Sachmangel bei Kauf von Doppelbett: Kein Rücktritt aufgrund von „Kuhlenbildung“
Liegt ein Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB vor, wenn sich bei einem zwei Jahre alten Boxspringbett mit doppeltem Matratzenuntergestell eine Kuhle in der Mitte des Bettes bildet? Mit dieser Rechtsfrage durfte sich das LG Koblenz in seinem Beschluss vom 17.8.2018 – 6 S 92/18 beschäftigen. Die Entscheidung beleuchtet das Verständnis des kaufrechtlichen Mangelbegriffs speziell für den Kauf von Betten und bietet dabei gleichzeitig Gelegenheit, die grundlegende Systematik des § 434 BGB zu rekapitulieren:
I. Sachverhalt (der Pressemitteilung entnommen)
„Der Kläger, alleinstehend und Alleinschläfer, interessierte sich für die Anschaffung eines neuen Bettes. Nach kurzem Probeliegen kaufte er bei dem später beklagten Möbelhaus ein Boxspringbett in der Größe 1,60m*2,00m zum Preis von 2.000,00 €. Das Boxspringbett bestand – entsprechend des unterschriebenen Kaufvertrages – aus einem gefederten Untergestell als Basis, zwei aufgelegten Matratzen in den Größen 0,8m*2,00m in einem durchgehenden Bezug und einem noch aufgelegten, durchgehenden sog. Topper. Nach nicht ganz zweijähriger Nutzung hatte sich eine Kuhle in der Mitte des Bettes gebildet, der Schlafkomfort war beeinträchtigt. Der Kläger verlangte daher vom Möbelhaus, diesen Mangel zu beseitigen. Das Möbelhaus verweigerte die Mangelbeseitigung mit dem Hinweis, das Bett sei zur Alleinnutzung nicht geeignet, beim Schlafen in der Mitte des Bettes bilde sich zwangsläufig wegen der zwei Matratzen eine Kuhle, es liege ein bestimmungswidriger Gebrauch vor. Dies wollte der Kläger nicht akzeptieren, schließlich habe er bei den Verkaufsverhandlungen deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er das Bett alleine nutzen werde. Er reichte daher Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages beim Amtsgericht Mayen ein.“
II. Überblick zur Regelungssystematik des § 434 Abs. 1 BGB
Wann ist der Kaufgegenstand frei von Sachmängeln i.S.v. § 434 Abs. 1 BGB? Im Ausgangspunkt bedarf es stets einer negativen Abweichung der „Ist-Beschaffenheit“ von der vertraglich geschuldeten „Soll-Beschaffenheit“ (vgl. BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 434 Rn. 12). Welchen Zustand die Sache aufweisen soll, können die Vertragsparteien im Rahmen einer Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB selbst festlegen, wobei dies nicht nur ausdrücklich, sondern auch konkludent erfolgen kann. Welche Umstände als „Eigenschaften“ einer Sache zu qualifizieren sind ist mitunter umstritten: Diskutiert wird vor allem, inwieweit eine Beschaffenheit der Sache physisch anhaften muss bzw. ob auch Umweltbeziehungen des Kaufgegenstands zur Bestimmung der Beschaffenheit heranzuziehen sind (ausführlich MüKo/Westermann, BGB, 7. Auflage 2016, § 434 Rn. 9).
Besteht keine (explizite oder stillschweigende) Vereinbarung über die Beschaffenheit der Sache, kann ein Mangel auch vorliegen, wenn sich die Sache nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB. Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine vertraglich vorausgesetzte Verwendung anzunehmen, sofern beide Parteien eine solche übereinstimmend unterstellen, wobei es keiner vertraglichen Vereinbarung bedarf (BGH Urteil v. 16.3.2012 – V ZR 18/11, NJW-RR 2012, 1078). Gibt es keine Beschaffenheitsvereinbarung und wurde keine Verwendungsmöglichkeit vorausgesetzt, ist nach § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB auf die Eignung der Sache für die gewöhnliche Verwendung bzw. die verkehrsübliche Beschaffenheit des Gegenstands abzustellen. Mangelfrei ist die Sache dabei nur, wenn sie die übliche Beschaffenheit und Eignung zur gewöhnlichen Verwendung kumulativ aufweist (BeckOK/Faust, BGB, 46. Ed. Stand 1.5.2018, § 434 Rn. 53).
III. Wie entschied das Gericht?
Das LG Koblenz schloss sich der Vorinstanz an und verneinte eine Mangelhaftigkeit des Bettes, sodass kein Rücktrittsgrund bestand. Eine Beschaffenheitsvereinbarung gem. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB zog das Gericht von vornherein nicht in Erwägung. Auch eine vertragliche vorausgesetzte Verwendungsmöglichkeit i.S.v. § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB nahm das Gericht nicht an. Es entspreche darüber hinaus nicht der üblichen Beschaffenheit (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB) eines Doppelbettes, dass der Bereich zwischen den für jeweils eine Person vorgesehenen Liegeflächen zum Schlafen genutzt werde. Auch der Aufbau des Boxspringbettes bestehend aus zwei Matratzen, die als Untergestell für den Topper fungieren, mache dies deutlich. Ebenso wenig bestehe – so das Gericht – eine Pflicht des Verkäufers des Bettes zur Aufklärung über etwaige Nutzungsmöglichkeiten der Liegefläche. Zuletzt verwies der Käufer noch auf eine Werbung des Möbelhauses, in der eine Frau abgebildet war, die allein und diagonal auf einem großen Boxspringbett lag und ein Prospekt durchblätterte. Doch auch dieser Einwand überzeugte die Zivilkammer nicht: Es sei ersichtlich, dass in der Werbung des Verkäufers keine typische Schlafsituation dargestellt werde. Auch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB ist den Ausführungen des Gerichts zufolge deshalb nicht einschlägig. Der Käufer musste sich letztlich also mit der Kuhle in der Mitte seines Bettes abfinden.
Die Wertung des LG Koblenz lässt sich durchaus bestreiten. Auch bei Nutzung des Doppelbettes durch zwei Personen kann – etwa durch unruhigen Schlaf o.ä. – eine Kuhle in der Bettmitte auftreten, insbesondere wenn beide Personen zur Mitte des Toppers rücken. Die Argumentation des Gerichts verfängt insofern nicht vollständig. Allerdings wird man auch bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Bettes durch zwei Personen keinen Sachmangel bejahen können: Der Topper eines Boxspringbettes ist üblicherweise in verschiedenen Härten erhältlich, sodass für verschiedene Belastungen unterschiedliche Härtegrade geeignet sind. Zudem müssen auch die unterliegenden Matratzen auf die individuelle Belastung angepasst sein. Die richtige Zusammensetzung des Boxspringbetts liegt jedoch nicht zwangsläufig in der Risikosphäre des Verkäufers, sondern regelmäßig nur dann, wenn ein dahingehender Parteiwille ersichtlich ist.
IV. Kurzes Resümee
Legt sich ein Alleinstehender ein Boxspringbett mit Doppelunterlage zu, hat er zwei Möglichkeiten: Auf einer Seite des Bettes schlafen oder eine Partnerin bzw. eine Partner finden. Mittiges Schlafen stellt jedenfalls nach der instanzgerichtlichen Rechtsprechung einen bestimmungswidrigen Gebrauch dar, sodass eine Kuhlenbildung hinzunehmen ist. Ob dieses Ergebnis überzeugt, mag dahinstehen. Nicht zuletzt ist das Entstehen einer Vertiefung in der Mitte des Bettes auch denkbar, wenn zwei Personen das Boxspringbett nutzen und während des Schlafens näher zur Mitte des Toppers rücken. Ungeachtet dessen bietet die Entscheidung eine gute Gelegenheit, den kaufrechtlichen Sachmangelbegriff zu vergegenwärtigen und eigene Argumentationsstränge für unbekannte Rechtsfragen zu entwickeln.
Schlafkomfortbeeinträchtigung kann grundsätzlich einen Sachmangel begründen. Fraglich kann sein, ob dies bei Gefahrübergang vorhanden oder bereits angelegt war.
Das kann mit von einer vereinbarten Nutzung abhängen. Der Käufer wollte das Bett alleine Nutzen, der Käufer keine solche Nutzungsbeschränkung. Das kann dafür sprechen, dass kein Vereinbarung über eine alleinige nutzung vorlag. In diesem Fall kann der Mangel durch komfortbereinträchtigung eher nicht aufgrund einer typischen Nutzungsvereinbarung bereits bei Gefahrübergang angelegt sein. Gewähreleictung kann ausscheiden. Möglich kann Aufklärungspflicht bleiben, soweit der Käufer einen eventuell schädigenden typischen Nutzungswillen erkennen lies.
Aufklärungspflichtverletzung kann unter Berücksichtigung von Mitverschulden Rückabwicklung eröffnen. Bei Rückabwicklung können gezogene Nutzungen mit zu berücksichtigen sein. Das kann dazu führen, dass bei einer Rückgabe kein weiterer Rückzahlungsanspruch demgegenüber mehr verbleibt.