LG Ansbach: Geringe Farbabweichung bei Neuwagen ist Sachmangel
Das LG Ansbach hat sich kürzlich (Urteil v. 09.07.2014 – Az. 1 S 66/14) mit der Frage beschäftigt, inwiefern lediglich geringe Farbabweichungen bei einem Neuwagen einen Sachmangel im Sinne von § 434 BGB darstellen. Sachmängelhaftung, insbesondere im Zusammenhang mit dem Erwerb von Kraftfahrzeugen, ist ein absoluter Dauerbrenner in allen Examina.
Sachverhalt (stark vereinfacht)
A bestellt bei Händler B ein Fahrzeug, Modell Seat Altea in der Farbe „Track-Grau-Metallic“. Die Farbe wird im Kaufvertrag vermerkt. In dem Kaufvertrag finden sich u.a. folgende formularvertragliche Klauseln:
§ 12
Abweichungen im Farbton bleiben dem Verkäufer vorbehalten, wenn die Änderung nicht erheblich und für den Käufer zumutbar ist.
§ 13
Modelländerungen sowie Ausstattungsänderungen durch den Hersteller gehen zu Lasten des Käufers.
Einige Zeit später wird das Fahrzeug geliefert, allerdings nicht wie bestellt in „Track-Grau-Metallic“, sondern in „Pirineos Grau“. A ist nicht begeistert und verlangt die Umlackierung des Pkw. B verweist auf die AGB und weigert sich, zu zahlen. Hat A gegen B einen Anspruch auf Zahlung der notwendigen Kosten in Höhe von 3500 Euro für die Umlackierung des PKW?
Farbabweichung stellt Sachmangel dar
A kann von B nur dann die Kosten der Umlackierung fordern, wenn er einen Nacherfüllungsanspruch, § 437 Nr. 1, 439 I BGB. Dem Käufer geht es hier offenbar in erster Linie darum, das Fahrzeug zu behalten und umlackieren zu lassen, d.h. um Nachbesserung, und nicht um die Lieferung eines neuen Fahrzeugs in der korrekten Farbe (Nachlieferung). Da die gelieferte Farbe von der ursprünglich bestellten Farbe objektiv abweicht, dürfte ein Sachmangel wegen Abweichung von einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 I BGB zu bejahen sein (siehe auch dieser BGH-Fall).
Ausschlussgründe für die Geltendmachung des Nachbesserungsanspruchs gemäß § 439 III BGB hat das Landgericht hier offenbar nicht gesehen. Kosten für die Umlackierung in Höhe von 3500 Euro für ein Fahrzeug mit einem Wert von ca. 20.000 Euro erscheinen weder unverhältnismäßig, noch bedeutet die Umlackierung an sich eine unzumutbare Belastung für den Verkäufer.
„Abweichungsklauseln“ vorliegend unwirksam
Das Gericht musste sich jedoch mit der Frage auseinandersetzen, ob trotz Vorliegens eines Sachmangels möglicherweise entsprechende Mängelrechte wegen der AGB-Klauseln im Kaufvertrag ausgeschlossen waren. Denn nach § 12 der AGB sollten Farbabweichungen nicht unberücksichtigt bleiben, wenn sie „nicht erheblich“ und „zumutbar“ sind. Im Wege der Klauselkontrolle nach §§ 305 ff. BGB war demnach zu überprüfen, ob die Regelung wirksam war.
Das Landgericht kam hier zu der Auffassung, dass beide Klauseln nach § 307 I BGB unwirksam sind, da sie den Verkäufer unangemessen benachteiligen. Hinsichtlich § 12 wird auf die Begriffe „erheblich“ und „zumutbar“ abgestellt:
Die Klausel in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Verkäuferin, dass Abweichungen im Farbton vorbehalten blieben, wenn die Änderung nicht erheblich und für den Käufer zumutbar sei, sei unwirksam, weil für den Kunden nicht erkennbar sei, von welchen Kriterien die Erheblichkeit der Änderung und deren Zumutbarkeit für den Kunden abhänge.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung:
Zudem sei die vorgenommene Leistungsänderung im konkreten Fall dem Käufer nicht zumutbar, da es sich bei einem Neuwagenkauf um ein wirtschaftlich bedeutendes Geschäft handele, bei dem der Käufer üblicherweise eine bestimmte, individualisierte Farbwahl getroffen habe und nur deswegen bereit sei, den vereinbarten Kaufpreis zu bezahlen. Demgegenüber habe es die Verkäuferin in der Hand, noch vor Abschluss des Kaufvertrags die Verfügbarkeit des konkret bestellten Fahrzeugs zu prüfen und sich vor einer etwaigen vom Hersteller vorgenommenen Farbänderung zu schützen.
Aus den gleichen Gründen kommt das Landgericht hinsichtlich § 13 zu eine ähnlichen Ergebnis. Da die Klauseln somit unwirksam waren, war der Weg frei für den Anspruch auf Nachbesserung.
Fazit
Das Urteil erinnert stark an diesen Fall des BGH, bei dem es ebenfalls um Farbabweichungen beim Neuwagenkauf ging. Allerdings betraf der dortige Fall insbesondere die Frage, ob eine solche Farbabweichung eine „erhebliche Pflichtverletzung“ im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB darstellt und den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt. Wenngleich es in unserem Fall nicht auf die Erheblichkeit der Pflichtverletzung ankommt, lassen sich beide Fälle doch prima kombinieren (z.B. statt Nachbesserung zu verlangen, möchte der Käufer in der Fallabwandlung sich ganz vom Kaufvertrag lösen).
Weitere lesenswerte Fälle:
– https://www.juraexamen.info/bgh-zweimaliger-fehlschlag-nachbesserung-beweislast-ursache-sachmangel/
– https://www.juraexamen.info/bgh-zur-positiven-begutachtung-eines-pkw-als-beschaffenheitsvereinbarung/
– https://www.juraexamen.info/bgh-rucktrittsrecht-ohne-nachfristsetzung-bei-vielzahl-einzelner-mangel-montagsauto/
– https://www.juraexamen.info/bgh-viii-zr-2870-beschaffenheitsvereinbarung-434-abs-1-satz-1-bgb/
Alles richtig, aber die Nennung der einschlägigen Anspruchsgrundlagen zur Zahlung der 3500 € fehlen in der Darstellung.
„A kann von B nur dann die Kosten der Umlackierung fordern, wenn er einen Nacherfüllungsanspruch, § 437 Nr. 1, 439 I BGB.“
Grundsätzlich möchte A ja gerade keinen SE (neben der Leistung, § 280 I BGB) bzw. Geldzahlung, sondern Nacherfüllung. Die Umlackierung scheint ja gerade noch nicht erfolgt zu sein.
„Das Landgericht kam hier zu der Auffassung, dass beide Klauseln nach § 307 I BGB unwirksam sind, da sie den Verkäufer unangemessen benachteiligen.“
Muss „Käufer“ statt „Verkäufer“ heißen.