ÖffRecht ÖII – April 2013 – 1. Staatsexamen NRW
Vielen Dank an Derya für die Zusendung eines Gedächtnisprotokolls der im April 2013 in NRW gelaufenen zweiten Klausur im öffentlichen Recht. Ergänzungen oder Korrekturanmerkungen sind wie immer gern gesehen.
Unser Examensreport lebt von Eurer Mithilfe. Deshalb bitten wir Euch, uns Gedächtnisprotokolle Eurer Klausuren zuzuschicken, damit wir sie veröffentlichen können. Nur so können Eure Nachfolger genauso von der Seite profitieren, wie Ihr es getan habt. Vorab vielen Dank!
Sachverhalt
Das Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit (Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz – BEEG) wurde 2006 eingeführt. In der Gesetzesbegründung heißt es unter anderem:
– Überbrückung für die Lebenserhaltungskosten in Zeiten der Kinderbetreuung
– Gewährleistung der Unabhängigkeit von staatlichen Leistungen für Eltern, die sich in der Elternzeit befinden
Leider kostet das Elterngeld den Bund jedoch ca. 4 Milliarden Euro. Vor diesem Hintergrund – v.a. also wegen fiskalischer Erwägungen – wird eine Änderung des BEEG angestrebt.
§1 Abs.7 BEEG betreffend Ansprüche von Nicht-EU-Ausländern soll gestrichen und ein neuer Absatz eingefügt werden, der statuiert, dass Anspruch auf Elterngeld nur für Deutsche und EU-Ausländer besteht. In der Gesetzesbegründung wird neben den fiskalischen Erwägungen angeführt, dass von Grund auf nur Personen Anspruch auf Leistungen haben sollen, die in Deutschland arbeiten dürfen und darüber hinaus auch länger in der BRD verweilen wollen. Darüber hinaus wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass die bisherigen, in der Gesetzesbegründung zum BEEG statuierten, Ziele beibehalten werden sollen.
Der Gesetzesentwurf wird von der Bundesregierung erarbeitet und nicht selbst, sondern über die sie tragenden Bundestagsfraktionen in den Bundestag eingebracht. Eine Beteiligung des Bundesrates erfolgt zu diesem Zeitpunkt nicht.
Vorab wird der Entwurf den Fraktionen zugeleitet, die dadurch bereits Zeit haben, ausführlich darüber zu beraten. In der Sitzung des Bundestags sind daher die Parlamentarier um eine schnelle Erledigung bemüht.
Mit 250 von 400 anwesenden Stimmen wird daher der Beschluss gefasst, bereits in der 1. Sitzung über den Gesetzesentwurf zu entscheiden. Darauf folgt eine Debatte, in der sich ein breiter Konsens abzeichnet. Weil es jedoch an einem Freitagnachmittag stattfindet, leert sich der Raum allmählich, bis nur noch 70 Abgeordnete anwesend sind. In der Schlussabstimmung wird der Gesetzesentwurf angenommen mit 35 Ja-Stimmen, 5 Enthaltungen und 30 Nein-Stimmen.
Das Gesetzgebungsverfahren verläuft im Übrigen ordnungsgemäß. Nach Zustimmung durch den Bundesrat wird das Änderungsgesetz vom Bundespräsidenten gegengezeichnet, ausgefertigt und verkündet.
Dem Land L, dessen Vertreter im Bundesrat für den Gesetzesentwurf gestimmt hatten, kommen Bedenken hinsichtlich der materiellen Rechtmäßigkeit des Änderungsgesetzes. Auch formell hält das Land L die niedrige Beteiligung im Bundestag und die fehlende Zuleitung vorab an den Bundesrat für rechtswidrig. Im Ergebnis ist L überzeugt, dass das Gesetz nicht so ergehen durfte. Daher wendet sich die Landesregierung schriftlich an das Bundesverfassungsgericht.
Aufgabe
Wie wird das BVerfG entscheiden?
Zusatzfrage:
Angenommen, der Bundespräsident hätte aufgrund von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Änderungsgesetzes die Gegenzeichnung verweigert: Wie könnte die Bundeskanzlerin gegen ihn vorgehen?
Bearbeitervermerk:
– Materielle Aspekte sind nicht zu prüfen.
– umfassendes Rechtsgutachten wird erwartet, ggf. hilfsweise
– Auf § 126 GO BT wird hingewiesen.
Bei der Zusatzfrage springt einem erstmal die Prüfungsrecht-Problematik ins Auge. Was ich mich aber frage: Kann die Kanzlerin prozessual hier überhaupt mittels Organklage gegen den BPräs. vorgehen, wenn dieser ein Gesetz nicht unterzeichnet? Ist die Kanzlerin hier überhaupt beschwerdebefugt, oder ist das „Recht zur Gesetzgebung“ nicht vielmehr ausschließlich eine Rechtsposition des Bundestages (also der Legislative?). Wenn das Prüfungsrecht sonst mit prozessualem Einschub abgefragt wird, kenne ich es nur so: als Organklage des Bundestages gegen den Bundespräsidenten.
Die Zusatzfrage ist so nicht richtig. Die Begründetheit des Vorgehens sollte nicht erörtert werden.
Die BK könnte prozesstandschaftlich das Gesetzesinitiativrecht der Breg im Wege eines Organstreitverfahrens geltend machen.
Das halte ich nicht für richtig. Das Initiativrecht als solches wird durch die Nichtausfertigung doch in keiner Weise berührt. Die Vorlage wurde eingebracht, das Initiativrecht also ausgeübt. Dass später „weiter hinten“ im Verfahren die Ausfertigung nicht erfolgt, verletzt das Initiativrecht mMn nicht, sondern allenfalls das Gesetzgebungsrecht des Bundestages.
In der Zulässigkeit reicht aber die Möglichkeit einer Verletzung. Nur hiernach war gefragt, daher ist es mE vertretbar das hier anzunehmen. Ich habe nicht von einer Verletzung gesprochen.
Du hast immer noch nicht gesagt, inwiefern diese Möglichkeit der Verletzung des Initiativrechts der Bundesregierung besteht, wenn die Vorlage normal eingebracht wurde.
Du hast sicherlich Recht, es ist ganz und gar nicht eindeutig. Es ist eine Frage der Reichweite des Initiativsrechts. Vllt kann man ja annehmen, dass die Breg ein Recht darauf hat, dass der von ihr vorgeschlagene Entwurf im Falle einer Annahme durch den Btag ausgefertigt wird, aber ich kann es genauso gut nachvollziehen, wenn du dieses eher nur als Recht des Btages siehst. Eine Verletzung würde ich auch ablehnen, aber die Möglichkeit sehe ich schon.
Alternativ könnte man noch auf das Gegenzeichnungsrecht abstellen. Aber auch dies ist problematisch, hängt davon ab, ob dies der BK überhaupt ein Recht verleiht. Denke Hierseins beide Ansichten vertretbar.
Du hast sicherlich Recht, es ist ganz und gar nicht eindeutig. Es ist eine Frage der Reichweite des Initiativsrechts. Vllt kann man ja annehmen, dass die Breg ein Recht darauf hat, dass der von ihr vorgeschlagene Entwurf im Falle einer Annahme durch den Btag ausgefertigt wird, aber ich kann es genauso gut nachvollziehen, wenn du dieses eher nur als Recht des Btages siehst. Eine Verletzung würde ich auch ablehnen, aber die Möglichkeit sehe ich schon.
Alternativ könnte man noch auf das Gegenzeichnungsrecht abstellen. Aber auch dies ist problematisch, hängt davon ab, ob dies der BK überhaupt ein Recht verleiht.
Wenn man das Initiativrecht so weit versteht, finde ich das sehr gut nachvollziehbar! So hatte ich noch nicht drüber nachgedacht.
Das wird man sicherlich gut ansprechen können, ich würde es aber nicht beim Initiativrecht verorten, da (wie OJ sagt) dieses bereits ausgeübt ist und nicht beeinträchtigt wird. Aber ist es nicht im Ergebnis seltsam, wenn die Bundeskanzlerin (bzw. die Bundesregierung) ein Gesetz bewusst über den „Umweg“ Bundestagsfraktion einbringt, um Art. 76 II zu umgehen, und dann sich dann anschließend auf eine ihr zustehende Rechtsposition beruft, wenn der BPräs es nicht ausfertigt?
Selbst wenn man so weit gehen will, darf man m.E. nur auf die Bundesregierung als Kollektivorgan abstellen. Die Bundeskanzlerin selber hat ja nur Richtlinienkompetenz und kein eigenes Initiativrecht.
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