BGH: Schadensersatzpflicht des Vermieters bei zu Unrecht verweigerter Untervermietungserlaubnis
Mit Urteil vom 11.06.2014 (Az.: VIII ZR 349/13) hat der BGH in Fortsetzung seiner oftmals mieterfreundlichen Rechtsprechung entschieden, dass der Vermieter sich im Falle einer zu Unrecht verweigerten Erlaubnis zur Untervermietung eines Teils der Mietwohnung schadensersatzpflichtig macht.
Sachverhalt:
In dem zu entscheidenden Fall klagte ein Ehepaar aus Hamburg gegen seinen Vermieter. Die Kläger waren seit 2001 Mieter der betreffenden Wohnung. Seit dem 15.11.2010 hielten sie sich in Kanada auf, da der Ehemann dort eine mehrjährige befristete Arbeitstätigkeit aufgenommen hatte. Mit Schreiben vom 19.08.2010 unterrichteten die Kläger den Beklagten von ihren Umzugsplänen und verlangten dessen Zustimmung zur Untervermietung von zwei der drei Zimmer der Mietwohnung für den betreffenden Zeitraum. Das weitere Zimmer beabsichtigten die Kläger weiterhin selbst zu nutzen, einerseits zur Lagerung von Einrichtungsgegenständen, andererseits zwecks eigener Übernachtung bei Besuchen. Die Untermietinteressentin wurde dabei namentlich benannt. Der beklagte Vermieter verweigerte die seine Zustimmung zur Untervermietung. Er wurde mit Urteil des AG Hamburg vom 04.10.2011 dazu verurteilt, die begehrte Untervermietung bis zum 31.12.2012 zu gestatten. Dies tat er gleichwohl nicht.
Mit ihrer Klage begehren die Mieter nun Ersatz des ihnen durch die verweigerte Erlaubnis zur Untervermietung entstandenen Schadens aus entgangenen Mieteinnahmen in Höhe von 7475,- € nebst Zinsen. In erster und zweiter Instanz wurde der Beklagte vom AG Hamburg (Urteil vom 06.06.2013) und LG Hamburg (Urteil vom 26.11.2013) zur Zahlung des verlangten Betrages verurteilt. Hiergegen legte er Revision zum BGH ein.
Entscheidung:
Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg.
Der BGH hielt das Schadensersatzverlangen der Kläger für begründet. Der Anspruch resultiere vorliegend aus § 280 Abs. 1 i.V.m. § 553 Abs. 1 BGB.
1. Schuldverhältnis
Das Schuldverhältnis bestand hier in dem unstreitig 2001 zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag über Wohnraum gemäß §§ 549 Abs. 1, 535 BGB.
2. Pflichtverletzung
Die Pflichtverletzung konnte allein darin bestehen, dass der Vermieter zu Unrecht die Erteilung seiner Zustimmung zur Untervermietung eines Teil der Mietwohnung versagt hatte.
Maßgeblich ist an dieser Stelle also, ob eine Pflicht der Vermieters zur Erteilung der Erlaubnis bestand, ob also die Mieter einen Anspruch auf die begehrte Erlaubnis hatten. Der Anspruch könnte sich im vorliegenden Fall aus § 553 Abs. 1 BGB ergeben. Darin heißt es:
„Entsteht für den Mieter nach Abschluss des Mietvertrages ein berechtigtes Interesse, einen Teil des Wohnraums einem Dritten zum Gebrauch zu überlassen, so kann er von dem Vermieter die Erlaubnis hierzu verlangen. Dies gilt nicht, wenn in der Person des Dritten ein wichtiger Grund vorliegt, der Wohnraum übermäßig belegt würde oder dem Vermieter die Überlassung aus sonstigen Gründen nicht zugemutet werden kann.“
Damit ergeben sich für einen Anspruch auf Erteilung der Untermieterlaubnis nach § 553 Abs. 1 BGB folgende Voraussetzungen: a) Vorliegen eines Wohnraummietvertrages, b) berechtigtes Mieterinteresse nach Abschluss des Mietvertrages an c) der Gebrauchsüberlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte sowie als Negativvoraussetzung nach § 553 Abs. 1 S. 2 BGB d) keine Unzumutbarkeit der Untervermietung für den Vermieter.
a) Wohnraummietverhältnis
Bei dem zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag handelte es sich unproblematisch um einen solchen über Wohnraum.
b)Nachträgliches berechtigtes Interesse des Mieters
Weiterhin müssten die Mieter ein berechtigtes Interesse an der Untervermietung haben, das erst nach dem Mietvertragsschluss entstanden ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach der allgemeinen Beweislastverteilung von den Mietern zu beweisen.
Das Interesse an der Untervermietung wird von der Rechtsprechung seit jeher grundsätzlich mieterfreundlich ausgelegt und bereits dann bejaht, wenn ein vernünftiger Grund gleich welcher Art vorliegt. Insbesondere kommen hier als vernünftige Gründe wirtschaftliche, familiäre oder persönliche Veränderungen der Verhältnisse des Mieters in Betracht. Auch kann etwa eine Verschlechterung der Vermögenslage ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 BGB darstellen.
In dem zugrundeliegenden Fall sah der BGH das berechtigte Interesse der Kläger darin, von berufsbedingt entstehenden Reise- und Wohnungskosten entlastet zu werden. Mobilität und Flexibilität im Arbeitsleben seien gerade heutzutage von gesteigerter Wichtigkeit, was bei der Annahme eines berechtigten Mieterinteresses als bedeutender Faktor berücksichtigt werden müsse. Daher liege ein berechtigtes Interesse hier vor.
Dieses war auch erst nachträglich entstanden, denn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses 2001 war die Aufnahme einer Tätigkeit im Ausland für die Mieter noch nicht absehbar gewesen.
c) Gebrauchsüberlassung eines Teils der Wohnung an Dritte
Weitere Voraussetzung des Anspruchs nach § 553 Abs. 1 BGB ist zudem, dass der Mieter nur die Erlaubnis zur teilweisen Gebrauchsüberlassung an Dritte begehrt. Nicht erfasst von dieser Norm ist also das Begehren des Mieters gerichtet auf eine vollständige Überlassung der Mietwohnung zum Gebrauch eines Dritten. Auf diesen Fall ist nicht § 553 Abs. 1 BGB anwendbar, sondern § 540 BGB.
Exkurs: Nach § 540 BGB ist der Mieter zunächst zur Untervermietung nicht ohne Zustimmung des Vermieters berechtigt. Im Falle der verweigerten Zustimmung besteht lediglich ein Recht des Mieters zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses. Die Regelung des § 540 BGB ist dispositiv, kann also zumindest individualvertraglich abbedungen werden. Wird entgegen § 540 Abs. 1 BGB unbefugt ein Untermietverhältnis durch den Mieter begründet, so macht er sich gegenüber dem Vermieter schadensersatzpflichtig, sofern der Dritte Schäden an der Mietsache verursacht, unabhängig vom Grad des jeweiligen Verschuldens. Darüber hinaus steht dem Vermieter ein Kündigungsrecht nach § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu und er kann auf Unterlassung der Gebrauchsüberlassung nach § 541 BGB klagen. Einen Anspruch auf Herausgabe der erlangten Untermiete hat der Vermieter hingegen nicht. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 812 BGB oder § 816 BGB, denn der Untermieterlös steht dem Vermieter unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt als „ihm zugewiesener Erlös“ zu (vgl. schon BGH NJW 1964, 2296).
Der BGH bejahte hier eine nur teilweise Gebrauchsüberlassung. Der § 553 Abs. 1 BGB stelle weder quantitantive, noch qualitative Anforderungen an die beabsichtige weitere Teilnutzung durch die Mieter. Insofern sei die Nutzung eines Zimmers in einer Dreizimmerwohnung ausschließlich zur Lagerung und eigenen Übernachtungen in seltenen Fällen des Inlandsbesuches ausreichend, um eine teilweise Weiternutzung des Wohnraums zu bejahen. Entscheidend sei nur, dass der Gewahrsam an der Wohnung nicht vollständig aufgegeben werde. Das sei aber erkennbar nicht der Fall, wenn Einrichtungsgegenstände, die im Eigentum des Mieters stehen, dort weiter gelagert werden.
Somit war das Begehren der Kläger hier auf eine nur teilweise Gebrauchsüberlassung an Dritte gerichtet.
d) Keine Unzumutbarkeit
Es dürfte auch keine Unzumutbarkeit für den Vermieter bestehen, die mit der Erteilung der Erlaubnis verbunden wäre.
Ein benannter Unzumutbarkeitsgrund nach § 553 Abs. 1 S. 2 BGB scheidet zunächst aus. Die Mietinteressentin wurde von den Klägern dem Beklagten gegenüber namentlich benannt, was Voraussetzung für den Anspruch auf Erlaubniserteilung ist, auch wenn sich dies nicht unmittelbar aus dem Gesetz entnehmen lässt. Ein wichtiger Grund in der Person der potentiellen Untermieterin lag nach den Angaben des Sachverhalts auch nicht vor. Eine Überbelegung der Wohnung war darüber hinaus nicht zu befürchten, ganz im Gegenteil, denn die Wohnung sollte vorübergehend nur von einer Person statt wie zuvor von zweien bewohnt werden. Sonstige Unzumutbarkeitsgründe kamen zudem nicht in Betracht. Insbesondere war auch eine Nutzung zu Wohnzwecken und damit im Rahmen der vertragsgemäßen Bestimmung angestrebt.
Es fehlt daher auch an einer Unzumutbarkeit der Erlaubniserteilung für den Vermieter.
e) Ergebnis
Danach hatten die Kläger einen Anspruch auf die Erteilung der Untermieterlaubnis durch den Vermieter nach § 553 Abs. 1 BGB. Indem der Beklagte die Erlaubnis verweigerte, hat er eine Pflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB begangen.
3. Verschulden
Das Verschulden des Vermieters an der Pflichtverletzung wird nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Die Vermutung ist vorliegend auch nicht widerlegt.
Insbesondere ergibt sich ein fehlendes Verschulden nicht daraus, dass sich der Beklagte in einem unverschuldeten Rechtsirrtum befunden hat. Auch wenn eine höchstrichterliche Entscheidung zur Erlaubnispflicht in einer solchen Konstellation bislang noch nicht getroffen wurde, so dürfe sich nach Ansicht des BGH der Vermieter gleichwohl nicht der Möglichkeit verschließen, dass er zur Erteilung der Erlaubnis verpflichtet sei. Dies sei schon wegen der bestehenden Rechtsunsicherheit nicht legitim gewesen und könne ein mangelndes Verschulden keineswegs begründen.
4. Schaden
Ein kausaler und ersatzfähiger Schaden ist den Klägern in Höhe des Mietausfalls in Höhe von 7475,- € entstanden.
5. Ergebnis
Nach allem besteht ein Anspruch der Kläger auf Schadensersatz gegen den Beklagten in Höhe des begehrten Betrages gemäß §§ 280 Abs. 1 i.V.m. § 553 Abs. 1 BGB.
Stellungnahme:
Mit dem vorliegenden Urteil stärkt der BGH abermals die Rechte des Mieters im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen. Nach der bereits im Januar ergangenen Entscheidung zum Umfang einer erteilten Untermieterlaubnis ist dies bereits das zweite bedeutsame Urteil des BGH zum Wohnraummietrecht in diesem Jahr.
Das Urteil ist aus Mietersicht zu begrüßen, denn tatsächlich ist die Lösung praxistauglich und erkennbar an dem real zunehmend wichtiger werdenden Bedürfnis des Mieters orientiert, erhöhte Flexibilität im Berufsleben bieten zu können. Die Lösung des Falles erfolgt nah am Gesetz und bietet insofern dogmatischer Perspektive wenig Angriffsfläche. Auch aus Vermietersicht führt die Entscheidung m.E. nicht zu unbilligen Härten. Mit dem schon gesetzlich verankerten Kriterium der fehlenden Unzumutbarkeit wird auch den Vermieterinteressen ausreichend Rechnung getragen.
Wesentlich ist in Fällen des § 553 Abs. 1 BGB im Gegensatz zu § 540 BGB eben die Tatsache, dass der Mieter seinen Lebensmittelpunkt nicht dauerhaft verlagern will und dies gerade auch in der tatsächlichen teilweisen Weiternutzung zum Ausdruck bringt. Das macht ihn gegenüber demjenigen Mieter, der für einen befristeten Zeitraum den Gewahrsam an der gesamten Mietwohnung aufgeben will, schutzwürdiger. Gleichzeitig dürfen – wie hier vom BGH bestätigt – an das Erfordernis teilweiser Weiternutzung nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden. Gerade in dem praktisch relevanten Fall, in dem der Mieter vorübergehend andernorts eine Anstellung annimmt, werden seine Einwirkungsmöglichkeiten auf den weitergenutzten Teil der Mietwohnung naturgemäß und in Abhängigkeit von der Entfernung der neuen Arbeitsstätte zur Mietwohnung nicht all zu hoch sein.
Gleichwohl eröffnet eine derart weite Auslegung des Begriffs der teilweisen Weiternutzung natürlich auch Umgehungsmöglichkeiten für den Mieter. Er wird es oftmals selbst in der Hand haben, durch geringfügige Weiternutzung geringer Teile der Wohneinheit den Anwendungsbereich des § 553 Abs. 1 BGB auszudehnen, während sich derjenige des § 540 BGB reduziert. Abzuwarten bleibt insofern, wie weitere Konstellationen vom BGH entschieden werden werden, in denen etwa allein die Lagerung von Einrichtungsgegenständen das erklärte Ziel der teilweisen Weiternutzung ist oder lediglich mitvermietete Räume wie Keller- oder Dachbodenräume vom Mieter als Stauraum weiter genutzt werden sollen. Jedenfalls in letzterem Fall dürfte die Grenze zur vollständigen Gewahrsamsaufgabe wohl überschritten sein.
Als Grundsatzentscheidung zum Recht der Untervermietung bei Wohnraummietverhältnissen besitzt die Entscheidung eine hohe Examensrelevanz für das erste wie zweite Staatsexamen. Hier lassen sich allgemeine Kenntnisse zum Wohnraummietrecht sowie zum allgemeinen Schuldrecht optimal mit Kenntnissen zur aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung verbinden und abprüfen
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!