Ist ein „soweit bekannt“ im PKW-Kaufvertrag eine Beschaffenheitsvereinbarung oder eine Wissensmitteilung?
In einem Beschluss vom 2. 11. 2010 (VIII ZR 287/09) hatte der BGH über einige strittige Klauseln in einem Formularvertrag, der bei PKW-Kaufverträgen zugrunde gelegt wurde, zu entscheiden.
Es ging um folgende Klauseln:
„Ausschluss der Sachmängelhaftung:
Das Kraftfahrzeug wird unter Ausschluss der Sachmängelhaftung verkauft, soweit der Verkäufer nicht nachstehend eine Garantie oder Erklärung abgibt. Der Ausschluss der Sachmängelhaftung besteht nicht im Falle des Vorsatzes und der groben Fahrlässigkeit sowie bei Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit.
Garantien und Erklärungen des Verkäufers:
Gesamtfahrleistung Der Verkäufer garantiert, dass das Kraftfahrzeug eine Gesamtfahrleistung von 70. 400 km hat. …
Vorbesitzer:
Der Verkäufer erklärt, dass das Kraftfahrzeug – soweit ihm bekannt – 1 (Anzahl) Vorbesitzer (Personen, auf die das Kraftfahrzeug zugelassen war) hatte.“
Umstritten war hier, ob es sich bei der „Erklärung“ („soweit ihm bekannt“) um eine Beschaffenheitsvereinbarung i.S.d. § 434 Abs. 1 S. 1 BGB oder aber um eine reine Wissenserklärung handelte.
BGH-Urteil aus dem Jahr 2008: „Keine Unfallschäden laut Vorbesitzer“ ist keine Beschaffenheitsvereinbarung
In einem Urteil vom 12. März 2008 (VIII ZR 253/05) hat der BGH entschieden, dass sich aus einer Angabe des Verkäufers, wonach Unfallschäden laut Vorbesitzer nicht vorlägen, keine Beschaffenheitsvereinbarung gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB ergebe, sondern dass es sich hierbei lediglich um eine Wissenserklärung oder – besser – Wissensmitteilung handele, mit der der Verkäufer die Angabe des Vorbesitzers wiedergebe.
Das gleiche gilt für „laut Fahrzeugbrief“
Der BGH hat in diesem Zusammenhang auch den Zusatz „laut Fahrzeugbrief“ als einen der vorstehend genannten einschränkenden Formulierung vergleichbaren Zusatz angeführt.
Für Beschaffenheitsvereinbarung ist Eindeutigkeit erforderlich
Der BGH hat in dem Urteil aus dem Jahr 2008 zudem klar gestellt, dass nach der Schuldrechtsmodernisierung die Annahme der Vereinbarung einer Beschaffenheit nicht mehr „im Zweifel“, sondern nur noch in einem eindeutigen Fall in Betracht kommt.
BGH: „soweit ihm bekannt“ ebenfalls keine Beschaffenheitsvereinbarung
Nach Ansicht des BGH ist auch die Formulierung „soweit ihm bekannt“ nicht als Beschaffenheitsvereinbarung hinsichtlich der Anzahl der Vorbesitzer des verkauften Gebrauchtwagens zu qualifizieren.
(P) Nicht nur Garantien, sondern auch Erklärungen vom Ausschluss ausgenommen
Fraglich ist, ob dies anders zu beurteilen ist, weil der Verkäufer nicht nur die Garantien, sondern auch die Erklärungen vom Ausschluss ausgenommen hat. (s.o.)
Dies verneint der BGH:
Ohne Erfolg rügt die Revision, das Berufungsgericht habe bei der Verneinung einer Beschaffenheitsvereinbarung rechtsfehlerhaft nicht gewürdigt, dass nach dem Vertrag nicht nur die Garantien, sondern auch die Erklärungen des Verkäufers von dem vereinbarten Ausschluss der Sachmängelgewährleistung ausgenommen worden seien, wodurch sich der Streitfall von der dem oben genannten Senatsurteil zugrunde liegenden Fallgestaltung unterscheide und woraus folge, dass der Beklagte für seine Erklärung zur Anzahl der Vorbesitzer trotz des Zusatzes „soweit ihm bekannt“ nach §§ 434 ff. BGB zu haften habe. Entgegen der Auffassung der Revision hat sich das Berufungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung mit diesem Gesichtspunkt ausdrücklich befasst. Es ist auch unter Zugrundelegung der Annahme, dass vom Gewährleistungsausschluss neben Garantien auch die Erklärungen des Verkäufers ausgenommen seien, zu dem Ergebnis gelangt, dass es dem Vertrag angesichts des Zusatzes „soweit bekannt“ an der nach der Rechtsprechung des Senats für eine Beschaffenheitsvereinbarung erforderlichen Eindeutigkeit fehle.
Anspruch aus c.i.c.?
Zu klären war des Weiteren die Frage, ob dem Käufer dann zumindest ein Anspruch aus c.i.c. zustehe.
Auch einem solchen Anspruch erteilt der BGH wegen des allgemeinen Vorrangs der Kaufgewährleistungsvorschriften hier eine Absage:
Ebenfalls ohne Erfolg bleibt die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe den Klageanspruch zu Unrecht nur unter dem Gesichtspunkt der Minderung geprüft, nicht aber die Frage aufgeworfen, ob die Klage (auch) unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen Verschuldens bei Vertragsschluss (§ 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB) begründet sei. Zwar macht die Revision zutreffend geltend, dass der Umstand, dass der Kläger in den Tatsacheninstanzen sein Begehren nicht auf einen Schadensersatzanspruch aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen, sondern ausschließlich auf Kaufpreisminderung gestützt hat, nichts daran ändert, dass das Berufungsgericht gehalten gewesen ist, das Klagebegehren in den Grenzen des Klageantrags unter jedem nach dem Vortrag des Klägers in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. An der fehlenden Erfolgsaussicht der Revision ändert dies indes nichts. Denn auf der unterbliebenen Prüfung eines möglichen Schadensersatzanspruchs wegen Verschuldens bei den Vertragsverhandlungen beruht das Berufungsurteil nicht. Die Voraussetzungen eines solchen Schadensersatzanspruchs liegen nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht vor.
Entgegen der Auffassung der Revision steht einem Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss hier bereits der grundsätzliche Vorrang des Sachmängelgewährleistungsrechts entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 27. März 2009 – V ZR 30/ 08, BGHZ 180, 205 Rn. 19 ff.; Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 38/ 09, NJW 2010, 858 Rn. 20), auf das die Klage alleine gestützt worden ist und dessen Regelungsbereich hier, anders als die Revision meint, betroffen ist. Von einem arglistigen (vorsätzlichen) Verhalten des Beklagten, für das nach der vorstehend genannten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Ausnahme vom Vorrang des Sachmängelgewährleistungsrechts gilt, ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht auszugehen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu Fragen, deren Beantwortung erkennbar maßgebliche Bedeutung für den Kläger hatte, ohne tatsächliche Grundlagen ins Blaue hinein unrichtige Angaben gemacht hat (vgl. Senatsurteile vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 209/ 05, BGHZ 168, 64 Rn. 13; vom 21. Januar 1975 – VIII ZR 101/ 73, BGHZ 63, 382, 388), lassen sich den Feststellungen ebenso wenig entnehmen wie solche für eine vorsätzliche Aufklärungspflichtverletzung seitens des Beklagten (vgl. Senatsurteil vom 16. Dezember 2009 – VIII ZR 38/ 09, aaO Rn. 21).
Die Thematik geisterte schon vor Tagen auf diversen Seiten.