Schlagwortarchiv für: Bereicherungsrecht
I. Tatbestand
1. Etwas erlangt
→ Jeder vermögensrechtliche Vorteil
2. Durch Leistung
→ Bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens zur Erfüllung einer Verbindlichkeit
3. Ohne rechtlichen Grund
→ Inzidenzprüfung des Rechtsgrunds (z.B. schuldrechtlicher Vertrag)
4. Keine Kondiktionssperre
→ § 814 BGB: Alt.1 – Kenntnis der Nichtschuld; Alt. 2– Anstands- und Sittenpflicht
→ § 817 S.2: Verstoß gegen Gesetz oder gute Sitten
II. Rechtsfolge
1. Herausgabe des Erlangten
→ Soweit nicht möglich: Wertersatz nach § 818 II BGB
2. Anspruch ausgeschlossen, soweit Empfänger entreichert ist, § 818 III BGB
→ Keine Entreicherung bei ersparten Aufwendungen
→ Keine Entreicherung bei verschärfter Haftung: §§ 818 IV, 819 BGB
- Insbesondere, wenn Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes kennt (§ 819 I BGB)
Bekomme ich mein Geld für eine Flugbuchung zurückerstattet, wenn ich den Flug ohne Grund einfach nicht antrete? Mit genau dieser Frage hatte sich der BGH in einem am 1. August 2023 verkündeten Urteil zu befassen (BGH, Urteil v. 1.8.2023 – X ZR 118/22). Die Entscheidung ist brisant und nicht nur für das juristische Studium, sondern auch für die nächste Urlaubsplanung interessant.
I. Der Sachverhalt (leicht angepasst)
Der sich nach einem Urlaub sehnende A bucht bei der irischen Billigfluggesellschaft R einen Flug von Memmingen auf die griechische Insel Kreta zum Preis von 27,30 EUR. Den Rechnungsbetrag überweist A sofort auf das aus der Buchungsbestätigung ersichtliche Konto von R. Weil ihm ein spontaner Termin aber einen Strich durch seine Urlaubsplanung macht, beschließt er, den Flug nicht anzutreten. Dabei ist er der Auffassung, dass R durch seinen Nichtantritt (der des A) Kosten in Gestalt von den pro Passagier bemessenen Steuern, Gebühren etc. (sog. Flugnebenkosten) einspart. Diese Einsparungen belaufen sich auf insgesamt 18,41 EUR, wobei die Höhe der Flugnebenkosten von R nicht bestritten wird. In der dem A ausgestellten Rechnung wird auf diese Kosten nicht eingegangen, vor allem aber ist eine Übernahme dieser Kosten, die im Normalfall die Fluggesellschaft selbst entrichtet, nicht geregelt. Die 18,41 EUR sind insoweit kein Teilbetrag bzw. Summand des Endpreises in Höhe von 27,30 EUR. A verlangt diesen Betrag von R zurück. Da er den Anspruch jedoch nicht selbst gerichtlich verfolgen will, tritt er die Forderung an Z ab, der gewerbsmäßig Fluggastrechte geltend macht. Eine Abtretung war dabei in dem zwischen A und R geschlossenen „Flugbeförderungsvertrag“ formularmäßig ausgeschlossen worden. Hat Z gegen R unter Anwendung deutschen Rechts einen Anspruch auf Zahlung von 18,41 EUR?
II. Die Entscheidung (leicht angepasst)
Der Zessionar Z könnte gegen R einen Anspruch auf Zahlung von 18,41 EUR gem. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 i.V.m. § 398 BGB haben. Dafür müsste zunächst Zedent A gegen R einen entsprechenden Anspruch gehabt haben, der sodann wirksam an Zessionar Z abgetreten worden sein müsste.
1. Anspruch A gegen R
Ein Anspruch von A gegen R auf Rückzahlung von 18,41 EUR könnte sich aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ergeben.
R müsste zunächst „etwas“ erlangt haben. Durch die Überweisung des Geldbetrages von A auf ein Konto von R hat letztere gem. § 675t Abs. 1 S. 1 BGB einen Anspruch gegen seine Bank auf Gutschrift erlangt, aus dem sodann ein Auszahlungsanspruch gem. §§ 700 Abs. 1, 488 Abs. 1 S. 2, 697, 695 BGB folgt. Dies stellt einen Vermögensvorteil dar, der Gegenstand eines Kondiktionsanspruchs sein kann.
Dieses „etwas“ hat R auch „durch Leistung“ im Sinne einer bewussten und zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens erlangt. Schließlich wollte A seine Verpflichtung aus einem „Flugbeförderungsvertrag“ erfüllen.
Womöglich fehlt jedoch der Rechtsgrund. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, wie der von den Parteien geschlossene „Flugbeförderungsvertrag“ rechtlich zu qualifizieren ist. Angesichts der Direktbuchung bei der Fluggesellschaft ohne weitere Reiseleistungen muss ein Pauschalreisevertrag iSv § 651a BGB ausscheiden. Es wurde lediglich ein konkreter Erfolg (nämlich der Personentransport von Deutschland nach Griechenland) geschuldet, womit der Flugbeförderungsvertrag als Werkvertrag iSv § 631 BGB qualifiziert werden muss (so zuvor schon BGH, Urt. v. 20.3.2018 – X ZR 25/17, NJW 2018, 2039, Rn. 18 und BGH, Urt. v. 16.2.2016 – X ZR 97/14, NJW 2016, 2604, Rn. 14).
Der Rechtsgrund könnte jedoch – jedenfalls teilweise – durch Kündigung entfallen sein (Anmerkung: eben weil allenfalls eine Kündigung und kein Nichtigkeitsgrund etc. in Rede steht, die nur Wirkungen für die Zukunft hat (ex nunc), dürfte es sich meiner Auffassung zufolge um eine contictio ob causam finitam nach § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 handeln (vgl. BeckOK BGB/Voit, Stand: 1.11.2022, § 648 Rn. 8; BeckOK BGB/Wendehorst, Stand: 1.5.2023, § 812 Rn. 80), während der BGH ohne Begründung auf eine condictio indebiti gem. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 abstellt). Als Kündigungsgrund kommt insoweit § 648 BGB in Betracht, wo es heißt:
„Der Besteller kann bis zur Vollendung des Werkes jederzeit den Vertrag kündigen. Kündigt der Besteller, so ist der Unternehmer berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen; er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrags an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Es wird vermutet, dass danach dem Unternehmer 5 vom Hundert der auf den noch nicht erbrachten Teil der Werkleistung entfallenden vereinbarten Vergütung zustehen.“
A ist nicht zum Flug erschienen und hat damit schlüssig zum Ausdruck gebracht, dass er an der vertraglich geschuldeten Leistung von R kein Interesse mehr hat. Er hat den Vertrag insoweit konkludent gekündigt. Einen Grund für die Ausübung des Kündigungsrechts verlangt § 648 BGB ebenso wenig, wie die Einhaltung einer bestimmten Form. A hat das Kündigungsrecht somit dem Grunde nach wirksam ausgeübt. Der Vertrag wird damit für die Zukunft beendet. R wird seines Anspruchs auf Zahlung ausweislich des Gesetzestextes dadurch nicht verlustig, aber gleichwohl muss er sich ersparte Aufwendungen infolge der Vertragsaufhebung anrechnen lassen.
Rein tatsächlich hat R die geltend gemachten Kosten in Höhe von 18,41 EUR nicht abführen müssen. Fraglich erscheint jedoch insoweit, ob dies auch dazu führt, dass der Rechtsgrund in dieser Höhe entfällt. Die in Rede stehenden Flugnebenkosten sind jedenfalls nicht in den Flugpreis von 27,30 EUR einberechnet worden. Die Kosten bezogen sich nur auf den Flug. Die Nebenkosten hat insoweit die Fluggesellschaft zu tragen, der diese in Rechnung gestellt werden. Dies vermag im Ergebnis jedoch nichts zu ändern. Dass die Aufwendungen im Sinne des § 648 S. 2 BGB Teil der vereinbarten Vergütung sein müssen, geht aus der Vorschrift nicht hervor. Vor allem aber kommt es tatsächlich zu einer Ersparnis bei R. Sie selbst hat die Flugnebenkosten schließlich nicht zu entrichten, wenn ein Passagier die Reise nicht antritt. Es wäre ein widersprüchliches Ergebnis, wenn die Fluggesellschaft im Falle der Vertragsdurchführung schlechter stünde, als im Falle der Kündigung – im ersteren Fall wären die Flugnebenkosten schließlich bei R angefallen. Zudem wäre es auch mit dem Verbraucherschutz kaum zu vereinbaren, wenn Luftfahrtunternehmen über die Erstattungsfähigkeit von Flugnebenkosten disponieren könnten, indem sie diese nicht als Bestandteil des Flugpreises ausweisen.
Angedacht werden könnte die Berücksichtigungsfähigkeit des Umstandes, dass es jedenfalls bei Billigfluggesellschaften – wie der hier in Rede stehenden – geläufig zu sein schein, Ticketpreise „unter Wert“ zu verkaufen, da sich ein wirtschaftlich rentables Geschäft erst durch den Abschluss von Zusatzgeschäften, etwa durch den Verkauf von Speisen und Getränken an Bord oder auch durch die Vermittlung von Mietwagen am Zielort, ergibt. Zwar kann nicht in Abrede gestellt werden, dass die Zusatzgeschäfte für Billigfluggesellschaften von überragender Bedeutung sind, aber dennoch haben sie keinen Anspruch darauf, dass es zum Abschluss solcher Zusatzgeschäfte kommt. Deshalb kann auch keine für den Fall einer Kündigung berücksichtigungsfähige Schätzung dahingehend aufgestellt werden, welche Zusatzeinnahmen der Fluggesellschaft durch den Wegfall eines zahlungswilligen Gastes entgangen sind. Sie können die ersparten Aufwendungen daher nicht relativieren.
Angesichts des Umstands, dass die Flugnebenkosten auch einen spezifischen Bezug zur konkreten Flugbeförderung aufweisen, können sie zudem nicht als allgemeine Geschäftskosten betrachtet werden, die nicht zu den abzuziehenden Aufwendungen gehören.
Auch das Unionsrecht gebietet in dieser Hinsicht keine andere Betrachtung. Die in diesem Zusammenhang einschlägige Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 24. September 2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft statuiert insoweit ausschließlich Informations- und Transparenzpflichten, regelt jedoch nicht die Frage, welche beiderseitigen Rechte und Pflichten bestehen, wenn der Fluggast von einem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch macht (vgl. EuGH, Urt. v. 6.7.2017 – C-290/16). Es gelten daher ausschließlich die nationalen Regelungen und, im Falle der Anwendung des deutschen Rechts, schlussendlich die Vorschrift des § 648 BGB.
Nach alledem ergibt sich, dass A gegen R ein Anspruch auf Rückzahlung der Flugnebenkosten in Höhe von 18,41 EUR zumindest zunächst zustand.
2. Wirksame Abtretung des Anspruchs
Nicht gesagt ist damit jedoch, dass nunmehr Z dieser Anspruch zusteht. Dies wäre folglich nur unter der Prämisse der Fall, dass A den Anspruch wirksam an Z nach § 398 BGB abgetreten hat. Jedenfalls haben sich A und Z dahingehend geeinigt. Als einzig ersichtlicher Unwirksamkeitsgrund käme ein vertraglicher Abtretungsausschluss nach § 399 Alt. 2 BGB in Betracht. Angesichts des formularmäßigen Abtretungsausschlusses in dem geschlossenen „Flugbeförderungsvertrag“ scheint ein solcher einschlägig zu sein. Etwas anderes würde sich jedoch ergeben, wenn dieser unwirksam ist. Eine Unwirksamkeit wäre dabei anzunehmen, wenn sich ein formularmäßiger Abtretungsausschluss als mit dem AGB-Recht nach §§ 305 ff. BGB nicht vereinbar herausstellt.
Vorbehaltlich einer wirksamen Einbeziehung in den Vertrag nach §§ 305 ff. BGB, hält die Klausel jedenfalls einer Inhaltskotrolle am Maßstab des § 307 BGB nicht stand. Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB ist eine Bestimmung in den allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner unangemessen benachteiligt. Es gilt jedoch festzustellen, dass ein Luftfahrtunternehmen keine nennenswerten Interessen an einem Abtretungsausschluss haben kann. Demgegenüber haben jedoch Verbraucher regelmäßig ein Interesse daran, ihre Ansprüche mit gewissen Abzügen an Fluggastportale zu verkaufen und zu diesem Zweck an selbige abzutreten, damit diese den Anspruch gerichtlich durchsetzen (sog. echtes Factoring). Verbietet eine Klausel jedoch eine solche Abtretung, wird die Durchsetzung der Ansprüche der Verbraucher unangemessen erschwert. Schließlich werden sie angesichts des in der Regel recht geringen Streitwerts selbst nicht gewillt sein, den Rechtsweg zu bestreiten.
Das formularmäßige Abtretungsverbot ist folglich unwirksam, die Abtretung an Z war insoweit rechtlich möglich. Z ist infolgedessen Inhaber der Forderung geworden.
3. Ergebnis
Z hat gegen R einen Anspruch auf Zahlung von 18,41 EUR.
III. Einordnung der Entscheidung
Über einen besonders hohen Geldbetrag hatte der BGH in diesem Urteil nicht zu entscheiden. Große Wellen schlagen dürfte das Urteil nichts desto trotz. Insbesondere die auf Dumpingpreise ausgerichtete Preispolitik der Billigfluggesellschaften wird zu überdenken sein. Flugnebenkosten machen hier regelmäßig weit über 50 % des Ticketpreises aus. Für die betroffenen Fluggesellschaften werden spontane Stornierungen somit zum doppelten Risiko: Zum einen muss man auf sehr rentable Zusatzeinnahmen der oben geschilderten Art verzichten und zum anderen muss ein Teil des Ticketpreises erstattet werden. Auch der Abschluss irgendwie gearteter „Premium-Tickets“ mit kostenloser Stornierungsmöglichkeit dürfte zukünftig schwer vermittelbar sein, wenn schon das Gesetz eine sehr verbraucherfreundliche Kündigungsmöglichkeit vorsieht.
Nach dem Gesagten rückt die Frage in den Vordergrund, ob und wie die Abbedingung des § 648 BGB erreicht werden kann. Individualvertraglich dürfte es ohne weiteres möglich sein – eine Überprüfung am Maßstab der §§ 305 ff. BGB gibt es dann nicht. Formularmäßige Ausschlüsse, die in vollem Umfang an §§ 305 ff. BGB zu messen wären, sind derweil kritisch zu betrachten. Schließlich wird mit einem Pauschalausschluss des § 648 BGB in nicht unerheblichem Maße vom gesetzlichen Leitbild des Werkvertrages abgewichen, was mit Blick auf § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu beanstanden sein dürfte. Ferner erweist sich ein solcher Ausschluss auch als mit den Wertungen der § 308 Nr. 7a BGB und § 309 Nr. 5b BGB kaum vereinbar (einen guten Überblick zum Ganzen bietet Eben/Quarsch, NZV 2018, S. 117-122).
In seiner Entscheidung vom 20.09.2022 – 18 U 538/22 befasste sich das OLG München mit einem immer wiederkehrenden Klassiker des Bereicherungsrechts: Die teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB. Die Vorschrift des § 817 S. 2 BGB – auch „Kondiktionssperre“ genannt – regelt den Ausschluss des Bereicherungsanspruchs des Leistenden, dem ein gesetzes- bzw. sittenwidriges Verhalten anzulasten ist. Das heißt, wenn der Leistende schon den Boden der Rechtschaffenheit verlässt und sich durch sein Geschäft in den Bereich der Illegalität begibt, soll er nicht dann noch Rechtsschutz beanspruchen und das Geleistete nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zurückfordern können.
I. Sachverhalt
Der Kläger nahm als Spieler an Online-Glücksspielen teil, deren Anbieterin und gleichzeitig Beklagte des Rechtsstreits in Malta saß. Ebendort besaß die Beklagte eine maltesische Lizenz für die Durchführung derartiger Glücksspiele – in Deutschland, am Wohnsitz des Klägers, hingegen nicht. In dem fast zweijährigen Zeitraum zwischen Oktober 2018 und September 2020 führte die Teilnahme an den deutschsprachigen Glücksspielen zu Verlusten aufseiten des Klägers in Höhe von 18.175,00 Euro. Der Kläger litt an einer Spielsucht und war sich im Übrigen wohl nicht darüber bewusst, dass Glücksspiele wie diese in Deutschland einem gesetzlichen Verbot unterliegen. Das OLG München befasste sich als zweite Instanz mit der Frage, ob der Kläger die verspielte Summe zurückverlangen kann.
II. Rechtlichen Erwägungen
1. Anwendbarkeit des deutschen Sachenrechts
Gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b Rom-I-VO ist im entschiedenen Fall das deutsche Sachenrecht anwendbar: (1) Die Parteien schlossen einen Verbrauchervertrag, (2) der gewöhnliche Aufenthalt des Klägers war in Deutschland und (3) entsprechend lit. b hat der Kläger sein Glücksspielgewerbe auf Deutschland ausgerichtet, war sein Angebot doch auch in deutscher Sprache abrufbar.
2. Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Sodann prüfte das Gericht die Tatbestandsvoraussetzungen eines bereicherungsrechtlichen Anspruchs des Klägers gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB. Der Anspruch steht dem Anspruchsteller dann zu, wenn der Anspruchsgegner etwas durch Leistung des Anspruchstellers und ohne Rechtsgrund erlangt hat.
a. Etwas erlangt durch Leistung
Im entschiedenen Fall erzielte die Klägerin durch den Einzug des Spielgeldes in Höhe von 18.175,00 Euro einen vermögenswerten Vorteil und hat mithin etwas erlangt. Diesen Vorteil erlangte die Beklagte durch eine zwecks Spielvertrags erbrachte Leistung des Klägers.
b. Ohne Rechtsgrund
Hinsichtlich des Rechtsgrundes stritten die Parteien:
aa. Nichtigkeit des Glücksspielvertrags gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV
Der Kläger berief sich auf die Nichtigkeit des Glücksspielvertrags gemäß § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV i.V.m. § 134 BGB. Der § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV verbietet das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet, die nicht von S. 1 erfasst sind. Das OLG München schloss sich der Ansicht des erstinstanzlichen Gerichts an, dass Sinn und Zweck der Norm die Suchtprävention und der Gesundheitsschutz seien. Daher sei die Vorschrift so zu verstehen, dass sie das Rechtsgeschäft des Onlineglücksspiels „als solches missbilligt“ (LG Traunstein, Urt. v. 20.12.2021 – 3 O 1549/21, BeckRS 2021, 58417 Rn. 23). § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV stelle folglich eine taugliche Verbotsnorm dar. Die Beklagte hatte für die durchgeführten Glücksspiele keine gültige Erlaubnis, sodass der Glücksspielvertrag zwischen der Beklagten und dem Kläger dem Verbot des § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV unterfällt und daher gem. § 134 BGB nichtig ist.
bb. Unionsrechtswidrigkeit der Verbotsnorm?
Die Beklagte hingegen stützte sich auf die Unionsrechtswidrigkeit der Verbotsnorm und ihre Unvereinbarkeit mit Art. 56 AEUV, welcher ein Verbot für Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs statuiert. Jene Rechtsfrage wurde jedoch nicht weiter relevant, da die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits in mehreren Urteilen einen etwaigen Eingriff in die Dienstleistungsfreiheit als gerechtfertigt ansah und einen Verstoß der deutschen Vorschrift gegen das Unionsrecht ablehnte (z.B. BGH, Urt. v. 22.7.2021 – I ZR 194/20; BVerwG, Urt. v. 26.10.2017 – 8 C 18/16).
c. Zwischenergebnis
Der Vertrag ist mithin gem. § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV i.V.m. § 134 BGB nichtig. Der Kläger erbrachte die zielgerichtete Leistung ohne Rechtsgrund. Der Tatbestand des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist erfüllt.
3. Eingreifen der Kondiktionssperre, § 817 S. 1 BGB?
Allerdings könnte der Rückforderungsanspruch gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Das Gesetz verlangt hierfür, dass „dem Leistenden gleichfalls ein solcher Verstoß [gegen das Gesetz und die guten Sitten] zur Last fällt“. In der Rechtsprechung bildete sich neben dem objektiven Kriterium auch ein subjektives heraus: So muss der Leistende objektiv einen gesetzlichen Verstoß begangen haben, sich aber auch in subjektiver Hinsicht zumindest der Einsicht in den Gesetzes- oder Sittenverstoß leichtfertig verschlossen haben (so auch das OLG München, Beschl. v. 20.09.2022 – 18 U 538/22, BeckRS 2022, 30008 Rn. 20).
Im entschiedenen Fall wurde die Verbotsnorm des § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV herangezogen. Ihrem Wortlaut nach verbietet sie das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet. Der Adressat der Norm ist somit der Veranstalter des Glücksspiels, nicht aber der Konsument, sodass dem Spieler selbst ein Verstoß gegen die Norm nicht angelastet werden könne (so das LG Traunstein, Urt. v. 20.12.2021 – 3 O 1549/21, BeckRS 2021, 58417 Rn. 31). Ein möglicher Verstoß hätte sich weiterhin objektiv aus § 285 StGB ergeben können. Doch auch da konnte jedenfalls der subjektive Aspekt nicht festgestellt werden, da die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte keinen Beweis diesbezüglich führte. Die Kondiktionssperre greift daher mangels Vorliegens der subjektiven Voraussetzungen nicht ein.
4. Teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB
Das OLG München hielt zusätzlich – ohne dass es für den Fall entscheidend war – fest, dass in einer solchen Sachverhaltskonstellation eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB geboten wäre. Im Zusammenhang mit § 817 S. 2 BGB ist diese grundsätzlich dann vorzunehmen, wenn durch die Kondiktionssperre der gesetzes- bzw. sittenwidrige Zustand aufrechterhalten oder gar gefördert wird. So dürfte die Kondiktionssperre in den Fällen nicht eingreifen, „in denen ein Ausschluss der Rückforderung nicht mit dem Zweck des Bereicherungsrechts vereinbar wäre […] [und] die Rechtswidrigkeit des Geschäfts auf Vorschriften beruht, die gerade den leistenden Teil schützen sollen“ (OLG München, Beschl. v. 20.09.2022 – 18 U 538/22, BeckRS 2022, 30008 Rn. 21). Damit sind zwei Gesichtspunkte zu beachten: Die Schutzrichtung des Verbotsgesetzes und die Vereinbarkeit der Kondiktionssperre im konkreten Fall mit dem Telos des Bereicherungsrechts.
Das Gericht warf einen systematischen Blick in den Staatsvertrag und argumentierte folgendermaßen (OLG München, Beschl. v. 20.09.2022 – 18 U 538/22, BeckRS 2022, 30008 Rn. 21): Die Vorschrift des § 1 GlüStV statuiert die Ziele des Staatsvertrags, die gemäß S. 2 insbesondere den glücksspielspezifischen Sucht-, Betrugs-, Manipulations- und Kriminalitätsgefährdungspotentialen Rechnung tragen sollen. Gesetzgeberischer Wille sei daher auch, die Spieler generell vor unerlaubtem Glücksspiel zu schützen. Würde die Kondiktionssperre nach einer geleisteten Transaktion seitens des Spielers nicht greifen, so würde der Anbieter von der Kondiktionssperre gar profitieren, da der gesamte Spieleinsatz ihm dauerhaft zugesichert wäre. Gleichzeitig würde der rechtswidrige Zustand fortbestehen und ein Anreiz für das illegale Geschäft geschaffen werden, könnten Anbieter solches weiterhin veranstalten und die Geldeinsätze aufgrund ihrer Kondiktionsfestigkeit einbehalten. Ein solches Ergebnis stehe aber mit dem Zweck des Bereicherungsrechts nicht im Einklang. Daher sei eine teleologische Reduktion des § 817 S. 2 BGB geboten – auch wenn der Spieler Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels hat. Der bereicherungsrechtliche Anspruch des Spielers unterliegt somit nicht der Kondiktionssperre.
5. Rechtsfolge
Eine Herausgabe des Geldes „in natura“ ist in einem solchen Fall nicht möglich, sodass dem Spieler der Wert des Erlangten gemäß § 818 Abs. 2 BGB zu ersetzen ist.
III. Einordnung der Entscheidung
Konsumenten von Online-Glücksspielen können sich über eine weitere verbraucherfreundliche Entscheidung freuen. Der Ansatz des OLG München vermag aber noch keine Leitentscheidung darzustellen, reiht er sich vielmehr in eine (sich der Klärung noch nicht nähernde) Diskussion um den Eingriff der Kondiktionssperre ein. Als Gegenpol zur aufgezeigten Entscheidung lässt sich beispielsweise die Beurteilung des LG Bonn, Urt. v. 30.11.2021 – 5 S 70/21 heranziehen, dessen Ansätze nur als Exempel für die noch uneinheitliche Rechtsprechung skizziert werden:
So kommt das LG Bonn zum gegenteiligen Ergebnis, dass die Kondiktionssperre des § 818 Abs. 2 BGB einschlägig ist. Die Beteiligung am unerlaubten Glücksspiel ist gemäß § 285 StGB strafbar, sodass jedenfalls jene strafrechtliche Vorschrift als Verbotsnorm herangezogen werden kann. Nun müsste der Spieler in Unkenntnis dieser Vorschrift gehandelt haben. Dabei ist – laut dem LG Bonn – insbesondere bei langjährigen Spielern durchaus zweifelhaft, ob sie tatsächlich von der Legalität des Online-Glücksspiels ausgehen und deswegen von den Konsequenzen des § 817 S. 2 BGB befreit sind. Das Gericht argumentiert, dass in den letzten 10 Jahren iGaming und Online-Glücksspiele stark an Relevanz zugenommen haben. Fragen um die Legalität des Glücksspiels waren in der überregionalen Presse und Berichterstattung nicht nur beiläufiger Gegenstand, sondern standen ständig im Mittelpunkt der Öffentlichkeit, sodass es „lebensfremd“ sei, einem erfahrenen Spieler Unkenntnis bzw. Verschlossenheit hinsichtlich der Illegalität zuzuschreiben (LG Bonn, Urt. v. 30.11.2021 – 5 S 70/21, BeckRS 2021, 44724 Rn. 24).
Auch nimmt das Bonner Gericht hinsichtlich der Intention des Gesetzgebers des GlüStV eine andere Interpretation vor. Es ordnet die Vorschrift des § 4 Abs. 4 S. 2 GlüStV nicht als eine dem Individualinteresse dienende Schutznorm ein, sondern versteht diese als eine ordnungsrechtliche Bestimmung, die sich lediglich an die Glücksspielaufsicht richtet, da sie in einem „Zusammenhang mit den Überwachungsbefugnissen der Glücksspielaufsicht in § 9 GlüStV“ (LG Bonn, Urt. v. 30.11.2021 – 5 S 70/21, BeckRS 2021, 44724 Rn. 32) steht (vgl. auch LG München II, Urt. v. 19.8.2021 – 9 O 5322/20). Die Vorschrift sei mithin keine taugliche Verbotsnorm i.S.d. § 817 S. 2 BGB.
Ferner handelt es sich nach Auffassung des LG Bonn um einen Verstoß gegen Treu und Glauben, wenn der Spieler zunächst „sehenden Auges und aus eigenem Handlungsantrieb heraus“ (LG Bonn, Urt. v. 30.11.2021 – 5 S 70/21, BeckRS 2021, 44724 Rn. 28) an Online-Glücksspielen teilnehmen kann, um sich dann im Falle von Verlusten das verspielte Geld auf gerichtlichem Wege zurückzuholen – für den Spieler bedeutet dieses rechtliches Ergebnis ein risikoloses Geschäft. Während das LG Bonn also eine Korrektur über § 242 BGB befürwortet, spricht sich das vorinstanzliche Gericht der besprochenen Entscheidung, das LG Traunstein, dagegen aus: § 242 BGB habe lediglich den Charakter einer „Auffangnorm“ (LG Traunstein, Urt. v. 20.21.2021 – 3 O 1549/21, BeckRS 2021, 58417 Rn. 38) und sei nicht heranzuziehen und rechtlich auszureizen, wenn es bereits speziellere Normen gibt, deren Voraussetzungen aber nicht vorliegen. Dabei übersieht letzteres Gericht womöglich, dass Funktion des § 242 BGB nicht ausschließlich die „Lückenfüllung“, sondern auch die Begrenzung vorhandenen Rechts ist (vgl. MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2022, § 242 Rn. 2). Stärker spielte aber in die Erwägungen des LG Traunstein noch hinein, dass der Kläger der besprochenen Entscheidung keine Kenntnis von der Illegalität des Glücksspiels hatte. Ihm könnte daher der Vorwurf der Treuwidrigkeit nicht angelastet werden – so „jedenfalls im Vergleich mit den Rechtsverstößen, die der Beklagten anzulasten sind“ (LG Traunstein, Urt. v. 20.21.2021 – 3 O 1549/21, BeckRS 2021, 58417 Rn. 38).
Wie man erkennen kann, ist eine plausible Argumentation in unterschiedliche Richtungen möglich. Ein höchstrichterliches Urteil hinsichtlich der behandelten Fragen steht weiterhin noch aus. Es bleibt somit gespannt abzuwarten, wie der BGH an diese Problematik herangeht.
Wir freuen uns, nachfolgenden Gastbeitrag von Moritz Augel veröffentlichen zu können. Der Autor studiert Rechtswissenschaften an der Universität Bonn.
Treibender Beat, bunt blinkende Animationen und der Satz: „Dieses Angebot gilt nur für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein“ – so sah Online-Glücksspielwerbung bis zum Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags am 1. Juli 2021 aus. Dieser Satz entspringt einem Sonderweg, den Schleswig-Holstein im Jahr 2011 in Bezug auf das Online-Glücksspiel eingeschlagen hatte. Infolge geschickter Lobby-Arbeit und in der Hoffnung auf Einnahmen für den Landeshaushalt entschied sich die dortige Landesregierung dafür privaten Anbietern von Sportwetten und Glücksspiel Lizenzen anzubieten, die es ihnen erlaubten ihre Geschäfte nun auch online zu verfolgen. Im Rest Deutschlands sah man diesen Schritt skeptisch und so blieb Schleswig-Holstein bis ins Jahr 2021 das einzige Bundesland, in dem es den Anbietern erlaubt war Glücksspiel auch online zu betreiben. Doch nicht nur die Einwohner Schleswig-Holsteins konnten online zocken und so spielten bald munter Bürger aus ganz Deutschland und verloren so zum Teil große Summen. Dabei nahmen es die Anbieter häufig nicht all zu genau und verschlossen wohlwollend ihre Augen, wenn sich Spieler aus dem gesamten Bundesgebiet anmeldeten. Man hatte ja schließlich ausdrücklich darauf hingewiesen – die Werbung schaltete man dennoch bundesweit.
Ein Urteil des OLG Braunschweig (Urt. v. 23.2.2023 – 9 U 3/22) gewährt nun einem Spieler aus Niedersachsen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm in den Jahren 2018 und 2019 verzockten Summe von über 45.000 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt BGB.
Nachfolgend soll die Entscheidung in Form einer gutachterlichen Prüfung dargestellt werden:
I. Der Spieler (S) könnte gegen das Glücksspiel-Unternehmen (G) einen Anspruch auf Rückzahlung der 45.000 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB haben.
1. Etwas erlangt
Erlangtes etwas ist jedwede Verbesserung der Vermögenslage des Bereicherungsschuldners (Wiese, Schulze BGB, 11. Aufl. 2021, § 812, Rn. 3). G hat Gutschriften (§ 675t BGB) in Höhe von insgesamt 45.000 € und damit einen vermögenswerten Vorteil erlangt.
2. Durch Leistung
Das Vermögen müsste ferner durch Leistung des Bereicherungsgläubigers gemehrt worden sein. Leistung ist jede bewusste und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens (Wiese, Schulze BGB, 11. Aufl. 2021, § 812, Rn. 5). S überwies in Etappen insgesamt 45.000 € um am Online-Glücksspiel teilnehmen zu können. Das Vermögen des G wurde damit durch Leistung gemehrt.
3. Ohne Rechtsgrund
Voraussetzung für die Leistungskondiktion ist ferner das Fehlen eines rechtlichen Grundes für die Bereicherung (Wiese, Schulze BGB, 11. Aufl. 2021, § 812, Rn. 7). Vorliegend könnte sich ein Rechtsgrund für das Behaltendürfen aus dem zwischen S und G geschlossenen Vertrags über die Teilnahme am Online-Casino ergeben. Fraglich ist jedoch, ob dieser Vertrag wirksam zustande gekommen ist. Der Vertrag könnte jedoch wegen Verstoßes gegen den damals geltenden § 4 Abs. 4 Glücksspielstaatsvertrag gemäß § 134 BGB nichtig sein. Problematisch ist jedoch, dass sich das Verbot Online-Glücksspiele anzubieten allein an G richtet. Fraglich ist daher, ob auch ein einseitiger Gesetzesverstoß die Nichtigkeit nach § 134 BGB zur Folge hat.
„Gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist das Veranstalten und Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten. Die Beklagte hat dagegen verstoßen, indem sie ihr Angebot auch Spielern in Niedersachsen zugänglich gemacht hat. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage des Gesetzesverstoßes ist derjenige der Vornahme des Rechtsgeschäfts (BGH, Urt. v. 23.2.2012 – I ZR 136/10, juris, Rn. 22; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 134 Rn. 12 a m.w.N).“ (OLG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2023 – 9 U 3/22, Rn. 65).
„In besonderen Fällen – wie hier – kann sich die Nichtigkeit allerdings auch aus einem einseitigen Verstoß ergeben, falls der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden darf (BGH, Beschl. v. 13.9.2022 – XI ZR 515/21, juris, Rn. 11 m.w.N.). Eine solche Ausnahme liegt etwa vor, wenn der angestrebte Schutz des Vertragspartners die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts erfordert (BGH, Urt. vo. 17.5.1979 – III ZR 118/77, WM 1979, 1035) oder wenn der Erfüllungsanspruch auf eine unerlaubte Tätigkeit gerichtet ist (BGH, Urt. v. 25.6.1962 – VII ZR 120/61, BGHZ 37, 258, 262).“ (OLG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2023 – 9 U 3/22, Rn. 89)
„Vorliegend will § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 nicht nur den Abschluss eines Spielervertrags im Internet unterbinden, sondern die Folgen des dann durchgeführten Glücksspiels. Er dient der Suchtprävention und -bekämpfung, dem Spieler- und Jugendschutz, der Kriminalitätsprävention und der Vermeidung von Gefahren für die Integrität des Sports.“ (OLG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2023 – 9 U 3/22, Rn. 93.)
Der Schutzcharakter des § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags gebietet es daher den zwischen G und S geschlossenen Spielvertrag trotz des einseitigen Gesetzesverstoßes als insgesamt nach § 134 BGB nichtig anzusehen. Damit gibt es keinen Rechtsgrund für das Behaltendürfen der 45.000 €.
Damit besteht grundsätzlich ein Anspruch des S gegen G auf Rückzahlung der 45.000 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.
II. Kondiktionssperre
Der Anspruch könnte jedoch gemäß § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen sein. Gemäß § 817 S. 2 BGB ist der Kondiktionsanspruch ausgeschlossen, wenn dem Leistenden gleichfalls ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last fällt (Wiese, Schulze BGB, 11. Aufl. 2021, § 817, Rn. 5). § 817 S. 2 BGB setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat; dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.4.2022 – 23 U 55/21, Rn. 50). Dass es für den S, als Bürger Niedersachsens nicht erlaubt war an dem Glücksspiel teilzunehmen könnte sich ihm vorliegend aufgrund des Werbeslogans „Dieses Angebot gilt nur für Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthaltsort in Schleswig-Holstein“ aufgedrängt haben.
Auch wenn die Werbung für Online-Glücksspiele einen textlich dargestellten und/oder schnell gesprochenen Hinweis darauf zu enthalten pflegt(e), dass sich das Angebot nur an Spieler in Schleswig-Holstein richte, lässt sich daraus keine allgemeine Bekanntheit des generellen Verbots von Online-Glücksspielen außerhalb dieses Bundeslandes in Deutschland herleiten (OLG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2023 – 9 U 3/22, Rn. 132).
Hinzu kommt, dass der Umstand, dass die Beklagte dem Kläger in der Folge nach ordnungsgemäßer Registrierung offenbar tatsächlich den begehrten Zugang zu dem Online-Spiel gewährte, geeignet war, etwaige Bedenken des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit seines Spiels zu zerstreuen (OLG Braunschweig, Urt. v. 23.2.2023 – 9 U 3/22, Rn. 133.).
Der Anspruch des S ist daher nicht nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen.
S hat daher gegen G einen Anspruch auf Rückzahlung der 45.000 € aus § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt. BGB.
Ebenfalls diskutiert wird ein Zahlungsanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB. Dafür müsste es sich bei § 4 Abs. 4 des Glücksspielstaatsvertrags um ein Schutzgesetz handeln. Dies verneint das OLG Frankfurt m. Beschl. v. 8.4.2022 – 23 U 55/21, Rn. 18), während das OLG Köln, sowie das LG Konstanz die Frage bejahen und damit auch einen deliktischen Anspruch zuerkennen (LG Konstanz, Urt. v. 02.02.2022 – D 2 O 287/21, Rn. 46 f.).
Das Urteil des OLG Braunschweigs fügt sich in eine Reihe von Entscheidungen ein, in denen es den Spielern gelingt ihre Verluste zurückzufordern. (vgl. bspw. OLG München, Beschl. v. 20.9.2022 – 18 U 538/22; OLG Köln, Urt. v. 31.10.2022 – I-19 U 51/22; OLG Frankfurt, Beschl. v. 8.4.2022 – 23 U 55/21; OLG Dresden, Urt. v. 27.10.2022 – 10 U 736/22; LG Hamburg, Urt. v. 12.1.2022 – 319 O 85/21) Nun hat auch der BGH Gelegenheit zur Stellungnahme. Aktuell ist ein Revisionsverfahren unter dem Aktenzeichen VI ZR 99/23 anhängig. Ohne das Verfahren vorwegzunehmen, wäre es angesichts der klaren Tendenz der bisherigen Rechtsprechung eine Überraschung, wenn der BGH den Rückzahlungsanspruch verneinen würde.
Mit am Dienstag veröffentlichtem Urteil vom 11.12.2019 (Az. VIII ZR 234/18) hat der BGH festgestellt, dass Mieterhöhungen selbst dann wirksam sein können, wenn der Berechnung jahrelang eine falsche Quadratmeterzahl zugrunde gelegt wurde – soweit die höhere Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete bleibt. Ein Anspruch des Mieters auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB bzw. eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB komme nicht in Betracht. Der Fall ist dabei nicht nur praktisch interessant, sondern erfordert auch eine Auseinandersetzung mit verschiedenen rechtlichen Problemen wie der Behandlung des beiderseitigen Kalkulationsirrtums sowie den Voraussetzungen einer Vertragsanpassung nach § 313 BGB – die erhöhte Klausur- und Examensrelevanz liegt damit auf der Hand. Im Rahmen dieses Beitrags sollen daher die Grundzüge der Entscheidung dargestellt und erläutert werden.
Anmerkung: Einen ausführlichen Grundlagenbeitrag zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB findet ihr hier.
A) Sachverhalt (leicht abgewandelt und vereinfacht)
Der Sachverhalt ist schnell erzählt: M war im Zeitraum vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2014 Mieter einer Wohnung des V in D. Die ursprüngliche Kaltmiete belief sich auf 495 €, wobei der schriftliche Mietvertrag keine Angaben zur Größe der Wohnung enthielt. V übersandte dem M mit Schreiben vom 26.7.2007, 21.1.2009, 21.3.2011 und 28.6.2013 insgesamt vier Mieterhöhungsverlangen, in denen V ausgehend von einer Wohnfläche von 114 qm jeweils erhöhte Grundmieten errechnete, die allerdings immer noch deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete nach dem Mietspiegel der Stadt D. lagen, der den genannten Schreiben jeweils beigefügt war. M stimmte jedem Erhöhungsverlangen schriftlich zu und zahlte fortan die erhöhten Mieten. Im Jahre 2013 kamen dem M erstmals Zweifel über die Größe der Wohnung; er beauftragte einen Sachverständigen, welcher eine Größe von etwa 100 qm feststellte. Nunmehr begehrt der M Rückzahlung der vermeintlich zu viel gezahlten Miete.
B) Rechtsausführungen
Die Vorinstanz, das LG Dresden, hat unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils den V zur Zahlung verurteilt. Der BGH hat das Urteil nunmehr aufgehoben – der M habe keinen Anspruch auf Rückzahlung der auf falscher Berechnungsgrundlage beruhenden Miete. Doch der Reihe nach:
I. Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB
Ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB sei nicht gegeben. Zwar habe der V durch Leistung des M etwas erlangt; indes bestehe nach Ansicht des BGH unabhängig von der Einhaltung der mietrechtlichen Vorschriften nach §§ 558, 558a BGB ein Rechtsgrund in den wirksamen Vereinbarungen der Parteien über die Erhöhung der Miete. Denn die Vereinbarungen seien dahingehend auszulegen, dass sie sich in dem explizit genannten Betrag, auf den die Nettokaltmiete erhöht wurde, erschöpfen; nicht dagegen sei die Wohnfläche, die der Berechnung zugrunde gelegt wurde, Vertragsinhalt – hierbei handele es sich lediglich um den (insofern unerheblichen) Grund zur vom M akzeptierten Vertragsänderung. Ausdrücklich formuliert der BGH:
„Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es im Falle einer Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsbegehren des Vermieters nicht darauf an, ob das Begehren des Vermieters den formellen Anforderungen des § 558a BGB entsprochen und dem Vermieter ein materieller Anspruch auf Zustimmung zu der begehrten Mieterhöhung (§ 558 Abs. 1 BGB) zugestanden hat. Denn durch die Zustimmung des Mieters zu einem Mieterhöhungsverlangen des Vermieters kommt – nach allgemeiner Meinung – eine vertragliche Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter über die Erhöhung der Miete zustande [..]. Dass eine solche vertragliche Vereinbarung neben den gesetzlich vorgesehenen einseitigen Mieterhöhungen und dem (gerichtlichen) Mieterhöhungsverfahren nach § 558, § 558b BGB möglich ist, ergibt sich aus § 557 Abs. 1 BGB. […]. Die hier in Rede stehenden Mieterhöhungsvereinbarungen sind dahin auszulegen, dass die Miete auf den darin jeweils explizit genannten neuen Betrag erhöht wird und nicht lediglich auf den geringeren Betrag, der sich durch Multiplikation des jeweils erhöhten Quadratmeterbetrages mit der tatsächlichen Wohnfläche ergibt. […] Gegenstand der vereinbarten Mieterhöhungen ist hier der jeweils genannte Betrag, auf den die Nettomiete für die Wohnung erhöht wurde. Bei der Wohnfläche, die zur Ermittlung dieser neuen (erhöhten) Miete genannt war, handelt es sich hingegen – ebenso wie bei der gleichfalls explizit angegebenen ortsüblichen Vergleichsmiete (je qm) – lediglich um den (nicht zum Vertragsinhalt gewordenen) Grund für die von den Beklagten angestrebte und vom Kläger akzeptierte Vertragsänderung.“ (Rn. 15 ff.)
Mit anderen Worten: Unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen nach §§ 558, 558a BGB können die Vertragsparteien privatautonom eine Mieterhöhung vereinbaren. Dies ist durch die Schreiben des V und die schriftlichen Zustimmungen des M sowie die darauffolgende Zahlung der erhöhten Mieten im vorliegenden Fall geschehen. Die Vereinbarung der Parteien ist dahingehend auszulegen, dass sich die Miete auf den in den Schreiben benannten Betrag erhöht. Die Wohnfläche, die als Berechnungsgrundlage angegeben wurde, ist hingegen nach Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont nach §§ 157, 133 BGB kein Vertragsinhalt geworden, sodass der diesbezügliche gemeinsame Irrtum die Wirksamkeit der Abrede nicht hindert. Da ein Rechtsgrund besteht, scheidet ein Anspruch auf Rückzahlung aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB also aus.
Anmerkung: Ein Kalkulationsirrtum berechtigt grundsätzlich nicht zur Anfechtung nach § 119 BGB. Denn derjenige, der aufgrund einer für korrekt gehaltenen, tatsächlich aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung ermittelt und diese seiner Willenserklärung zugrunde legt, trägt das Risiko dafür, dass seine Kalkulation zutrifft. Insofern handelt es sich um einen unerheblichen Motivirrtum (BeckOK BGB/Wendlandt, 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 119 Rn. 33 m.w.N.). Liegt – wie hier – ein gemeinsamer Irrtum der Parteien vor, sind die Grundsätze zur Störung der Geschäftsgrundlage heranzuziehen (BeckOK BGB/Wendlandt, 52. Edition, Stand: 01.11.2019, § 119 Rn. 34).
II. Anspruch auf Vertragsanpassung gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB
Ein Anspruch auf Vertragsanpassung auf die jeweils geringere Miete nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, 2 BGB erscheint denkbar. Als eine vom Grundsatz pacta sunt servanda abweichende Regelung betrifft die Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB den Fall, dass Umstände von vornherein fehlen oder nachträglich wegfallen, die für eine Vertragspartei so wesentlich sind, dass der Vertrag geändert oder aufgehoben werden muss, weil ein Festhalten am unveränderten Vertrag sich als unzumutbar darstellen würde.
1. Wegfall oder Fehlen der Geschäftsgrundlage
Erforderlich ist hierfür zunächst, dass es sich die Geschäftsgrundlage, also ein Umstand, dessen (Fort-)Bestand von jedenfalls einer Vertragspartei vorausgesetzt wurde – der zwar nicht Vertragsinhalt geworden ist, aber der nach der Intention zumindest einer Partei erforderlich ist, um den Vertrag als sinnvolle Regelung aufrechtzuerhalten, nachträglich weggefallen ist bzw. sich schwerwiegend verändert hat (§ 313 Abs. 1 BGB) oder von vornherein fehlt (§ 313 Abs. 2 BGB). Dies betrifft im vorliegenden Fall die Wohnfläche, die die Parteien aufgrund des beiderseitigen Kalkulationsirrtums den jeweiligen Mieterhöhungsvereinbarungen zugrunde gelegt haben.
2. Hypothetisches Element
Dieser Umstand, der von der Vertragspartei vorausgesetzt wurde, also im konkreten Fall die für größer gehaltene Wohnfläche, muss überdies so wesentlich sein, dass die Vertragspartei ohne ihn den Vertrag nicht bzw. zu anderen Konditionen abgeschlossen hätte. Hier muss also die Frage gestellt werden, ob die Partei den Vertrag ggf. mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, wenn sie die wesentliche Veränderung des Umstands vorhergesehen hätte. Im betreffenden Fall ist bereits fraglich, ob die Parteien bei Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche die Mieterhöhungsvereinbarungen nicht oder nicht mit demselben Inhalt geschlossen hätten. Dagegen könnte sprechen, dass sich die vereinbarte erhöhte Miete noch deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete befand sowie dass die Voraussetzungen des § 558 BGB, unter denen der V ohnehin ein berechtigtes Verlangen nach einer Mieterhöhung gehabt hätte, vorlagen; dies kann als Indiz gewertet werden. Gleichwohl hat der M „in den Tatsacheninstanzen vorgetragen, dass es ihm auf die Wohnfläche entscheidend angekommen sei und er bei Kenntnis der wahren Wohnfläche einer Mieterhöhung nicht zugestimmt, sondern dass Mietverhältnis gekündigt hätte.“ (Rn. 22) Vor diesem Hintergrund kann auch davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Wohnfläche als derart wesentliche Geschäftsgrundlage einzuordnen ist, dass der M in deren Kenntnis den Vertrag so nicht abgeschlossen hätte. Der BGH hat dies letztlich offen gelassen, da es ohnehin an der Unzumutbarkeit mangelte.
3. Normatives Element
Denn: In einem dritten Schritt ist zu prüfen, ob der Partei das Festhalten am unveränderten Vertrag zugemutet werden kann. Hierbei handelt es sich um eine Wertungsentscheidung, die eine Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls erfordert. Wie § 313 Abs. 1 BGB vorgibt, fließen hierbei insbesondere vertragliche oder gesetzliche Risikoverteilungen ein. Unzumutbarkeit ist folglich nicht gegeben, wenn es sich um einen Umstand handelt, der dem Risikobereich der Vertragspartei zuzuordnen ist. Dass gemeinsame Irrtümer der Vertragsbeteiligten, die zu einer fehlerhaften Berechnung auf einer als maßgeblich erachteten Berechnungsgrundlage geführt haben, eine Anpassung über § 313 BGB rechtfertigen können, entspricht der wohl herrschenden Meinung (exemplarisch MüKoBGB/Finkenauer, 8. Aufl. 2019, § 313 Rn. 278). Dies hat der BGH unter anderem in einer Entscheidung aus dem Jahre 2004 explizit für Grundstücksflächen im Kontext eines Kaufvertrages entschieden:
„Ist bei dem Verkauf einer noch zu vermessenden Grundstücksfläche der Kaufgegenstand in der notariellen Urkunde sowohl durch eine bestimmte Grenzziehung in einem maßstabsgerechten Plan als auch durch eine als ungefähr bezeichnete Flächenmaßangabe bestimmt, kommt die Anpassung oder Auflösung des Vertrags nach den Grundsätzen vom Fehlen der Geschäftsgrundlage in Betracht, wenn die Parteien bei Vertragsschluss übereinstimmend davon ausgingen, dass die Größe der zeichnerisch dargestellten Fläche in etwa der bezifferten Flächengröße entspricht und das Ergebnis der Vermessung davon wesentlich abweicht“ (Urt. v. 30.1.2004 – V ZR 92/03, NJW-RR 2004, 735)
Eine noch höhere Relevanz erlangt in diesem Kontext ein anderes Urteil, ebenfalls aus dem Jahre 2004, in dem der BGH feststellte, dass für ein Mieterhöhungsverlangen nicht die vereinbarte, sondern die tatsächliche Größe der Wohnung entscheidend ist, denn ansonsten könnte der Vermieter eine Miete erzielen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt (s. BGH, Urt. v. 07.07.2004 – VIII ZR 192/03, BeckRS 2004, 07041).
In Abgrenzung hierzu hat der BGH in der aktuellen, hier zu besprechenden Entscheidung nunmehr aber die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag bejaht. Zwar hat der BGH herausgestellt, die (richtige) Ermittlung der Wohnfläche sei grundsätzlich der Risikosphäre des Vermieters zuzuordnen (Rn. 24; s. auch Urt. v. 7.7.2004 – VIII ZR 192/03, aaO unter II 2 a sowie v. 18.11.2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 205, 18 Rn. 28). Dennoch bestehe im konkreten Fall die Besonderheit, dass die unzutreffende Berechnungsgrundlage sich schon deswegen nicht zu Lasten des Mieters ausgewirkt habe, weil dem Vermieter letztlich auch bei Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnfläche ein Anspruch auf Zustimmung zur begehrten Mieterhöhung nach § 558 Abs. 1 BGB zugestanden hätte:
„Jedenfalls spricht nichts dafür, dass sich die wirtschaftliche Situation des Klägers in irgendeiner Weise günstiger dargestellt hätte, wenn er bei Kenntnis der tatsächlichen Wohnfläche eine Mieterhöhung abgelehnt und das Mietverhältnis gekündigt hätte. Denn in diesem Fall wären dem Kläger durch die Suche einer neuen Wohnung Mühen und Kosten entstanden und ist nicht ersichtlich, dass anderweit eine vergleichbare Wohnung zu einer unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete liegenden Miete zur Verfügung gestanden hätte. Der den Beklagten bei den Mieterhöhungsbegehren bezüglich der Wohnfläche unterlaufene Fehler hatte somit für den Kläger keine negativen wirtschaftlichen Auswirkungen, so dass ihm ein unverändertes Festhalten an den Vereinbarungen auch zumutbar ist. Da eine Anpassung der Mieterhöhungsvereinbarungen auf eine jeweils geringere Miete somit nicht in Betracht kommt, besteht der Rechtsgrund für die vom Kläger erbrachten (erhöhten) Mietzahlungen fort.“ (Rn. 26)
Der BGH lehnt also auch einen Anspruch aus § 313 Abs. 1, 2 BGB auf Vertragsanpassung mangels Unzumutbarkeit ab.
C) Fazit
Zusammenfassend gilt: Eine Mieterhöhung kann auch dann wirksam sein, wenn die Wohnung tatsächlich kleiner ist als vom Vermieter im Rahmen der Berechnung zugrunde gelegt. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB kommt mangels fehlenden Rechtsgrundes dann nicht in Betracht, wenn eine wirksame Parteivereinbarung vorliegt, die dahingehend auszulegen ist, dass ausschließlich der konkret genannte Betrag und nicht die der Berechnung zugrunde gelegte Wohnfläche Vertragsinhalt geworden ist. Auch eine Vertragsanpassung nach den Grundsätzen zur Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 Abs. 1, 2 BGB scheidet aus, wenn ein Festhalten am Vertrag dem Mieter mangels negativer wirtschaftlicher Auswirkungen durch die Mieterhöhungsabrede zumutbar ist. Das ist dann der Fall, wenn die Miete unter der ortsüblichen Vergleichsmiete bleibt. Anderes kann sich aber dann ergeben, wenn durch die auf falscher Berechnungsgrundlage beruhende Erhöhungsvereinbarung zu einer Miete führt, die die ortsübliche Vergleichsmiete übersteigt. In einer Klausur sollte daher genaues Augenmerk auf die im Sachverhalt konkret genannten Aspekte gelegt werden, um anhand dieser eine Zumutbarkeitsabwägung vornehmen zu können.
Vor kurzem hat der BGH eine Entscheidung mit Examensgarantie gefällt: Der der Werkunternehmer, der „schwarz“, d.h. ohne seine steuerlichen Pflichten zu erfüllen, arbeitet, hat keinen Anspruch auf Lohn (Urteil vom 10.4.2014 – VII ZR 241/13, dieser Beitrag beruht auf der Pressemitteilung).
Die Entscheidung erweitert den examenstypischen Problemkreis „Schwarzarbeit“ um ein weiteres Mosaiksteinchen:
– Schon lange bekannt war, dass der Anspruch des Werkunternehmers aus § 631 Abs. 1 Hs. 2 BGB ausschied, wenn der Werkunternehmer mit Billigung seines Auftraggebers tätig wurde, obwohl er beispielsweise nicht in der Handwerksrolle eingetragen war. Dann war der Werkvertrag gem. § 134 BGB iVm § 1 Abs. 2 Nr. 5 SchwarzArbG nichtig. Ein umfassender Überblick dazu in Form einer Musterlösung, die alle wesentlichen Fragen der Schwarzarbeit abdeckt, findet sich in diesem Beitrag.
– Dann hat der BGH klargestellt, dass der Vertrag insgesamt auch im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Nr. 2 SchwarzArbG – also der klassischen Steuerhinterziehung durch eine Werkleistung „ohne Rechnung“ nichtig ist. Das stellte eine Abkehr von der Rechtsprechung aus der Zeit vor der Aufnahme der „steuerlichen Schwarzarbeit“ in das SchwarzArbG dar. Darüber haben wir hier näher berichtet. Der Fall betraf allerdings nicht den Vergütungsanspruch des Werkunternehmers, sonder die Mängelrechte des Bestellers.
– Jetzt ist klargestellt, dass nicht nur der Vertrag bei der steuerlichen Schwarzarbeit nichtig ist, sondern ein „Vergütungsanspruch“ des Werkunternehmers auch nicht nach Bereicherungsrecht besteht. Damit wendet sich der BGH von einer weiteren älteren Rechtsprechung ab, wonach dem Werkbesteller gegenüber dem Vergütungsanspruch des Werkunternehmers die Berufung auf § 817 S. 2 BGB wegen § 242 BGB verwehrt sei. Damit schließt sich der BGH dem an, was bereits hL ist (dazu wieder der Überblicksbeitrag).
Der BGH führt im Einzelnen aus:
„Der Anwendung des § 817 Satz 2 BGB stehen die Grundsätze von Treu und Glauben nicht entgegen. Die Durchsetzung der vom Gesetzgeber mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz verfolgten Ziele, die Schwarzarbeit effektiv einzudämmen, erfordert eine strikte Anwendung dieser Vorschrift. Insoweit ist eine andere Sicht geboten, als sie vom Senat noch zum Bereicherungsanspruch nach einer Schwarzarbeiterleistung vertreten wurde, die nach der alten Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit zu beurteilen war“
Wir werden darüber näher berichten und eine neue Klausurlösung erstellen, wenn die Urteilsgründe verfügbar sind.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 8.1.2014 (VIII ZR 210/13) einen Klausurklassiker neu belebt: Es geht um die Zulässigkeit der Untervermietung einer Wohnung und die daraus resultierenden Rechtsfolgen einer unzulässigen Untervermietung. Hier hat der BGH die Frage entschieden, wie weit die Erlaubnis zur Untervermietung reicht. Bisher wurden eher die Rechtsfolgen dieser Frage von der Rechtsprechung betrachtet. Nun tritt ein neuer Klausurbaustein hinzu.
Der Fall eignet sich also perfekt, um das absolut notwendige Wissen zur Untervermietung zu wiederholen.
I. Rechtmäßigkeit der Untervermietung
Grunsätzlich ist die Untervermietung unzulässig (vgl. § 540 BGB). Es bedarf also einer entsprechenden Erlaubnis durch den Vermieter. Liegt diese nicht vor, so ist zu fragen, welche Ansprüche der Vermieter gegen den Mieter hat. Aber selbst wenn eine entsprechende Erlaubnis vorliegt, muss zunächst ihre Reichweite geprüft werden. Dies hat der BGH in seinem aktuellen Urteil getan. Im konkreten Fall erteilte der Vermieter eine „Erlaubnis zur Untervermietung „ohne vorherige Überprüfung“ gewünschter Untermieter“. Hintergrund war, dass der Mieter die Wohnung nur aller 14 Tage zum Besuch seiner Tochter nutzte und im übrigen Zeitraum damit untervermieten wollte.
Der Vermieter bot nun die Wohnung an Dritte zur Untervermietung an. Es erfolgte eine „tageweisen Anmietung von bis zu vier Feriengästen“. Fraglich war, ob dies durch die Erlaubnis gedeckt war. Dies hat der BGH nun verneint. Die Reichweite der Erlaubnis zur Untervermietung ist nach den allgemeinen Regeln zur Auslegung von Willenserklärungen (§§ 133, 157 BGB) zu ermitteln.
Hier kam der BGH zu dem Ergebnis,
„dass die Überlassung der Wohnung an beliebige Touristen sich von einer gewöhnlich auf gewisse Dauer angelegten Untervermietung unterscheidet und deshalb nicht ohne weiteres von einer Erlaubnis zur Untervermietung umfasst ist. Hier hatte die Vermieterin zudem verlangt, dass der Beklagte den Untermietern Postvollmacht erteilen solle; schon daraus war erkennbar, dass sich die Erlaubnis nicht auf die Vermietung an Touristen bezog, die eine derartige Funktion offensichtlich nicht wahrnehmen konnten.“
Die tageweise Überlassung an Feriengäste etc. ist damit nicht von der Erlaubnis nach § 540 BGB erfasst. Damit war die Untervermietung an die Feriengäste unzulässig.
In einer Klausur würde sich an dieser Stelle auch sehr gut die Prüfung des § 553 Abs. 1 BGB anbieten. Hier ist insbesondere zu klären, wann ein berechtigtes Interesse des Mieters an einer Erlaubniserteilung besteht. Dieses kann swohl aus höchstpersönlichen, aber auch aus finanziellen und wirtschaftlichen Gründen resultieren.
II. Rechtsfolgen einer rechtswidrigen Untervermietung
Fraglich ist, welche Rechtsfolgen aus einer solch rechtswidrigen Untervermietung resultieren, welche Ansprüche also der Vermieter gegenüber seinem Mieter geltendmachen darf.
1. Kündigung
Zunächst kommt eine Kündigung durch den Vermieter in Betracht (§ 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 BGB). Allein das bloße Nichtvorliegen einer Erlaubnis berechtigt allerdings zur Kündigung dann noch nicht, wenn ein Anspruch auf Erlaubniserteilung nach § 553 Abs. 1 BGB bestehen würde. Hier kann es also zu einer Inzidenzprüfung kommen.
Absolut examensrelevant ist an dieser Stelle auch die ganz aktuelle Rechtsprechung des BGH zur Möglichkeit der Kündigung des Mieters bei Rücknahme einer Untervermieterlaubnis. Hier ist der BGH verhälötnismäßig streng (BGH, Urt. v. 4.12.2013 – VIII ZR 5/13)
2. Regress gegen Mieter
Bedeutsamer sind aber die Regressansprüche des Vermieters gegen den Mieter bei einer unzulässigen Untervermietung. Er hat hier ein Interesse daran, vom Mieter die (zu Unrecht) vom Untermieter erlangte Miete erstattet zu bekommen.
a) Vertragliche Ansprüche
Anspruchsgrundlage könnte hier § 280 Abs. 1 BGB iVm § 535 BGB sein. Einziges Problem ist hier das Vorliegen eines Schadens – Schuldverhältnis und Pflichtverletzung liegen unproblematisch vor. Zumindest die eigentliche Untermiete kann hierunter nicht subsumiert werden. Möglicherweise hätte der Vermieter aber die Miete erhöht, wenn er eine Untervermietungserlaubnis erteilt hätte (vgl. § 553 Abs. 2 BGB). Scheint hier bereits die Kausalität fraglich, so steht einem Anspruch nach Ansicht des BGH zumindest die gesetzliche Wertung des BGB entgegen, dass die Ansprüche bei unberechtigter Untervermietung abschließend regelt (vgl. §§ 549 Abs. 1, 543 Abs. 2 Nr. 2 BGB).
b) Vertragsähnliche Ansprüche
Abzulehnen ist auch ein Anspruch aus GoA (§ 684 S. 1 BGB). Durch den Mietvertrag ist die (Unter)vermietung kein Geschäft des Vermieters mehr. Er verfügt gerade nicht mehr über die Sache.
Es bleiben damit nur bereicherungsrechtliche, dingliche und deliktsrechtliche Ansprüche.
c) Dingliche Ansprüche
Auch ein Anspruch aus §§ 987, 990 BGB ist hier abzulehnen. Dazu müsste der Mieter als Besitzer gegenüber dem Vermieter nicht (mehr) zum Besitz berechtigt sein. Dies liegt aber nicht vor, da der Mietvertrag den Mieter gerade hierzu berechtigt. Zu erwägen wäre zwar, die Möglichkeit, die konkrete Nutzung des Beitzes für unzulässig zu erachten (nicht-so-berechtigter-Besitz). Eine solche Konstruktion ist aber abzulehnen. Eine Aufsplittung des Besitzes ist nicht möglich. Eventuelle Verstöße sind allein über § 280 BGB zu ahnden. Etwas anderes gilt allerdings ab der Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs (BGH v. 12.8.2009 – XII ZR 76/08).
d) Deliktsrechtliche Ansprüche
Gleiches gilt auch für einen Anspruch aus § 823 BGB – hier scheidet bereits eine Eigentumsverletzung aus. Der Mieter hat gerade das Recht, das Eigentum vollumfänglich zu nutzen. Verstöße hiergegen sind allein über § 280 BGB zu ahnden. Überdies wäre auch hier das Vorliegen eines Schadens fraglich.
e) Bereicherungsrechtliche Ansprüche
Damit bleiben allein bereicherungsrechtliche Ansprüche bestehen. Verneint wird hier ein Anspruch aus § 816 Abs. 1 S. 1 BGB. Zunächst liegt bereits keine Verfügung im Sinne dieser Regelung vor; die Rechte des Vermieters werden nicht beeinträchtigt; aber auch eine analoge Anwendung scheitert. Diese würde voraussetzen, dass der Mieter etwas erlangt, das eigentlich dem Vermieter zusteht. Da der Vermieter aber bereits an den Mieter vermietet hat, dürfte er nicht mehr untervermieten. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB scheidet damit aus.
Diese Wertung zeigt sich auch bei § 812 Abs. 1 S. 1 Var. 2 BGB. Der Mieter greift gerade nicht in den Zuweisungsgehalt des Vermieters ein, da er eben sebst durch den Abschuss des Mietvertrages mit dem Mieter nicht zur weiteren Untervermietung mehr berechtigt ist.
f) Fazit
Damit zeigt sich, dass Regressansprüche gegen den Mieter nicht in Betracht kommen. Dies begründet der BGH mit allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen (BGH, Urteil vom 13.12.1995 – XII ZR 194/93):
Der Senat sieht auch sonst keinen Anlaß, von der bisherigen Rechtsprechung des BGH abzuweichen, zumal sie den Vermieter nicht unbillig benachteiligt. Gegen den unbefugten Gebrauch der Mietsache durch einen Dritten kann der Vermieter sich – wie dargelegt – durch fristlose Kündigung oder Unterlassungsklage wehren, §§ BGB § 550, BGB § 553 BGB. Soweit ihm aus der unbefugten Untervermietung ein Schaden – beispielsweise durch erhöhte Abnutzung – entstehen sollte, ist ihm der Mieter ohnehin ersatzpflichtig. Durch die Untervermietung als solche entsteht dem Vermieter jedoch kein Schaden, so daß auch Ansprüche aus positiver Vertragsverletzung ausscheiden. Unter diesen Umständen sprechen auch Gründe der Billigkeit nicht dafür, ihm darüber hinaus die Wahlmöglichkeit zu eröffnen, die unbefugte Untervermietung hinzunehmen und anstelle der im Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Sanktionen Zugriff auf den vom Mieter erzielten Untermietzins zu nehmen (vgl. auch Reuter/Martinek, S. 311).
III. Examensrelevanz
Die Rechtsprechung zur Untervermietung, die auch gern im Examen geprüft wird, sollte zumindest in Ansätzen bekannt sein. Durch das neue Urteil wird sie um eine zusätzliche Facette angereichert. Letztlich ist eine saubere Prüfung möglicher Anspruchsgrundlagen geboten. Zudem sollte bekannt sein, dass der BGH Ansprüche des Vermieters grundsätzlich verneint. Etwas anderes kann aber dann gelten, wenn der Mietvertrag nicht (mehr) besteht. Hier müssten die Wertungen dann modifiziert werden.
Jeder Jurastudent wird ihn schon in den ersten Semestern kennengelernt haben: den berüchtigten Flugreisefall (BGH-Urteil vom 7. Januar 1971 – VII ZR 9/70, BGHZ 55, 128 = NJW 1971, 609).
Dass diese Konstellation allzu aktuell ist, zeigte jüngst ein ähnlicher Fall, der durch die Medien ging (nachzulesen zum Beispiel hier). Darin geht es darum, dass sich ein Minderjähriger unbemerkt Zugang zu einem Linienflugzeug verschafft und durch die Weltgeschichte reist.
Ein guter Zeitpunkt also, noch einmal das eigene Wissen aufzufrischen. Wir haben bereits hier die wesentlichen Punkte dieses absoluten Klassikers besprochen.
Nachdem Euch bereits für das Strafrecht eine „Checkliste“ in Form einer nicht abschließenden Übersicht über die bekanntesten und klausurrelevantesten Problemschwerpunkte an die Hand gegeben wurde, findet Ihr hier selbiges auch für den Bereich des Bereicherungsrechts.
Gegliedert ist die Checkliste ungefähr nach der Abfolge der Schritte zur Prüfung eines Bereicherungsanspruchs. Sie soll vor allem als eine Hilfe zum Repetieren verstanden werden, mit der vor einer Klausur eine Kontrolle des eigenen Wissens erfolgen kann.
A. Bereicherungsrecht (generell) anwendbar?
– Insb.: Ausschluss durch EBV?
B. Tatbestand:
I. Bereicherungsgegenstand:
– Rechte aller Art
– Besitz
– Grundbuchposition
– Befreiung von Verbindlichkeiten
– Ersparnis von Aufwendungen
II. Leistungskondiktionen (LK):
1. § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB – Leistung bei Fehlen eines rechtlichen Grundes:
a. Leistungsbegriff, insb. maßgeblicher Horizont.
b. Leistungsbeziehungen bei Drei-Personen-Verhältnissen: Abgrenzung zwischen Anwendbarkeit von LK oder NLK. Wichtige Fallgruppen:
– Anweisungsfälle
– Lastschriftverfahren
– Tilgung fremder Schulden („Onkelfälle“)
– Unechter Vertrag zugunsten Dritter
– Echter Vertrag zugunsten Dritter
– Forderungszessionen: Abtretung einer nicht bestehenden Forderung und fehlgeschlagene Abtretung einer bestehenden Forderungszession.
c. Von Anfang an ohne rechtlichen Grund:
– Anfechtung gem. § 142 BGB wg. Rückwirkung als Fall des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB?
– Ausweitung durch § 813 BGB auf dauernde Einreden (Gegenausnahme: Verjährung, § 813 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. § 214 Abs. 2 BGB).
d. Kein Ausschluss des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB:
aa. § 814 BGB (aber: gilt nicht bei Leistung unter Vorbehalt)
bb. § 817 S. 2 BGB (gilt – entgegen Wortlaut – auch bei einseitigem Rechts-/Sittenverstoß nur des Leistenden!):
– verengter Leistungsbegriff bei Kreditvergabe.
– Anspruch des sittenwidrig handelnden Darlehensgebers auf angemessenes Entgelt?
– Ausnahme § 242 BGB (z.B. Schwarzarbeiterfall).
– Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB auch auf konkurrierende (insb.: dingliche) Ansprüche?
2. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB – Leistung bei Wegfall des rechtlichen Grundes:
– Abgrenzung zum Rückgewährschuldverhältnis bei Rücktritt von Verträgen.
– Abgrenzung zum Familienrecht: insb. „unbenannte Zuwendungen“.
– Abgrenzung zum Schenkungsrecht: §§ 528, 530 ff. BGB.
– Wegfall des rechtlichen Grundes: Anfechtung gem. § 142 BGB als Fall des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB?
3. § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB – Nichterreichung des mit der Leistung verfolgten Zwecks:
– Abgrenzung zu § 313 BGB: „vorausgesetzter“ vs. „vereinbarter“ Zweck.
– Abgrenzung zu § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB – vereinbarter Zweck oder Bedingung i.S.d. § 158 BGB?
– Abgrenzung zu sonstigen Leistungskondiktionen allgemein: Leistungszweck darf nicht (ausschließlich) in der Erfüllung einer Verbindlichkeit liegen.
– Übrig bleibende Fälle: insb. Vorleistungen in Erwartung eines Verhaltens, auf welches kein Anspruch besteht.
– Kein Ausschluss des § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB: § 815 BGB.
4. § 817 S. 1 BGB – Rechts- oder Sittenverstoß bei Leistung:
a. Rechts-/sittenwidriges Handeln gerade des Empfängers (!) der Leistung.
b. Kein Ausschluss der LK nach § 817 S. 2 BGB:
– Ausnahme § 242 BGB (z.B. Schwarzarbeiterfall).
– Anwendbarkeit des § 817 S. 2 BGB auch auf konkurrierende (insb.: dingliche) Ansprüche?
III. Nichtleistungskondiktionen (NLK):
1. § 816 Abs. 1 S. 1 BGB – entgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten:
– Verfügung: nur rechtsgeschäftlich (keine ZV), ggf. Ausnahme aus Wertungsgesichtspunkten bei Einbaufällen; nicht: schuldrechtliche Geschäfte (str. bei Vermietung/Verpachtung).
– Nichtberechtigter (auch bei nachträglicher Genehmigung des Berechtigten!).
– Wirksamkeit der Verfügung (z.B. §§ 932 ff. BGB, aber auch nachträgliche Genehmigung).
– gegen Entgelt (Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB).
2. § 816 Abs. 1 S. 2 BGB – unentgeltliche Verfügung eines Nichtberechtigten:
– Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB: kein Entgelt; Probleme: gemischte Schenkung, rechtsgrundloser Erwerb.
– Rechtsfolge: Zugriff auf Dritten möglich!
3. § 816 Abs. 2 BGB – wirksame Leistungsentgegennahme eines Nichtberechtigten:
– Leistungsbewirkung an Nichtberechtigten; spezielles Problem: verlängerter Eigentumsvorbehalt bei Kreditvergabe ohne dingliche Verzichtsklausel („Vertragsbruchtheorie“), entsprechende Behandlung von Factoring?
– dem Berechtigten ggü. wirksam: insb. aufgrund Genehmigung oder Gesetz (z.B. §§ 406 ff., 893, 2367 BGB, §§ 25 ff. HGB).
4. § 822 BGB – unentgeltliche Verfügung eines rechtsgrundlos Berechtigten:
– kein Rechtsgrund für ursprünglichen Leistungsempfänger.
– allerdings im Unterschied zu § 816 Abs. 1 S. 2 BGB wirksame anschließende Verfügung an einen Dritten.
– Unentgeltlichkeit (wiederum Probleme: gemischte Schenkung, rechtsgrundloser Erwerb).
– Ausschluss des Anspruchs gegen ursprünglichen Leistungsempfänger (= Subsidiarität des Anspruchs nach § 822 BGB): nur rechtliche (§ 818 Abs. 3 BGB), nicht faktische Hinderungsgründe (z.B. Insolvenz) ausreichend (str.).
– Rechtsfolge: Zugriff auf Dritten möglich!
5. § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB – allgemeine Nichtleistungskondiktion:
a. Anwendbarkeit:
– keine Leistungsbeziehung bzgl. desselben Bereicherungsgegenstandes (z.B. „Jungbullenfall“: Differenzierung zw. Besitz und Eigentum) – Vorrang der LK (s. bereits oben II. 1. b. zur Abgrenzung in Drei-Personen-Verhältnissen).
– Ausnahme z.B. bei Bösgläubigkeit des Leistungsempfängers (vgl. gesetzliche Wertung des § 932 Abs. 2 BGB) bei unentgeltlicher Leistung (vgl. gesetzliche Wertung der §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 BGB), bei keiner oder nicht zurechenbarer (Minderjähriger!) Veranlassung eines Dritten zur Leistung an den Bereicherungsschuldner (Anweisungsfälle).
b. Arten der allgemeinen NLK:
– Eingriffsfälle: Beeinträchtigung des „Zuweisungsgehalts“ an einem Bereicherungsgegenstand durch Verhalten eines Dritten.
– Verwendungsfälle: Bereicherungsgläubiger selbst mehrt unbewusst (ansonsten: LK) fremdes Vermögen.
– Rückgriffsfälle, aber: Vorrang sonstiger Anspruchsgrundlagen auf Rückgriff, insb. cessio legis, Gesamtschuldnerausgleich (§ 426 Abs. 1 BGB), Auftragsrecht (§ 670 BGB), GoA (§§ 683, 684 BGB). Bei Anwendbarkeit des § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 BGB jedenfalls analoge Anwendung der §§ 404 ff. BGB beachten.
c. Ohne Rechtsgrund:
– Insb.: §§ 879, 937 BGB als Rechtsgrund?
C. Rechtsfolge: §§ 818 ff.
I. Bestimmung des Erlangten, § 818 Abs. 1 BGB:
– auch Nutzungen und Surrogate (aber: nicht rechtsgeschäftliches Surrogat wie bei § 285 BGB!).
– Herausgabe (nur) des Kondiktionsanspruchs bei „Doppelmangel“?
II. Bei fehlender Herausgabemöglichkeit: Wertersatz, § 818 Abs. 2 BGB:
– grds. objektiver Wert.
– Ausnahme nach h.M. bei § 816 Abs. 1 S. 1 BGB: Gewinn als unmittelbarer Bereicherungsgegenstand i.S.d. § 818 Abs. 1 BGB, nicht Befreiung von einer Verbindlichkeit (…für welche dann nur nach § 818 Abs. 2 BGB objektiver Wertersatz zu leisten wäre), str.
– subjektive, nicht objektive Bestimmung des Wertersatzes bei „aufgedrängter Bereicherung“.
III. Wegfall der Bereicherung, § 818 Abs. 3 BGB:
1. Abzugsfähigkeit von Nachteilen:
– nur solche Aufwendungen, die im Vertrauen auf die Beständigkeit des Erwerbs getätigt wurden (h.M.).
– Kein Abzug des Kaufpreises in Konstellationen des § 816 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn Bereicherungsschuldner Gegenstand seinerseits vom Nichtberechtigen entgeltlich erworben hat und nur seine eigene Verfügung (insb. durch Genehmigung seitens des Berechtigten) wirksam ist (Parallelwertung zu §§ 985, 992 ff. BGB – § 816 Abs. 1 S. 1 BGB als „Rechtsfortwirkungsanspruch“).
2. Problem Luxusaufwendungen
3. Besonderheiten bei (beabsichtigten) gegenseitige Verträgen:
– Saldotheorie vs. Zweikondiktionenlehre.
– Ausnahmen von der Saldotheorie (insb. arglistige Täuschung, Minderjährigkeit eines Bereicherungspartners, [hypothetische] vertragliche Risikoverteilung, etwa bei Verschlechterung einer Kaufsache aufgrund Mangels, den der Verkäufer bei Wirksamkeit des Kaufvertrages zu beheben hätte).
IV. Haftungsverschärfung:
– § 818 Abs. 4 BGB
– § 819 BGB – problematisch bei Minderjährigen: Kenntnis der Eltern entscheidend?
– § 820 BGB
– Rechtsfolge: Anwendbarkeit z.B. der § 285 (str.), § 291, § 292 i.V.m. §§ 987 ff. BGB.
Im Rahmen einer zivilrechtlichen Klausur, die Ansprüche auf Herausgabe beinhaltet, muss sich der Kandidat darüber im Klaren sein, dass in der gutachterlichen Prüfung mehr als nur eine Anspruchsgrundlage zu prüfen sein wird. Im Eifer des Gefechts neigt man manchmal dazu, nach Bejahen eines vertraglichen oder dinglichen Herausgabeanspruchs die Prüfung vorschnell zu beenden. Aus diesem Grund soll dieses Schema – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – helfen, einen Überblick über die möglichen Herausgabeansprüche zu bekommen. Selbstverständlich muss man nicht alle Anspruchsgrundlagen im Schlaf hintereinander aufsagen können. Gleichwohl hilft es sich der Systematik bewusst zu sein und insbesondere auch spezielle Herausgabe- sowie die Gesamtansprüche im Auge zu behalten.
I. Vertragliche Herausgabeansprüche
- Rückgabepflicht nach Vertragsbeendigung
- Rückgabepflicht der Rückabwicklung, §§ 346 ff. BGB
- Herausgabeanspruch auf das stellvertretende commodum, § 285 Abs. 1 BGB
- § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 249 Abs. 1 BGB
II. Vertragsähnliche Herausgabeansprüche
- §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 249 BGB
- Herausgabeansprüche aus echter und unechter GoA
III. Sachenrechtliche Herausgabeansprüche
- § 985 BGB
- Vindikation anderer dinglicher Berechtigter (etwa §§ 1227, 985 BGB für den Pfandrechtsinhaber)
- Ansprüche aus Besitz (§§ 861, 1007 Abs. 1, Abs. 2 BGB)
IV. Herausgabeansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung
- § 812 Abs. 1 Alt. 1 BGB
- § 812 Abs. 1 Alt. 2 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 1 BGB
- § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB
- § 817 S. 1 BGB
- § 816 Abs. 1 S. 1 BGB
- § 816 Abs. 1 S. 2 BGB
- § 816 Abs. 2 BGB
- § 822 BGB
V. Herausgabeansprüche aus unerlaubter Handlung
- § 823 Abs. 1 i.V.m. § 249 BGB
- § 823 Abs. 2 i.V.m. StGB, § 858 BGB oder anderen Schutzgesetzen
- § 826 i.V.m. § 249 BGB
VI. Spezielle Herausgabeansprüche
- Vollmachtsurkunde, § 175 BGB
- Schuldschein, § 371 BGB
- Erbschein, § 2362 BGB
VII. Gesamtansprüche auf Herausgabe von Sondervermögen
- Herausgabeanspruch des Kindes bei Ende der elterlichen Sorge, § 1698 Abs. 1 BGB
- Herausgabeanspruch nach Ende der Vormundschaft bzw. Betreuung, § 1890 bzw. § 1908i BGB
- Herausgabeanspruch des Nacherben gegen den Vorerben, § 2130 Abs. 1 BGB
- Erbschaftsanspruch, § 2018 BGB
In einer kürzlich ergangenen Entscheidung (Az. XI ZR 320/09 – Urteil vom 01.03.2011) befasst sich der BGH mit den Voraussetzungen der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung im Drei-Personen-Verhältnis. Konkret geht es um die Frage, wann die konkludente Genehmigung einer Lastschrifteinzugsermächtigung durch den Anweisenden angenommen werden kann und wie sich dies auf einen Bereicherungsanspruch der angewiesenen Bank gegen den Empfänger der Leistung auswirkt. Bereicherungsrechtliche Fragen im Rahmen sog. Anweisungsfälle sind regelmäßig beliebter Prüfungsstoff in Examensklausuren.
Sachverhalt
Autohändler S unterhält ein Kontokorrentkonto bei der Bank K. Bei Eröffnung des Kontos wurde zwischen S und K u.a. Folgendes festgelegt:
Bedingungen für Zahlungen mittels Lastschrift im Einzugsermächtigungsverfahren
[…] 2.4
Die Autorisierung der Zahlung durch den Kunden erfolgt nachträglich über die Genehmigung der entsprechenden Lastschriftbelastungsbuchung auf seinem Konto. Hat der Kunde eine Belastungsbuchung aus einer Lastschrift, für die er dem Zahlungsempfänger eine Einzugsermächtigung erteilt hat, nicht schon genehmigt, so hat er Einwendungen gegen diese im Saldo des nächsten Rechnungsabschlusses enthaltene Belastungs- buchung spätestens vor Ablauf von sechs Wochen nach Zugang des Rechnungsabschlusses zu erheben. Macht er seine Einwendungen schriftlich geltend, genügt die Absendung innerhalb der Sechs-Wochen-Frist. Das Unterlassen rechtzeitiger Einwendungen gilt als Genehmigung der Belastung.
[…]
Seit einiger Zeit läuft es bei S wegen der schlechten Auftragslage schlecht, sodass er kaum noch seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann. Am 15. April 2004 wird durch die Bank B einer gesetzlichen Krankenkasse im Einzugsermächtigungslastschriftverfahren der regelmäßig zu entrichtende Beitrag in Höhe von 2000 Euro vom Konto des S abgebucht. Ein Widerspruch des S diesbezüglich erfolgt nicht. Bereits am 18. Mai 2004 wird die vorläufige Insolvenzverwaltung über das Vermögen des S angeordnet und ein vorläufiger Insolvenzverwalter I mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. I macht sogleich geltend, dass er allen bis dahin nicht genehmigten Lastschrifteinzügen nicht zustimme.
Daraufhin schreibt K dem Konto des S den zuvor abgebuchten Betrag wieder gut und verlangt von B die Erstattung der 2000 Euro. Als Begründung führt K an, eine Zustimmung des S zur Lastschrifteinzugsermächtigung habe zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Demnach sei die Zahlung der 2000 Euro unwirksam gewesen. Jedenfalls habe sie, K, nur deswegen den Betrag auf das Konto des S zurückgebucht, da sie von dem Fehlen der Genehmigung aufgrund der Äußerungen des I fest ausgegangen sei. .
Hat K einen Anspruch gegen B auf Erstattung der 2000 Euro aus § 812 Abs.1 S.1 2.Alt BGB?
Ungenehmigte Belastungsbuchungen sind nicht insolvenzfest
Der BGH zu der Frage, ob eine Belastungsbuchung von der Insolvenzmasse und damit vom Zugriff des Insolvenzverwalters ausgenommen ist:
Rechtsfehlerfrei geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass auf der Grundlage der für die streitige Lastschrift geltenden Genehmigungstheorie die im Einzugsermächtigungsverfahren erfolgte Lastschriftbuchung vor der Genehmigung durch den Schuldner nicht insolvenzfest war. Wenngleich ein vorläufiger Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt Belastungsbuchungen nicht aus eigenem Recht genehmigen kann, so ist er doch in der Lage, die Genehmigung des Schuldners und den Eintritt der Genehmigungsfiktion zu verhindern, indem er solchen Belastungsbuchungen widerspricht, die noch nicht genehmigt sind.
Konkludente Genehmigung bei wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen
Mit Verweis auf die aktuelle Rechtsprechung des BGH wird klargestellt, dass an eine konkludente Genehmigung in Fällen wiederkehrender Zahlungen im Rahmen des Geschäftsverkehrs keine zu hohen Anforderungen gestellt werden dürfen. Dies trägt gerade dem Zweck der Lastschrifteinzugsermächtigung Rechnung, die eine unkomplizierte Abwicklung von Zahlungsverbindlichkeiten gewährleisten soll.
Eine konkludente Genehmigung kommt nach der neueren, nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs insbesondere dann in Betracht, wenn es sich für die Zahlstelle erkennbar um regelmäßig wiederkehrende Lastschriften aus Dauerschuldverhältnissen, laufenden Geschäftsbeziehungen oder zum Einzug von wiederkehrenden Steuervorauszahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen handelt. Erhebt der Schuldner in Kenntnis eines erneuten Lastschrifteinzugs, der sich im Rahmen des bereits genehmigten bewegt, gegen diesen nach einer angemessenen Überlegungsfrist keine Einwendungen, so kann auf Seiten der Zahlstelle die berechtigte Erwartung entstehen, auch diese Belastungsbuchung solle Bestand haben. Eine solche Annahme ist vor allem deshalb gerechtfertigt, weil die Zahlstelle beim Einzugsermächtigungsverfahren in der derzeitigen rechtlichen Ausgestaltung zwar einerseits – für den Kontoinhaber erkennbar – auf seine rechts- geschäftliche Genehmigungserklärung angewiesen ist, um die Buchung wirksam werden zu lassen, das Verfahren aber andererseits darauf ausgelegt ist, dass der Kontoinhaber keine ausdrückliche Erklärung abgibt. In einer solchen Situation sind an eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Konto – wie hier – im unternehmerischen Geschäftsverkehr geführt wird. In diesem Fall kann die Zahlstelle damit rechnen, dass die Kontobewegungen zeitnah nachvollzogen und überprüft werden.
So auch im konkreten Fall. Bei dem Krankenkassenbeitrag handelt es sich um eine regelmäßig wiederkehrende Leistungsverpflichtung. S hat der Abbuchung nicht widersprochen, sodass von einer konkludenten Genehmigung auszugehen war.
Objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden maßgeblich
Fraglich könnte sein, ob die K von dem Fehlen einer Genehmigung deswegen ausgehen konnte, weil der Insolvenzverwalter die Abbuchung seinerseits für nicht genehmigt gehalten hat und dementsprechend eine Rückbuchung durch die K erfolgt ist. Der BGH verneint das und stellt allein auf das erkennbare Verhalten des Erklärenden ab.
Entscheidend ist auch bei einer konkludenten Genehmigung der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungswert des Verhaltens des Erklärenden (vgl. Palandt/Ellenberger, BGB, 70. Aufl., § 133 Rn. 9, 11 mwN). Bei Vorliegen der oben (unter 2. a) genannten Umstände liegt daher eine konkludente Genehmigung des Kontoinhabers unabhängig davon vor, ob die kontoführende Bank subjektiv von einer Genehmigung ausgegangen ist oder nicht.
Keine Direktkondiktion bei wirksamer Anweisung
Da die Voraussetzungen einer konkludenten Genehmigung erfüllt waren (s.o), handelt es sich um eine wirksame Anweisung des S an die K, an B zu zahlen. Mithin hat S seine Verbindlichkeit gegenüber der Krankenkasse erfüllt, die Leistung war wirksam. Es gelten die allgemeinen Regeln im bereicherungsrechtlichen Drei-Personen-Verhältnis: Die Rückabwicklung erfolgt ausschließlich innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse. Daran ändert auch die Versagung der Genehmigung durch den Insolvenzverwalter nichts.
In diesem Fall liegt eine wirksame Anweisung des Schuldners vor, so dass für einen unmittelbaren Bereicherungsanspruch außerhalb der Leistungsverhältnisse die dogmatische Grundlage fehlt. Der Bereicherungsausgleich vollzieht sich daher in diesem Fall entsprechend den allgemeinen Grundsätzen innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse. Hat der Schuldner die Lastschriftbuchung vor Bestellung des vorläufigen Insolvenzverwalters mit Zustimmungsvorbehalt genehmigt, geht dessen Versagung der Genehmigung ins Leere. In diesem Fall ist im Deckungsverhältnis bereits vor Bestellung des Insolvenzverwalters der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin in Höhe des Lastschriftbetrages entstanden und die von ihr vorgenommene Belastungsbuchung des Schuldnerkontos mit Rechtsgrund erfolgt. Indem die Klägerin den Lastschriftbetrag dem Konto wieder gutschrieb, wollte sie ihrer girovertraglichen Pflicht zur Kontoberichtigung nachkommen, die aber wegen der zuvor konkludent erteilten Genehmigung nicht bestand. Sollte die Klägerin mit der Gutbuchung des Lastschriftbetrages auf dem Schuldnerkonto lediglich ein bei ihr bestehendes Debet des Schuldners zurückgeführt haben, so ist dadurch kein Auszahlungsanspruch des Insolvenzverwalters entstanden. Dann kann sie im Wege der Berichtigung das Debet wieder auf die ursprüngliche Höhe setzen und ihren Darlehensrückzahlungsanspruch in ursprünglicher Höhe im Insolvenzverfahren weiterverfolgen. Hat die Klägerin demgegenüber nicht lediglich das Debet auf dem Schuldnerkonto zurückgeführt, sondern tatsächlich Auszahlungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter vorgenommen, so muss sie ihren Bereicherungsanspruch im Insolvenzverfahren geltend machen.
Fazit
K muss sich wegen seines Zahlungsbegehrens an S halten. Der Fall verdeutlicht gut die Funktionsweise der Rückabwicklung im Bereicherungsrecht bei drei Personen: Handelt es sich bei der Zahlung des Angewiesenen um eine wirksame Leistung des Anweisenden an den Dritten, so gilt der der Grundsatz der Subsidiarität der Nichtleistungskondiktion. Die Rückabwicklung erfolgt dann stets innerhalb der jeweiligen Leistungsverhältnisse, eine Direktkondiktion im Wege der Eingriffskondiktion des Angewiesenen gegen den Bereicherten ist nur in Ausnahmefällen möglich. Grundgedanke dieser Regelung ist zum einen, dass die (rechtsgrundlosen) Vermögensverschiebungen weitestgehend so rückgängig gemacht werden sollen, wie sie ursprünglich von Statten gegangen sind, um die Wiederherstellung der korrekten Güterzuordnung transparent zu halten. Zum anderen soll ein Bereicherungsschuldner nicht unerwartet Ansprüchen eines völlig unbekannten Bereicherungsgläubiger ausgesetzt sein. Ausgangspunkt ist bei der Prüfung immer, ob zwischen Anweisenden und dem Dritten ein Leistungsverhältnis vorliegt. In diesem Zusammenhang sollte auch ein Blick in die §§ 675c ff. BGB geworfen werden, welche bereits im Examen in NRW (z.B. November 2010) abgeprüft wurden.
Der kurze Abstecher ins Insolvenzrecht sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Entscheidung hervorragend als Aufhänger für eine Examensklausur eignet.
Der 5. Zivilsenat hat am 5.6.2009 (V ZR 144/08) entschieden, dass unbefugt auf fremden Grundstücken abgestellte Kraftfahrzeuge abgeschleppt werden dürfen und nur gegen Bezahlung der Abschleppkosten herausgegeben werden müssen.
Sachverhalt
Dem Beklagten gehört ein Grundstück, das als Parkplatz für mehrere Einkaufsmärkte genutzt wird. Auf diese Zweckbestimmung wird auf Schildern hingewiesen, ebenso darauf, dass widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge kostenpflichtig abgeschleppt werden. Am 20. April 2007 stellte der Kläger seinen PKW unbefugt auf dem Parkplatz ab. Zwischen 19.00 Uhr und 19.15 Uhr wurde sein Fahrzeug von einem Unternehmer abgeschleppt, der aufgrund Vertrages mit dem Beklagten beauftragt ist, die Nutzung des Parkplatzes zu kontrollieren und – unter bestimmten Voraussetzungen – widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge zu entfernen. Der Vertrag regelt auch die Höhe der Abschleppkosten. Der Kläger löste das Fahrzeug gegen Bezahlung der Abschleppkosten (150 €) sowie sog. Inkassokosten (15 €) aus und nimmt mit der vorliegenden Klage den Beklagten auf Erstattung der Kosten in Anspruch. Amts- und Landgericht haben die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, unter welchen Voraussetzung dem Besitzer bei unbefugt abgestellten Fahrzeugen ein Selbsthilferecht zusteht und ob er die Wahrnehmung der damit verbundenen Maßnahmen einem Abschleppunternehmen übertragen darf.
Entscheidung
Der BGH hat beide Fragen bejaht und die Revision des Klägers insoweit zurückgewiesen. Er hat zunächst klar gestellt, dass der Rückzahlungsanspruch nur unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (§ 812 BGB) begründet sein könne. Das setze voraus, dass der Beklagte kein Recht zum Abschleppen des Fahrzeugs gehabt habe und der Kläger deshalb nicht zur Zahlung der Abschleppkosten verpflichtet gewesen sei. Diese Voraussetzungen hat der Bundesgerichtshof als nicht gegeben angesehen. Er hat das unbefugte Abstellen des Fahrzeugs als Beeinträchtigung des unmittelbaren Besitzes des Beklagten an der Parkplatzfläche und damit als verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) qualifiziert. Zur Beseitigung der Beeinträchtigung habe der Beklagte sofort sein ihm von dem Gesetz gewährtes Selbsthilferecht (§ 859 BGB) ausüben dürfen. Dieses gelte zwar nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht schrankenlos, habe aber hier – auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit – keiner Einschränkung unterlegen. Selbst wenn auf dem Gelände andere Parkplätze frei gewesen seien, stünde das der Befugnis des Beklagten zum Abschleppen nicht entgegen. Denn der unmittelbare Grundstücksbesitzer könne sich der verbotenen Eigenmacht unabhängig davon erwehren, welches räumliche Ausmaß sie habe und ob sie die Nutzungsmöglichkeit von ihr nicht betroffener Grundstücksteile unberührt lasse. Dieses Recht habe der Beklagte nicht anders als durch Abschleppen durchsetzen können. Dass er sich dafür des Abschleppunternehmens bedient habe, sei grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Dies gelte hier umso mehr, als die zwischen dem Beklagten und dem Abschleppunternehmen getroffene Vereinbarung von dem Bestreben gekennzeichnet sei, rechtsmissbräuchliche Abschleppvorgänge, die z. B. auf bloßer Gewinnsucht des Abschleppunternehmens beruhten, zu verhindern. Deshalb sei der Kläger zur Bezahlung der Abschleppkosten an den Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes verpflichtet gewesen.
Den Anspruch des Klägers auf Rückzahlung der Inkassokosten hat der Bundesgerichtshof im Gegensatz zu den Vorinstanzen für begründet gehalten, weil der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt diese Kosten habe zahlen müssen.
Examensrelevanz
Bei dieser Entscheidung des BGH handelt es um einen äußerst examensrelevanten Fall – sowohl für die Klausuren als auch für die mündliche Prüfung. In Hessen kam dieser Fall in den Examensklausuren im Juli dran.
Lesehinweise
Aktuell: JuS 2009 Heft 8 Seiten 711 u. 762