Mündliche Prüfung im Zivilrecht – 1. Staatsexamen – April 2017 – NRW
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Die nachfolgende Prüfung im öffentlichen Recht aus dem 1. Examen hat Ende April 2017 in NRW stattgefunden:
- Zum Vorgespräch und zum Prüfer
Herr X ist Richter, was man ihm auch anmerkt. Er steht regelrecht auf aktuelle Fälle der Verwaltungsgerichte in Münster, weshalb es empfehlenswert ist, da mal auf aktuelle oder wichtige Fälle ein Auge zu werfen. Insgesamt war Herr X nicht der freundlichste unserer Prüfer, aber durchaus nett und höflich. Er übte keinen strengen Ton aus und war doch sehr bedacht, das beste aus uns rauszuholen. Wenn man mal etwas nicht wusste, dann bohrte er nicht ewig nach, sondern akzeptierte – zumindest bei schwierigen Fragen – auch ein „Das weiß ich leider nicht“ und fragte dann in die Runde. Herr X ist kein Glückgriff, aber sicher auch kein Grund, sich zu ärgern.
- Zur Prüfung
Herr. X begann direkt mit einem Fall, der sehr aktuell ist: Bei der in Köln wohnhaften S klingelt es um am 22.04.2017 um 7 Uhr morgens an der Tür und der Polizeibeamte B steht vor ihrer Tür, will Einlass. Er möchte das Wohnzimmer der B „beschlagnahmen“, um von dem dort gelegenen Fenster im 4. Stock die Demonstrationen auf dem Heumarkt zu filmen und zu beobachten, die aufgrund des in Köln stattfindenden AFD-Parteitags veranstaltet wurden. Die S könne ansonsten die Wohnung nach ihrem Belieben nutzen, lediglich der Flur würde eventuell mit Equipment für die Videoaufnahmen zugestellt.
Die S ist natürlich überhaupt nicht begeistert, es ist ihr freier Tag und sie wollte gerne „ausschlafen“. Diesen Unmut tut sie kund, woraufhin der Polizeibeamte ihr einen handschriftlichen Zettel in die Hand drückt, auf den er zuvor „Beschlagnahmeverfügung vom 22.04.2017“ geschrieben hat. Der PolBeamte beginnt direkt mit dem Aufstellen der Sachen und filmt die Demonstration. Um 15 Uhr verlässt er die Wohnung mitsamt Equipment ohne einen Schaden an der Wohnung oder den Sachen zu hinterlassen mit den Worten „War doch alles nicht so schlimm“.
Die S fragt ihren Rechtsbeistand direkt danach, was sie nun tun könne. Diese Frage gab er an uns weiter.
Eine Kandidatin kam dran und sagte, dass S nun vor die Verwaltungsgerichte ziehen könne. Sie schlug eine Anfechtungsklage vor, woraufhin Herr X aber darauf hinwies, dass die „Beschlagnahme“ ja erledigt sei. Schließlich einigten wir uns auf Fortsetzungsfeststellungsklage. Wir prüften die Zulässigkeit mit der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweg und der Klagebefugnis (Möglichkeitstheorie will Herr X da hören). Im Rahmen einer abdrängenden Sonderzuweisung kam der Kandidat leider nicht auf den Unterschied zwischen repressivem und präventivem Polizeihandeln, worauf hin ich mit einem Blick Herrn X klarmachte, dass ich dazu gerne was sagen würde und er nahm mich dran. Also sprach ich etwas über den Unterschied. Herr X fragte, wie man denn herausfinden könne, ob Polizeihandeln repressiv oder präventiv sei, woraufhin ich auf die Akteneinsicht verwies. Herr X wollte einen Paragraphen hören, sodass ich – leicht verwirrt – im PolG blätterte, obwohl natürlich das VwVfG hier einschlägig ist. Ich bemerkte den Fehler und sagte, dass ich nun ins VwVfG gucke, aber nicht mehr genau wüsste, wo die Norm zu finden sei, was Herr X aber freundlich als „ist auch nicht so wichtig, die kann ich auch nennen“ abtat.
Ich wies auf das Rechtsschutzbedürfnis hin, sagte leider aber „Allgemeines RSB“ dazu, woraufhin Herr X mich korrigierte und sagte, dass ja sogar mehr verlangt werden würde. Ich bemerkte meinen Fehler und nannte das „Qualifizierte Rechtsschutzbedürfnis“. Ich sollte nennen, was dies ausmache. Ich nannte das Präjudiz-Interesse, das Rehabilitationsinteresse und die Wiederholungsgefahr. Leider fiel mir nicht mehr ein, dass auch jedweder Grundrechtseingriff noch in Frage kommt, sodass die Frage weitergegeben wurde. Der nächste sollte dann nennen, welches Grundrecht in Frage käme und verwies auf Art. 13 GG. Sodann kam ich auch wieder dran und sollte nun nennen, welches Qual. RSB hier in Frage käme. Ich sprach etwas über das Präjudiz-Interesse und erwähnte die „normalen“ Gerichte im Rahmen eines Amtshaftungsanspruchs, woraufhin Herr X mich fragte, ob das das richtige Wort sei. Ich korrigierte dann auf „ordentliche Gerichtsbarkeit“. Das PJI lehnte Herr X jedoch ab und fragte mich, warum das in diesem Fall nicht in Frage käme. Ich wusste keine Antwort, woraufhin jemand anderes für diese Frage drangenommen wurde. Weiter sollte ich dann das Rehabilitationsinteresse prüfen und die Wiederholungsgefahr. Ich entschied mich für die Wiederholungsgefahr, weil der Heumarkt als Stätte für Demonstrationen häufiger in Frage kommt und die S daher eventuell erneut ihre Wohnung zur Verfügung stellen müssen könnte. Daraufhin kam der nächste Kandidat dran und prüfte einen eventuellen Grundrechtseingriff (Artikel 13). Wir bejahten insgesamt das qual. RSB und der Kandidat prüfte noch den richtigen Klagegegner (Rechtsträgerprinzip, Land NRW – Polizei ist Landessache) und die Beteiligten- und Prozessfähigkeit.
Somit kamen wir zur Begründetheit der Klage. Eine Kandidatin wollte eine Sicherstellung aus dem PolG als EGL prüfen, was Herr X jedoch ablehnte, da es da um eine Gefahr ginge, die von einer Sache ausgeht. Mit einem direkten Blick an Herrn X machte ich deutlich, dass ich die richtige EGL nennen wolle, woraufhin er mich nach einigem Zögern der Kandidatin dran nahm und ich auf §8 PolG NRW hinwies, da hier keine der Standardmaßnahmen in Frage kommt. Ich nannte die Ermächtigungsgrundlage und wollte direkt den Tatbestand dieser prüfen, was Herrn X nicht zu gefallen schien, woraufhin ich unterbrach, um auf die formelle Rechtmäßigkeit zu kommen. Es ist also wichtig, hier wirklich direkt am Aufbauschema zu arbeiten, auch wenn Herr X ein Praktiker ist, ist ihm das sehr wichtig, zumal es hier ja auch Probleme mit der formellen Rechtmäßigkeit geben könnte, die ich in der Nervösität aber vergessen hatte. Das Problem ist nämlich der handschriftlich erteilte Zettel. Nachdem ich Verfahren, Form und Zuständigkeit genannt habe, kam ein anderer Kandidat dran und sollte etwas zur Problematik im Rahmen des Verfahrens und der Form nennen.
Ich muss zugeben, dass ich ab da etwas abgeschaltet habe, da Herr X mir deutlich machte, wohl nicht mehr dranzukommen, weil ich schon recht viel gesagt habe. Jedenfalls bejahten wir das richtige Verfahren und die richtige Form und prüften dann, ob eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ODER Ordnung vorliegt (ganz wichtig, denn, dass die Kandidatin „und Ordnung“ sagte, gefiel Herrn X offensichtlich überhaupt nicht, er machte darüber sogar einen Scherz, indem er das UND betonte und danach mit den anderen Kollegen etwas spöttisch lachte, aber nicht abfällig, sondern eher die angespannte Situation etwas auflockernd). Die Kandidatin prüfte dann weiter die Gefahr, die eine hinreichende Wahrscheinlichkeit erfordert. Herr X wollte dann wissen, ob „hinreichend“ hier tatsächlich ausreicht im Rahmen einer Wohnungs“übernahme“ durch die Polizei. Der letzte Kandidat verwies dann auf Artikel 13 Abs. 7 GG, der von einer „gemeinen“ Gefahr ausgeht. Herr X fragte, was denn nun gelte, die hinreichende Gefahr aus §8 PolG oder die gemeine Gefahr aus Art. 13 Abs 7 GG. Der Kandidat, übrigens der beste unserer Gruppe, hielt dann einen „Kurzvortrag“ über des Gebot der verfassungskonformen Auslegung und da wir bereits über der Zeit waren, unterbrach Herr X irgendwann den wirklich sehr guten „Vortrag“ des Kandidaten mit den Worten, dass das Gespräch nun beendet sei.
Herr X ist von unseren Prüfern tatsächlich der strengere gewesen. Ich hatte im Vorfeld der Prüfung am meisten „Angst“ vor ihm, da die Protokolle eher auf einen sehr strengen Prüfer schließen ließen. Das kann ich ganz und gar nicht bestätigen, nett war er durchweg, und sein Fall sowie die Fragen dazu waren alle machbar. Eventuell lag es aber auch daran, dass wir eher eine schwächere Gruppe waren.
Ich wünsche euch jedenfalls viel Glück und Erfolg!
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