BGH: Käufer trifft auch bei zweimaligen Fehlschlagen der Nachbesserung keine Beweislast für die Ursache des Sachmangels
In einer aktuellen Entscheidung des BGH (VIII ZR 266/09 – Urteil vom 09.03.2011) geht es um die die Frage, ob ein Käufer bei zweimaliger erfolgloser Nachbesserung beweisen muss, dass die Ursache für den Mangel (und nicht nur lediglich das erkennbare Mangelsymptom) weiterhin fortbesteht.
Sachverhalt
Die Leasing GmbH K hat von V ein Cabriolet erworben und und den Kaufpreis in Höhe von 68.000 Euro an V gezahlt. Daraufhin schließt die K mit dem L, der das Fahrzeug zu Geschäftszwecken benötigt, im Mai 2004 einen Leasingvertrag über das Cabriolet unter Abtretung aller ihr zustehenden Mängelrechte aus dem Kaufvertrag gegen V. Die Lieferung des Fahrzeugs an L erfolgt bereits Anfang Juni 2004.
Schon nach kurzer Zeit zeigen sich erste Mängel an dem Kfz. Der Motor läuft nicht „rund“, während der Fahrt treten Rüttelgeräusche auf und insgesamt lässt sich ein erheblicher Leistungsverlust feststellen. Dazu kommen unregelmäßige „Verbrennungsaussetzer“, die jeweils einen Neustart des Cabrio notwendig machen. Bei zwei Reparaturen im Juli und im September 2004 werden von V verschiedene Einzelteile ausgetauscht, die er für die Ursache der Störung hält. Als im Oktober 2004 die Probleme erneut auftreten, hat L genug. Er tritt von dem Kaufvertrag in Ausübung der an ihn abgetretenen Mängelrechte zurück und verlangt die Rückzahlung des Kaufpreises an die K abzüglich der ihm entstandenen Gebrauchsvorteile, Zug-um-Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs an V. V ist der Ansicht, es ließe sich nicht klären, ob die Nachbesserungsversuche tatsächlich erfolglos waren und ob die auftretenden Probleme nicht möglicherweise auf andere Ursachen zurückzuführen seien, die nicht von seiner Pflicht zur Nacherfüllung umfasst sind. Jedenfalls müsse L die Erfolglosigkeit der Nachbesserung darlegen und beweisen. Kann L gemäß §§ 437 Nr. 2, 440, 439, 323 BGB zurücktreten?
Käufer muss nicht die Ursache für den Fehlschlag der Nachbesserung beweisen
Grundsätzlich gilt, dass sich der Verkäufer nicht mehr auf die Mangelfreiheit der Sache bei Gefahrübergang berufen kann, sobald er den Kaufgegenstand zur Nachbesserung angenommen hat. Nach Ansicht des Berufungsgericht gelte dementsprechend, dass die Empfangnahme der Sache durch den Käufer nach dem Nachbesserungsversuch zu einer Umkehr der Beweislast führe (vgl. auch § 363 BGB zur Beweislast bei Annahme als Erfüllung). Wer sich als Käufer auf eine Nachbesserung einlasse, müsse die Beweislast bei einem Fehlschlag bezüglich dessen Ursachen tragen. Der BGH tritt dem entgegen:
Das Berufungsgericht verkennt, dass der Käufer grundsätzlich nicht die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, auf welche Ursache ein Sachmangel der verkauften Sache zurückzuführen ist.Etwas anderes gilt nur, wenn nach einer vorausgegangenen Nachbesserung durch den Verkäufer ungeklärt bleibt, ob das erneute Auftreten des Mangels auf der erfolglosen Nachbesserung oder auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach deren erneuter Übernahme durch den Käufer beruht(Senatsurteil vom 11. Februar 2009 – VIII ZR 274/07, NJW 2009, 1341 Rn. 23). Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor.
Der Käufer ist beweisbelastet dafür, dass ein Mangel bei Übergabe der Kaufsache (§ 434 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 446 Satz 1 BGB) vorlag und dieser trotz Nachbesserungsversuchen des Verkäufers weiter vorhanden ist. Die aus § 363 BGB folgende Beweislastverteilung gilt gleichermaßen, wenn der Käufer die Kaufsache nach einer erfolglosen Nachbesserung wieder entgegengenommen hat. In diesem Fall muss der Käufer das Fortbestehen des Mangels, mithin die Erfolglosigkeit des Nachbesserungsversuchs, beweisen.
Daher kommt es auch nicht darauf an, auf welche Ursache der Mangel konkret zurückzuführen ist. Ob möglicherweise ein anderer Defekt ursächlich für den erkennbaren Mangel geworden ist, ist nicht ausschlaggebend.Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts obliegt es dem Kläger dagegen nicht nachzuweisen, dass die vom Sachverständigen bestätigten Verbrennungsaussetzer auf derselben Ursache wie die kurz nach der Übergabe des Fahrzeugs aufgetretenen Motorstörungen beruhen. Das Berufungsgericht verkennt, dass es nicht darauf ankommt, ob ein Sachmangel möglicherweise auf eine neue Mangelursache zurückgeführt werden kann, wenn die Mangelursache allein im Fahrzeug zu suchen ist und nicht auf einer unsachgemäßen Behandlung seitens des Käufers oder eines Dritten beruhen kann. So ist es hier.
Da eine unsachgemäße Behandlung des Fahrzeugs durch den Käufer im vorliegend Fall nicht erkennbar ist, trifft L diesbezüglich auch keine Beweispflicht. Dass das Fahrzeug weiterhin die gleichen Motorstörungen aufzeigt, genügt.
Auswirkung der (Nicht-) Anwendbarkeit von § 476 BGB auf die Rechtslage
Da es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf nach § 474 BGB handelt, kann sich L zwar insgesamt nicht auf die Beweislastregel gem. § 476 BGB berufen, nach der Art des Mangels (Motorenstörung) hat dieser – nach Meinung des BGH – unzweifelhaft schon bei Gefahrübergang vorgelegen. Die darauf folgende, streitige Sachlage im Zuge der Nachbesserung (Mangelsymptome sind die gleichen geblieben) knüpft hieran an. Dass Beweisschwierigkeiten bestehen und die Vermutung des § 476 BGB nicht greift, darf nicht – im Umkehrschluss – zu Lasten des Käufers gehen bzw. zu einer strengeren Betrachtung der Sach- und Rechtslage führen.
Bei dieser Sachlage kann, auch wenn mangels Vorliegens der Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs nicht die Vermutung des § 476 BGB zugunsten des Klägers eingreift, kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass der Sachmangel – die Ursache der damals aufgetretenen Mangelsymptome – bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs des Fahrzeugs vorlag. […] Diese Ungewissheit [bezüglich der genauen Ursache – Anm.] geht indessen entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu Lasten des Klägers. Der Käufer genügt seiner Beweislast für das Fehlschlagen der Nachbesserung durch den Nachweis, dass das Mangelsymptom – hier: zeitweiliger Leistungsverlust, Rütteln und unrunder Lauf des Motors – weiterhin auftritt. Anders verhält es sich nur dann, wenn das erneute Auftreten des Mangelsymptoms möglicherweise auf einer unsachgemäßen Behandlung der Kaufsache nach deren erneuter Übernahme durch den Käufer beruht. […]Dafür bestehen im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte.
Keine Unwirksamkeit des Rücktritts wegen Unerheblichkeit des Mangels gemäß § 323 Abs.5 S.2 BGB
Durch die vom Berufungsgericht festgestellten Verbrennungsaussetzer wird die Gebrauchstauglichkeit des Fahrzeugs mehr als nur unerheblich beeinträchtigt. Nach den Angaben des Kraftfahrzeugsachverständigen W. in der mündlichen Verhandlung vom 13. Oktober 2008, auf die das Berufungsgericht sich stützt, traten bei einer von dem Sachverständigen durchgeführten Probefahrt mehrmals in kurzer Folge Verbrennungsaussetzer auf, die zur Folge hatten, dass das Fahrzeug jeweils angehalten und neu gestartet werden musste. Derartige Einschränkungen der Gebrauchstauglichkeit, die nicht nur den Fahrkomfort schmälern, sondern je nach der Verkehrssituation, in der sie auftreten, darüber hinaus die Verkehrssicherheit beeinträchtigen können, stellen, auch wenn sie nur sporadisch auftreten, einen erheblichen Mangel dar.
Fazit
L kann von dem Vertrag zurücktreten. Der BGH stärkt damit die Mängelrechte des Käufers, indem auch nach zweimaliger Nachbesserung der Käufer nicht gehalten ist, die Ursache für den Mangel (bzw. für das Fehlschlagen der Nachbesserung) darzulegen. Es genügt somit, dass der Kaufgegenstand weiterhin einen erkennbaren Mangel aufweist, der sich mit dem bis dahin festgestellten Mangel deckt. Der Verkäufer kann sich gerade nicht damit entlasten, er habe die Ursachen für den Defekt beseitigt. Diese Wertung erscheint sachgerecht. Der Käufer würde ansonsten durch Geltendmachung seines Anspruchs auf Nacherfüllung schlechter gestellt werden, wenn er bei einem Rücktritt nach einem Fehlschlag der Nachbesserung nunmehr (auch) die Ursache des Mangels erforschen müsste. Es liegt jedoch regelmäßig in der Verantwortung und im Pflichtenkreis des Verkäufers, dass die Nachbesserung zu dem gewünschten Ergebnis (Beseitigung des Mangels) führt. Warum bei einem zweimaligen Fehlschlag der Verkäufer einen Vorteil bei der Beweisführung erhalten soll, ist nicht ersichtlich. Für diese Auffassung spricht auch die Vorschrift des § 440 S.2 BGB, die regelmäßig zu Lasten des Verkäufers geht (Palandt/Weidenkoff § 440 Rz. 11). Lediglich bei einem nicht ordnungsgemäßen Gebrauch der Sache durch den Käufer, ist eine andere Beweislastverteilung gerechtfertigt, wenn nicht auszuschließen ist, dass der auftretende Mangel auf eine Handlung des Käufers zurückzuführen ist. Es bleibt damit dabei, dass der Käufer stets nur zu beweisen hat, dass an dem Kaufgegenstand ein Mangel erkennbar wird (Palandt/Weidenkaff § 434 Rz. 59).
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