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Schlagwortarchiv für: Produzentenhaftung

Dr. Maximilian Schmidt

OLG Hamm: Produkthaftung für fehlerhaftes Fruchtgummi

Deliktsrecht, Rechtsgebiete, Rechtsprechung, Schon gelesen?, Startseite, Zivilrecht

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 23.05.2013 – I-21 U 64/12I den Süßwarenhersteller Haribo zur Zahlung von Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt, nachdem der Kläger sich an einem Fruchtgummi (Cola-Flasche) einen Zahn ausgebrochen hatte. Der Fall bietet sich auch aufgrund seiner Resonanz in der Tagespresse insbesondere als Einstieg in den zivilrechtlichen Teil einer mündlichen Prüfung im Bereich des Deliktsrechts an. Dort könnten dann Fragen losgelöst vom konkreten Fall zur Produkthaftung und Produzentenhaftung folgen. Auch könnten weitere Gefährdungstatbestände abgefragt werden, vgl. die aktuellen Fälle zur Tierhalterhaftung nach § 833 BGB. Hier, hier hier, hier und hier.
Sachverhalt

„Nach den heutigen Feststellungen des Senats hatte der Kläger ein von der verklagten Firma in Form einer Colaflasche hergestelltes Fruchtgummi gekaut und dabei auf in der Masse befindliche Fremdkörper, Partikel aus Putz-materialien,gebissen. Diese waren bei der Herstellung in das Fruchtgummi gelangt. Durch den Biss auf einen der Fremdkörper hatte der Kläger an zwei seiner Zähne Schäden erlitten, so dass sie überkront werden mussten“

Nun machte der Kläger Schadensersatz für die Heilbehandlungskosten sowie ein angemessenes Schmerzensgeld geltend.
Rechtliche Beurteilung
Da unmittelbar keine vertragliche Beziehungen zwischen Haribo und dem Kläger bestanden, kam zunächst ein Anspruch aus § 1 Abs. 1 ProdHaftG in Betracht.

  • § 1 ProdHaftG regelt einen Fall der sog. Gefährdungshaftung. Grundsätzlich knüpft das deutsche Schadensersatzrecht immer an ein Verschulden des Schädigers an, vgl. § 280 I 2 BGB oder § 823 Abs. 1. Bei Gefährdungstatbeständen wird nicht an ein konkretes Verschulden des Schädigers angeknüpft, sondern allein an ein bestimmtes Verhalten (Schaffen einer Gefahr, zB KfZ-Halter, § 7 StVG; Tierhalter, § 833 BGB; Betreiben eines Zuges, § 1 HaftPflG). Auch spielt die Widerrechtlichkeit keine Rolle, vielmehr handelt es sich, trotz ihrer Gefährlichkeit, gerade um sozial erwünschte Verhaltensweisen (Inverkehrbringen von Produkten, KfZ-Haltung). Als wichtigste Einschränkung für alle Gefährdungstatbestände gilt jedoch, dass der Schaden gerade auf der konkreten Gefahr beruhen muss (zB Tiergefahr bei § 833; Betriebsgefahr bei § 7 StVG). Auf Tatbestandsseite haben die Gefährdungstatbestände damit deutlich weniger Voraussetzungen als Verschuldenstatbestände. Die tatbestandliche Ausdehnung wird dann aber auf Rechtsfolgenseite durch Haftungshöchstgrenzen und Selbstbeteiligungsregelungen eingeschränkt, um Haftungsrisiken vorhersehbar zu halten.

Als abstraktes Prüfungsschema für alle Gefährdungstatbestände bietet sich daher an:

  •  a) Vorliegen einer gesetzlich definierten Gefahr – Inverkehrbringen eines Produktes/ KfZ-Halter
  • b) Rechtsgutsverletzung beruht gerade auf dieser Gefahr – § 1 Abs. 2 ProdHaftG/ „bei Betrieb“/ „Tiergefahr“
  • c) Haftungsausschluss – § 7 Abs. 2, Abs. 3, § 8 StVG
  • d) Einschränkung auf Rechtsfolgenseite – Haftungsobergrenzen – § 10 ProdHaftG/ § 12 StVG und Mitverschulden

Ein solches abstraktes Prüfungsschema und das Verständnis des Grundes der Gefährdungshaftung kann die Prüfung „exotischer“ und damit im Zweifel nicht auswendig gelernter Gefährdungsnormen sehr erleichtern, bspw. von § 1 HaftPflG. Auch werden die grundlegenden (dogmatischen) Unterschiede zwischen Verschuldens- und Gefährdungstatbeständen in mündlichen Prüfungen immer wieder abgefragt.
In der Haribo Colaflasche befand sich ein Partikel aus Putzmaterialien, weshalb das vom Hersteller (§ 4 ProdHaftG) Haribo in Verkehr gebrachte Produkt (§ 3 ProdHaftG) einen Fehler (§ 2 ProdHaftG) hatte, der zu einer Rechtsgutsverletzung führte, § 1 ProdHaftG.

  • Umstritten war in tatsächlicher Hinsicht, ob es sich überhaupt um eine Haribo Colaflasche handelte und, ob der Partikel sich tatsächlich schon beim Inverkehrbringen in dem Fruchtgummi befunden hatte. Insoweit wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt, was als Beweismittel den Fehler nach § 2 ProdHaftG belegte. Im Rahmen des ProdHaftG ist der Anspruchssteller wie im Gerichtsverfahren üblich beweisbelastet, § 1 Abs. 4 S. 1 ProdHaftG. Dieser Beweis konnte durch das Gutachten zur Überzeugung des Gerichtes geführt werden.

Ein Haftungsausschluss kam nicht in Betracht. Somit wurde dem Kläger ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Zahnbehandlungskosten sowie ein Schmerzensgeld in Höhe von 2000€ zugesprochen, §§ 1, 8 ProdHaftG.
Vom Gericht offenbar nicht geprüft wurde ein Anspruch aus Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB. In einem Gutachten sollte diese Anspruchsgrundlage jedoch keineswegs fehlen.
Ans Herz gelegt sei an dieser Stelle die Lektüre der bekannten BGH-Klassiker Hühnerpest (VI ZR 212/66), Milupa (VI ZR 7/91) und Mineralwasserflaschenfall (VI ZR 24/92). Vgl. hierzu auch den demnächst bei uns erscheinenden Artikel zur Produzentenhaftung nach § 823 Abs. 1 BGB.

26.06.2013/1 Kommentar/von Dr. Maximilian Schmidt
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Maximilian Schmidt https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Maximilian Schmidt2013-06-26 14:00:412013-06-26 14:00:41OLG Hamm: Produkthaftung für fehlerhaftes Fruchtgummi
Dr. Gerrit Forst

BGH: Neues aus Karlsruhe

Mietrecht, Schuldrecht, Zivilrecht

Eine Reihe von BGH-Entscheidungen in Zivilsachen aus den letzten Tagen weisen eine mehr oder minder hohe Examensrelevanz auf, weshalb ich sie hier kurz vorstellen möchte:
Produzentenhaftung – „Airbag-Fall“
Bereits vom 16.6.2009 datiert eine neue Entscheidung des BGH zur Produzentenhaftung eines Fahrzeugherstellers für Schäden, die durch einen fehlerhaften Airbag verursacht wurden. Die Entscheidungsgründe liegen jetzt vor, das Urteil ist für die amtliche Sammlung vorgesehen und steht in einer Reihe mit Entscheidungen wie „Hühnerpest“, „Honda“, „Wasserflasche“ oder „Milupa“. Sehr schön differenziert die Revisionserwiderung der Beklagten nach möglichen Fehlern bei der Konstruktion, Produktion, Instukrion und Produktbeobachtung, lehnt diese aber natürlich ab. Nachdem der 6. Senat einige Vorfragen zu möglichen Ansprüchen aus dem Produkthaftungsgesetz klärt, die (auch) mit dem intertemporalen Recht zu tun haben. Sodann legt der Vi. Senat dar, dass der Fehlerbegriff des Produkthaftungsgesetzes mit dem der deliktischen Produzentenhaftung i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB identisch sei. Kern des Urteils ist die Frage, ob ein Konstruktionsfehler vorlag, weil der Hersteller aus wirtschaftlichen Gründen nicht alle technisch möglichen Maßnahmen ausgeschöpft hatte. Der BGH meint, die „Möglichkeit der Gefahrvermeidung [sei] gegeben, wenn nach gesichertem Fachwissen der einschlägigen Fachkreise praktisch einsatzfähige Lösungen zur Verfügung stehen.“ Der Hersteller sei aber „nicht dazu verpflichtet, solche Sicherheitskonzepte umzusetzen, die bisher nur „auf dem Reißbrett erarbeitet“ oder noch in der Erprobung befindlich sind.“ Auf den Einwand, die im konkreten Fall möglichen Maßnahmen seien unwirtschaftlich, reagiert der VI. Senat mit einer Einzelfallabwägung. Jedenfalls dort, wo Leib und Leben bedroht seien, müsse man an den Hersteller hohe Anforderungen stellen. In der sache handelt es sich um eine Kosten-Nutzen-Rechnung.
Abschließend wendet sich der BGH einer Haftung wegen eines möglichen Instruktionsfehlers zu. Auch hier betont er zunächst den Gleichlauf von ProdhaftG und § 823 Abs. 1 BGB. Im zu entscheidenden Fall hatte der Hersteller bereits früher Fahrzeuge zur Nachbesserung zurückgerufen. Der VI. Senat sah sich allerdings gezwungen, die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Examensrelevanz: Sehr hoch
Fundstelle: BGH, Urteil vom 16. Juni 2009 – VI ZR 107/08, www.bundesgerichtshof.de
Verbraucherbegriff – Freiberufler und gemischte Tätigkeit
In einer Pressemitteilung vom 30.9.2009 (Nr. 200/2009) liest man von einer weiteren examensrelevanten Entscheidung, deren Gründe noch nicht vorliegen. Es geht dabei um den Verbraucherbegriff des § 13 BGB. Eine Anwältin – Freiberuflerin – erwarb über das Internet einige Lampen. Als Lieferadresse gab sie die einer Kanzlei an, nannte ihren Namen aber ohne Namenszusatz. Später wollte sie den Kaufvertrag nach § 355 Abs. 1, § 312d Abs. 1, § 312b Abs. 1 BGB widerrufen. Fraglich war nur, ob die Anwältin Verbraucherin i.S.d. § 13 BGB war. Der VIII. Senat führt dazu in der Pressemitteilung aus: „Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass eine natürliche Person, die – wie die Klägerin – sowohl als Verbraucher (§ 13 BGB) als auch in ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Unternehmer (§ 14 BGB) am Rechtsverkehr teilnimmt, im konkreten rechtsgeschäftlichen Handeln lediglich dann nicht als Verbraucher anzusehen ist, wenn dieses Handeln eindeutig und zweifelsfrei ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zugeordnet werden kann. Dies ist zum einen dann der Fall, wenn das in Rede stehende Rechtsgeschäft objektiv in Ausübung der gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit der natürlichen Person abgeschlossen wird (§ 14 BGB). Darüber hinaus ist rechtsgeschäftliches Handeln nur dann der unternehmerischen Tätigkeit der natürlichen Person zuzuordnen, wenn sie dies ihrem Vertragspartner durch ihr Verhalten unter den konkreten Umständen des Einzelfalls zweifelsfrei zu erkennen gegeben hat.“ Im konkreten Fall wurde die Anwältin als Verbraucherin eingestuft.
Examensrelevanz: Sehr hoch
Fundstelle: BGH, Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 7/09, n.v.
Mietrecht – Kein Anspruch auf  „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“ gegen ehemaligen Vermieter
Der Sachverhalt der Pressemitteilung Nr. 199/2009 ist schnell erzählt: Ein Mieter wechselte die Wohnung, der neue Vermieter verlangte eine „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“. Der ehemalige Vermieter weigerte sich, diese dem Mieter auszustellen. Zu Recht? Anspruch hat der Mieter auf eine Quittung, § 368 BGB. Diese stellte der ehemalige Vermieter auch aus. Doch der Mieter wollte mehr. Hatte er Anspruch auf eine „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“? Mögliche Anspruchgrundlage sind §§ 535, 241 Abs. 2 BGB und ein gewohnheitsrechtlicher Anspruch. Dazu der VIII. Zivilsenat: „Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass ein Anspruch auf Erteilung der begehrten „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“ nicht besteht. Der Mietvertrag der Parteien enthält hierzu keine Regelung. Eine solche Verpflichtung besteht auch nicht als mietvertragliche Nebenpflicht gemäß § 241 Abs. 2 BGB. Eine Verpflichtung zur Auskunft über das Bestehen oder Nichtbestehen von Mietschulden würde voraussetzen, dass der Mieter über Art und Umfang seiner Mietverbindlichkeiten im Ungewissen ist. Hieran fehlt es, weil der Mieter – wie hier die Kläger – unter Zuhilfenahme eigener Zahlungsbelege sowie der von dem Vermieter gemäß § 368 BGB geschuldeten und erteilten Quittungen über die von dem Mieter geleisteten Zahlungen ohne weiteres feststellen kann, ob alle mietvertraglich geschuldeten Zahlungen geleistet sind, und auch in der Lage ist, die Erfüllung seiner aus dem Mietvertrag folgenden Zahlungsverpflichtungen zu belegen. Die Abgabe einer in ihren Wirkungen unter Umständen weiter reichenden Erklärung kann einem Vermieter hingegen schon wegen einer möglichen Gefährdung eigener Rechtspositionen nicht zugemutet werden. Denn es erscheint nicht fern liegend, dass eine solche Bescheinigung auch als Ausgleichsquittung angesehen werden könnte, durch die der Vermieter auf alle eventuell noch bestehenden Ansprüche gegen den Mieter verzichten würde, oder dass darin ein „Zeugnis gegen sich selbst“ liegt, das für ihn beweisrechtlich nachteilig wäre, falls nachträglich noch Streit über den Bestand oder die Erfüllung von Mietforderungen entstehen sollte. Auch eine allgemeine Pflicht zur Ausstellung einer solchen Bescheinigung wegen einer dahin entstandenen Verkehrssitte war im zu entscheidenden Fall nicht anzunehmen. Das Berufungsgericht hatte eine solche Verkehrssitte nicht festgestellt. Das Vorbringen der Kläger, wonach ein Vermieter in Dresden mit einem Bestand von 42.000 Wohnungen von jedem neuen Mietinteressenten die Beibringung einer „Mietschuldenfreiheitsbescheinigung“ verlangt, reicht für die Annahme einer solche Verkehrssitte nicht aus, da diese voraussetzt, dass sich innerhalb aller beteiligten Kreise und nicht nur eines Teiles, sei er auch quantitativ erheblich, dazu eine einheitliche Praxis durchgesetzt hat.“
Examensrelevanz: Medium
Fundstelle: Urteil vom 30. September 2009 – VIII ZR 238/08, n.v.

08.10.2009/1 Kommentar/von Dr. Gerrit Forst
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Gerrit Forst https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Gerrit Forst2009-10-08 08:13:002009-10-08 08:13:00BGH: Neues aus Karlsruhe
Dr. Stephan Pötters

BGH-Klassiker – Der Schwimmschalterfall (BGHZ v. 24.11.1976 – VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359 = NJW 1977, 379)

BGH-Klassiker, Schon gelesen?, Schuldrecht, Zivilrecht

Bedeutung/Examensrelevanz: Der Schwimmschalterfall ist immer noch DER Klassiker zum sog. Weiterfresserschaden, denn in diesem Fall hat der BGH erstmals die Voraussetzungen für dieses Rechtsinstitut näher herausgearbeitet. Der Fall beschäftigt sich außerdem mit der stets aktuellen und auch nach neuem Recht noch nicht endgültig geklärten Frage nach dem Verhältnis von Delikts- und Vertragsrecht. Für das neue Recht nach dem Schuldrechtsmodernisierungsgesetz wird vertreten, dass die Rspr. zum Weiterfresserschaden nicht mehr gelten könne, da sonst der Vorrang der Nacherfüllung (realisiert durch das Fristsetzungserfordernis) ausgehöhlt werden könne. Diese Ansicht hat sich aber nicht durchsetzen können. Damit gilt die Rechtsfigur des Weiterfresserschadens weiterhin.
Sachverhalt: Die Beklagte stellt Reinigungs- und Entfettungsanlagen für Industrieerzeugnisse her, in denen durch Erhitzen und Verdampfen von Perchloräthylen das von den zu reinigenden Blechteilen abgewaschene Öl abgeschieden wird; ein mit einem Stromabschalter verbundener Schwimmer, den die Beklagte von einer ausländischen Zulieferfirma bezogen haben will, soll dabei verhindern, daß die normalerweise mit Flüssigkeit bedeckten Heizdrähte durch das Verdampfen freigelegt werden.
Die Firma D. hatte eine derartige Reinigungsanlage zum Preis von ca. 20 000 DM bestellt. Die Beklagte bestätigte  diesen Auftrag am 4. Februar 1969 mit dem Zusatz:
„Garantie: Gemäß unseren beiliegenden Verkaufs- und Lieferbedingungen.“
Nr. VII dieser Lieferbedingungen lautet – soweit hier von Interesse – wie folgt:
“ VII Haftung für Mängel der Lieferung
1. Alle diejenigen Teile sind unentgeltlich nach billigem Ermessen nach unserer Wahl auszubessern oder neu zu liefern, die innerhalb von 12 Monaten seit Lieferung nachweisbar infolge eines vor dem Gefahrübergang liegenden Umstandes – insbesondere wegen fehlerhafter Bauart, schlechter Baustoffe oder mangelhafter Ausführung – unbrauchbar werden oder in ihrer Brauchbarkeit erheblich beeinträchtigt werden …
9. Weitere Ansprüche des Käufers bzw. des Bestellers, insbesondere ein Anspruch auf Ersatz von Schäden, die nicht an dem Liefergegenstand selbst, sondern die nur mittelbar durch diesen entstanden sind, werden von uns in keinem Falle anerkannt.“

Nachdem die Anlage Anfang Juni 1969 aufgestellt und in Betrieb genommen war, geriet am 26. Juni 1969 das in der Anlage befindliche Schmutzöl in Brand, weil ein Schwimmerschalter die Heizdrähte nicht rechtzeitig abgeschaltet hatte und diese sich überhitzten.Die Firma D. (bzw. ihre Versicherung) nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch mit der Begründung, der Schwimmerschalter habe infolge eines Fabrikations- oder Konstruktionsfehlers versagt; für die Reparatur von Reinigungs- und Elektroanlage sowie für die Beseitigung der Korrosion an den Metallvorräten seien der Firma D. Aufwendungen entstanden. Die Beklagte stellt demgegenüber mit dem Hinweis, der Brand sei nur durch einen übermäßigen Anfall an Petroleum entstanden, ihre Haftung für den Brandschaden in Abrede, verweist im übrigen auf den formularmäßigen Haftungsausschluß gegenüber jeglichen Schadensersatzansprüchen und beruft sich im Hinblick darauf, daß ihr der Zahlungsbefehl erst am 23. Juni 1972 zugestellt worden ist, auf Verjährung.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Lösung: Die Schadensersatzansprüche waren unstreitig verjährt (nach damaligem Recht § 477 BGB). Daher kam es maßgebend darauf an, ob man einen Schadensersatzanspruch nach Delikt bejahen konnte. Insofern ist insbesondere das Vorliegen einer relevanten rEchtsgutsverletzung iSv  823 I BGB fraglich. Der BGH bejahte i.E. eine Verletzung des (Rest-)Eigentums, obwohl das Produkt von anfang an mangelhaft war. Es sei zu einem Schaden an dem anfangs noch mangelfreien Teil gekommen (der Mangel hat sich also weitergefressen und so das Eigentum verletzt). Der BGH führt insofern aus:
„Soweit das Berufungsgericht hinsichtlich der für die Reparatur der Reinigungsanlage entstandenen Kosten meint, es fehle jedenfalls insoweit an einer rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigung, weil die Anlage nach der Darstellung der Klägerin von vornherein mangelhaft geliefert worden sei, ist diese Ansicht rechtsirrig.[…]
Ganz abgesehen davon, daß die vorgenannten Erwägungen des Berufungsgerichts ohnehin nur den an der Reinigungsanlage selbst entstandenen Schaden, nicht aber die durch den Brand verursachten Schäden an anderen Gegenständen der Firma D. betreffen, hatte hier die Beklagte der Firma D. Eigentum an einer Anlage verschafft, die im übrigen einwandfrei war und lediglich ein – funktionell begrenztes – schadhaftes Steuerungsgerät enthielt, dessen Versagen nach der Eigentumsübertragung einen weiteren Schaden an der gesamten Anlage hervorgerufen hatte. In einem solchen Fall kommt es aber auf den Umstand, daß nach formaler Betrachtungsweise der Erwerber von vornherein nur ein mit einem Mangel behaftetes Eigentum erworben hat, nicht an. Entscheidend ist vielmehr, daß die in der Mitlieferung des schadhaften Schalters liegende Gefahrenursache sich erst nach Eigentumsübergang zu einem über diesen Mangel hinausgehenden Schaden realisiert hat und dadurch das im übrigen mangelfreie Eigentum des Erwerbers an der Anlage insgesamt verletzt worden ist. In derartigen Fällen besteht – insbesondere wenn der Geschädigte das Eigentum aufgrund eines Kaufvertrages erworben hat – kein Grund, diesem das Zurückgreifen auf deliktische Ansprüche abzuschneiden. “
Leitsätze: a) Der Umstand, daß zwischen dem schädigenden Hersteller einer Ware und dem Geschädigten unmittelbare kaufvertragliche Ansprüche bestehen oder bestanden haben, schließt die für die Inanspruchnahme des Herstellers aus unerlaubter Handlung entwickelten Grundsätze der Beweislastumkehr für das Verschulden (Produzentenhaftung) nicht aus.
b) Hat der Verkäufer dem Käufer eine industrielle Anlage übereignet, bei der lediglich ein gegenüber dem Gesamtwert an Wert geringfügiger Sicherheitsschalter schadhaft war, so können dem Käufer Schadensersatzansprüche aus Eigentumsverletzung (§ 823 Abs. 1 BGB) dann zustehen, wenn durch den Ausfall des Schalters nachträglich ein Schaden an der Anlage selbst entsteht.
c) Zur Frage, ob eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Freizeichnung des Verkäufers von der Haftung für Mängel der Lieferung auch Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung erfaßt.

27.07.2009/1 Kommentar/von Dr. Stephan Pötters
https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg 0 0 Dr. Stephan Pötters https://www.juraexamen.info/wp-content/uploads/2022/05/je_logo.svg Dr. Stephan Pötters2009-07-27 14:13:172009-07-27 14:13:17BGH-Klassiker – Der Schwimmschalterfall (BGHZ v. 24.11.1976 – VIII ZR 137/75, BGHZ 67, 359 = NJW 1977, 379)

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