativen Grundrecht aus Art. 9 I GG und ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG verletzt zu sein. Nach ihrer Ansicht könne die IHK auch ohne eine Zwangsmitgliedschaft ihre ihnen übertragenen öffentlich-rechtlichen Aufgaben wahrnehmen.
Das BVerfG prüfte in seiner Entscheidung die Verletzung folgender Grundrechte:
1. Art. 9 I GG
Möglicherweise könnte die B durch die Zwangsmitgliedschaft in ihrem negativen Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit, also dem Recht, sich nicht vereinigen zu müssen, aus Art. 9 I GG verletzt sein.
a) Schutzbereich
Fraglich ist, ob der Schutzbereich eröffnet ist.
Dazu führt das BVerfG aus:

Der Schutzbereich von Art. 9 Abs. 1 GG ist nicht berührt. […]

 Art. 9 Abs. 1 GG schützt nicht vor einer gesetzlich angeordneten Eingliederung in eine öffentlichrechtliche Körperschaft. […]

Der Schutz der Vereinigungsfreiheit greift ein, wenn es um einen privatrechtlichen Zusammenschluss natürlicher oder juristischer Personen geht, der auf Dauer angelegt ist, auf der Basis der Freiwilligkeit erfolgt, zur Verfolgung eines gemeinsamen Zwecks konstituiert ist und eine organisierte Willensbildung aufweist.[…]

 Damit ist das Element der Freiwilligkeit für den in Art. 9 Abs. 1 GG verwandten Vereinsbegriff konstituierend. Vereinigungen, die ihre Entstehung und ihren Bestand nicht grundrechtsinitiierter Freiwilligkeit verdanken – wie hier die Industrie- und Handelskammer -, unterfallen daher von vornherein nicht dem Vereinsbegriff des Art. 9 Abs. 1 GG.[…]

 Auch aus der Entstehungsgeschichte folgt, dass Art. 9 Abs. 1 GG nicht im Sinne eines umfassenden Fernbleiberechts gegenüber öffentlichrechtlichen Verbänden verstanden werden kann.[…]

 

Den Mitgliedern des Parlamentarischen Rats war in dieser Diskussion die Existenz berufsständischer Zwangszusammenschlüsse bewusst. Diesen alten Traditionszusammenhang wollten sie weder unterbrechen noch aufheben, sonst hätte dies besonders zum Ausdruck gebracht werden müssen. […]

Wenn vom Bundesverfassungsgericht der Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG in ständiger Rechtsprechung auf das Recht ausgedehnt wird, einer Vereinigung fernzubleiben (vgl. BVerfGE 10, 89; 50, 290 ), so reicht dieser Schutz der negativen Vereinigungsfreiheit daher nicht weiter als der Schutzbereich der positiven Gewährleistung. Den Bürgerinnen und Bürgern ist die Freiheit garantiert, sich auf freiwilliger Basis zusammenzuschließen, und der Staat darf nicht andere Bürger zwingen, sich diesem freiwilligen Zusammenschluss anzuschließen.

 
Das BVerfG stellt also klar, dass entscheidend für den Schutzbereich des Art. 9 I GG die Freiwilligkeit ist. Nur der Zusammenschluss von Vereinigungen auf freiwilliger Basis ist demnach geschützt. Als negatives Grundrecht schützt Art. 9 I GG also nur vor einer Zwangsmitgliedschaft bezüglich solcher freiwilligen Vereinigungen.
Begründet wird dies auch mit der Entstehungsgeschichte:  Dem Gesetzgeber waren damals schon die Mitgliedschaften in öffentlichen, verpflichtenden berufsständischen Zusammenschlüssen bekannt. Wenn er diese Tradition hätte aufbrechen wollen, so hätte er dies im GG berücksichtigen müssen, was unterblieben ist.
Folglich ist nach Ansicht des BVerfG der Schutzbereich des Art. 9 I GG nicht eröffnet.
b) Ergebnis
Mangels Schutzbereichseröffnung scheidet eine Verletzung der negativen Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG aus.
2. Art 12 I GG
Das BVerfG prüfte eine Verletzung von Art. 12 GG in dieser Entscheidung nicht. Gleichwohl könnte die B in ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 I GG verletzt sein.
a) Schutzbereich
Es müsste der einheitliche Schutzbereich des Art. 12 I GG eröffnet sein.
Ein Beruf ist eine Tätigkeit, die auf Dauer angelegt ist und der Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage dient.Von Art. 12 I GG ist auch die Ausübung des Berufs geschützt.
Die Tätigkeit der B als Versicherungsmaklerin ist insoweit die Ausübung eines Berufs.
Folglich ist der Schutzbereich des Art. 12 I GG eröffnet.
b) Eingriff
Ein Eingriff in Art. 12 I GG könnte in der staatlichen Maßnahme der Anordnung der Zwangsmitgliedschaft liegen. Diese müsste insoweit berufsregelnde Tendenz aufweisen.
Bei der Zwangsmitgliedschaft in der IHK fehlt es an einer subjektiv berufsregelnden Tendenz, da diese nicht zielgerichtet die Wahl oder die Ausübung eines bestimmten Berufes betrifft.
Auch führt sie nicht zu einer besonderen Belastung der Mitglieder hinsichtlich der Wahl oder Ausübung ihres Berufes, so dass auch eine objektiv berufsregelnde Tendenz nicht vorliegt.
Aufgrund fehlender berufsregelnder Tendenz greift die Pflichtmitgliedschaft in der IHK nicht in Art. 12 I GG ein.
c) Ergebnis
Die B ist nicht in Art. 12 I GG verletzt.
3. Art. 2 I GG
Vielmehr sieht das BVerfG den Schutzbereich der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG für eröffnet an:

Prüfungsmaßstab für den Schutz gegen die Inanspruchnahme als Mitglied einer Zwangskorporation ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Art. 2 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 10, 89). […]

Diese Vorschrift stellt ein hinreichendes Instrument zur Abwehr unnötiger Pflichtverbände dar und erlaubt damit auch, dem Prinzip der freien sozialen Gruppenbildung, das Art. 9 Abs. 1 GG nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 38, 281; 50, 290) zugrunde liegt, gerecht zu werden. Zugleich lässt dieser Prüfungsmaßstab aber dem Staat genügende Gestaltungsfreiheit, damit er seine Aufgaben angemessen wahrnehmen kann. […]

 
a)  Schutzbereich des Art. 2 I GG
Der Schutzbereich des Art. 2 I GG müsste eröffnet sein.
 Zu beachten ist, dass Träger des Grundrechts zunächst jede persönliche Person ist. Ist eine juristische Person oder Vereinigung Beschwerdeführerin, so muss kurz angemerkt werden, dass dieses Grundrecht gem. Art. 19 III GG auch in diesem Fall anwendbar ist.
b) Eingriff
In das Grundrecht wird durch jede imperative Regelung der öffentlichen Gewalt eingegriffen (Mannsen). Dies schließt auch die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts wie der IHK ein.
c) verfassungsmäßige Rechtfertigung
Der Eingriff könnte jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein.
Gem. Art. 2 I GG ist die allgemeine Handlungsfreiheit begrenzt durch die Rechte Anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz ( sog. Schrankentrias des Art. 2 I GG).
Das Verbot könnte als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung gerechtfertigt sein.
Verfassungsmäßige Ordnung isd Art. 2 I GG ist die Gesamtheit aller Rechtsnormen, die mit der Verfassung in Einklang stehen, d.h. formell und materiell verfassungsmäßig sind.
Ein Gesetz, welches die Zwangsmitgliedschaft anordnet, müsste insoweit formell und materiell verfassungsmäßig sein.
Materiell verfassungsmäßig wäre ein solches Gesetz  insbesondere dann, wenn es dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt.
Insoweit auch das BVerfG:

Zwangsverbände sind danach nur zulässig, wenn sie öffentlichen Aufgaben dienen und ihre Errichtung, gemessen an diesen Aufgaben, verhältnismäßig ist.

 
aa) legitimer Zweck
Mit der Zwangsmitgliedschaft müsste ein legitimer Zweck verfolgt werden:

Voraussetzung für die Errichtung eines öffentlich-rechtlichen Verbands mit Zwangsmitgliedschaft ist, dass der Verband legitime öffentliche Aufgaben erfüllt.

Dazu gehören Aufgaben der Wirtschaftsförderung, die Vertretung der gewerblichen Wirtschaft und die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben auf wirtschaftlichem Gebiet. Nicht zuletzt soll durch die Kammern auch der Staat beraten werden.
bb) Geeignetheit
Weiterhin müsste die Zwangsmitgliedschaft ein geeignetes Mittel sein, um solche Ziele verfolgen zu können. Ausreichend ist hier die Möglichkeit der Zweckerreichung.
Im Übrigen steht dem Gesetzgeber ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum bei der Beurteilung der zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu.
Aus Sicht des BVerfG ist die Maßnahme geeignet:

Die Entscheidung des Gesetzgebers, Wirtschaftsförderung und -verwaltung mit Hilfe von Selbstverwaltungseinrichtungen zu organisieren, ist von diesen Grundsätzen gedeckt. […]

Aus der Sicht des Gesetzgebers ist die Erfüllung von Wirtschaftsverwaltungsaufgaben durch die Kammern sachnäher und wegen der Beteiligung der Betroffenen durch selbstgewählte Organe auch freiheitssichernder als durch staatliche Behörden. Die Interessenvertretung durch private Verbände ist in dieser Sicht nicht im gleichen Maße am Gesamtinteresse und am Gemeinwohl orientiert. […]

cc) Erforderlichkeit
Darüberhinaus müsste die Zwangsmitgliedschaft auch erforderlich für die Erreichung der gesetzgeberischen Ziele sein.
Sie ist erforderlich, wenn es kein anderes milderes Mittel gibt, das zur Erreichung des Ziels ebenso effektiv ist.
Bezüglich der Errichtung rein privater Verbände als milderes Mittel führt das BVerfG aus:

Rein private Verbände wären mangels Gemeinwohlbindung nicht in der Lage, die Aufgaben wahrzunehmen, die die Industrie- und Handelskammern mit Hilfe der Pflichtmitgliedschaft zu erfüllen befähigt sind. […]

 Auch kann der Staat so besser die besondere Sachnähe und Kompetenz der Kammern nutzen, BVerfGE 15, 235.

Die Wahrnehmung der Aufgabe durch den Staat könnte das zulässige rechtspolitische Ziel der Verlagerung auf die primären Träger wirtschaftlicher Interessen, deren Sachkompetenz der Staat zur Entfaltung volkswirtschaftlich sinnvoller Rahmenbedingungen für sich nutzbar machen will, nicht erreichen. […]

Wegen des Gemeinwohlauftrags der Industrie- und Handelskammern und ihrer vielfältigen Wirtschaftsverwaltungsaufgaben ist ein alle Branchen und Betriebsgrößen umfassender Mitgliederbestand vonnöten. Für die wirtschaftliche Selbstverwaltung bedarf es der Mitwirkung aller Unternehmen, gerade auch der mittleren und kleinen, damit die Kammern ihre Aufgaben umfassend erfüllen können. […]

 
Rein private Verbände stellen daher zwar ein milderes, aber  kein gleich geeignetes Mittel dar, mit der Folge, dass die Maßnahme mithin erforderlich ist.
dd) Angemessenheit/ Verhältnismäßigkeit ieS
Schließlich müsste die Anordnung der Zwangsmitgliedschaft auch angemessen, also zumutbar sein.
Dazu ist eine Interessenabwägung vorzunehmen.
Das BVerfG bewertete die Interessen der Beschwerdeführerin wie folgt:

Die Beeinträchtigung des einzelnen Gewerbetreibenden durch die Pflichtmitgliedschaft bedeutet keine erhebliche Einschränkung der unternehmerischen Handlungsfreiheit. Zu berücksichtigen ist dabei vor allem, dass die Pflichtmitgliedschaft den Kammerzugehörigen zum einen die Chance zur Beteiligung und Mitwirkung an staatlichen Entscheidungsprozessen eröffnet, dabei aber zum anderen ihnen die Möglichkeit offen lässt, sich nicht aktiv zu betätigen. Zugleich hat die Pflichtmitgliedschaft eine freiheitssichernde und legitimatorische Funktion, weil sie auch dort, wo das Allgemeininteresse einen gesetzlichen Zwang verlangt, die unmittelbare Staatsverwaltung vermeidet und statt dessen auf die Mitwirkung der Betroffenen setzt.

Im Übrigen könnten etwaige Aufgabenüberschreitungen durch den Zwangsverband und seiner Organe im Klagewege abgweehrt werden.
Somit ist eine Zwangsmitgliedschaft auch angemessen.
ee) Ergebnis
Die Anordnung einer Zwangsmitgliedschaft ist verhältnismäßig, ein dies anordnendes Gesetz wäre insoweit materiell verfassungsmäßig und würde der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechen.
Das Verbot ist also verfassungsmäßig gerechtfertigt, so dass die B nicht in Art. 2 I GG verletzt ist.
III. Ausblick
Noch ist nicht abzusehen, ob das BVerfG von seiner ständigen Rechtsprechung abweicht.
Dagegen könnte die lange Rechtsprechungstradition sprechen. Entscheidend dürfte auch sein, ob das BVerfG ohne Zwangsmitgliedschaften die Interessen des Staates wirklich als ausreichend gewahrt sieht.
Hinzu kommt, dass es eine Vielzahl von Vereinigungen existieren, die eine Zwangsmitgliedschaft verlangen. Nicht alle müssen per se die Mängel aufweisen, die der betreffenden IHK vorgeworfen werden.
Allerdings könnte die Möglichkeit bestehen, einen Austritt als ultima ratio dann zu ermöglichen, wenn die betreffende Vereinigung augenscheinlich keinen demokratischen Aufbau ermöglicht und so ggf. gegen das Demokratieprinzip aus Art. 20 I GG und das Rechtstaatlichkeitsprinzip aus Art. 20 III GG verstößt oder die auch durch das Grundgesetz geschützten Interessen und Rechtsgüter der Mitglieder durch eklatante Misswirtschaft innerhalb einer solchen Zwangsmitgliedschaft massivst beeinträchtigt werden und einzulegende Rechtsmittel gegen solche Beeinträchtigungen nicht mehr zumutbar sind.
Ebenso denkbar wäre es, nur eine Aussetzung der Zwangsmitgliedschaft ausnahmsweise zu ermöglichen, bis alle Mängel beseitigt sind oder sich die Vereinigung unter Wahrung der Interessen der Mitglieder neu konstituiert hat.
Ob aber die angegriffenen Zustände überhaupt in dem vorliegenden Fall zumindest für eine Aufweichung der Zwangsmitgliedschaft ausreichen würden, bleibt abzuwarten.
IV. Fazit
Die Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 I GG, Art. 2 I GG ist sicherlich nicht das wichtigste Grundrecht, kann aber immer mal wieder Aktualität erlangen und in Verbindung mit einer Verfassungsbeschwerde leicht abgeprüft werden.
Die Entwicklung bzgl. der Zwangsmitgliedschaften in öffentlich- rechtlichen Vereinigungen sollte unbedingt weiter verfolgt werden. Wird sich tatsächlich eine Änderung der Rechtsprechung vollziehen, so ist dies nicht nur von Examenskandidaten unbedingt zu beachten.

08.05.2014/5 Kommentare/von Anna Ebbinghaus
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Anna Ebbinghaus https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Anna Ebbinghaus2014-05-08 09:00:432014-05-08 09:00:43IHK Zwangsmitgliedschaft und Art. 9, 12 I und 2 I GG
Zaid Mansour

VG Berlin: Berliner Spielhallengesetz ist verfassungsgemäß

Öffentliches Recht, Polizei- und Ordnungsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Startseite, Verfassungsrecht

Das VG Berlin hat kürzlich entschieden, dass das durchaus strenge Spielhallengesetz des Landes Berlin nicht gegen geltendes Verfassungsrecht verstößt (Urteil vom 15.02.2013, Az.: VG 4 K 336.12, VG 4 K 342.12, VG 4 K 344.12).
Worum geht es ?
Nach Ansicht der Kläger sei das Berliner Spielhallengesetz mangels Gesetzgebungskompetenz der Länder bereits formell verfassungswidrig. Die Kläger beanstandeten zudem, dass einzelne Vorschriften, wie das Erlöschen der bisher erteilten Erlaubnisse bis zum 31.07.2016, das räumliche Abstandsgebot, das Verbot von Mehrfachkonzessionen, das Verbot des Spielhallenbetriebes in räumlicher Nähe von Kinder- oder Jugendeinrichtungen sowie die Reduzierung der zulässigen Anzahl von Geldspielgeräten in einer Spielhalle von zwölf auf acht Automaten bzw. drei Geräten (bei Speise- und Getränkeausschank im selben Betrieb), gegen materielles Verfassungsrecht, insbesondere gegen die Berufs- und Eigentumsfreiheit sowie den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßen (Prüfungsschema zu Art. 12 GG siehe hier). Die strengeren Regelungen sollen nach dem Willen des Landesgesetzgebers der Spielsuchtprävention dienen und der stetigen Zunahme von Spielhallen entgegenwirken.
Kein Verstoß gegen die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung
Die Reichweite des Kompetenztitels aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG („ohne das Recht […] der Spielhallen“) ist seit langem sehr umstritten. Im Schrifttum wird überwiegend vertreten, dass die Ausnahme von der allgemeinen Wirtschaftskompetenz des Bundes nur den Regelungsgegenstand des bisherigen § 33i GewO erfasst, während die von den §§ 33c- h GewO erfasste Materie nach wie vor dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung („Recht der Wirtschaft“) zuzuordnen ist, den der Bundesgesetzgeber in den §§ 33c- h GewO sowie mit den Bestimmungen der SpielVO abschließend mit Sperrwirkung für die Länder geregelt hat (dazu Ennuschat/Brugger, ZfWG 2006, 292 ff.). Auf der dem Bund verbliebenen Gesetzgebungskompetenz beruhen beispielsweise die Regelungen in § 3 II SpielV über die zulässige Anzahl von Spielgeräten und die bei der Aufstellung einzuhaltenden Abstände. Die Vorschrift aus § 33i GewO  statuiert einen Erlaubnisvorbehalt für den Betrieb einer Spielhalle und führt einige Versagungsgründe für die Erlaubniserteilung auf. Einzig diesen Regelungsbereich erfasse die den Ländern zugewiesene Gesetzgebungskompetenz für Spielhallen. Die angegriffenen Regelungen gehen allerdings weit über diesen Regelungsbereich hinaus und seien daher kompetenzwidrig. In Bundesländern ohne eigenes Spielhallengesetz gilt § 33i GewO weiterhin fort.
Zudem wird im Schrifttum vertreten, dass die den Ländern in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zugewiesene Gesetzgebungszuständigkeit für das Recht der Spielhallen  sich nur auf solche Regelungen beschränke, die einen besonderen örtlichen Bezug aufweisen bzw. ausschließlich lokal radiziert sind (Seiler, in: Epping/Hillgruber, GG, Art. 74 Rn. 44). Bei den angegriffenen Vorschriften, welche das Erlöschen bereits erteilter Genehmigungen anorden, dem Verbot von Mehrfachkonzessionen sowie den Abstandsbestimmungen fehle jedoch ein solcher örtlicher Bezug, da sie nicht an die konkreten örtlichen Bedingungen anknüpfen, sondern vielmehr losgelöst von konkreten örtlichen Verhältnissen allgemeine landesweite und landeseinheitliche Wirkung entfalten (Kluth, Die Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Spielhallen nach der Neufassung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, 2010; H.-P. Schneider, Das Recht der Spielhallen nach der Föderalismusreform, 2009).
Es wird außerdem vertreten, dass die landesrechtlichen Abstandsvorschriften und das Verbot von Mehrfachkonzessionen in erster Linie dem Bauplanungsrecht zuzuordnen sind. Sie beträfen primär die Nutzung von Grund und Boden und unterfallen daher dem Kompetenztitel aus § 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Den Bereich des Bodenrechts hat der Bundesgesetzgeber allerdings im BauGB sowie der BauNVO abschließend geregelt. Ein Tätigwerden sei dem Landesgesetzgeber wegen der daraus resultierenden Sperrwirkung folglich nicht gestattet.
Das VG Berlin kam allerdings zu dem Ergebnis, dass der verfassungsrechtliche Spielhallenbegriff im umfassenden Sinne zu verstehen sei und daher das gesamte Spielhallenwesen erfasse, sodass den Ländern eine vollumfängliche Gesetzgebungskompetenz für das Spielhallenwesen zukomme (in diesem Sinne: Dietlein, ZfWG 2008, 12 ff., 77 ff. m.w.N). Zur genaueren Konkretisierung der dies betreffenden Argumentation des Gerichts bleibt das Erscheinen der Entscheidungsgründe abzuwarten.
Restriktionen sind aus Gründen der Spielsuchtbekämpfung gerechtfertigt
Das Gericht konnte – wohl auch mit Blick auf die vom BVerfG im Bereich des Glücksspielrechts stets hervorgehobene gesetzgeberische Einschätzungsprärogative – keinen Verstoß gegen die Berufsfreiheit feststellen, da die Bekämpfung der Spielsucht ein legitimes Ziel darstelle, welches die Einschränkungen des Spielhallenwesens rechtfertige. Ferner trügen die normierten Übergangsfristen den (Vertrauensschutz-) Interessen der Spielhallenbetreiber hinreichend Rechnung.
Fazit
Der Entscheidung des VG Berlin kann gerade im Hinblick auf die spielhallenbezogenen Regelungen des GlüStV (2012) eine gewisse Signalwirkung beigemessen werden. Das letzte Wort ist in diesem Kontext (v.a. hinsichtlich der Reichweite der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder) allerdings längst noch nicht gesprochen, da sich momentan einige Verfassungsbeschwerden vor dem BVerfG gegen weitere Landesspielhallengesetze abzeichnen. Examenskandidaten wird empfohlen die Thematik im Auge zu behalten, da sie sich vorzüglich als Gegenstand von Examensklausuren eignet (vgl. Examenssachverhalt vom Februar 2013).

08.03.2013/4 Kommentare/von Zaid Mansour
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Zaid Mansour https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Zaid Mansour2013-03-08 09:00:502013-03-08 09:00:50VG Berlin: Berliner Spielhallengesetz ist verfassungsgemäß
Dr. Simon Kohm

BVerwG bestätigt OVG Münster: Selbstbedienung in Apotheken bleibt untersagt

Öffentliches Recht, Öffentliches Recht, Rechtsprechung, Rechtsprechungsübersicht, Verfassungsrecht, Verwaltungsrecht

Mit Entscheidung vom 18.10.2012 (Az. 3 C 25.11) hat das BVerwG entschieden, dass eine Selbstbedienung in Apotheken für apothekenpflichtige Medikamente weiterhin verboten bleibt. Gesetzliche Grundlage für ein derartiges Verbot stellt § 17 Abs. 3 ApBetrO dar, der wie folgt lautet:

Der Apothekenleiter darf Arzneimittel und Medizinprodukte, die der Apothekenpflicht unterliegen, nicht im Wege der Selbstbedienung in den Verkehr bringen.

Mit Selbstbedienung ist gemeint, dass der Kunde die Apotheke betritt, die Medikamente seiner Wahl eigenhändig aus dem Regal entnimmt und diese nur noch an der Kasse zahlt. Nach Ansicht der Klägerseite verstößt diese Vorschrift gegen Art. 12 GG sowie gegen Art. 3 GG. Im Folgenden wird auf die Ausführungen des OVG Münster verwiesen, dessen sich das BVerwG in der Sache angeschlossen hat (das Urteil ist derzeit im Volltext noch nicht verfügbar).
Das OVG prüft schulmäßig und sehr detailliert Art. 12 GG – die Berufsfreiheit (dazu auch unser umfassendes Schema). Sehr instruktiv äußert sich das OVG zum Prüfungsmaßstab der Verhältnismäßigkeit (OVG Münster, Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 A 182/08, Rn. 24 (juris)):

Gesetzliche Regelungen der Berufsausübung halten sich dabei im Rahmen der Regelungsbefugnis des Gesetzgebers und in den verfassungsrechtlichen Schranken des Art. 12 Abs. 1 GG, wenn sie durch hinreichende Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden oder als zweckmäßig erscheinen, wenn die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich sind und wenn auch bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Den Anschauungen des Gesetzgebers ist demnach allenfalls dann die Anerkennung zu versagen, wenn sie offensichtlich fehlsam oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar wären.

Eine Unvereinbarkeit mit der Wertordnung des GG erkannte das OVG im vorliegenden Fall nicht. Es handele sich hier um eine Regelung der Berufsausübung, also einen Eingriff auf der untersten Stufe im Rahmen des 3-Stufensystems in Art. 12 GG. Der legitime Zweck sei gegeben. Denn

nach dem Leitbild vom „Apotheker in seiner Apotheke“ solle der Kunde sicher sein, in Apotheken von pharmazeutischem Personal bedient und beraten zu werden. Diese gesundheitspolitischen Erwägungen reichten im Interesse einer geordneten Arzneimittelversorgung zur Rechtfertigung des Selbstbedienungsverbots aus (OVG Münster, Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 A 182/08, Rn. 26 (juris)).

Auch im Hinblick auf Geeignetheit und Erforderlichkeit bezieht sich das OVG dogmatisch richtig auf die weite Einschätzungsprörogative des Gesetzgebers.

Das Selbstbedienungsverbot für apothekenpflichtige Arzneimittel ist zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels, Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten, geeignet und erforderlich. Die Eignung eines Mittels ist dabei immer schon dann anzunehmen, wenn mit seiner Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Eine verfassungsrechtliche Beanstandung ist hingegen nur möglich, wenn das eingesetzte Mittel „objektiv ungeeignet“ oder „schlechthin ungeeignet“ ist. Für das Merkmal der Eignung einer gesetzlichen Regelung ist zudem nicht entscheidend, ob der gewünschte Erfolg tatsächlich eintritt; vielmehr begründet schon die abstrakte Möglichkeit der Zweckerreichung die Geeignetheit des gesetzgeberischen Mittels. Bei der Bestimmung der zur Verfolgung seiner Ziele geeigneten und erforderlichen Maßnahmen steht dem Gesetzgeber außerdem ein weiter Gestaltungsspielraum zu.

Diese Voraussetzungen seien hier eingehalten. Insbesondere sei es im Rahmen der jetzigen Regelung möglich, einen Kunden noch zu beraten, bevor dieser das Medikament an sich genommen und damit seine Entscheidung schon getroffen habe. Es bestehe hier die Gefahr, dass eine „Beratung“ in der Eile des Bezahlvorgangs unterbleibe oder generell unterschätzt werde; letztlich entstünde eine Situation, im Rahmen derer der Kunde das Medikament aufgrund seiner laienhaften Diagnose aussuche (OVG Münster, Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 A 182/08, Rn. 31 (juris)). Das OVG hält also fest:

Diese Umstände begründen die Gefahr eines unkritischen und gefährlichen Arzneimittelkonsums, der nach dem Grundsatz der Arzneimittelsicherheit gerade vermieden werden soll.

Weiterhin sieht das OVG eine Vergleichbarkeit mit dem Online-Versandhandel nicht gegeben (OVG Münster, Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 A 182/08, Rn. 34 (juris)).:

Dies kann jedoch nicht in gleicher Weise für das Angebot apothekenpflichtiger Arzneimittel zur Selbstbedienung gelten. Der Versandhandel wird typischerweise für den Bezug von Arzneimitteln genutzt, bei denen der Kunde keinen Beratungsbedarf sieht, weil ihm das Medikament bereits bekannt oder er nicht darauf angewiesen ist, es sofort verwenden zu müssen oder zu wollen. Dies ist bei einem Arzneimittel, das vor Ort in der Apotheke erworben wird, grundsätzlich anders, auch wenn es im Einzelfall dem Kunden schon vertraut sein mag. Der Erwerb eines Arzneimittels vor Ort in einer Apotheke deutet regelmäßig darauf hin, dass es sich gerade nicht um häufiger angewendete Medikamente handelt und dass das Medikament kurzfristig bei einem Patienten zum Einsatz kommen soll. Umso wichtiger ist entsprechend dem Grundsatz größtmöglicher Arzneimittelsicherheit eine vorherige Beratung durch den Apotheker oder das pharmazeutische Personal einer Apotheke, um die Wirkungsweise des Mittels zu erklären und eine fehlerhafte oder gar schädliche Anwendung desselben zu verhindern und um möglicherweise ein anderes geeigneteres Präparat zu empfehlen. Dies ist, wie dargelegt, beim erleichterten Erwerb in Form der Selbstbedienung, bei dem der Kunde selbst das Medikament auswählt und an sich nimmt und bei dem – wenn überhaupt – allenfalls am Ende des Erwerbsvorgangs eine Beratung erfolgen kann, nicht hinreichend gewährleistet.

Im Rahmen der Angemessenheit hält das OVG fest, dass hier keine besondere Härte für den Kläger erkennbar sei (OVG Münster, Urteil vom 19.08.2010, Az. 13 A 182/08, Rn. 34 (juris)).

Anhaltspunkte dafür, dass die weitere Einhaltung des seit Jahrzehnten gesetzlich normierten Selbstbedienungsverbots für einen Apotheker im Allgemeinen und speziell für den Kläger eine übermäßige Belastung bedeutet und unzumutbar ist, sind gleichfalls nicht gegeben.

Aus den genannten Gründen sieht das OVG auch keinen Verstoß gegen Art. 3 GG.

Die vorstehenden Erwägungen zur Unterschiedlichkeit der Merkmale des Versandhandels von Arzneimitteln und des Selbstbedienungsverbots bei Arzneimitteln nach § 17 Abs. 3 ApBetrO begründen auch die Folgerung, dass das weiterhin geltende Selbstbedienungsverbot unter dem Blickwinkel des Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegt, auch nicht im Hinblick auf die erfolgte Freigabe des Versandhandels von Arzneimitteln.

In der Pressemitteilung des BVerwG heißt es hierzu:

Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz liegt nicht vor. Die Reglementierung des Versandhandels zielt darauf ab, Verbraucherschutz und Arzneimittelsicherheit zu gewährleisten. Wie beim Kauf in der Apotheke unterliegt auch die Arzneimittelabgabe im Versandhandel der Kontrolle durch den Apotheker; eine Selbstbedienung findet nicht statt. Besondere Regelungen zur Beratung durch pharmazeutisches Personal zeigen, dass der Normgeber diesem Aspekt auch beim Versandhandel eine wichtige Bedeutung beimisst.

Fazit: Die Apotheke entwickelt sich wie die Schule zu einem Tummelplatz für Klassiker des Verwaltungs- und Verfassungsrechts (vgl. hier, hier oder hier). Hier treffen besondere Interessen aufeinander: Volksgesundheit, Arzneimittelsicherheit, Preisregulierung, aber auch handfeste wirtschaftliche Interessen. Dabei ist die Entscheidung des OVG (und bei Erscheinen auch des BVerwG) vor allem deshalb lesenswert, weil man hier erkennen kann, wie eine Prüfung des Art. 12 GG auszusehen hat. Vor allem die Äußerungen zur Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers sind nahezu lehrbuchartig. Die Einschätzung zu Art. 3 GG mag man für spitzfindig halten und muss man meiner Meinung nach nicht unbedingt teilen. Hier bleibt jedenfalls viel Raum für eigene Argumente. Nicht nur deshalb ist die Entscheidung also als examensrelevant einzustufen.
Der Verfahrensgang laut Pressemitteilung:

BVerwG 3 C 25.11 – Urteil vom 18. Oktober 2012
OVG Münster, 13 A 182/08 – Urteil vom 19. August 2010
VG Aachen, 7 K 1622/03 – Urteil vom 7. Dezember 2007

24.10.2012/2 Kommentare/von Dr. Simon Kohm
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Simon Kohm https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Simon Kohm2012-10-24 15:09:552012-10-24 15:09:55BVerwG bestätigt OVG Münster: Selbstbedienung in Apotheken bleibt untersagt

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