BGH zur „positiven Begutachtung“ eines PKW als Beschaffenheitsvereinbarung
Wir freuen uns heute einen Gastbeitrag von Maria Lohse vorstellen zu können. Sie hat in Hamburg studiert und absolviert dort seit Dezember 2012 ihr Referendariat. Außerdem arbeitet sie als Korrektorin an der Bucerius Law School sowie bei Hogan Lovells International LLP. Ihr heutiger Beitrag befasst sich mit einer BGH Entscheidung über die Beschaffenheitsvereinbarung beim Kauf eines Oldtimers.
BGH: Die Klausel im Kaufvertrag „positive Begutachtung nach § 21 c StVZO im Original“ stellt eine Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB über tatsächlichen Zustand des Fahrzeugs dar.
Der BGH hatte kürzlich darüber zu befinden, ob die Verwendung der Klausel „positive Begutachtung nach § 21 c StVZO im Original“ im Kaufvertrag bezüglich eines Oldtimers als Kaufgegenstand eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend darstellt, dass sich das Fahrzeug in einem Zustand befindet, der die Erteilung der TÜV-Bescheinigung rechtfertigt (BGH, Urteil vom 13.03.2013 – VIII ZR 172/12).
Tatbestand:
Der Kläger (im Folgenden K) erwarb von der Beklagten (im Folgenden B), die Autohändlerin ist, am 06. Dezember 2005 zu einem Preis von 17900,- € einen Oldtimer Daimler Benz 280 SE. Das Fahrzeug wurde am 10. Dezember 2005 übergeben. In der „verbindlichen Bestellung“, die dem Kaufvertrag zugrunde lag, wird innerhalb der Rubrik „Ausstattung“ ausgeführt: „positive Begutachtung nach § 21 c StVZO (Oldtimer) im Original“. Im Oktober 2005 hatte der Beklagte das Fahrzeug zuletzt beim TÜV vorführen lassen, der ihm eine positive Begutachtung gemäß § 21 c I 5 StVZO ausstellte, welche die Hauptuntersuchung beinhaltet und somit die Ausstellung einer TÜV-Bescheinigung ersetzt. Im Kaufvertrag wurde außerdem ein Gewährleistungsausschluss vereinbart.
Im September 2007 bemerkte der Kläger diverse Durchrostungsschäden am Fahrzeug. Er schaltete einen Gutachter ein. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass massive Korrosionsschäden am Fahrzeug nicht fachgerecht repariert und stattdessen erhebliche Mengen an Unterbodenschutz aufgetragen worden seien, die die Schäden kaschieren sollten.
Der K verlangt nach erfolglosem Verstreichen einer mit Schreiben vom 07. Dezember 2007 gesetzten angemessen Frist zur Beseitigung der Mängel von B die angefallenen Kosten für die Behebung der Durchrostungsschäden in Höhe von 34344,75 € ersetzt. Der B wendet ein, ihn treffe keine Pflicht zur Herstellung eines rostfreien Zustandes.
Nachdem das Landgericht Bochum dem Kläger erstinstanzlich den Anspruch dem Grunde nach zugebilligt hatte, wies das Berufungsgericht die Klage ab. Die dagegen eingelegte Revision des Klägers hatte Erfolg.
§ 21 c StVZO: Gutachten für die Erteilung einer Betriebserlaubnis als Oldtimer
- Für die Erteilung einer Betriebserlaubnis als Oldtimer gelten die §§ 20 und 21. Zusätzlich ist das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen erforderlich. Dieses Gutachten muss mindestens folgende Angaben enthalten:
- Die Feststellung, dass dem Fahrzeug ein Oldtimerkennzeichen zugeteilt werden kann
- Den Hersteller des Fahrzeugs einschließlich seiner Schlüsselnummer
- Die Fahrzeugidentifikationsnummer
- Das Jahr der Erstzulassung
- Den Ort und das Datum des Gutachtens
- Die Unterschrift mit Stempel und Kennnummer des amtlich anerkannten Sachverständigen.
Die Begutachtung ist nach einer im Verkehrsblatt nach Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörden bekanntgemachten Richtlinie durchzuführen und das Gutachten nach einem in der Richtlinie festgelegten Muster auszufertigen. Im Rahmen der Begutachtung ist auch eine Untersuchung im Umfang einer Hauptuntersuchung nach § 29 durchzuführen, es sei denn, dass mit der Begutachtung gleichzeitig ein Gutachten nach § 21 erstellt wird. (…)
Entscheidung:
Der BGH hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück.
I. Schadensersatzanspruch gemäß § 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB
Dem K kann ein Anspruch gegen B auf Zahlung von 34344,75 € zustehen gemäß § 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB. Dazu wäre erforderlich, dass zwischen den Parteien ein Kaufvertrag geschlossen wurde, der Kaufgegenstand bei Gefahrübergang mangelhaft war, eine Fristsetzung zur Nacherfüllung erfolglos abgelaufen ist und der B diese Pflichtverletzung verschuldet hat. Dem K müsste dadurch zudem ein ersatzfähiger Schaden entstanden sein.
1. Kaufvertrag, § 433 BGB
Ein Kaufvertrag wurde zwischen den Parteien durch Angebot und Annahme gemäß §§ 145 ff. BGB über den Oldtimer Daimler Benz 280 SE zu einem Preis von 17900,- € am 06. Dezember 2005 geschlossen.
2. Mangel bei Gefahrübergang
Es müsste weiter ein Mangel bei Gefahrübergang vorgelegen haben.
a) Mangel, §§ 434, 435 BGB
Es könnte vorliegend ein Sachmangel gemäß § 434 vorgelegen haben. Ein solcher besteht, wenn die Ist-Beschaffenheit der Sache von der Soll-Beschaffenheit abweicht. Die Soll-Beschaffenheit einer Sache bestimmt sich vorrangig nach der zwischen den Parteien geschlossenen Vereinbarung, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB. Ist eine solche nicht ersichtlich, so richtet sie sich nach der vertraglich vorausgesetzten Verwendung der Sache, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Kann auch eine solche nicht bestimmt werden, richtet sich die Soll-Beschaffenheit nach der gewöhnlichen Verwendung der Sache.
Zunächst könnte also eine vertragliche Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Parteien geschlossen worden sein. Dazu ist erforderlich, dass beide Parteien übereinstimmende Willenserklärungen – unter Umständen auch konkludent – über eine Beschaffenheit der Kaufsache abgegeben haben. Unter Beschaffenheit ist dabei grundsätzlich jede der Kaufsache dauerhaft anhaftende Eigenschaft zu verstehen.
Vorliegend haben die Parteien im Punkt „Ausstattung“ kaufvertraglich eine „positive Begutachtung nach § 21 c StVZO (Oldtimer) im Original“ vereinbart. Fraglich ist, ob hierin eine Beschaffenheitsvereinbarung dergestalt zu sehen ist, dass die Parteien vereinbart haben, das Fahrzeug befinde sich in einem Zustand, der die Erteilung einer entsprechenden TÜV-Bescheinigung rechtfertige. Nur dann kann vorliegend eine Abweichung der Ist- von der vertraglich vereinbarten Soll-Beschaffenheit festgestellt werden. Sähe man in der Vereinbarung stattdessen nur die Verpflichtung des Verkäufers, das benannte Dokument an den Käufer herauszugeben, könnte ein Sachmangel nach § 434 Abs.1 S.1 BGB nicht angenommen werden.
Der BGH hat das Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung bejaht. Es entspreche nämlich dem Interesse des Käufers, dass die tatsächlich vorliegende Bescheinigung zu Recht erteilt wurde, das Fahrzeug also fahrbereit sei. Eine unrechtmäßige, versehentliche Erteilung könne nicht im Käuferinteresse liegen, was dem Verkäufer auch erkennbar sei. Es sei hingegen nicht lediglich vereinbart worden, dass formell die Bescheinigung vorliege, wie das Berufungsgericht meint. Der Sinn und Zweck der getroffenen Vereinbarung gehe nach dem Parteiwillen darüber hinaus.
Da das Fahrzeug vorliegend Durchrostungen am Unterboden aufwies, die nicht fachgerecht repariert wurden, war es nicht fahrbereit und wies damit nicht die vertraglich nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB vereinbarte Beschaffenheit auf. Ein Sachmangel lag daher vor.
b) bei Gefahrübergang, § 446
Bei Übergabe der Sache an den K wies das Fahrzeug den festgestellten Sachmangel bereits auf, damit also bei Gefahrübergang.
3. Erfolglose Nachfristsetzung
Eine Frist zur Nacherfüllung im Wege der Nachbesserung wurde mit Schreiben vom 07. Dezember 2007 gesetzt und verstrich erfolglos.
4. Vertretenmüssen
Das Vertretenmüssen des B wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Eine Exkulpationsmöglichkeit ist vorliegend nicht ersichtlich.
5. Schaden
Ein Schaden ist dem K außerdem entstanden. Hinsichtlich der konkreten Schadenshöhe sind noch weitere tatrichterliche Feststellungen erforderlich.
6. Kein Ausschluss
Der Gewährleistungsanspruch könnte jedoch durch die dahingehende vertragliche Vereinbarung der Parteien ausgeschlossen sein. Allerdings gilt eine solche Vereinbarung nicht für ein Abweichen der Sacheigenschaft von der vereinbarten Beschaffenheit. Der Gewährleistungsausschluss greift daher für den vorliegenden Mangel nicht ein. Der Anspruch ist nicht ausgeschlossen.
II. Ergebnis
Ein Anspruch des K gegen B ist dem Grunde nach aus § 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280 Abs. 1, 3, 281 BGB gegeben.
Stellungnahme:
Der Entscheidung des BGH ist zuzustimmen.
Nach allgemeiner Ansicht soll es im Einzelfall möglich sein, eine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 S. 1 konkludent abzuschließen. Zwar ist jedenfalls erforderlich, dass hinreichende konkrete Anhaltspunkte für eine von den Parteien gewollte Beschaffenheitsvereinbarung vorliegen. Sie darf aber nicht vorschnell bejaht werden.
So zutreffend diese Erwägungen auch sind, so wenig sprechen sie im vorliegenden Fall gegen die Annahme einer Beschaffenheitsvereinbarung. Es kann nicht die Rede sein von einer konkludenten Beschaffenheitsvereinbarung im eigentlichen Sinne. Vielmehr wurde ausdrücklich etwas von den Parteien vereinbart, nämlich die Bescheinigung über eine positive Begutachtung nach § 21 c StVZO. Es geht daher vorliegend nur um eine Auslegung dieser ausdrücklichen Vereinbarung, nicht um die Konstruktion einer konkludenten Vereinbarung.
Bei der Auslegung von Willenserklärungen sind bekanntermaßen §§ 133, 157 BGB die maßgeblichen Normen. Danach ist der wirkliche Wille der Parteien zu erforschen, wobei grundsätzlich der objektive Empfängerhorizont den Maßstab bildet. Sowohl der wirkliche Parteiwille als auch der objektive Empfängerhorizont lassen bei der Auslegung der Norm nur einen vernünftigen Schluss zu: Vereinbart werden sollte die zu Recht erlangte Bescheinigung über die Fahrbereitschaft des KfZ. Das Papier selbst hat demgegenüber keinen Wert für den Käufer, sofern sich das Fahrzeug tatsächlich nicht in fahrtüchtigem Zustand befindet. Sofern der Wille des Verkäufers sich dabei in Kenntnis der tatsächlichen Mängel am Fahrzeug nicht auf die tatsächlich existente Fahrtüchtigkeit, sondern auf die formell vorhandene Bescheinigung richtet, muss dies natürlich wegen Unredlichkeit unbeachtlich sein.
Im Beitrag wird Beschaffenheit definiert als „jede der Kaufsache dauerhaft anhaftende Eigenschaft“. Die Einschränkung auf dauerhaft anhaftende Eigenschaften ist vor dem Hintergrund der neueren BGH Rechtsprechung abzulehnen. Bereits 2010 hat der BGH entschieden, dass der Ansicht „nach der nur die körperlichen Eigenschaften der Sache und die dieser auf
Dauer anhaftenden Umstände tatsächlicher, rechtlicher und
wirtschaftlicher Art als Beschaffenheit anzusehen sein sollen (…) nicht zu folgen“ ist (BGH NJW 2011, 1217 (1218)). So können z.B. Betriebskosten eines Gebäudes oder Angaben von Kennzahlen zur Ertragsfähigkeit Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung sein. Es zeichnet sich damit ein sehr weiter Beschaffenheitsbegriff ab, der weiter reicht als der Begriff der Eigenschaft nach § 119 II BGB. Besser definiert man die Beschaffenheit daher als alle tatsächlichen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Beziehungen des Kaufgegenstandes zu seiner
Umwelt (vgl. auch Redeker, NJW 2012, 2471 ff.)