Darf der FC Bayern die von einem Grafikdesigner angefertigten Zeichnungen „seiner“ Spieler nach zeichnerischen Abwandlungen ohne Absprache vermarkten? Und wie weit reicht eigentlich der Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG? Mit diesen Fragen hatte sich der Bundesgerichtshof in einer am 05.01.2023 veröffentlichten Entscheidung zu beschäftigen (Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22).
I. Der Sachverhalt
Dem Rechtsstreit zugrunde liegt der Torjubel der Fußballspieler Pierre-Emerick Aubameyang und Marco Reus von Fußballbundesligist Borussia Dortmund bei einem Bundesligaspiel gegen den FC Bayern München im März 2015. Bei diesem präsentierten sich die genannten Spieler mit Masken verkleidet als Comicfiguren Batman und Robin. Als Gegenentwurf zu dieser Inszenierung fertigte der als Grafikdesigner tätige Kläger K eine Zeichnung der damaligen FC Bayern Spieler Franck Ribéry und Arjen Robben an und versah diese mit dem Slogan „THE REAL BADMAN & ROBBEN“. Diese stellte er Fans des FC Bayerns zur Verfügung, die sie beim nächsten Aufeinandertreffen beider Teams im Rahmen eines Pokalspiels im April 2015 im Stadion großflächig präsentierten. Zu der vom Kläger erhofften gemeinsamen Vermarkung mit dem Beklagten FC Bayern kam es jedoch nicht. Gleichwohl griff der FC Bayern die Zeichnungen auf, änderte sie zeichnerisch bei Beibehaltung der Darstellung von Ribéry und Robben als Batman und Robin ab und versah auch seine Zeichnung mit dem eingangs geschilderten Slogan. Diese Zeichnung zierte ab Mai 2019 verschiedene Merchandisingartikel des FC Bayerns, die über den eigenen Fanshop vertrieben wurden. Der Kläger wertete dies als Urheberrechtsverletzung „seiner Zeichnung“, „seines Slogans“, der „Choreografie“ sowie dem Gesamtwerk aus Zeichnung und Slogan und klagte unter anderem auf Auskunftserteilung und Schadensersatz. Das Landgericht München gab der Klage statt. Die daraufhin vom FC Bayern eingelegte Berufung hatte Erfolg mit dem Ergebnis, dass das erstinstanzliche Urteil abgehändert und die Klage abgewiesen wurde. In Ermangelung einer Zulassung der Revision, wandte sich der Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde nunmehr an den Bundesgerichtshof.
II. Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof erachtete die Nichtzulassungsbeschwerde für zulässig und begründet. Das Urteil wurde aufgeboben und der Rechtsstreit zurück an das Berufungsgericht verwiesen. Grund: Das Grundrecht des Klägers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG wurde vom Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
Das Berufungsgericht stütze sich nur darauf, dass der auch vom FC Bayern verwandte Slogan „THE REAL BADMAN & ROBBEN“ als Wortfolge noch nicht als „Schrift“ im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG urheberrechtlich geschützt sei. Die Zeichnung als solche unterfiele zwar als „Werk der bildenden Kunst“ dem Schutz des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG, aber der FC Bayern habe nicht das Original oder eine Vervielfältigung dessen in Umlauf gebracht. Vielmehr hat er sich allenfalls in rechtmäßiger Weise die „Idee des Klägers zu eigen gemacht“ (BGH, Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22Rn. 11).
Nicht näher erörtert habe das Berufungsgericht – anders als das erstinstanzliche Landgericht – in zu beanstandender Weise aber die Frage, ob es sich nicht um ein schutzwürdiges Gesamtwerk aus Zeichnung und Slogan handeln könnte. Auf das Vorliegen eines solchen Gesamtwerks hat der Kläger jedoch auch in der Berufungsinstanz noch hingewiesen. Die Ausführungen des Berufungsgerichts erschöpfen sich jedoch in der Feststellung, dass „unverständlich [sei], was der Kläger überhaupt mit „Choreographie“ bzw. „Komposition“ in Bezug auf seine Darstellungen meine“ (BGH, Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22, Rn. 20). Die denkbare Verbindung von Zeichnung und Sprache als Gesamtwerk blieb somit unberücksichtigt. Derartige Gesamtwerke werden in § 2 Abs. 1 UrhG zwar auch nicht isoliert ausgewiesen, doch ergebe sich auch deren Schutz daraus, dass für den urheberrechtlichen Schutz der Begriff der geistigen Schöpfung gem. § 2 Abs. 2 UrhG bzw. der eigenen geistigen Schöpfung nach dem unionsrechtlichen Werkbegriff (BGH, Urteil v. 07.04.2022 – I ZR 222/22, Rn. 29) gelte und insoweit nicht nur die Modalitäten des § 2 Abs. 1 UrhG entscheidend sind.
Diese Missachtung des klägerischen Vorbringens münde in einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, welches zwar nicht die Bescheidung jedweden Vorbringens, wohl aber die Berücksichtigung und Verarbeitung der „wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen“ (BGH, Beschluss v. 28.07.2022 – I ZR 11/22, Rn. 14) verlange, die in diesem Fall erkennbar unterblieben sei.
Da vor diesem Hintergrund nicht ausgeschlossen sein kann, dass das Berufungsgericht bei Würdigung des gesamten Vorbingens des Klägers anders entschieden hätte (indem es den urheberrechtlichen Schutz des Werks anerkennt hätte), ist die Gehörrechtsverletzung auch entscheidungserheblich. Aus diesem Grund sieht sich der Bundesgerichtshof veranlasst, das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
III. Einordnung der Entscheidung
Gewiss gehört das Urheberrecht nicht zu den Kernmaterien für die staatliche Pflichtfachprüfung, sodass Vorkenntnisse in diesem Bereich nicht vorausgesetzt werden dürften. Die Frage nach dem Vorliegen eines schutzwürdigen Gesamtwerks kann jedoch auch in Prüfungsarbeiten durch saubere Gesetzessubsumtion herausgearbeitet werden. Schließlich umfasst der urheberrechtliche Schutz nach dem Wortlaut „insbesondere“ die in den Modalitäten des § 2 Abs. 1 UrhG erfassten Werke, womit zugleich erkennbar wird, dass es auch noch andere geschützte Werke geben muss.
Gelangt man zu dem – wohl überzeugenden – Ergebnis, dass ein schutzwürdiges Gesamtwerk vorliegt, stellt sich die Frage nach denkbaren Schadensersatzansprüchen. Hierfür stellt § 97 Abs. 2 UrhG einen eigenen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch zur Verfügung. Für den Umfang des Schadensersatzes ist hierbei besonders auf die Sätze 2 bis 4 der Vorschrift zu achten. Sollte dieser besondere Schadensersatzanspruch in einer Prüfungsarbeit außer Acht zu lassen sein, lässt sich das Problem auch über das Deliktsrecht, und zwar insbesondere § 823 I BGB lösen. Denn Urheberrechte fallen als Immaterialgüterrechte (zur begrifflichen Ungenauigkeit des historisch geprägten und oftmals immer noch verwendeten Begriffs des „geistigen Eigentums“ siehe Schmoeckel/Maetschke, Rechtsgeschichte der Wirtschaft, 2. Auflage 2016, Rn. 189 ff.) unter die „sonstigen Rechte“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (BGH, Urteil v. 27.09.2016 – X ZR 163/12, Rn. 24).
Die Entscheidung sollte auch durchaus zum Anlass genommen werden, sich mit dem Verfahrensgrundrecht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG näher auseinanderzusetzen, welches regelmäßig Gegenstand von Prüfungsarbeiten ist. Dies umfasst eben nicht nur das Recht des Einzelnen, sich im Verfahren äußern zu können, sondern korrespondiert mit der gerichtlichen Pflicht, das Vorgetragene auch zu verarbeiten und in die Entscheidung einzubeziehen (BVerfG, Beschluss v. 27.02.2018 – 2 BvR 2821/14, NJW-RR 2018, 694, Rn. 18 m.w.N.; im Übrigen bietet v. Münch/Kunig/Kunig/Saliger, GG, Art. 103, Rn. 16 ff. einen guten Überblick zu den Gewährleistungsinhalten des Anspruchs auf rechtliches Gehör). Eine derartige Verbindung zwischen individuellem Recht und gerichtlicher Pflicht muss auch zwangsläufig gewährleistet werden, denn ein „Anspruch auf Gehör“ ohne Verbindung mit einem „Anspruch auf Verwertung des Vorgetragenen“ ist ohne Sinn und Wert.
Im Zusammenhang mit der Entscheidung erscheint es ebenso lohnenswert, sich den zivilrechtlichen Instanzenzug nochmals zu Gemüte zu führen. Gegen die erstinstanzlichen Endurteile ist die Berufung nach § 511 ZPO statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 EUR übersteigt (§ 511 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) oder das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung im Urteil zugelassen hat (§ 511 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Nur in besonderen Fällen kommt eine Sprungrevision gem. § 566 ZPO gegen die erstinstanzlichen Urteile in Betracht. Im Regelfall ist die Revision jedoch das Rechtsmittel, mit dem die Endurteile des Berufungsgerichts nach § 542 ZPO angegriffen werden. Auch diese muss nach § 543 I Nr. 1 ZPO durch das Berufungsgericht zugelassen werden. Anders als im Berufungsverfahren gibt es bei fehlender Zulassung durch das Berufungsgericht die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 544 ZPO, mit der auch der Kläger im oben geschilderten Fall die Zulassung der Revision erreichen wollte. Der*die aufmerksame Student*in wird sich fragen, wieso der Bundesgerichtshof trotz zulässiger und begründeter Nichtzulassungsbeschwerde das Urteil aufhob und die Sache zurück an das Berufungsgericht verwies, anstatt in das Revisionsverfahren überzugehen und selbst zu entscheiden. Diese Annahme ist grundsätzlich richtig, denn nach § 544 Abs. 8 S. 1 ZPO wird das Beschwerdeverfahren als Revisionsverfahren fortgesetzt, wenn der Nichtzulassungsbeschwerde stattgegeben wird. Nicht so jedoch, wenn – wie hier – der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde. In diesem Fall kann das Revisionsgericht nach § 543 Abs. 9 ZPO das angefochtene Urteil aufheben und den Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverweisen.