BGH: Anweisungsfälle – Konkludente Genehmigung einer Lastschrifteinzugsermächtigung
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung (Az. XI ZR 320/09 – Urteil vom 01.03.2011) befasst sich der BGH mit den Voraussetzungen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Drei-Personen-Verhältnis. Konkret geht es um die Frage, wann die konkludente Genehmigung einer Lastschrifteinzugsermächtigung durch den Anweisenden angenommen werden kann und wie sich dies auf einen Bereicherungsanspruch der angewiesenen Bank gegen den Empfänger der Leistung auswirkt. Bereicherungsrechtliche Fragen im Rahmen sog. Anweisungsfälle sind regelmäßig beliebter Prüfungsstoff in Examensklausuren.
Sachverhalt
Autohändler S unterhält ein Kontokorrentkonto bei der Bank K. Bei Eröffnung des Kontos wurde zwischen S und K u.a. Folgendes festgelegt:
Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren
[…] 2.4
Die Autorisierung der Zahlung durch den Kunden erfolgt nachträglich über die Genehmigung der entsprechenden Lastschriftbelastungsbuchung auf seinem Konto. Hat der Kunde eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Zahlungsempfänger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, nicht schon genehmigt, so hat er Einwendungen gegen diese im Saldo des nächsten Rechnungsabschlusses enthaltene Belastungs- buchung spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben. Macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung der Belastung.
[…]
Seit einiger Zeit läuft es bei S wegen der schlechten Auftragslage schlecht, sodass er kaum noch seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Am 15. April 2004 wird durch die Bank B einer gesetzlichen Krankenkasse im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren der regelmäßig zu entrichtende Beitrag in Höhe von 2000 Euro vom Konto des S abgebucht. Ein Widerspruch des S diesbezüglich erfolgt nicht. Bereits am 18. Mai 2004 wird die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des S angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter I mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. I macht sogleich geltend, dass er allen bis dahin nicht genehmigten Lastschrifteinzügen nicht zustimme.
Daraufhin schreibt K dem Konto des S den zuvor abgebuchten Betrag wieder gut und verlangt von B die Erstattung der 2000 Euro. Als Begründung führt K an, eine Zustimmung des S zur Lastschrifteinzugsermächtigung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Demnach sei die Zahlung der 2000 Euro unwirksam gewesen. Jedenfalls habe sie, K, nur deswegen den Betrag auf das Konto des S zurückgebucht, da sie von dem Fehlen der Genehmigung aufgrund der Äußerungen des I fest ausgegangen sei. .
Hat K einen Anspruch gegen B auf Erstattung der 2000 Euro aus § 812 Abs.1 S.1 2.Alt BGB?
Ungenehmigte Belastungsbuchungen sind nicht insolvenzfest
Der BGH zu der Frage, ob eine Belastungsbuchung von der Insolvenzmasse und damit vom Zugriff des Insolvenzverwalters ausgenommen ist:
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass auf der Grundlage der für die streitige Lastschrift geltenden Genehmigungstheorie die im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgte Lastschriftbuchung vor der Genehmigung durch den Schuldner nicht insolvenzfest war. Wenngleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Belastungsbuchungen nicht aus eigenem Recht genehmigen kann, so ist er doch in der Lage, die Genehmigung des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, indem er solchen Belastungsbuchungen widerspricht, die noch nicht genehmigt sind.
Konkludente Genehmigung bei wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen
Mit Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH wird klargestellt, dass an eine konkludente Genehmigung in Fällen wiederkehrender Zahlungen im Rahmen des Geschäftsverkehrs keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Dies trägt gerade dem Zweck der Lastschrifteinzugsermächtigung Rechnung, die eine unkomplizierte Abwicklung von Zahlungsverbindlichkeiten gewährleisten soll.
Eine konkludente Genehmigung kommt nach der neueren, nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zum Einzug von wiederkehrenden Steuervorauszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen handelt. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben. Eine solche Annahme ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Zahlstelle beim Einzugsermächtigungsverfahren in der derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung zwar einerseits – für den Kontoinhaber erkennbar – auf seine rechts- geschäftliche Genehmigungserklärung angewiesen ist, um die Buchung wirksam werden zu lassen, das Verfahren aber andererseits darauf ausgelegt ist, dass der Kontoinhaber keine ausdrückliche Erklärung abgibt. In einer solchen Situation sind an eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Konto – wie hier – im unternehmerischen Geschäftsverkehr geführt wird. In diesem Fall kann die Zahlstelle damit rechnen, dass die Kontobewegungen zeitnah nachvollzogen und überprüft werden.
So auch im konkreten Fall. Bei dem Krankenkassenbeitrag handelt es sich um eine regelmäßig wiederkehrende Leistungsverpflichtung. S hat der Abbuchung nicht widersprochen, sodass von einer konkludenten Genehmigung auszugehen war.
Objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden maßgeblich
Fraglich könnte sein, ob die K von dem Fehlen einer Genehmigung deswegen ausgehen konnte, weil der Insolvenzverwalter die Abbuchung seinerseits für nicht genehmigt gehalten hat und dementsprechend eine Rückbuchung durch die K erfolgt ist. Der BGH verneint das und stellt allein auf das erkennbare Verhalten des Erklärenden ab.
Entscheidend ist auch bei einer konkludenten Genehmigung der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 133 Rn. 9, 11 mwN). Bei Vorliegen der oben (unter 2. a) genannten Umstände liegt daher eine konkludente Genehmigung des Kontoinhabers unabhängig davon vor, ob die kontoführende Bank subjektiv von einer Genehmigung ausgegangen ist oder nicht.
Keine Direktkondiktion bei wirksamer Anweisung
Da die Voraussetzungen einer konkludenten Genehmigung erfüllt waren (s.o), handelt es sich um eine wirksame Anweisung des S an die K, an B zu zahlen. Mithin hat S seine Verbindlichkeit gegenüber der Krankenkasse erfüllt, die Leistung war wirksam. Es gelten die allgemeinen Regeln im bereicherungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis: Die Rückabwicklung erfolgt ausschließlich innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse. Daran ändert auch die Versagung der Genehmigung durch den Insolvenzverwalter nichts.
In diesem Fall liegt eine wirksame Anweisung des Schuldners vor, so dass für einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch außerhalb der Leistungsverhältnisse die dogmatische Grundlage fehlt. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich daher in diesem Fall entsprechend den allgemeinen Grundsätzen innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse. Hat der Schuldner die Lastschriftbuchung vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt genehmigt, geht dessen Versagung der Genehmigung ins Leere. In diesem Fall ist im Deckungsverhältnis bereits vor Bestellung des Insolvenzverwalters der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in Höhe des Lastschriftbetrages entstanden und die von ihr vorgenommene Belastungsbuchung des Schuldnerkontos mit Rechtsgrund erfolgt. Indem die Klägerin den Lastschriftbetrag dem Konto wieder gutschrieb, wollte sie ihrer girovertraglichen Pflicht zur Kontoberichtigung nachkommen, die aber wegen der zuvor konkludent erteilten Genehmigung nicht bestand. Sollte die Klägerin mit der Gutbuchung des Lastschriftbetrages auf dem Schuldnerkonto lediglich ein bei ihr bestehendes Debet des Schuldners zurückgeführt haben, so ist dadurch kein Auszahlungsanspruch des Insolvenzverwalters entstanden. Dann kann sie im Wege der Berichtigung das Debet wieder auf die ursprüngliche Höhe setzen und ihren Darlehensrückzahlungsanspruch in ursprünglicher Höhe im Insolvenzverfahren weiterverfolgen. Hat die Klägerin demgegenüber nicht lediglich das Debet auf dem Schuldnerkonto zurückgeführt, sondern tatsächlich Auszahlungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommen, so muss sie ihren Bereicherungsanspruch im Insolvenzverfahren geltend machen.
Fazit
K muss sich wegen seines Zahlungsbegehrens an S halten. Der Fall verdeutlicht gut die Funktionsweise der Rückabwicklung im Bereicherungsrecht bei drei Personen: Handelt es sich bei der Zahlung des Angewiesenen um eine wirksame Leistung des Anweisenden an den Dritten, so gilt der der Grundsatz der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion. Die Rückabwicklung erfolgt dann stets innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse, eine Direktkondiktion im Wege der Eingriffskondiktion des Angewiesenen gegen den Bereicherten ist nur in Ausnahmefällen möglich. Grundgedanke dieser Regelung ist zum einen, dass die (rechtsgrundlosen) Vermögensverschiebungen weitestgehend so rückgängig gemacht werden sollen, wie sie ursprünglich von Statten gegangen sind, um die Wiederherstellung der korrekten Güterzuordnung transparent zu halten. Zum anderen soll ein Bereicherungsschuldner nicht unerwartet Ansprüchen eines völlig unbekannten Bereicherungsgläubiger ausgesetzt sein. Ausgangspunkt ist bei der Prüfung immer, ob zwischen Anweisenden und dem Dritten ein Leistungsverhältnis vorliegt. In diesem Zusammenhang sollte auch ein Blick in die §§ 675c ff. BGB geworfen werden, welche bereits im Examen in NRW (z.B. November 2010) abgeprüft wurden.
Der kurze Abstecher ins Insolvenzrecht sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Entscheidung hervorragend als Aufhänger für eine Examensklausur eignet.
Fazit
K muss sich wegen seines Zahlungsbegehrens an W halten
Wo kommt W her?
Welcher W? ich lese nur von Schuldner S, seiner Bank K, der krankenkasse und der bank b – also um genau zu sein ein 4-personen Verhältnis.
Bemerkenswerter als die bereicherungsrechtliche rückabwicklung ist aber, dass I nicht mehr widerrufen konnte, obwohl die frist von 6 wochen nach zustellung des rechnungsabschlusses (ende des 2. Quartals = 30. Juni), also mitte august irgendwann, noch nicht mal abgelaufen war (agb-banken), weil der bgh hier von einer konkludenten genehmigung ausgeht, an die keine allzu hohen anforderungen zu stellen sind.
Naja gut, s ist immerhin unternehmer und es geht wohl um wiederkehrende leistungen. Aber auch agb sind vertrag und da heisst es eben bis 6 wochen nach rechnungsabschluss ist die abbuchung widerruflich. Dann sollte die bank auch von einem widerruf durch den insolvenzverwalter ausgehen dürfen und nicht vom bgh erfahren, dass ja in wirkluchkeit schon längst konkludent genehmigt war.
Der Tippfehler bzgl. „W“ wurde korrigiert, war aber als solcher offensichtlich.
Danke für die zusätzlichen Anmerkungen. Eine konkludente Erklärung hat jedoch die gleiche Wirkung, wie eine ausdrückliche Erklärung: Maßgebliche bleibt immer der objektive Empfängerhorizont.
Besteht also eine (konkludente) Genehmigung, nützt der Verweis auf die AGB der Bank oder S nichts. Wurde der Lastschriftermächtigung zugestimmt, besteht schon kein Widerspruchsrecht des Kontoinhabers mehr. Insofern geht es auch nicht um ein Widerrufsrecht im eigentlichen Sinne (an einer Zustimmung fehlt es ja gerade, sodass nichts „zurückzunehmen“ wäre), sondern um das rechtzeitige Verhindern des Eintritts der Genehmigungsfiktion nach Ende der 6 Wochen Frist.
Grüße
Nico
Im endeffekt will der bgh nur verhindern, dass I regelmäßig alles widerruft, um die insolvenzmasse zu mehreren und schützt mit der „vorgelagerten“ genehmigungsfiktion bei „regelmäßigen“ abbuchungen vorwiegend die gläubiger des s.
Allerdings finde ich es fragwürdig, wie man die konkludente erklärung des verzichts auf ausübung seines vorbehaltenen rechts die zustimmung nachträglich wieder verweigern zu können begründet.
Die bank achtet vorwiegend auf ihre agb nach denen die fiktion erst 6 wochen nach rechnungsabschluss eintritt. Der bgh sagt nun, dass dies auch schon viel früher eintreten kann und fingiert damit selbst eine genehmigung und verknappt damit die individuelle vertragsvereinbarung.
Grundsätzlich gilt doch, dass schweigen im rechtsverkehr gerade kein erklärungswert zuzumessen ist, es sei denn u.a. es wurde ausdrücklich so vereinbart (hier agb: mit einem ausreichend großen widerspruchs-zeitraum, der defacto fast 3 monate und 6 wochen in bestimmten einzelfällen betragen kann bis die fiktion erst eintritt). Der bgh widerspricht dem anscheinend. Ich finde zu unrecht, auch wenn es im ergebnis für die gläubiger des insolventen die bessere entscheidung ist. Trotzdem würde ich mich jetzt als bank zweimal fragen, ob ich eine überweisung rückgängig machen darf oder nicht. Im zweifel, wenn der insolvenzverwalter widerruft am besten mal nichts machen, da ja schon „konkludent genemhigt“ worden ist, könnte die devise lauten.
Nein. Die Genehmigungsfiktion wurde nicht „vorgelagert“. Die konkludente Genehmigung hat, wie eine ausdrückliche Genehmigung, einen objektiven Erklärungswert und war hier wirksa. Die Fiktion ist dann nicht mehr notwendig, da die Lastschriftermächtigung bereits (konkludent) genehmigt worden ist.
Es geht auch nicht um einen „konkludeten“ Verzicht auf irgendein vorbehaltenes (?) Recht. Wurde die Genehmigung erteilt, ist sie in der Regel nicht mehr widerruflich. Der Widerspruch kann nur greifen, wenn es noch an einer Zustimmung fehlt und die 6 Wochen Frist nicht abgelaufen ist.
Das Schweigen im Rechtsverkehr wird hier nicht behandelt. Das Verhalten des S ist gerade kein „Nicht-Erklären“, sondern hat einen spezifischen Erklärungswert im Rahmen des konkreten Verkehrsbereichs (wiederkehrende Abbuchungen einer Krankenkasse).
Gruß
„Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben.“
Dies steht doch klar im Widerspruch zu dem in AGB vereinbarten Inhalt des Girovertrages, in denen klargestellt ist, dass grundsätzlich keine Abbuchung vorzeitig Bestand haben soll, sondern innerhalb einer bestimmten Schwebezeit rückabgewickelt werden kann.
Mir ist bewusst, dass du darauf hinaus willst, dass eine konkludente Genehmigung vorliegt. Es geht mir lediglich um die Begründung des BGH wie er eine solche annimmt. Die daran anknüpfenden rechtlichen Folgen sind klar.
Schöner Beitrag, nur wie baue ich das Ganze klausurmäßig auf?