Öffentliches Recht ÖII – September 2012 – 1. Staatsexamen Hessen, NRW
Vielen Dank an Gero für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls zu der im September 2012 gelaufenen zweiten Klausur im Öffentlichen Recht in Hessen. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sowie Lösungsansätze sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle eurer Klausuren an examensreport@juraexamen.info
zu schicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
Die örtlich zuständigen Bundespolizeibeamten B und C finden am Rande der Eingangshalle des Hauptbahnhofs der Stadt D den A. Dieser liegt stark alkoholisiert auf dem Boden. Er reagiert nicht auf das Ansprechen seitens der Polizeibeamten. Daraufhin entschließen sich B und C, den A auf das nächstgelegene Bundespolizeirevier mitzunehmen, um ihn zu seiner eigenen Sicherheit seinen Rausch ausschlafen zu lassen. Als er nach fünf Stunden seinen Rausch ausgeschlafen hat, wird er entlassen.
Am nächsten Tag werden B und C zu einer sich ebenfalls im Bahnhofsgebäude befindlichen Ladenzeile gerufen. Der wieder alkoholisierte A randaliert dort und pöbelt Passanten an. B und C fordern A auf dies zu unterlassen. Der Aufforderung kommt A nicht nach und randaliert weiter. Daraufhin nehmen B und C den A gegen dessen Willen mit in ihr Polizeifahrzeug und fahren ihn zu einem am Stadtrand gelegenen Waldstück. Dort setzen sie den A ab und sagen zu ihm: „Hier können Sie über Ihr Verhalten nachdenken und wieder einen klaren Kopf bekommen!“ Der A läuft daraufhin eine Stunde bis zur nächstgelegenen S-Bahn Haltestelle. Nach einer weiteren Stunde ist er in seiner Wohnung angekommen.
Er ist über das Vorgehen der Bundespolizei verärgert und hält es für unzulässig. Zu seinem Rechtsanwalt R meint er, sein alkoholisierte Zustand habe die Polizei nicht zu interessieren, schließlich habe er zu keiner Zeit andere Personen gefährdet. Außerdem sei es unzulässig gewesen, dass die Polizisten keine richterliche Anordnung zu seiner Verbringung in das Polizeirevier herbeigeführt haben. Bezüglich des Verhaltens der Polizei am zweiten Tag meint A, dass die Polizisten ihn gegen seinen Willen „entführt“ hätten und ein solches Vorgehen keinesfalls zulässig sein kann.
Die Polizei steht bezüglich der ersten Maßnahme auf dem Standpunkt, dass A wegen seiner Alkoholisierung nicht vernehmungsfähig gewesen sei und eine richterliche Anordnung daher entbehrlich gewesen ist. Bei der zweiten Maßnahme habe es sich um einen zulässigen Verbringungsgewahrsam gehandelt.
Frage: Waren die Maßnahmen rechtmäßig?
Zusatzfrage: Kann die „rechtsvergleichende Auslegung“ als fünfte Auslegungsmethode bezeichnet werden? Grenzen Sie bei Ihrer Antwort die rechtsvergleichende Auslegung von den klassischen Auslegungsmethoden ab.
Lief so auch in NRW (ohne Zusatzfrage) als ÖR II.
Stattdessen gab es eine Abwandlung zum ersten Teil des Falls. Im Ausgangsfall war kein richterlicher Eildienst erreichbar (es war nachts), in der Abwandlung jedoch schon (über Tag). In der Abwandlung war dann zu diskutieren, ob trotz „Vernehmungsunfähigkeit“ eine richterliche Entscheidung notwendig war (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl v 10.01.2012, Az 1 S 2963/11, NVwZ-RR
2012, 346)