Noch einnmal: Erheblichkeit eines Mangels beim Kfz-Kauf (teures Wohnmobil)
Wir hatten vor einiger Zeit in einem Beitrag bereits auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Erheblichkeit eines Sachmangels beim Kfz-Kauf hingewiesen. In einer frischen Entscheidung (BGH VIII ZR 202/10 – Urteil vom 29.06.2011) wurde diese Rechtsprechung in einem Fall bestätigt, in dem der Kaufgegenstand ein Fahrzeug der „Luxusklasse“ war. Nebenbei geht es auch um die Anforderungen an eine endgültige Erfüllungsverweigerung des Verkäufers, die eine Fristsetzung beim Rücktritt entbehrlich machen kann.
Sachverhalt (vereinfacht)
K erwirbt von V ein luxuriöses Wohnmobil zu einem Preis von 134.437 Euro. Nach einiger Zeit treten die ersten Mängel an dem Fahrzeug auf, sodass es insgesamt viermal in die Werkstatt des V zur Reparatur gebracht werden muss. Bei den Reparaturen werden nebenbei zahlreiche weitere Mängel beseitigt, von denen K bis dahin keine Kenntnis gehabt hatte. Danach teilt V dem K schriftlich mit, dass er „alle Mängel behoben seien“.
Als hiernach weitere, bisher unbekannte Sachmängel (u.a. Druckverlust im Reifen, Tür schließt nur mit erheblichem Kraftaufwand) auftreten, wird es es dem K zu bunt. Er erklärt dem V schriftlich den sofortigen den Rücktritt und verlangt Rückzahlung des Kaufpreises. V bezweifelt ein Rücktrittsrecht des K. Dafür, dass die Werkstattaufenthalte für K besonders lästig gewesen seien, könne er nichts. Auch hätte K dem V eine Frist setzen müssen, was hier jedoch nicht geschehen sei. Kann K zurücktreten und die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen?
Hinweis: Alle erforderlichen Reparaturkosten liegen unterhalb von 1% des Kaufpreises.
Unerheblichkeit des Sachmangels bei Beseitigungskosten unterhalb 1% des Kaufpreises
Der BGH führt seine bisherige Rechtssprechung fort:
Nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Senats der Fall, wenn der Mangel behebbar und die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Bei welchem Prozentsatz die Geringfügigkeitsgrenze überschritten ist, hat der Senat bislang offen gelassen. Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung; denn jedenfalls Mängel, deren Beseitigung – wie hier – Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, sind nach der Rechtsprechung des Senats unzweifelhaft als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB einzustufen, so dass auf sie ein Rücktritt nicht gestützt werden kann.
Keine andere Wertung bei Fahrzeug der „Luxusklasse“
Auch bei einem Luxusfahrzeug sieht der BGH keinen Grund, von seiner Auffassung abzuweichen, denn
[f]ür die Erheblichkeit eines behebbaren Mangels im Rahmen des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB kommt es regelmäßig auf die Relation zwischen den Kosten der Mängelbeseitigung und dem Kaufpreis an, denn das Gewicht der dem Verkäufer insoweit zur Last fallenden Pflichtverletzung lässt sich nur unter Berücksichtigung des Umfangs der geschuldeten Leistung insgesamt bewerten. Dies gilt auch für Güter aus einem höheren Preissegment wie im vorliegenden Fall.
Kosten der Mängelbeseitigung als grundlegendes Indiz für die Erheblichkeit
Der BGH beschäftigt sich auch mit dem konkreten Anknüpfungspunkt für die Erheblichkeit. Abzustellen ist in der Regel weniger auf die Qualität des Mangels, sondern auf die Kosten der Beseitigung.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB bei behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen. Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es vielmehr nur dann entscheidend an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist, etwa weil auch der Verkäufer sie nicht feststellen konnte, wie es bei dem Sachverhalt der Fall war, der dem von der Revisionserwiderung zitierten Senatsurteil vom 5. November 2008 (VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508) zugrunde lag. Die Behebbarkeit der hier vom Berufungsgericht bejahten Mängel steht hingegen nicht in Frage.
„Lästigkeit“ der Reparaturen anderer Mängel für Erheblichkeit nicht relevant
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die mit einem verhältnismäßig geringen Kostenaufwand zu beseitigenden Mängel auch nicht deshalb als erheblich angesehen werden, weil sich das Wohnmobil insgesamt vier Mal zur Nachbesserung in der Werkstatt der Beklagten befunden hat und dies für den Käufer mit nicht unerheblichen Lästigkeiten verbunden gewesen ist. Denn die Erheblichkeit eines (fortbestehenden) Mangels hat nichts damit zu tun, in welchem Umfang der Verkäufer zuvor andere Mängel beseitigt hat und wie lästig dies gegebenenfalls für den Käufer gewesen ist.
Anforderungen an endgültige Erfüllungsverweigerung gem. § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB des Verkäufers streng
Der BGH stellt klar, dass ein Schreiben des Verkäufers – wie im Sachverhalt geschildert – nicht ausreicht, um das Fristsetzungserfordernis bezüglich des Rücktritts entfallen zu lassen.
Eine Erfüllungsverweigerung liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Dafür reicht das bloße Bestreiten des Mangels oder des Klageanspruchs nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen will und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Fristsetzung werde umstimmen lassen (Senatsurteil vom 21. Dezember 2005 – VIII ZR 49/05, NJW 2006, 1195 Rn. 25). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt deshalb in der mit Schreiben der Beklagten vom 8. Juni 2007 erfolgten Mitteilung, alle Mängel seien behoben, keine endgültige Erfüllungsverweigerung. Die Beklagte hat damit zwar zum Ausdruck gebracht, dass sie sämtliche nach ihrer Auffassung beste-henden Mängel beseitigt habe und folglich das Vorhandensein weiterer Mängel in Abrede gestellt. Dass dies das letzte Wort der Beklagten darstellte und eine Fristsetzung deshalb sinnlos war, lässt sich daraus nicht entnehmen.
Hingegen reicht es für die Annahme der Unzumutbarkeit der Nacherfüllung für den Käufer nicht aus, dass bereits andere Mängel an der Sache beseitigt worden sind. Insofern ist jeder Mangel isoliert zu betrachten.
Zwar ist eine Fristsetzung zur Nacherfüllung auch dann entbehrlich, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nachbesserung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist (§ 440 Satz 1, 2 BGB). […] Der Umstand, dass die Beklagte bereits wegen verschiedener anderer Mängel Nachbesserungsarbeiten vorgenommen hat, führt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht dazu, dass den Klägerinnen wegen der weiteren noch im Streit befindlichen Mängel eine Nachbesserung durch die Beklagte nicht mehr zumutbar wäre, denn der Käufer hat dem Verkäufer grund-sätzlich wegen jedes einzelnen Mangels Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben.
Ergebnis: K kann nicht zurücktreten und den Kaufpreis auch nicht zurückfordern.
Fazit
Ein Fall aus dem Kaufrecht, der als Aufhänger für eine Klausur dienen könnte. Interessant sind insbesondere die Erwägungen zur Erheblichkeit eines Sachmangels und den Anforderungen an eine Erfüllungsverweigerung des Verkäufers. Da das Gesetz keine Anhaltspunkte zur Frage der Erheblichkeit gibt, sollte man die Rechtsprechung des BGH im Auge behalten.
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