Jur:Next Urteil: Über den Wolken
Wir freuen uns, heute wieder einen Beitrag aus der gemeinsamen Kooperation mit jur:next veröffentlichen zu können. Nachfolgend wird ein Beschluss des Bundesgerichtshofs besprochen, der sich in einer neuartigen und spannenden Fallkonstellationen mit dem strafrechtlichen Rücktritt beschäftigt.
Besprechung von BGH, Beschluss vom 09.09.2014 – 4 StR 367/14
Der Angeklagte schlug dem Piloten des Flugzeuges unvermittelt mit einem Stein mehrmals auf die linke Kopfhälfte. Als er merkte, dass die Schläge nicht zur Besinnungslosigkeit des Opfers führten, umklammerte er mit beiden Händen dessen Kopf und fuhr mit seinen Daumen in dessen Augenhöhlen hinein, um die Augen einzudrücken.[1]
Was sich liest wie der Beginn eines Action-Thrillers, stellt einen Ausschnitt des Sachverhaltes dar, mit dem sich der 4. Strafsenat des BGH auseinander setzen musste. Dabei befasste sich dieser mit einem elementaren Aspekt des allgemeinen Teils des Strafrechts; dem Rücktritt.
I. Sachverhalt
Der Angeklagte fasste den Entschluss, sich während einer Flugstunde durch einen herbeigeführten Flugzeugabsturz zu töten und dabei den Anschein eines Flugunfalls zu erwecken. Am Tattag befand sich der Angeklagte mit seinem Ausbilder im Schulungsflugzeug auf einer Flughöhe von 1.500 Metern. Er führte, ohne Wissen des Piloten, einen etwa 1.100 Gramm schweren Stein und ein 21 cm langes Küchenmesser mit sich. Mit diesen Hilfsmitteln wollte er den Ausbilder zumindest handlungsunfähig machen, um sich durch den Absturz der Maschine selbst zu töten. Der damit einhergehende Tod des Piloten war ihm gleichgültig. Es ging dem Angeklagten lediglich darum seinen Selbstmord als aufsehenerregenden Flugunfall zu inszenieren.
Trotz der oben genannten Angriffe, schaffte es der Fluglehrer den Angeklagten von sich weg zu drücken, wobei er aber die Steuerung loslassen musste. Das Flugzeug ging daraufhin in den Sturzflug, welcher durch den Angeklagten noch beschleunigt wurde, da dieser das Steuerhorn nach vorn drückte. Dieses wurde daraufhin vom Fluglehrer übernommen und schaffte es durch sein Eingreifen einen Absturz zu verhindern. Der Angeklagte saß während dieses Vorgangs schweigend neben ihm.
II. Problemaufriss
Dieser recht drastische Fall eröffnet die Gelegenheit sich nochmals mit dem Umgang des Versuchs und des Rücktritts zu beschäftigen. Wird ersterer als gegeben festgestellt, muss letzterer zwingend angedacht werden. Sodann ist dieser schematisch sauber darzustellen. Hierbei sollte sich an den Punkten des Fehlschlages, der Beendigung oder Nichtbeendigung des Versuches und der Freiwilligkeit des Rücktritts orientiert werden.
Vorliegend hatte das Landgericht Frankfurt (Oder) erstinstanzlich den Angelkaten des versuchten Mordes (Heimtücke/niederer Beweggrund) für schuldig befunden, da es der Ansicht war der Versuch sei fehlgeschlagen und ein Rücktritt somit nicht möglich.[2]
Dabei ist von einem Fehlschlag des Versuchs auszugehen, wenn nach der Vorstellung des Täters das konkrete Handlungsprojekt nicht mehr zu Vollendung gebracht werden kann, sei es hinsichtlich des Handlungserfolges oder des Handlungsmittels.[3] Erkennt der Täter zu diesem Zeitpunkt oder hat er eine entsprechende Vorstellung dahin, dass es zur Herbeiführung des Erfolges eines erneuten Ansetzen bedürfte, etwa mit der Folge einer zeitlichen Zensur und einer Unterbrechung des andauernden Handlungsfortgangs, liegt ein Fehlschlag des Versuches vor, von dem ein Rücktritt denknotwendigerweise nicht mehr möglich ist.[4]
Beachtenswert ist dabei, dass im Rahmen einer mehraktigen Handlung der Fehlschlag nicht zwingend mit dem misslingen eines oder mehrerer Ansätze eintritt. Denn auch hier entscheidet die subjektive Sicht des Täters. Hält dieser nach dem letzten Akt den gewollten Taterfolg zuerst für möglich (Taterfolg wird eintreten), erkennt sodann aber, dass er sich geirrt hat (Taterfolg wird doch nicht eintreten), so wird diese Sicht die entscheidende für die Umstände des Rücktritts. Dies stellt die sogenannte Korrektur des Rücktrittshorizontes dar. [5] Hält der Täter die Ausführung der Tat immer noch, sei es auch mit anderen Mitteln, für möglich, kann der freiwillige Verzicht der weiteren Tatausführung zum straffreien Rücktritt führen, wenn die weiteren Bedingungen gemäß § 24 StGB vorliegen.
Dies hatte das Landgericht nicht ausreichend berücksichtig, da es keine Feststellungen traf, ob der Angeklagte es noch für möglich hielt den Taterfolg herbei zu führen, nachdem der Ausbilder den Flugzeugabsturz verhinderte.[6]
III. Bedeutung für die Ausbildung
Versuch und Rücktritt stellen grundlegendes Rüstzeug für die strafrechtliche Klausur dar. Zeigen sich hier größere Mängel, wird es für den jeweiligen Bearbeiter schwer in einen positiven Notenbereich vorzustoßen. Hierzu ist es unerlässlich den Prüfungsaufbau und die dazugehörigen Definitionen sicher zu beherrschen. Auch sollten die wesentlichen Problemfelder, wie z. B. die oben aufgeführte ,,Korrektur des Rücktrittshorizontes‘‘, bekannt sein.
Zudem sollte stets darauf geachtet werden, dass dieser Prüfungsabschnitt aus der Sicht des handelnden Täters zu bearbeiten ist. Das Gegenteil ist leider immer wieder in den Klausuren der Studenten zu finden und führt zu unnötigen Punktverlusten.
[1] 4 StR 367/14, Rn. 3.
[2] 4 StR 367/14, Rn. 4.
[3] Kindhäuser/Neumann/Paeffgen, StGB § 24 Rn.20.
[4] NStZ 2007, 399.
[5] NStZ-RR 2003, 40.
[6] 4 StR 367/14, Rn. 8.
Es sollte noch dahingehend korrigiert werden, dass es zeitliche Zäsur und nicht Zensur heißen sollte.